Protocol of the Session on December 12, 2003

(Wortmeldung des Abgeordneten Kalinka)

- Nein, keine Zwischenfrage. Ich habe sowieso nur noch 1,37 Minuten Redezeit.

So müssen Diskussionen über Verwaltungsstrukturreformen geführt werden. Sie fordern immer nur ein zu wissen: Was wollen Sie abgeben, was soll abgelöst werden? Sie machen niemals einen konkreten Vorschlag. Sie führen eine Gespensterdiskussion, bei der am Schluss auch nichts herauskommen kann.

Die Landesregierung hat eine ganze Reihe von Vorhaben durchgeführt. Sie hat eine ganze Reihe von Aufgaben noch vor sich. Ich möchte nur die Fragen in der Justiz ansprechen. Natürlich bin ich dafür, dass man überprüft, ob man die drei Fachgerichtsbarkeiten zusammenlegt. Dazu ist eine bundesrechtliche Änderung notwendig. Aber das sind Dinge, die sind absolut sinnvoll und ermöglichen vielleicht auch Effizienzgewinne.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich bin ich dafür, dass die Arbeitsgerichte in die allgemeine Gerichtsbarkeit eingegliedert werden. Aber das ist ein Punkt, den unser Koalitionspartner auch aus seiner gewerkschaftlichen Position heraus punktuell anders sieht. Auch über diese Dinge muss geredet werden. Mich würde interessieren, wie die Opposition dazu steht.

Bei der Polizeireform geht es in der Diskussion darum, ob wir eine Führungsebene auflösen, das heißt, ob die Direktionen und Inspektionen zusammengelegt werden können und wie viele es werden sollen. Das

(Karl-Martin Hentschel)

ist eine ganz konkrete Diskussion und an der können sich alle in diesem Land beteiligen und Vorschläge machen. Dann muss man die unterschiedlichen Aufgaben analysieren und schauen, wie man das effizient organisiert. Der Innenminister wird demnächst ein Konzept dazu vorstellen. Das sind Diskussionen über Verwaltungsstrukturen, die wir führen müssen.

Als Letztes möchte ich erwähnen: Natürlich müssen wir über die Kommunen reden. Hier wird gesagt, es müsse alles kommunalisiert werden. Dazu muss man erst einmal feststellen, dass in keinem Land in Deutschland so viel kommunalisiert ist wie in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In keinem anderen Land in Deutschland haben die Kommunen so viele Beschäftigte wie in SchleswigHolstein

(Minister Klaus Buß: So ist das!)

und kein Land hat so wenig Beschäftigte in der eigenen Landesverwaltung wie Schleswig-Holstein.

Als ich fragte, warum das so ist, sagte der Gemeindetag: Das liegt daran, dass die Kommunen so viele Aufgaben haben. In anderen Ländern nimmt das Land und die Bezirksregierung diese Aufgaben wahr. Das ist in einer Kleinen Anfrage gesagt worden. Dann muss man fragen: Warum ist das so? - Ist das tatsächlich sinnvoll? Oder ist das nicht sinnvoll?

Ich glaube, es ist nicht sinnvoll. Wir haben in Schleswig-Holstein in den zentralen Verwaltungen des Landes einschließlich der Finanzverwaltung 15.000 Beschäftige. Wir haben in den Verwaltungen der Kommunen 51.000 Beschäftigte. Wir haben doppelt so viele Kommunen wie Nordrhein-Westfalen, obwohl Nordrhein-Westfalen sechs Mal so viel Bevölkerung hat wie Schleswig-Holstein. Wir haben ein Vielfaches an Verwaltungen.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.

Wenn wir diese Diskussion nicht ernsthaft führen, kommen wir nicht weiter mit der Verwaltungsstrukturreform. Der größte Blockierer in dieser Angelegenheit sitzt doch da drüben! Das wissen wir doch alle.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Hinrichsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts der bescheidenen Haushaltslage des Landes Schleswig-Holstein und der leeren Kassen der öffentlichen Hand kann die logische Konsequenz nur lauten: Wir müssen sparen, indem wir verändern. Dies ist keine neue Erkenntnis; das wissen wir.

Eine weit verbreitete Haltung zur Lösung des Problems ist es, bei der Anzahl der Beschäftigten und den Strukturen der Landes- und der Kommunalverwaltung das notwendige Einsparpotenzial zu suchen. Dies geschieht unter dem Stichwort „Mehr Bürgernähe, weniger Bürokratie“. Natürlich gibt es hier durchaus effiziente Einsparmöglichkeiten. Doch wo soll der Sparhebel konkret angesetzt werden, ohne dass es weh tut? - Das ist die Quadratur des Kreises.

In der letzten Novembersitzung haben wir die Einsparvorschläge der Landesregierung ausführlich debattiert. Der SSW hat hierzu angemerkt, dass es bei allen Reformvorschlägen und Abbaumaßnahmen vor allen Dingen um Menschen geht und dass das Aufbrechen von veralteten Strukturen in der Verwaltung auf dem Papier leichter ist als in der Praxis.

Verwaltungsmodernisierung ist ein sehr mühsames und zeitraubendes Geschäft und dies ist nicht auf die Vorgehensweise der Landesregierung, sondern vielmehr auf die vorhandenen Verwaltungsstrukturen zurückzuführen. Die Landesregierung hat die mühsame Aufgabe, die Beschäftigten von den positiven Effekten zu überzeugen. Und diese Aufgabe darf durch sie nicht unterschätzt werden.

Der Bericht der Landesregierung zur Fortentwicklung der Verwaltungsreform gibt einen Überblick über die aktuellen Maßnahmen und Ziele der Landesregierung. Im Vordergrund stehen hierbei die öffentlichen Aufgaben des Landes mit seinen nachgeordneten oberen und unteren Landesbehörden. Hierbei hat die Landesverwaltung die Aufgabe, kritisch zu prüfen, inwiefern ein Verzicht auf Landesaufgaben als Aufgaben öffentlicher Daseinsvorsorge, die Übertragung von Landesaufgaben auf Dritte oder auf die kommunale Ebene und die Zusammenlegung von Landesaufgaben auf die staatliche und/oder die kommunale Ebene möglich ist. Mir fehlt in dem Bericht - das will ich gleich anmerken - eine Anmerkung zum Verzicht auf Landesaufgaben. Wir können sehen, wo überall ein

(Silke Hinrichsen)

gespart und übertragen werden soll. Ich denke, wir werden in der Ausschussberatung hierüber weiter reden können.

Grundsätzlich werden die Ansätze der Landesregierung vom SSW begrüßt. Und wir werden diese Aufgaben in Zukunft weiterhin kritisch, aber auch konstruktiv begleiten.

Das Angebot der Landesregierung an die schleswigholsteinischen Kommunen, die Verteilung von Aufgaben auf den Prüfstand zu stellen, hat seinen Charme. Es bedarf hierbei jedoch eines Willens beider Seiten, damit es funktioniert. Und wenn wir ehrlich sind: Die bisherigen Gespräche haben nicht unbedingt den gewünschten Effekt erzielt. Hierbei muss auch berücksichtigt werden, wie die Landesregierung in einem Nebensatz erwähnt, dass es leistungsfähige Kommunen geben muss. Gerade hier können Probleme liegen. Die Kommunalreform im Sinne einer effizienteren Verwaltung mit einer kompetenten Kontrolle durch gewählte Gemeindevertretungen ist ein Stichwort.

Der Herr Innenminister hat versprochen, dass es nur freiwillige Zusammenschlüsse von Kommunen geben wird. Und er wird mir sicherlich zustimmen, wenn ich sage, dass Kommunen, wie sie zum Beispiel in Dänemark existieren, solche Aufgabenübertragungen leichter und erfolgreicher bewältigen könnten.

(Beifall beim SSW)

Dies kann man insbesondere an dem System sehen. Ich nehme hier wieder die Region SønderjyllandSchleswig als Beispiel. So gibt es auf dänischer Seite zurzeit 23 Kommunen und auf deutscher Seite viele Hundert.

Doch bei allen Abbau- und Vereinfachungsmaßnahmen im Zuge der Verwaltungsreform müssen wir uns immer wieder vor Augen halten, dass die meisten Aufgaben und Dienstleistungen, die unsere Verwaltungen anbieten, gesetzlich vorgeschrieben oder auch von der Bevölkerung erwünscht sind. Hier wird der Spagat, all diese Aufgaben tatsächlich zu erfüllen, nicht immer einfach sein.

Wir werden und haben die Landesregierung in ihren Bestrebungen, eine moderne und effiziente Verwaltung in Schleswig-Holstein aufzubauen, unterstützt. Doch für uns bleibt die Bedeutung der Bürgernähe der Verwaltung und die Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei diesem Modernisierungsprozess ein wichtiger Punkt. Weiter darf gerade die Verwaltungsreform nicht dazu führen, dass wir nur modernisieren und zentralisieren und darüber hinaus die Bedürfnisse des Einzelnen und der gesamten Be

völkerung ausblenden. Daran liegt uns auch bei einer Verwaltungsreform.

(Beifall beim SSW)

Im Rahmen der Redezeit der Regierung erteile ich nochmals Herrn Innenminister Buß das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schlie, ich habe so konkret wie möglich geantwortet. Ich darf an meine kurze Rede von vorhin erinnern. Ich darf aus der Rede zitieren: Es sollen alle Aufgaben zwischen Land und Kommunen im Hinblick auf eine optimale Aufgabenerledigung auf den Prüfstand gestellt werden. - Es geht um alle Punkte, die in einer Diskussion mit den Kommunen auf den Prüfstand gestellt werden. Wir wollen kein Diktat; das ist hier auch schon einmal gesagt worden. So funktioniert das nicht, und zwar aus vielen Gründen.

Erstens haben unsere Kommunen im Vergleich zu anderen Bundesländern schon sehr viele Aufgaben, weil wir die Zwischenebene der Bezirksregierungen beziehungsweise die Regierungspräsidenten nicht haben.

Zweitens haben wir eine äußerst ungünstige Struktur der kommunalen Seite. Das bedeutet, es geht zum einen um die Übertragung von Aufgaben auf die vorhandene Struktur und zum anderen um die Übertragung von Aufgaben auf eine möglicherweise geänderte Struktur. Das können wir nicht vom Katheder machen, sondern das muss ausverhandelt werden. Und das wird passieren.

(Klaus Schlie [CDU]: Wo ist die neue Er- kenntnis, Herr Buß?)

- Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist. Ich sage Ihnen nur eins: Verwaltungsreform ist in der Tat - Frau Hinrichsen hat es eben gesagt - ein schwieriges Geschäft. Ich nehme für die Landesregierung dieses Landes in Anspruch, zu sagen, dass wir im bundesweiten Vergleich sehr gut dastehen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Vieles von dem, was wir heute zu reformieren haben, hat uns Ihre Regierung früher eingebrockt. Das muss man auch sehr deutlich sagen.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

- Es ist immer schön, wie man sie munter bekommt! Das ist sehr angenehm.

(Minister Klaus Buß)

Herr Eichstädt, 30 bis 40 % der Verwaltungsvorschriften abzubauen ist ein ganz gewaltiger Schritt, weil wir immer sehen müssen, von welcher Grundlage man ausgeht: Hat man noch sehr viele Vorschriften wie in Hessen, wo man in Fülle längst überholte Dinge wie Vorschriften zum In-Kraft-Setzen von Haushalten und Ähnliches hat, oder hat man schon viel abgebaut wie bei uns in Schleswig-Holstein? - Wir haben uns 30 bis 40 % vorgenommen. Das ist eine wirklich große Menge.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])