Protocol of the Session on April 29, 2004

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, FDP und SSW und vereinzelt bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache.

Gehe ich richtig in der Annahme, dass der fraktionsübergreifende Antrag „Neue Partner und Nachbarn willkommen“ heute in der Sache abgestimmt werden soll? - Wer diesem Antrag Drucksache 15/3414 - „Neue Partner und Nachbarn willkommen“ - seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit hat der Schleswig-Holsteinische Landtag einstimmig so beschlossen. Der Tagesordnungspunkt 29 ist damit erledigt.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich bekannt geben: Der Tagesordnungspunkt 41 ist von der Tagesordnung abgesetzt und übereinstimmend für die nächste Tagung im Mai vorgesehen. Darüber hinaus möchte die Gelegenheit nutzen, die Vorsitzende des Hauptausschusses des Kreistages von Ostholstein, Frau Elisabeth Pier, hier im Landtag zu begrüßen.

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf:

Bekämpfung der Internetkriminalität

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/3373

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion der CDU hat der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, unser Kollege Thorsten Geißler.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Internet hat die Wissens- und Kommunikationsgesellschaft revolutioniert. Nie war es so einfach und in so kurzer Zeit möglich, sich Informationen zu verschaffen und diese zu verbreiten. Nie war es so einfach, weltweit zu kommunizieren. Für jede demokratische Gesellschaft ist dies ein großer Fortschritt. Das Internet aber ist auch der Alptraum jedes Diktators. Nicht umsonst unternehmen autoritäre Staaten umfangreiche Bemühungen, um ihren Bürgern den Zugang zum Internet zu verwehren oder aber Nutzungsmöglichkeiten einzuschränken. Leider gilt dies auch für Staaten, in denen ansonsten hoffnungsvolle Zeichen einer Öffnung und Demokratisierung vorhanden sind. Gerade haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass in China in den letzten Wochen mehrere Tausend Internet-Cafés auf staatliche Anordnung

(Thorsten Geißler)

geschlossen worden sind. Darüber werden wir mit unseren chinesischen Freunden sprechen müssen.

(Vereinzelter Beifall)

Die ganz überwiegende Anzahl der Nutzer des Internets verhält sich rechtstreu. Ich hatte Gelegenheit, bei einer Anhörung zum Telekommunikationsgesetz in Berlin teilnehmen zu dürfen. Einer der Provider nannte mir folgende Zahlen: Er bekomme 75 Millionen Verbindungsdaten pro Tag. Wenn man die über einen Zeitraum von sechs Monaten archivieren, ausdrucken und in Ordner stellen würde, würde sich eine Kette von 1.500 km ergeben. Nur 6 m dieser Aktenbestände würden Daten beinhalten, in denen sich Hinweise für strafbare Handlungen ergeben, also eine kleine Zahl.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Die Internetkriminalität ist aber in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. Im Jahr 2002 wurden über 57.000 Fälle von Computerkriminalität erfasst. Von einem immensen Dunkelfeld ist auszugehen. Dabei reicht die Bandbreite der Delikte von der Verbreitung von Kinderpornographie und extremistischer Propaganda über das betrügerische Anbieten von Waren und Dienstleistungen, den Kreditkartenbetrug und das verbotene Glückspiel bis hin zur unlauteren Werbung, Urheberrechtsverletzung sowie zum illegalen Verkauf von Waffen, Betäubungsmitteln und Medikamenten.

Wir brauchen wirksame Instrumente zu einer Bekämpfung der Computerkriminalität. Dabei dürfen wir nicht vergessen: In der Informationsgesellschaft ist das Telekommunikationsgeheimnis ein zentrales Grundrecht, das nicht nur das Individualinteresse, sondern auch das Gemeinwohl schützt. Manche Vorschläge schießen ohne Zweifel über das Ziel hinaus. Aber Gott sei Dank gibt es auch Vorschläge, die konstruktiv sind. Ich zitiere aus dem Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion „Mehr Wettbewerb, Wachstum und Innovation an Telekommunikation schaffen" vom Januar 2004:

„Eine generelle und undifferenzierte Vorratsspeicherung von Verkehrsdaten ist aus Datenschutzgründen - Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit - sowie der Beschränkung der weiteren Verwendung auf wenige begründbare und nachvollziehbare Einzelfälle bedenklich und würde darüber hinaus zu einer unverhältnismäßigen finanziellen Belastung der Telekommunikationsunternehmen führen."

Meine Damen und Herren, ich bin sehr gespannt auf den Beitrag der Landesregierung, denn der Herr In

nenminister hat noch vor wenigen Wochen die Nutzung von Internetdaten, den Zugriff auf Providerdaten gefordert. Nun habe ich mir einmal die Protokolle des Bundesrates angesehen. Was hat SchleswigHolstein bei der entscheidenden Abstimmung im Bundesrat gemacht? - Es hat sich der Stimme enthalten.

(Martin Kayenburg [CDU]: Hört, Hört!)

Das ist mir zu wenig. Ich will wissen: Was will die Landesregierung in dieser wichtigen Frage?

(Beifall bei der CDU)

Denn Veränderungsbedarf gibt es durchaus. Das sagen auch Datenschützer. Wenn im Internet verdachtsunabhängige oder auch begründete Kontrollen stattfinden und sich der Verdacht ergibt, dass Straftaten geplant und durchgeführt werden, müssen vorhandene Daten gesichert werden und es muss ein schneller Zugriff auf zukünftige Daten erfolgen. Das ist nicht zuletzt aufgrund der Flüchtigkeit von Internetdaten von großer Bedeutung. Oft geht es um Sekunden oder Minuten. Nach der gegenwärtigen Rechtslage ist dies nur nach richterlicher Anordnung möglich, bei Gefahr in Verzug durch die Staatsanwaltschaft. Wenn es um Sekunden und Minuten geht, ist das häufig ein zu großer Aufwand und macht eine effektive Strafverfolgung und Verhinderung künftiger Straftaten nicht möglich.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Völliger Quatsch!)

- Das ist kein Quatsch, Herr Kollege Kubicki. Darüber habe ich mich mit Polizisten und Datenschützern intensiv unterhalten. Sie haben das beide bestätigt. Das wird sich im Rahmen der Anhörung auch bestätigen, wenn wir sie denn durchführen werden.

(Beifall bei der CDU - Zuruf des Abgeordne- ten Wolfgang Kubicki [FDP])

Durch unseren Antrag würde eine umgehende Datensicherung ermöglicht. Die Auswertung wäre der richterlichen Anordnung vorbehalten. Im angelsächsischen Sprachraum firmiert dieses Instrument unter der Bezeichnung „Quick freeze fast thaw", schnelles Einfrieren, zügiges Auftauen.

Wir müssen darüber hinaus den Deliktkatalog des § 100 a Strafprozessordnung um einige schwere Straftaten ergänzen, die gerade bei der Bekämpfung der Internetkriminalität eine Rolle spielen. All dies tun wir in einer verfassungsrechtlich einwandfreien und datenschutzgerechten Form. Das werden die Datenschutzbeauftragten in einer Anhörung bestätigen. Wir wahren das Recht auf Anonymität all derje

(Thorsten Geißler)

nigen, die das Internet rechtstreu nutzen und keinen Verdacht auslösen. Zugleich ermöglichen wir ein zielgerichtetes und schnelles Vorgehen gegen Personen, die sich dem Verdacht ausgesetzt haben, das Internet für kriminelle Zwecke zu missbrauchen. Eine vergleichbare Regelung gibt es bei uns bereits im Wertpapierhandelsgesetz. Sie ist gleichermaßen von Strafverfolgern wie von Datenschützern begrüßt worden.

Terrorismus und Kriminalität bedrohen unsere offene und freiheitliche Gesellschaft. Wir müssen die Waffen des Rechtsstaates zur Bekämpfung dieser Übel beständig verbessern und schärfen. Aber wir müssen dies auf eine Weise tun, die den Freiheitsraum der rechtstreuen Bevölkerung nicht unangemessen einschränkt. Das sind schwierige Abwägungsentscheidungen. Wir tragen diesen Gesichtspunkten in unserem Antrag beidermaßen Rechnung. Daher bitte ich Sie alle sehr herzlich um Unterstützung für unsere Initiative.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Thomas Rother. - Ich möchte darauf hinweisen: Dies war der letzte offizielle Redebeitrag des Kollegen Geißler hier im Parlament.

(Beifall im ganzen Haus)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Thorsten Geißler, erst einmal möchte ich mich für Ihre Positionierung in vielen Debatten zum Thema „Datenschutz“ bedanken. Die Unterschiede in dieser Frage waren in der Vergangenheit zwischen unseren Fraktionen nicht allzu groß. Ich hoffe, dass mit oder trotz Ihrem Ausscheiden aus dem Landtag der Datenschutz auch weiterhin in der CDU-Fraktion Gehör finden wird.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Nichtsdestotrotz natürlich ein paar kritische Anmerkungen zum CDU-Antrag und vor allen Dingen auch für das Hineingemuse von etwas, was in dem Antrag gar nicht drinsteht, nämlich der Bezug auf die Diskussion über das Telekommunikationsgesetz im Bundesrat. Das habe ich in dem Antrag nicht wieder gefunden; die Vorratsdatenspeicherung, sechs Monate, die sogar im Entwurf der Bundesregierung mit drin ist, ist gar nicht Gegenstand des Antrages. Das sollte deshalb auch aus der Debatte herausgehalten

werden. Das werden wir sicherlich im Zuge der Diskussion der Vorschläge der Innenministerkonferenz, der Vorschläge, die auch Innenminister Buß gemacht hat, im Innen- und Rechtsausschuss tun. Das steht hier aber so nicht drin.

Der vorliegende Antrag der CDU-Fraktion will eine Erweiterung des Straftatenkatalogs, für den eine Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation angeordnet werden darf, wenn ein entsprechender Anfangsverdacht begründet wird. Diese Ergänzung erscheint auf den ersten Blick sinnvoll. Damit soll eine Anpassung der Strafprozessordnung an die technologische Realität erfolgen. Herr Geißler hat versucht, das zu begründen. Allerdings ist Telekommunikation nicht nur Internet, das kann man auch über das Fax-Gerät, über das Telefon machen. Alle diese Möglichkeiten sind in § 100 a der Strafprozessordnung zusammengefasst.

Es ist also sinnvoll, wenn wir im Innen- und Rechtsausschuss auch die Aussagen und den Sachverstand von Kriminologen heranziehen würden, um hier tatsächlich eine qualifizierte Auswahl für eine Bundesratsinitiative, die dann möglich werden könnte, treffen zu können. Diese Initiative sollte den Anforderungen einer wirksamen Strafverfolgung entsprechen, ein reiner Wunschzettel reicht hierfür nicht aus.

Dabei muss natürlich auch der Umfang des Grundrechtseingriffs durch eine solche Regelung vor Augen geführt werden. Außerdem darf man natürlich nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Man muss schauen, ob das wirklich relevant ist bei den hier aufgeführten Straftaten, eine solche Änderung vorzunehmen, oder ob man da nicht einmal ganz andere Dinge ins Visier nehmen müsste.

Ebenso sind die Stellungnahmen von Praktikern erforderlich, inwieweit die Polizei die Anordnung der Speicherung der Verbindungsdaten treffen sollte. Nach § 100 b der Strafprozessordnung darf das ja jetzt nur durch den Richter oder bei Gefahr in Verzug durch den Staatsanwalt angeordnet werden. Da sind wir bei einem Thema, das wir auch schon bei der Durchführung der DNA-Analyse hier diskutiert haben, das hier eine Rolle spielt, nämlich inwieweit von dem Richtervorbehalt abgewichen werden sollte oder ob man das Verfahren effektiver gestalten kann.

Ich denke, bei der letzten Möglichkeit werden wir uns sicherlich ein Stück näher kommen. Oder wollen Sie eine Differenzierung von der Erhebung von Verbindungsdaten, also wer wann und wie viel an Daten übermittelt hat und der Aufzeichnung der Inhalte? Soll das getrennt werden? Das wird aus dem Antrag alles nicht so klar. Der Antrag ist dort nicht so fürch

(Thomas Rother)

terlich präzise und es ist einiges an Sortierarbeit aus unserer Sicht notwendig, um aus diesem Antrag noch etwas Sinnvolles zusammenzubasteln. Wir brauchen uns an dieser Stelle aber nicht lange zu zerstreiten. Wir würden den Vorschlag gern im Ausschuss überprüfen und dort zu einer sachlichen Positionsfindung kommen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich möchte diesen Antrag zum Anlass nehmen, um mich im Namen meiner Fraktion vom Kollegen Geißler zu verabschieden. Er macht uns mit diesem Antrag sein Abschiedsgeschenk und stellt sicher, dass wir auch nach seiner aktiven Zeit im Landtag noch über ihn sprechen werden. Kollege Geißler, wir wünschen Ihnen im neuen Amt als Innensenator der Stadt Lübeck alles Gute.

(Beifall)

Das Lob und die Anerkennung kann ich leider nicht auf den Inhalt des Antrages beziehen, bei aller positiven Einschätzung des Kollegen Rother im Vorfeld. Ich formuliere es einmal höflich, lieber Thorsten: Wir stehen dem Anliegen der Union, die Befugnisse der Polizei bezüglich Internetdaten auszuweiten, zurückhaltend gegenüber. Der Antrag ist aus unserer Sicht kognitiv suboptimiert. Ich bin es langsam leid, immer wieder die gleichen Grundsatzreden zu Anträgen aus Wadephuls Law-and-Order-Stübchen, Geißlers Gemischtwarenladen für Sicherheitsbedarf, Lehnerts Boutique für Ordnungsartikel oder Schlies Security-Shop zu halten. Aber es geht wohl nicht anders.