Sehen wir uns die Entwicklung des Haushaltsplans einmal an. Die Nettokreditaufnahme betrug beim ersten Entwurf 512 Millionen €. Wegen der Fluthilfekosten, selbstverständlich über Kredite finanziert, wurde nachgeschoben und auf 583 Millionen € Neuverschuldung erhöht. Das war die Zahl, von der die Ministerpräsidentin sagte, das sei schweres Fahrwasser. Beim ersten Nachtrag waren es 598 Millionen € und nun ist es mehr als eine Verdoppelung auf 1,2 Milliarden €. Was ist das für ein Fahrwasser, in dem wir uns nun befinden? Wir müssen versuchen, eine Antwort auf diese Frage zu finden, und wir müssen auch die Frage beantworten, wie wir in dieses Fahrwasser hineingekommen sind.
Die Landesregierung hat sechs Gründe für diesen Haushaltsplan vorgelegt. Der erste lautet: Steuerausfälle. Wenn man sich die geplanten Steuereinnahmen und die tatsächliche Entwicklung ansieht, so stellt man fest: Als dieser Haushalt beraten wurde, konnte man schon absehen, dass wir im Jahre 2002 5,2 Milliarden € Steuern einnehmen würden. Das ist dann auch so eingetroffen und wurde im Nachtrag 2002 festgehalten. Dennoch hat die Landesregierung dann einen Plan vorgelegt, in dem sie 5,7 Milliarden € für 2003 vorgesehen hat. Das ist eine Steigerung um fast 10 %, und zwar in einer Zeit, in der die Ministerpräsidentin erklärt, wir befänden uns in schwerem Fahrwasser und in einem Jahr, in dem sie selbst schon, auch für 2002, die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erklärt.
In der Nachschiebeliste wurde das schon einmal ganz leicht auf 5,6 Millionen € korrigiert, im ersten Nachtragshaushalt auf 5,5 Millionen € und nun, siehe da, auf 5,2 Millionen €. Das ist ungefähr das Ergebnis, das wir im Jahre 2002 auch hatten, und das scheint auch realistisch, meine Damen und Herren. Die eigenen Steuereinnahmen des Landes bewegen sich in allen Jahren seit 1998, seit Rot-Grün regiert, auf etwa diesem Niveau, durchaus keinem kleinen Niveau, sondern auf einem hohen Niveau, zwar ohne beträchtliche Steigerungen, aber sehr ordentlich.
Man hat das Gefühl, dass die Grundlage dieser Steuerplanung und dieser Haushaltsplanung nicht das Ergebnis sorgfältiger Berechnungen ist, sondern eher das Ergebnis einer Knobelrunde. Jedes Mal, wenn der
Finanzminister eine Sechs würfelt, darf er 100 Millionen € mehr eintragen und die übrigen Mitglieder des Kabinetts dürfen diese Summe schon einmal ausgeben und lassen den Finanzminister nachher damit alleine, das Geld einzutreiben.
Besonders bemerkenswert ist eine Steuerart, auf die sich die Ministerpräsidentin in ihrer Rede bezogen hat. Wir haben uns darüber hier schon mehrfach auseinander gesetzt. Das ist die Körperschaftsteuer. Ich lese noch einmal vor, was sie vor einem Jahr hier gesagt hat
„Wenn man sich die Körperschaftsteuer anguckt, dann kommt man langsam wirklich ins trockene Schluchzen. Die Entwicklung dieser Steuer ist geradezu absurd. Sie hat einmal über 20 Milliarden € betragen und hat jetzt gerade wieder die Höhe der Biersteuer erreicht.“
Im Jahre 2002 waren es in Schleswig-Holstein gerade einmal 60 Millionen €. Nur, diese Entwicklung ist doch nicht von selbst gekommen.
Diese Entwicklung ist durch eine Steuerreform bewirkt, an der diese Landesregierung mitgewirkt hat und die es ermöglicht hat, dass die Unternehmen in Deutschland auf gesetzlicher Grundlage ihre Steuern verrechnen können.
Nun, meine Damen und Herren, wird es besonders interessant. Der Finanzminister hat ja auch bei den Steuern kräftig umsortiert. Im Jahre 2003 stellen wir plötzlich eine gegenläufige Entwicklung fest. Im Jahre 2003 ist die höchste Körperschaftsteuereinnahme aller Zeiten in Schleswig-Holstein zu verzeichnen. Welch eine Entwicklung: 340 Millionen €! Nur, meine Damen und Herren, damals vor einem Jahr - ich erinnere mich noch an Herrn Professor Rohwer - waren es die Weltwirtschaft, die Konjunktur, die Amerikaner, die Koreaner. Alle waren daran schuld, dass die Körperschaftsteuer eingebrochen war, nur nicht die eigene Unfähigkeit.
Das bedeutet wohl im Umkehrschluss: Wenn wir nun ein so exorbitant hohes Aufkommen bei der Körperschaftsteuer haben, muss die Konjunktur eigentlich brummen oder wie wollen Sie das erklären?
Deshalb frage ich mich, wie Sie das eigentlich begründen wollen. Wenn Sie die Argumentation, die Sie im letzten Jahr hierzu aufgebaut haben, logisch fort
setzen, müssten Sie eigentlich sagen, dass die höchste Körperschaftsteuereinnahme aller Zeiten ein Beleg dafür ist, dass das wirtschaftliche Gleichgewicht gestört ist. Oder wie sonst wollen Sie das hier erklären?
Auf jeden Fall müssen Sie feststellen, dass in 2001 und 2002 Ihr Tun, nämlich dieser Steuerreform unter diesen Bedingungen zuzustimmen, und Ihr Nichtstun, nämlich nach der Erkenntnis, dass das falsch war, nichts daran zu ändern, dem Land Schleswig-Holstein 300 Millionen € Einnahmeverlust beschert hat.
Angesichts der Tatsache, dass wir uns über 4.500 € streiten müssen, ist das schon ein ziemlicher Brocken.
Die zweite Begründung, die die Landesregierung anführt, ist: Einnahmeausfälle aus der Veräußerung der Anteile der LEG. Es gibt überhaupt keinen Grund, Einnahmeausfälle aus der Veräußerung der Anteile der LEG einzustellen, deren Verkauf im Jahr 2002 geplant und 2003 beschlossen worden ist. Es gibt überhaupt keinen Grund, diesen Verkaufserlös im Jahr 2003 nicht einzunehmen. Sie wollten das so. Hier gibt es keinen Ausfall. Sie haben die Verschiebung bewusst herbeigeführt, weil Sie die Ergebnisse des Jahres 2004 schön rechnen wollen, und machen - koste es, was es wolle - als Ersatzlösung einfach neue Schulden.
„Für die Veräußerung von NordwestLotto ist ein Lotteriegesetz erforderlich. Die Verabschiedung durch den Landtag wird nicht mehr im Jahre 2003, sondern erst zu Beginn des Jahres 2004 erwartet.“
Erwarten könnte man doch nur, dass Sie die eineinhalb Jahre genutzt hätten, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Das kann man aber nicht erwarten. Sie haben es nämlich nicht gemacht.
Insofern frage ich: Warum haben Sie seit Beginn, seit Mitte 2002 nicht daran gearbeitet? - Dies ist eine bewusste Verschiebung von Einnahmen und kein Einnahmeausfall.
Viertens gehört dazu auch der so genannte „Ausfall der Nachzahlung aus der Vergütung der ehemaligen Landesbank für die Inanspruchnahme der Zweckrücklagen“. Die Begründung ist falsch. Die Begründung ist einfach falsch. Sie schreiben hier zu Recht, die
Entscheidung der EU liege heute nicht vor. Gut. Einverstanden. Wenn die Entscheidung heute nicht vorliegt, lag sie vor einem Jahr auch nicht vor und Sie hätten diese 100 Millionen € vor einem Jahr gar nicht erst einstellen dürfen. Das ist insofern kein Ausfall. Es kann nur ausfallen, was konkret hätte eintreten müssen.
Die Begründung Nummer fünf: Mehrausgaben in Höhe von rund 130 Millionen €. Die Ministerpräsidentin hat bei der Verabschiedung des Haushalts gesagt:
„Wir müssen den Haushalt so gestalten, dass wir endlich wieder neue Spielräume gewinnen und neue Ziele anfangen können. Das heißt, wir kommen nicht umhin, jetzt eisern zu sparen und dabei alle gesellschaftlichen Gruppen mit einzubeziehen.“
Was Sie machen, ist das Gegenteil. Sie geben einfach 130 Millionen € mehr aus, als Ihnen dieses Parlament bewilligt hat.
Das sind fünf Gründe, die nicht zutreffend belegt sind. Die virtuellen Steuermindereinnahmen in Höhe von 280 Millionen € sind tatsächlich nicht eingetreten. Hinzu kommen die bewusste Verschiebung und die Inkaufnahme einer Einnahmelücke von LEG und Lotto von 165 Millionen € - wie wir jetzt aus Ihren Unterlagen wissen - und die unzulässige Veranschlagung der Zinsnachzahlung - das macht allein 500 Millionen €. Wenn Sie dann nicht die Nichteinsparungen, wie die Ministerpräsidentin angekündigt hat, sondern die Mehrausgaben hinzunehmen, sind Sie genau bei dem Betrag, den Sie heute nachfinanzieren.
„Hinzu kommt, dass aufgrund rechtlicher Bedingungen die benötigten Einsparungen bis zum Ende des Haushaltsjahres auch nicht mehr realisiert werden könnten.“
Warum haben Sie dann mit der Vorlage des Nachtragshaushalts so lange gewartet? Sie hätten ein ganzes Jahr Zeit gehabt. Alle diese Entwicklungen, die Sie bewusst wollten und die Ihnen angeblich zugeflo
gen sind, haben Sie seit langer Zeit gekannt. Das ist eine wirklich außerordentlich freche Begründung.
Wir haben heute schon mehrfach über die Entwicklung der Investitionen gesprochen. Ich sage Ihnen noch einmal: Wer in dem Jahr, in dem er zum ersten Mal die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erklärt, 765 Millionen - eine der niedrigsten Zahlen, die wir überhaupt je hatten - in den Plan einstellt und dann noch tatsächlich 80 Millionen weniger realisiert, für das Haushaltsjahr 2003, in dem das zweite Mal die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erklärt wird, eine Steigerung der Investitionen - man höre und staune - um 5 Millionen € in den Plan einstellt - von 795 Millionen auf 800 Millionen -, dann aber bis Ende November dieses Jahres von 950 Millionen zur Verfügung stehenden nur 560 Millionen ausgibt, also 40 % nicht verausgabt, muss hier genauer erklären, wie er sich eigentlich die Abwehr der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorstellt.
Die Ministerpräsidentin wollte - ich habe das eingangs erläutert - für dieses Jahr 2003 und die Jahre danach Orientierung geben. Der Herr Finanzminister wollte ihr dabei behilflich sein. Wer vier Monate, nachdem er seinen ersten Haushalt eingebracht hat, denselben mit 800 Seiten Papier korrigieren muss, muss damit leben, dass er als Löwenbändiger gestartet und als Papiertiger hier im Plenum gelandet ist. Die Frau Ministerpräsidentin hat diese bedeutende Orientierung in diesem Jahr, in dem SchleswigHolstein laut ihrer eigenen Erklärung in schweres Fahrwasser geraten ist, durchaus gegeben, indem sie zwei wirklich ganz bedeutende Beiträge geleistet hat, die Schleswig-Holstein substanziell voranbringen. Sie hat erstens gesagt:
Das war ein bedeutender Beitrag. Viel mehr habe ich von dieser Ministerpräsidentin in diesem Jahr, in dem Schleswig-Holstein in schwerem Fahrwasser war, nicht gehört.