Protocol of the Session on December 12, 2003

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass der Landtag die Aktivitäten der Europaschulen so intensiv zur Kenntnis nimmt. Vor einem Monat wurde die 21. Schule in SchleswigHolstein Europaschule; das war das Gymnasium in Marne. In der „Dithmarscher Landeszeitung“ hieß es in dem Bericht dazu:

„Dem Festakt wohnten die Comenius-Partner aus England, Polen, Spanien, Finnland, Italien und Russland bei. Wer kein englisch sprach, war ziemlich aufgeschmissen. Die Schule schließt Partnerschaften mit Lehranstalten im europäischen Ausland, nimmt an europäischen Programmen wie dem Comeniusprojekt teil, an europäischen Schulwettbewerben, bietet über das normale Maß hinaus Fremdsprachen an. Alles Voraussetzungen für die Auszeichnung, die schon vor zwei Jahren im Schulprogramm festgelegt war.“

Hier finden Sie sozusagen in der Nussschale genau das, was eine Europaschule ausmacht, auf welchem Weg sie dorthin kommt und was sie als Voraussetzungen bietet, um das Prädikat verliehen zu bekommen. Übrigens, es muss schon ein Prädikat sein. Wir sollten mit dieser Auszeichnung sparsam umgehen, damit sie wertvoll bleibt.

(Beifall)

Der Prozentsatz, den wir in Schleswig-Holstein haben, kann sich im Bundesvergleich gut sehen lassen. Es sind nicht wenig Schulen, die dieses besondere Prädikat bekommen. Viele Schulen haben allerdings ein Interesse daran, das Qualitätssiegel zu bekommen. Auch Hauptschulen sind dabei. Herr Greve, vielleicht

sind Sie missverstanden worden. Zur Sicherheit sage ich es noch einmal: Ich wünsche mir sehr, dass Schülerinnen und Schüler aller Schularten - unabhängig vom Projekt der Europaschulen - die Chance haben, in ihrem Leben eine Zeit lang im Ausland zu verbringen.

(Beifall)

Bislang ist das ein ziemlich privilegierter Status, den wir da haben. Es hängt bei den Hauptschülerinnen und Hauptschülern natürlich mit deren Alter zusammen, das in der Regel ja 16 bis 17 Jahre betragen muss, bevor man einen längeren Auslandsaufenthalt macht. Aber es gibt auch die Möglichkeit in den berufsbildenden Schulen, es gibt die Möglichkeit für junge Auszubildende.

Frau Abgeordnete Heinold, es gibt viele Möglichkeiten, von der Europäischen Union dafür Mittel zu erhalten. Es gibt eine Reihe von Programmen, die solche Aktivitäten finanzieren. Gewiss ist es nie wirklich genug Geld. Ich kann mir im Bildungsbereich keinen Bereich vorstellen, bei dem man sagen würde: Jetzt haben wir genug Geld. Es kann immer noch mehr sein. Aber in diesem Bereich gibt es Möglichkeiten, man muss sie nur annehmen. Gerade in diesem Bereich müssen Schülerinnen und Schüler, die sozial oft benachteiligt sind, deren Eltern nun einmal nicht 10.000 € einfach so locker aus der Tasche finanzieren können, die ein Jahr in Amerika mindestens kostet, besonders gefördert werden. Ich glaube, da sind wir uns einig.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, was Schulen leisten müssen, um Europaschule zu werden, habe ich genannt. Es gibt natürlich noch eine Fülle weiterer Aktivitäten, die man aufzählen könnte: Länderübergreifende Berufsorientierung gehört seit einiger Zeit zu dem, was Europaschüler machen, Organisation von Auslandspraktika von Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern, Teilnahme an Wettbewerben und natürlich über das Maß hinaus, das üblich ist, der Fremdsprachenunterricht.

Was unternimmt die Landesregierung, um die Europaschulen zu stärken, fragen sie. Wir haben ein Netzwerk der Europaschulen auf den Weg gebracht. Es ist wichtig, dass die untereinander wissen, welche Aktivitäten dort vorhanden sind. Das bedeutet, Schulleiterinnen und Schulleiter treffen sich einmal im Jahr zum Erfahrungsaustausch, planen gemeinsame Projekte. Es gibt jährliche Fachtagungen in Zusammenarbeit mit dem IQSH, mit der Europa-Union und dem Verein der Europaschulen. Diese Seminare sind offen

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

für Schülerinnen und Schüler und Eltern. Das kostet übrigens auch alles Geld. Das bedenken Sie immer nicht. Es sind die Kosten für Fortbildungen, es sind die Reisekosten. Wir haben gerade eine Tagung bezuschusst, in der sich Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein mit der Vorbereitung des Konvents beschäftigt haben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abgeordneten Joachim Behm [FDP])

Es ist schon bemerkenswert, dass sich junge Menschen für diese Fragen interessieren und dem ihre Zeit widmen. Es gibt natürlich eine ganze Reihe von speziellen Fortbildungen und Informationskampagnen. Derzeit ist eine Schülerwerkstatt in Pinneberg in Planung, die sich mit den Themen EU-Osterweiterung und Europawahl im Juni 2004 beschäftigt. Ziel ist, eine Art Juniorwahl in der Woche vor der Europawahl online zu simulieren. Aus Schleswig-Holstein werden neun Schulen teilnehmen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Fremdsprachenassistenten waren angesprochen. Sie sind ungeheuer wichtig und gut und werden von den Schulen nachgefragt. Es sind Muttersprachler. Das Kontingent an Fremdsprachenassistenten ist jedoch leider begrenzt. Es gibt für die Bundesländer Quoten. In Schleswig-Holstein haben wir 65. 160 Schulen hätten gerne Fremdsprachenassistenten gehabt. Wir sind so verfahren, dass sich zwei benachbarte Schulen einen Fremdsprachenassistenten teilen. Somit profitieren immerhin 106 Schulen davon.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darunter sind 15 Europaschulen. Das ist ein guter Prozentsatz.

Man könnte wirklich sagen: Europa ist bei den jungen Menschen in unseren Schulen stärker angekommen als in der Generation ihrer Eltern und Großeltern. Das ist ein sehr hoffnungsvoller Befund.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW sowie vereinzelt bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Antrag dem Bildungsausschuss und mitberatend dem Europaausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegen

stimmen? - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Wertgutachten Provinzial

Antrag der Fraktion der FDP

Drucksache 15/3059

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Garg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! 1995 verkaufte das Land die Provinzial für 245 Millionen DM an den Sparkassen- und Giroverband Schleswig-Holstein. Allen war klar, dass die Provinzial mehr wert war. Aber sie sollte fest in der öffentlichen Hand Schleswig-Holsteins bleiben. Da hat man sich - lassen Sie mich das so nennen - auf einen Freundschaftspreis geeinigt. Es wurde vereinbart, dass dem Land Übererlöse zustehen, wenn die Provinzial in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und verkauft würde, der Wert, auf den man 1995 freundschaftlich verzichtet hat.

Die FDP-Fraktion und der Landesrechnungshof schlugen bereits damals vor, die Provinzial richtig zu privatisieren, sie in eine AG umzuwandeln und zum Marktpreis zu verkaufen. Die von der Landesregierung beauftragten Gutachter ermittelten für den Zeitpunkt des Verkaufs einen Marktwert von rund 1,1 Milliarden DM.

Das Ganze in Euro: die Landesregierung verkaufte die Provinzial für 125,3 Millionen €. Ihre eigenen Gutachter bewerteten die Provinzial damals mit einem Marktwert von 563,4 Millionen €. Der so genannte Freundschaftsrabatt für den SGV betrug 438,1 Millionen €.

(Martin Kayenburg [CDU]: Schweinerei!)

- Ja, Herr Kollege Kayenburg. - Wir haben in den vergangenen Tagen schon viel über PISA und Mathematik gehört. Deshalb jetzt ein bisschen Zinseszinsrechnung, um die Kosten dieses Freundschaftsrabattes für das Land zu schätzen. Wäre die Provinzial 1995 zum Marktwert verkauft worden, hätte das Land 438,1 Millionen € mehr eingenommen. Unter sonst gleichen Bedingungen hätte das Land 1995 438,1 Millionen € weniger neue Schulden aufnehmen müssen. Die Landesschulden wären seitdem jedes

(Dr. Heiner Garg)

Jahr um 438,1 Millionen € niedriger gewesen, als sie tatsächlich waren. Das Land hätte seit 1995 keine Zinsen auf diese 438,1 Millionen € zahlen müssen.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Die Neuverschuldung hätte in den Folgejahren auch um die kumulierten Zinszahlungen für die 438,1 Millionen € vermindert werden können. - Herr Kollege Neugebauer, Sie merken: Das Mikrofon ist behilflich. Ich kann auch noch lauter sprechen, wenn es sein muss.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Der Betrag, den das Land hätte einsparen können, entspricht ungefähr dem Betrag - Sie sollten einfach zuhören, Herr Kollege Astrup -, den man angespart hätte, wenn man 438,1 Millionen € seit 1995 angelegt hätte, jährlich verzinst mit dem durchschnittlichen Zinssatz auf die Landesschulden. Bezieht man die Planwerte des 2. Nachtrages 2003 in diese Rechnung ein, kommt man auf insgesamt 713,5 Millionen € zum Jahresende 2003.

(Martin Kayenburg [CDU]: Verschwender!)

Diese 713,5 Millionen € sind dem Land SchleswigHolstein bis heute entgangen, weil Sie damals unter Freunden gehandelt haben. Solche Freundschaften sind uns schlicht und ergreifend zu teuer.

(Beifall bei FDP und CDU)

Im Mai 2001 haben wir einstimmig beschlossen, dass die Provinzial unabhängig bewertet werden soll, um die möglichen Übererlöse zu ermitteln. Denn je länger man damit wartet, desto schwieriger wird das. Im September 2001 wurde die Provinzial in eine AG umgewandelt. Daraufhin haben wir im Januar 2002 im Landtag von der Landesregierung gefordert, das Wertgutachten zu erläutern. Die Landesregierung war hierzu nicht in der Lage. Denn sie hatte kein Wertgutachten. Im Februar 2003 stellte der Finanzausschuss einstimmig fest, dass das Gutachten vor der Fusion der Sparkassen- und Giroverbände SchleswigHolstein und Niedersachsen erstellt werden soll.

Mit Schreiben vom 27. Dezember 2002 berichtete der Wirtschaftsminister zum Sachstand: Erstens. Es sei noch kein Auftrag erteilt. Zweitens. Ein Wertgutachten könne erst nach einem Aktienverkauf erstellt werden. Drittens. Das Land habe sich mit dem Sparkassen- und Giroverband Schleswig-Holstein darauf geeinigt, ein Rechtsgutachten zu Tatbestand, Ermittlung und Modalitäten der Abführung eventueller Übererlöse einzuholen.

Mit Schreiben vom 24. November 2003 berichtete der Wirtschaftsminister, dass der Auftrag für dieses Gutachten kurzfristig vergeben werden solle. Kurzfristig, meine Damen und Herren, ist gestern zum gern verwendeten Begriff geworden. Kurzfristig, das war zweieinhalb Jahre nach dem einstimmigen Beschluss des Landtages. „Kurzfristig“ heißt bei Ihnen also: mindestens zweieinhalb Jahre.

(Beifall bei FDP und CDU)

Diese Verzögerung macht die Bewertung für den Zeitpunkt 1995 nicht einfacher. Wir missbilligen das zögerliche Verhalten der Landesregierung. Damit missachtet die Landesregierung den Beschluss des Landtages. Deshalb missachtet diese Landesregierung den Landtag. Das mag nach Ihrem rot-grünen Verständnis üblich sein. Nach unserem Verständnis und nach dem Verständnis der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein können wir das aber nicht hinnehmen. Die Landesregierung ist ausführendes Organ, auch des Willens des Landtages. Denn nach der Verfassung ist der Landtag das oberste Organ der politischen Willensbildung. Aus diesem Grunde bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Kähler das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe gedacht, heute ginge es, zumindest was die Stimme und die Lautstärke betrifft, etwas ruhiger zu, sodass man sich im Kopf ein bisschen vom Gequake mancher Menschen erholen kann.