Protocol of the Session on August 22, 2019

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Hausärzte bilden das Herz einer guten medizinischen Versorgung, und vor allen Dingen sind Hausärztinnen und Hausärzte oft auch die erste Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten.

Eine der großen Herausforderungen für unsere Gesellschaft ist es daher, den Menschen in allen Regionen unseres Landes Zugang zu guter, wohnortnaher Versorgung zu geben. Deswegen ist die Landesregierung Rheinland-Pfalz hier seit Jahren aktiv unterwegs. Ich nenne beispielhaft nur den Masterplan zur hausärztlichen Versorgung, ich nenne beispielsweise die Gründung von Ärztegenossenschaften oder auch die Chancen, die sich in der Nutzung von Digitalisierung und Telemedizin ergeben.

Wichtig ist aber, dass wir nicht stehen bleiben, sondern alle Möglichkeiten, die sich bieten, ausschöpfen, um Ärztinnen und Ärzte für die medizinische Grundversorgung zu gewinnen. Deshalb hat die Landesregierung eine Landarztoffensive gestartet, mit der wir eine Vielzahl von Maßnahmen auf den Weg bringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzen wir aus dieser Landarztoffensive eine weitere, eine ganz konkrete Maßnahme um, nämlich die Landarztquote. Wir haben uns, ich persönlich, im Bund im Jahr 2017 dafür eingesetzt, dass der Bund den Ländern die Ermächtigung gibt, eine solche Landarztquote einzuführen. Ich habe im Frühsommer 2017 schon deutlich gemacht, ja, darin ist ein wichtiger Baustein zu sehen.

Deswegen ist es umso erfreulicher, dass wir in RheinlandPfalz von dieser hart erkämpften Ermächtigungsgrundlage Gebrauch gemacht haben. Wir haben davon Gebrauch gemacht, und wir sind eines der ersten Bundesländer, das die Landarztquote einführen wird.

(Beifall der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir gehen sogar noch einen Schritt weiter als andere Bundesländer; denn nicht nur die hausärztliche Versorgung steht vor Herausforderungen, sondern auch der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD). Der Öffentliche Gesundheitsdienst ist meistens dann im Fokus, wenn es sich um Gefahren für die gesamte Bevölkerung handelt, beispielsweise bei InfluenzaPandemien, bei den EHEC-Ausbrüchen oder bei Hygienemängeln.

Deswegen entwickeln wir im Rahmen einer Initiative zur Stärkung des ÖGD nicht nur Maßnahmen zur Personalgewinnung vor allen in den Kommunen, sondern, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir nutzen die Ermächtigung

des Bundes und führen als erstes Land bundesweit auch eine Quote für den ÖGD ein.

So werden ab dem Wintersemester 2020/2021 pro Semester 16 bis 17 Studierende über die Landarztquote und ÖGD-Quote ihr Medizinstudium beginnen. Es wird nicht nur die Abiturnote bei der Studienplatzvergabe eine Rolle spielen, sondern es wird im Rahmen des Auswahlverfahrens insbesondere die persönliche Eignung geprüft, beispielsweise hinsichtlich einer Berufsausübung, einer ehrenamtlichen oder praktischen Tätigkeit im Gesundheitsund Pflegebereich.

Damit eröffnet dieser Gesetzentwurf auch Bewerbern mit einem guten Abitur – nicht mit einem Spitzenabitur, aber mit einem guten Abitur – den Weg zu einem Medizinstudienplatz. Im Gegenzug verpflichten sich dann die Bewerber per Vertrag, sich zum einen in der entsprechenden Facharztrichtung weiterzubilden und zum anderen, für zehn Jahre als Hausärztin oder Hausarzt im ländlichen Bereich bzw. im Gesundheitsamt tätig zu sein.

An dieser Stelle reagieren Kritiker häufig reflexartig und sagen, aber ein 19-Jähriger Abiturient, eine 19-Jährige Abiturientin wissen doch zu Beginn ihres Medizinstudiums noch gar nicht, wohin die Reise geht, in welche Facharztrichtung sie sich weiterbilden wollen, sie brauchen doch Zeit der Orientierung, und wir würden die jungen Menschen mit dieser Entscheidung überfordern.

Meine Damen und Herren, an die Kritiker gewandt lassen Sie mich sagen: Unterschätzen Sie die jungen Menschen nicht, trauen Sie den jungen Menschen etwas zu. Ja, es mag den einen oder anderen geben, der sich noch orientieren will, der die Zeit des Studiums nutzt, um in die verschiedenen Facharztrichtungen hineinzuschnuppern, um sich erst am Ende des Studiums zu entscheiden. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es gibt aber auch junge Menschen, die schon ganz klar Medizin studieren wollen mit dem Ziel, später als Allgemeinärztin, als Allgemeinarzt tätig zu sein. Für diese jungen Menschen ist die Landarztquote eine wunderbare Option.

(Beifall bei SPD und FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, dass keine Maßnahme für sich allein genommen den Nachwuchsmangel beseitigen wird, aber die Landarztquote und auch die Quote für den ÖGD sind ganz wichtige Bausteine in diesem großen Maßnahmenbündel, um vorausschauend und versorgend und vor Ort die Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Lassen Sie uns dies gemeinsam tun. Ich freue mich auf die parlamentarischen Beratungen; denn „Land schafft Arzt“.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Dr. Peter Enders.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke der Landesregierung, dass sie dieses Thema, diesen Gesetzentwurf heute auf die Tagesordnung gesetzt hat, gibt es mir doch Gelegenheit, bei meiner wahrscheinlich letzten Rede nach über 20 Jahren Zugehörigkeit

(Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und Cornelia Willius-Selzer, FDP: Ooh!)

zu einem Thema zu reden, das ich seit langer Zeit besonders begleite.

Das bringt mich natürlich in die Bredouille, auf der einen Seite eine versöhnliche Abschiedsrede zu halten und auf der anderen Seite Kritik zu üben. Ich versuche, diesen Spagat heute hinzubekommen.

Es ist in der Tat so, dass am 31. März 2017 die Kultusministerkonferenz einen Beschluss zum „Masterplan Medizinstudium 2020“ gefasst hat. Darin stellt die Landarztquote eine von vielen Maßnahmen – eine von vielen – zur Steigerung der Attraktivität der landärztlichen Tätigkeit dar. Es ist die Maßnahme Nummer 37, aber eine besonders wichtige.

Es handelt sich um eine Vorabquote von bis zu 10 % – hier in Rheinland-Pfalz sollen es 6,3 % der Studienplätze für die Landarztquote sein – für Bewerber, die sich verpflichten, nach dem Studium eine Facharztausbildung in Allgemeinmedizin zu machen, um danach hausärztlich zehn Jahre in einem sogenannten unterversorgten Gebiet tätig zu sein.

Zur Zumutbarkeit – Frau Ministerin, Sie haben das schon erwähnt –: Ich halte das für zumutbar. Ich habe mich mit 19 Jahren, obwohl ich einen Studienplatz hatte, damals bei der Bundeswehr verpflichtet und das bis heute nicht bereut.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Guter Mann!)

Ich war vor einigen Monaten bei unserem Kollegen KarlJosef Laumann in Düsseldorf, der das ganz pragmatisch gesagt hat: Es gibt eine Menge junger Menschen, die Landarzt werden wollen. Die haben kein Einser-Abitur, und denen geben wir eine Chance. Darum geht es letztendlich.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist es gut, dass es neben der Abiturquote noch andere Kriterien gibt.

Frau Ministerin, ich muss natürlich kritisch sagen, jetzt über zweieinhalb Jahre nach dem Beschluss des Masterplans legen Sie diesen Gesetzentwurf vor. Nordrhein-Westfalen war mal wieder schneller.

(Abg. Dr. Tanja Machalet, SPD: „Mal wieder“ ist gut! – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ausnahmsweise!)

Die haben zu diesem Wintersemester, das im Oktober beginnt, bereits 145 Studienplätze im Rahmen der Landarztquote zur Verfügung gestellt.

(Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU)

Aber auch die CDU-Landtagsfraktion hier war schneller. Wir haben am 19. Januar letzten Jahres einen Antrag gestellt – Drucksache 17/5147 – mit dem Titel „Mehr Studienplätze für Humanmedizin in Rheinland-Pfalz schaffen, um dem Landarztmangel entgegenzuwirken“.

(Zuruf des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU)

Dazu gab es im Juni eine Anhörung. Der Antrag wurde von der Ampel abgelehnt, später auch im Plenum. Am 17. Mai, wenige Monate später, haben wir einen weiteren Antrag eingereicht, er trägt die Drucksachennummer 17/6246 und nannte sich „Stipendienprogramm für Medizinstudierende kombiniert mit Landarztquote“. Man beachte das Datum 17. Mai. Da haben wir es als Fraktion thematisiert. Auch dazu wurde im Ausschuss eine Anhörung beschlossen, am 18. Oktober letzten Jahres durchgeführt, und im Januar wurde der Antrag dann hier im Plenum mehrheitlich abgelehnt.

Aber jetzt kommt es, und das ist das Erfreuliche. Offensichtlich hat unser Antrag vom Mai 2018 zur Landarztquote als maximaler Katalysator gewirkt und die Landesregierung wach werden lassen;

(Beifall der CDU)

denn noch bevor die Anhörung zu unserem Antrag vom 17. Mai am 18. Oktober durchgeführt werden konnte, und nachdem man kurz vorher unseren Antrag auf Erhöhung der Zahl der Studienplätze im Ausschuss abgelehnt hatte, haben dann Gesundheitsministerin und Wissenschaftsminister gemeinsam am 28. September die Landarztoffensive vorgestellt. Ich begrüße außerordentlich, dass Sie letztendlich unsere Ratschläge gut verarbeitet haben.

Das war zum einen die Erhöhung der Zahl der Studienplätze um 13 % – ich sage es jetzt richtig – über die gesamte Legislaturperiode. Viel zu wenig, sagt auch die Ärztekammer, sagt nicht nur die CDU-Landtagsfraktion. Wir hatten 10 % gefordert in Bezug auf die Zahlen von 2018. Das ist oft debattiert worden, dazu haben wir unterschiedliche Auffassungen. Ich bleibe dabei, es muss nachgelegt werden.

(Beifall bei der CDU)

Das Zweite war dann die Regionalisierung der Medizinerausbildung im klinischen Teil in Trier. Volle Unterstützung, auch wenn Trier nicht gerade im Zentrum von RheinlandPfalz liegt.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Na, na!)

Ich werbe nach wie vor dafür und sage das zum wiederholten Mal: In Koblenz wäre das auch möglich, unter gleichen Rahmenbedingungen und auch noch vor 2021.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ist aber auch nicht im Zentrum!)

Herr Dr. Braun, ich fahre wenig Fahrrad, ich fahre gerne mit der Bahn. Wenn man als Student von Mainz nach Trier

will, ist es eine Tagesreise. Von Mainz nach Koblenz ist das in einer knappen Stunde zu bewerkstelligen.

(Beifall der CDU – Abg. Hedi Thelen, CDU: So ist das!)

Ich sage das in aller Deutlichkeit, die Kollegin Dr. Köbberling sieht das genauso und unterstützt das auch.

(Abg. Martin Haller, SPD: So, so!)

Das Dritte wäre dann die Landarztquote als Teil dieser Landarztoffensive. Ich freue mich in der Tat, deswegen kann man das kritisch und trotzdem freundlich sagen in meiner wohl letzten Rede hier im Landtag, dass gerade im Bereich der Gesundheitspolitik über viele Jahre eine ganze Reihe unserer Vorschläge nach einer gewissen zeitlichen Verzögerung leicht modifiziert dann doch parlamentarisch Mehrheiten finden konnte.