Protocol of the Session on October 23, 2019

las; denn was hier zutage tritt, ist schon ein bemerkenswertes Maß an Vorspiegelung falscher Tatsachen und damit verbundener Verschleierung wenig erfreulicher Realitäten.

Während die Ministerin nicht müde wird, landauf, landab zu verkünden, dass wir an rheinland-pfälzischen Schulen eine nahezu vollständige Unterrichtsversorgung hätten, sieht die Wirklichkeit doch anders aus. Über die amtliche Statistik hinaus, die lediglich den Unterrichtsausfall erfasst, bei dem die Schüler nach Hause geschickt werden, gibt es offensichtlich versteckte Ausfälle in erheblichem Umfang.

Kurzfristige, zum Teil aber auch länger andauernde Personalmängel werden an fast allen Schulen durch sogenanntes selbstbestimmtes Lernen oder „Umorganisation“ aufgefangen. Dabei werden Schüler ohne Anwesenheit eines Lehrers mit mehr oder weniger sinnvollen Arbeitsaufträgen beschäftigt oder ganze Klassen zusammengelegt.

Ich selbst habe das im Rahmen meiner über 30-jährigen Tätigkeit an einer großen berufsbildenden Schule in Trier regelmäßig erlebt: Kollege X ist krankheitsbedingt gerade nach Hause gegangen. Können Sie seine Klasse im Nachbarraum beaufsichtigen? Es genügt, wenn die Türen auf stehen. – Kollegin Y fällt diese Woche aus. Übernehmen Sie bitte die Klasse mit. – Kollege Z

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Geht in den Landtag!)

ist nicht da. Geben Sie den Schülern irgendeinen Arbeitsauftrag, wir können sie nicht schon wieder nach Hause schicken. Das gibt Ärger mit den Betrieben. –

Meine Damen und Herren, so oder so ähnlich sieht die Realität an vielen rheinland-pfälzischen Schulen aus. Eine Realität, die übrigens Eltern und Schülern schon seit Langem bewusst ist. Man muss der CDU-Fraktion dankbar sein, dass sie mit ihrer Großen Anfrage hinter die Fassaden geleuchtet hat.

Gleiches gilt für die in der vergangenen Woche veröffentlichten Studie des RegionalElternBeirats Koblenz, die die Ergebnisse der Anfrage um weitere Zahlen und Fakten ergänzt; denn natürlich ist klar, dass die Qualität der genannten Maßnahmen zur Regulierung ausfallenden Unterrichts nicht mit der Qualität regulärer, von einem Fachlehrer erteilter Stunden zu vergleichen ist.

Dies festzustellen, bedeutet weder einen Vorwurf an die Schulen, die mangels ausreichender Personalausstattung nach Notlösungen suchen, noch an die Lehrkräfte, die mit großem Engagement versuchen, politisch verantwortete Lücken zu stopfen.

(Beifall der AfD)

In der Tat sind die vorliegenden Zahlen erschreckend. Insgesamt mussten im Schuljahr 2017/2018 7,2 % aller zu erteilenden Unterrichtsstunden durch Behelfe reguliert werden. An den Förderschulen waren es über 10 %, in Einzelfällen wie der SFG Koblenz, einer Förderschule mit dem Schwerpunkt ganzheitlicher Entwicklung, sogar 14 %. Ähnlich hoch sind die Werte an den Realschulen plus mit insgesamt 8,5 %. An der Diesterwegschule in Ludwigshafen

wurden beispielsweise 12 % der planmäßigen Unterrichtsstunden mithilfe von Umorganisation erteilt.

Im gleichen Schuljahr hat man allein in meiner Heimatstadt Trier über 7.500 Stunden durch selbstbestimmtes Lernen und mehr als 27.000 Stunden durch Umorganisation ersetzt. Das bedeutet einen Ausfall von fast 35.000 regulären, von einem Lehrer betreuten Unterrichtsstunden.

(Abg. Dr. Anna Köbberling, SPD: Das ist nicht das Gleiche!)

An einzelnen Schulen wie etwa der Moseltal Realschule, dem Friedrich-Spee-Gymnasium oder der BBS Wirtschaft entfielen jeweils mehr als 2.000 Stunden auf diese Art von Unterrichtsersatz.

Meine Damen und Herren, so wird aus der von der Landesregierung vollmundig behaupteten, nahezu 100%igen Unterrichtsabdeckung ganz schnell ein Wert von nur noch 90 % oder gar darunter.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: IQB!)

Wenn man dann noch bedenkt, dass im letzten Schuljahr schulartübergreifend weitere 13,6 % und an der Realschule plus sogar 24,3 % aller Stunden fachfremd erteilt wurden, dann wird erst recht deutlich, wie groß die personellen Defizite im rheinland-pfälzischen Bildungssystem sind.

Meine Damen und Herren, die AfD-Fraktion fordert die Bildungsministerin auf, die jetzt erhobenen Zahlen zukünftig in die amtliche Statistik aufzunehmen, um potemkinsche Fassaden zu beseitigen und Transparenz herzustellen. Wir fordern zudem eine Personalbemessung, die es erlaubt, alle Unterrichtsstunden auch tatsächlich durch qualifizierte Lehrer zu erteilen, anstatt Lücken mit pädagogisch fragwürdigen Behelfskonstruktionen oder fachfremden Lehrkräften zu füllen.

Das sind wir unseren Kindern, ihren Eltern und letztlich auch unseren Bürgern schuldig; denn sie alle werden die Folgen einer verfehlten Bildungspolitik tragen müssen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht die Abgeordnete Lerch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Temporären Unterrichtsausfall gab es schon immer und wird es auch immer geben. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass es plötzliche Erkrankungen von Lehrkräften gibt oder andere private oder dienstliche Gründe vorliegen, weshalb der Unterricht für einige Stunden, Tage oder Wochen nicht planmäßig erteilt werden kann.

Dies können neben Krankheit auch Beurlaubungen sein, die dienstrechtlich klar geregelt sind, oder aber dienstliche Abwesenheit durch Klassenfahrten, Unterrichtsgänge usw.

Im Unterschied zum strukturellen Unterrichtsausfall, der die grundsätzliche Unterrichtsversorgung schon mit Beginn eines Schuljahrs im Blick hat, ist der temporäre Ausfall unvorhersehbar. Im Bereich des strukturellen Unterrichtsausfalls strebt die Landesregierung bis 2021 eine 100 %-Versorgung an.

(Zuruf des Abg. Martin Brandl, CDU)

Dies vorausgeschickt, stellt sich somit die Frage, wie Schulen mit plötzlichem Unterrichtsausfall umgehen können.

Meine Damen und Herren, das gehört zu den schwierigsten Aufgaben der Fachkraft, die für die Regulierung dieses Ausfalls an der Schule zuständig ist; denn es geht eben nicht darum, eine plötzliche Lücke irgendwie zu schließen, sondern pädagogisch sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Wer zum Beispiel an einer verpflichtenden Ganztagsschule diesen Aufgabenbereich bearbeitet, muss sinnvolle Lösungen finden; denn Schülerinnen und Schüler dann erst zur 2. Stunde kommen zu lassen – was nebenbei gesagt im ländlichen Raum sowieso wegen der Schülerbeförderung illusorisch ist – oder früher nach Hause zu schicken, geht dort überhaupt nicht.

Ich habe noch die Worte von berufstätigen Eltern im Ohr, die klar zum Ausdruck brachten, dass sie ihr Kind nicht an einer GTS angemeldet hätten, damit es früher zu Hause ist. Das heißt, der Schulkoordinator für den Vertretungsplan muss auf pädagogische Mittel zurückgreifen.

Ich möchte dazu an erster Stelle PES nennen. Auch dabei liegt der Teufel im Detail, denn die PES-Kraft ist nicht verpflichtet, plötzlich einzuspringen, sondern kann ablehnen, wenn sie zu kurzfristig angefragt wird. Für diesen Fall greift man dann auf eine Lehrkraft zurück, die über Mehrarbeit einspringt. Sie dürfen sicher sein, dass der Personalrat genau hinschaut, dass ein – ich nenne es einmal – ausgewogener Einsatz erfolgt. Eine Klasse zu beaufsichtigen, gilt dabei nicht als Mehrarbeit.

Wovon ich überhaupt nichts halte, ist eine Regulierung des Unterrichtsausfalls über „eine Klasse mitführen“, das heißt die Aufsicht im Nebenraum. Dies kann sehr schnell dazu führen, dass die Aufsichtspflicht dann doch nicht in dem Maße wahrgenommen werden kann, wie dies notwendig wäre.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Michael Frisch, AfD)

Meine Damen und Herren, in einem BGH-Urteil vom 19. Juni 1972 wird festgestellt, dass ein Schulleiter, der eine Mitbeaufsichtigung angeordnet hat, eine Amtspflichtverletzung begangen hat.

Fällt nun eine Lehrkraft längere Zeit aus, so kann die Schule auf den Vertretungspool zurückgreifen. Dies gestaltet sich dann einfach, wenn der Ausfall in Fächern erfolgt, die stark nachgefragt werden. Für Informatik, Physik, Chemie, bildende Kunst oder Musik ist der Markt leer, da hilft auch der Vertretungspool nicht. Also akzeptiert die Schule einen Vertretungslehrer, zum Beispiel im Fach Deutsch für zwölf Stunden, während die Lehrkraft, die Chemie und Deutsch an der Schule unterrichtet, ihre Deutschstunden

an den Vertretungslehrer abgibt und dafür einige Zeit Chemie unterrichtet.

Das Maulen unter den Schülern und Lehrern lässt dann nicht lange auf sich warten, weil man mitten im Schuljahr einen Lehrerwechsel mit allen pädagogischen Konsequenzen hat.

Meine Damen und Herren, ich schildere diese sehr praxisnahen Beispiele, damit deutlich wird, vor welchen Herausforderungen die Schulen tagtäglich stehen. Schulleiter und Koordinatoren für den Vertretungsplan müssen außerordentlich kreativ sein, um Lücken zu schließen. Da helfen auch die deutlich verbesserten Rahmenbedingungen, die seit einigen Jahren geschaffen worden sind, nur bedingt.

Eine Lösung wäre – das ist mein letzter Satz –, den strukturellen Ausfall so gering wie möglich zu machen. 105 %, das wäre die Idealvorstellung; denn das wirkt sich auch auf den temporären Ausfall aus.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der CDU und des Abg. Michael Frisch, AfD – Abg. Michael Frisch, AfD: Sehr gut, Frau Lerch!)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Köbler.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist zunächst einmal löblich, dass die CDU jetzt auch den Anspruch hat, sich mit der Realität an den Schulen zu beschäftigen.

(Abg. Martin Brandl, CDU: Das sagt der Richtige! – Abg. Michael Frisch, AfD: Billig! Wie billig! – Abg. Alexander Licht, CDU: Wenn Sie zugehört hätten, der Kollegin der FDP zugehört hätten, wüssten Sie, was Realität ist! – Zuruf der Abg. Anke Beilstein, CDU)

Sie müssen dann nur die Fragen, die Sie stellen, und die Antworten, die Sie dazu bekommen, auch nachvollziehen und entsprechend einordnen können.

Nicht alles, was man nicht versteht, ist gleich ein Skandal oder Verschleierung. Es geht bei der strukturellen Unterrichtsversorgung, das ist schon angesprochen worden, um die planmäßige Besetzung von Stellen für die Unterrichtsversorgung.

Wenn Sie sich das Thema „temporärer Unterrichtsausfall“ vornehmen, dann sage ich aus der Perspektive eines Vaters, ist das natürlich die realistischere Frage. Am Ende ist gerade bei den kleineren Kindern der Unterrichtsausfall immer auch ein Ärgernis und sollte natürlich minimiert werden.

Nur was Sie dann aus den Zahlen machen und wenn Sie all die Zahlen aus der Antwort aufführen, die Sie alle bekommen haben, dann kann ich a) nicht verstehen, wie Sie dann auf Basis der Zahlen, die Sie hier vortragen, zu dem Ergebnis kommen, es würde irgendetwas verschleiert; denn alle Fragen sind beantwortet, alle Zahlen liegen vor, und b) dürfen Sie nicht das eine mit dem anderen vermischen.

Sie fragen nach nicht planmäßig gehaltenem Unterricht oder nach ausgefallenem Unterricht. Dann können Sie doch nicht all diejenigen Methoden, die angewandt werden, um nicht planmäßig erteilten Unterricht doch stattfinden zu lassen, sozusagen mit Unterrichtsausfall gleichsetzen.

(Zuruf der Abg. Anke Beilstein, CDU)

Wenn nur planmäßiger Unterricht gehalten werden dürfte, dann würde das bedeuten, dass all die Lehrkräfte, die auf den Planstellen für die Unterrichtsversorgung sind, an allen Tagen des Schuljahres immer und überall da, in der Klasse sein und zur Verfügung stehen müssten.