Erstens. Das Organhandeln muss in Zukunft transparent und nachvollziehbar werden. Dass es nicht transparent und nachvollziehbar war, hat der Staatssekretär selbst zugegeben, weil er nämlich ganz bestimmte Fragen schlicht und ergreifend nicht beantworten konnte.
Zweitens. Es ist eine zusätzliche rechtliche Konkretisierung der Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich die Selbstverwaltungen bewegen dürfen, erforderlich. Wir machen Ihnen einen sehr einfachen und unbürokratischen Vorschlag, indem wir zusätzliche Anforderungen an diese Satzungen stellen. Wir tun dies, um in Zukunft ein willkürliches Handeln dieser Mitglieder mir Organstatus auszuschließen.
Drittens. Eine verbesserte Transparenz und Nachvollziehbarkeit - das sei abschließend gesagt - muss nicht nur für die Mitglieder, sondern auch für die Rechtsaufsicht erreicht werden. Ich sage es ganz deutlich, obwohl der Staatssekretär im Moment nicht hier ist: Bezüglich des Verhaltens der Rechtsaufsicht dieses Landes in dieser Frage gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass sie früher und konkreter hätte einschreiten müssen. Der Staatssekretär ist hierbei anderer Auffassung. Durch die Annahme unseres Antrags würde die Rechtsaufsicht klare Anhaltspunkte dafür erhalten, wann der durch die Selbstverwaltung selbst abgesteckte Spielraum überschritten worden ist. Ein Verstoß gegen die Satzung kann von der Rechtsaufsicht zweifelsfrei festgestellt und entsprechend der vorhandenen Aufsichtsmittel behandelt werden.
Einen Moment, Herr Abgeordneter. - Ich bitte um etwas mehr Ruhe. - Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.
Wir konkretisieren die Mindestanforderungen an die Satzung, weil das Prinzip der Selbstverwaltung so gerade nicht ausgehöhlt, sondern gestärkt wird.
Wenn Sie den konkreten Fall betrachten - beispielsweise die Darlehensvergabe -, dann kommt man, wenn man aus dem Bauch heraus argumentiert, sehr schnell zu der Meinung, man müsse das eigentlich verbieten. Das ist aber Unsinn. Solange wir eine Selbstverwaltung haben, können wir das nicht einfach verbieten. Man muss dieses Organ nutzen und die
Selbstverwaltung durch eine entsprechende Konkretisierung stärken, sodass in Zukunft Missbrauch weitgehend ausgeschlossen werden kann.
So kann sichergestellt werden, dass die Vergabe von finanziellen Zuwendungen, Vorschüssen, Nebenleistungen und Darlehen an Organmitglieder, an Vorstands- und Verwaltungsratsmitglieder, innerhalb der Selbstverwaltung in Art, Umfang und Höhe eindeutig geregelt wird. Gleichzeitig definieren wir mit unserem Vorschlag einen Rahmen, innerhalb dessen sich die Organe künftig diesbezüglich bewegen dürfen. Die Rechtsaufsicht erhält klare Anhaltspunkte und eine Handlungsanweisung dafür, wann und in welchen Fällen sie einzuschreiten hat.
Darüber hinaus soll diese Regelung auch dazu beitragen - das ist ein ganz wichtiger Punkt -, dass das Vertrauen der Mitglieder in die Selbstverwaltung gestärkt wird. Wer sich heute die Reaktionen der Mitglieder dieser gesetzlichen Krankenkasse anschaut - sie treten reihenweise aus - und bedenkt, dass auch die Mitarbeiter hochgradig darüber verunsichert sind, was in ihrem Laden in den letzten Jahren eigentlich abgelaufen ist, dann spricht das dafür, dass der Gesetzgeber selbst die Anforderungen, die an die Satzung dieser Selbstverwaltung gestellt werden, konkretisiert.
Ansonsten bestünde in der Tat die Gefahr, dass aus einer Selbstverwaltung künftig immer mehr eine Selbstbedienung wird. Ich glaube, daran können wir kein Interesse haben. Wir haben Ihnen einen konkreten Vorschlag gemacht. Wir stellen ihn im federführenden Ausschuss - dem Sozialausschuss - gerne zur Diskussion. Wir hoffen, dass wir zu einer ordentlichen Lösung kommen, damit wir uns in Zukunft solche Debatten wie in den letzten beiden Ausschusssitzungen ersparen können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Selbstverwaltung stärken - Rechtssicherheit schaffen“ - hinter dieser Überschrift verbirgt sich ein wahrhaft liberales Ansinnen. Als ich den vorliegenden Antrag las, dachte ich, er sei der FDP würdig.
Der Antragstext hält aber leider nicht das, was die Überschrift verspricht. Da fordert die Partei der Sonn
tagsreden für Verwaltungsvereinfachung und Standardöffnung die Landesregierung auf, durch entsprechende gesetzliche Vorstöße sicherzustellen, dass Körperschaften, rechtsfähige Anstalten und Stiftungen des Landes verpflichtet werden, in ihren Satzungen die Vorrausetzungen zur Vergabe finanzieller Zuwendungen, Vorschüsse, Nebenleistungen und Darlehen an Organmitglieder in Art, Umfang und Höhe festzuschreiben.
Nun kann man sich fragen: Was mag die FDP zum jetzigen Zeitpunkt bewegen, einen solchen Antrag zu stellen? Aber dann erinnert man sich rasch an die letzten Sozialausschusssitzungen - Herr Dr. Garg hat das hier dankenswerterweise erwähnt -, in denen Staatssekretär Fischer Auskunft über die bisherigen Prüfungsergebnisse zu den Geschehnissen bei der AOK hinsichtlich der umstrittenen Darlehensgewährung an ein Vorstandsmitglied gab. Hier und heute kann und darf es nicht um eine rechtliche Bewertung der Geschehnisse gehen. Es bleibt aber festzustellen, dass die Organe der AOK für die getroffenen Entscheidungen verantwortlich sind.
Der uns jetzt zur Beratung vorliegende Antrag der FDP ist nun ein Musterbeispiel dafür, wie Bürokratie zu wuchern beginnt.
(Dr. Heiner Garg [FDP]: Man glaubt? Wo sind Sie eigentlich in der letzten Zeit gewe- sen? - Veronika Kolb [FDP]: Als was wür- den Sie das denn bezeichnen?)
Deshalb wird die Landesregierung aufgefordert, gesetzgeberisch tätig zu werden, um diesem vermuteten Missstand einen Riegel vorzuschieben. Konkret: Den Selbstverwaltungsorganen soll genau vorgegeben werden, bestimmte Regelungen in ihre Satzungen aufzunehmen. Misstrauisch, wie man ist, soll eine solche Regelung nun nicht nur auf die Körperschaft angewandt werden, bei der ein vermuteter Missstand Auslöser dieser Aktion der FDP ist.
Nein, man fordert entsprechende Satzungsregelungen für alle Körperschaften, rechtliche Anstalten und Stiftungen des Landes. Träte ein entsprechendes Gesetz in Kraft, hätten alle Körperschaften, rechtliche
(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wollen Sie eine Lex specialis AOK? - Wolfgang Kubicki [FDP]: Ja und? Das brauchen Sie gar nicht!)
Diese Satzungsänderungen müssten kontrolliert werden. Würde den gesetzlichen Vorgaben nicht gefolgt, müssten Sanktionen verhängt werden.
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie wissen doch gar nicht, wovon Sie reden! Das ist eine ge- setzliche Norm!)
(Beifall bei der SPD - Dr. Heiner Garg [FDP]: So etwas Dämliches habe ich selten gehört! - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unglaublich, was sich die FDP da wieder ausgedacht hat! - Glocke der Präsidentin)
rechtlichen Anstalten und Stiftungen des Landes, ihre Satzungen funktionsgerecht zu gestalten. Täten wir dies nicht, führten wir letztendlich das gesamte System der Selbstverwaltung ad absurdum.
(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist überhaupt keine Frage der Satzung!)
Das Transparenzgebot, das mit dem vorliegenden Antrag implizit eingefordert wird, wird im Übrigen im Rahmen der Neuordnung des SGB IV geregelt.
Dort heißt es in § 35 a, der sich mit den Vorständen bei Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen sowie Ersatzkassen beschäftigt:
„Die Höhe der jährlichen Vergütungen der einzelnen Vorstandsmitglieder einschließlich Nebenleistungen sowie die wesentlichen Versorgungsregelungen sind in einer Übersicht jährlich zum 1. März, erstmalig zum 1. März 2004, im Bundesanzeiger und
gleichzeitig begrenzt auf die jeweilige Krankenkasse und ihre Verbände in der Mitgliederzeitschrift der betreffenden Krankenkasse zu veröffentlichen.“
Lassen Sie uns im Ausschuss weiter diskutieren, aber auch darauf vertrauen, dass Selbstverwaltungsorgane ihre Aufgaben ernst nehmen und optimal organisieren.