Protocol of the Session on February 19, 2004

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Eines ist allerdings wichtig: Sie alle kennen die faktischen FFH-Gebiete. Diese faktischen Vogelschutzgebiete erkennt die Kommission so lange als solche an, bis die Bundesrepublik abschließend gemeldet hat. Diese werden so lange ein tatsächliches Hindernis sein, bis Schleswig-Holstein und alle anderen Bundesländer in Deutschland die Meldungen abgegeben haben. Diese sind ein wirkliches Hindernis für Innovationen und bestimmte Projekte. Darum ist es ein Anliegen der Landesregierung, dies sowohl um der Natur als auch um der Rechts- und Planungssicherheit der privaten und der öffentlichen Wirtschaft willen abzuschließen.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen, das nicht in Schleswig-Holstein aufgetreten ist. Ich rede von der Hellwegbörde in Nordrhein-Westfalen mit einer Größe von 49.000 ha. Die EU-Kommission hat angekündigt und bewirkt, dass es dort eine Veränderungssperre für die Planung der B 55 gibt. Weil es sich hierbei

(Minister Klaus Müller)

um ein faktisches Vogelschutzgebiet handelt, sind Herr Dr. Horstmann und Frau Höhn - das Verkehrs- und das Umweltministerium Hand in Hand - gerade dabei, die entsprechende Meldung energisch voranzutreiben, um das faktische Vogelschutzgebiet durch ein reales Vogelschutzgebiet zu ersetzen, damit die Planungen für die Straße vorankommen können und sie dort gebaut werden kann.

Warum gibt es hier diese Kontroversen? - Diese liegen vor, weil bestimmte Teile des Parlaments zumindest in der Öffentlichkeit den Vorsorgegedanken bekämpfen. NATURA 2000 ist ein Vorsorgegedanke.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man muss sich im Vorfeld erkundigen und genau austarieren, worum es geht, wenn man ein bestimmtes Projekt durchziehen will. Es geht um Vorsorge. Wir wollen uns vorher Gedanken über die Konsequenzen machen. Dies ist sowohl im Interesse der Natur notwendig als auch gesellschaftlich preiswerter und vernünftiger sowie ökologisch sinnvoller.

Bezüglich der Fragen, die in dem Antrag gestellt worden sind, möchte ich gerne auf Umdruck 15/3871 vom 26. September 2003 verweisen. Das ist eine Vorlage, die der Wirtschaftsminister damals in Abstimmung mit dem Umweltministerium erstellt hat. In ihr sind alle Konsequenzen für Projekte erläutert und Erläuterungen bezüglich der Genehmigungsfähigkeit aufgeführt. Diese ist nach wie vor aktuell. An drei Stellen gibt es Veränderungen bezüglich der Vogelschutzgebiete. Alle Regelungen gelten analog für FFH und den Vogelschutz. Das gilt zum Beispiel auch für die Offshore-Windanlagen, die es im Bereich der Ost- und Nordsee gibt, die A 21-Ostumfahrung Hamburg und die Elektrifizierung eines Teilabschnitts der Eisenbahnstrecke Izehoe-Westerland.

Wir sollten die wirklich spannende Debatte führen, wie man nach einer erfolgreichen Meldung - nach einem zweiten Kabinettsbeschluss - Umweltverträglichkeitsprüfungen im Interesse der Natur in bestehendes Recht integrieren kann. Gleichzeitig sollten wir dazu beitragen, dass diese so unbürokratisch und verwaltungsarm wie irgendwie möglich durchgeführt werden. Das ist meines Erachtens die eigentliche Aufgabe.

Ich würde mir wünschen, dass hier das Miteinander von Umwelt und Wirtschaft nicht aufgekündigt, sondern - dies ist eine gute Tradition in SchleswigHolstein - energisch vorangetrieben wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Martin Kayenburg [CDU]: Das ist doch unglaublich! Das versteht er nicht!)

Ich danke dem Herrn Minister für den Bericht und eröffne die Aussprache. Zunächst erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Garg das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Wohlstand eines Landes hängt davon ab, wie viele Güter und Dienstleistungen mithilfe von Arbeit und Kapital hergestellt und verkauft werden. Soll der Wohlstand wachsen, muss mehr hergestellt und mehr verkauft werden.

(Zuruf der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Land braucht bessere Technik, mehr Kapital und vor allen Dingen mehr Arbeit und weniger „Birk“.

(Beifall und Heiterkeit bei FDP und CDU)

Je schneller die Wirtschaft wächst, desto eher finden arbeitlose Menschen Arbeit und Einkommen für sich und ihre Familie. Selbstverständlich hängt vieles von der Politik ab. Der Staat kann mit guter Politik helfen, er kann aber mit schlechter Politik auch schaden. Blicken wir auf Schleswig-Holstein: Wachstum von Wirtschaft und Beschäftigung - beides Mangelware!

(Vereinzelter Beifall bei FDP und CDU)

2003 ist Schleswig-Holsteins Wirtschaftskraft um 0,6 % geschrumpft. Die Beschäftigung schrumpfte um 1,2 %. Im Westen war nur noch Bremen schlechter. Seit 1991 ist unsere Wirtschaftskraft quälend langsam gewachsen, jährlich gerade mal um 0,92 %.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Präsident, das Thema ist NATURA 2000!)

Wir brauchen aber knapp 2 %, um neue Beschäftigung zu generieren. So ist die Beschäftigung seit 1991 jährlich nur um 0,07 % gewachsen, also eigentlich gar nicht. Immer mehr Menschen, immer weniger Arbeit. Die Arbeitslosigkeit ist auf Rekordniveau gestiegen, auf 148.000 arbeitslose Menschen in Schleswig-Holstein. Und übertragen wir die Erkenntnisse zur verdeckten Arbeitslosigkeit auf Westdeutschland, erhöht sich die Zahl der Arbeitslosen auf 203.000 Menschen. 203.000 Gründe für jede Landesregierung, schnell zu handeln und möglichst viele dieser Tragödien schnell zu beenden.

(Vereinzelter Beifall bei FDP und CDU)

Der Wirtschaftminister hat dies erkannt. Er hat erklärt, Wachstum müsse das neue Ziel der Landesregierung sein. Das hat er ganz heroisch zu Jahresbe

(Dr. Heiner Garg)

ginn erklärt. Das fordern die Liberalen seit Jahren und es freut uns, dass wenigstens Minister Rohwer den Ernst der Lage erkannt hat und auf unseren Vorschlag eingeht.

(Zurufe von der SPD)

Aber er hat nicht mit dem kleinen Koalitionspartner gerechnet. Die Grünen sind zwar für Wachstum, aber nur beim Naturschutz. Und wenn Menschen darunter leiden, ist das den Grünen völlig egal, Hauptsache die „Armleuchteralge“ leuchtet.

(Vereinzelter Beifall bei FDP und CDU - Zu- rufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Schleswig-Holstein als grünes Musterländle. Naturschutzgebiete, so weit das Auge reicht. Ich sage nur: Erst Eiderstedt, dann das ganze Land! Das ist Minister Müllers Vision.

(Widerspruch und Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der SPD: Bitte noch lauter, ich verstehe Sie nicht!)

Sie verträgt sich allerdings nicht mit der Version des Wirtschaftsministers von mehr Wachstum und Arbeit.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Trutz Graf Kerssenbrock [CDU] - Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei Rot-Grün wirkt Grün: Der Umweltminister setzt sich durch - leider und zum Schaden des Landes. Unter dem Deckmantel von EU-Richtlinien benennt er ein Naturschutzgebiet nach dem anderen. Das zieht sofort das Verschlechterungsverbot nach sich und behindert Investitionen für mehr Wachstum und Arbeit. Es zwingt ihn übrigens niemand dazu, auch die EU nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Er erzählt das immer nur, das stimmt aber nicht.

Wenn die Ministerpräsidentin ihren Umweltminister weiter so walten lässt, müssen wir bald Arbeitsplätze unter Naturschutz stellen, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin. Auch damit hat Herr Minister Müller übrigens schon begonnen. Als Erstes hat er nämlich einen Aldi-Markt in Groß-Grönau unter Naturschutz gestellt.

Die Ministerpräsidentin lässt ihren Umweltminister gewähren und sie weiß offensichtlich gar nicht, was er da macht. Ich denke zum Beispiel an die Fehmarnbelt-Querung. Nach Ansicht der Ministerpräsidentin ist das eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte für Schleswig-Holstein. Seit 2001 plant Bundesumweltminister Trittin, im Fehmarnbelt ein Schutzgebiet auszuweisen - selbstverständlich nach Absprache mit

Minister Müller, seinem informellen Mitarbeiter im Kieler Kabinett. So taucht das geplante Schutzgebiet in den Berichten der Landesregierung zur BeltQuerung auch nicht auf, dabei könnte es den Bau im schlimmsten Fall verhindern.

Wir alle wissen jetzt, warum das verborgen blieb. Kürzlich, drei Jahre nach der Ausweisung, erklärte die Ministerpräsidentin, sie habe davon just aus der Zeitung erfahren. Bei Öko-Müller wirkt Grün zunächst im Verborgenen, selbst in der eigenen Koalition.

Die wirtschaftliche Lage Schleswig-Holsteins ist prekär. Wir können es uns nicht länger leisten, dass die Grünen die Chancen der Menschen mit ökologisch wertvollen Stiefeln zertrampeln dürfen. Tausende Arbeitsplätze sind in Gefahr, ob im Lauenburgischen, in Lübeck oder in Brunsbüttel.

Ich fordere die große Regierungspartei SPD auf, auf ihren Wirtschaftsminister zu hören und den grünen Unsinn zu beenden. Keine zusätzlichen grünen Ideologieparks, sondern mehr Wachstum und mehr Arbeit zu schaffen - das brauchen die Menschen in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass hier von den Grünen Umweltschutz systematisch zur Verhinderung wirtschaftlichen Wachstums benutzt wird, dann ist das diese dümmliche Presseerklärung der Hamburger SPD unter der Überschrift „Fliegen, Flora, Habitat“.

(Beifall des Abgeordneten Andreas Beran [SPD] - Glocke des Präsidenten)

Ich zitiere:

„Mit der geplanten Unterschutzstellung des Gebietes in Kaltenkirchen werde der vermeintliche Wahlkampfschlager der CDU nur beendet.“

Das ist der beste Beweis dafür, dass es nicht um Naturschutz geht, sondern um die Verhinderung von mehr Wachstum und Wohlstand.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Nabel das Wort.

(Zurufe von der SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der eifrigen Pressearbeit der FDP-Fraktion zur

(Konrad Nabel)