Protocol of the Session on May 16, 2019

Wir wollen mit unserem Antrag die Landesregierung – das Sozialministerium, aber auch das Familienministerium – unterstützen, die auf vielfältige Weise auf Bundesebene und im Bundesrat für Mehrheiten für eine Kindergrundsicherung in Deutschland, die wirklich vor Armut schützt, kämpft.

Ja, wir haben in Deutschland sehr viele familienpolitische Leistungen, aber sie schützen Kinder eben nicht vor Armut. Warum? Das Kindergeld wird auf Hartz IV angerechnet. Das Elterngeld ist für die Familien, die besonders wenig haben, am geringsten. Der Kinderzuschlag wird von den allermeisten, die ihn erhalten könnten, gar nicht erst beantragt. Für das Bildungs- und Teilhabepaket, das vorhin angesprochen wurde, muss man beim Sozialamt zehn unterschiedliche Anträge ausfüllen. Wenn ich aber genug Einkommen habe, bekomme ich den Kinderfreibetrag frei Haus über die Steuer.

Das Problem ist auch die Gängelung der Familien, die in Armut leben oder drohen, in Armut zu rutschen, auf den Ämtern, wo sie hier einen Antrag stellen müssen, da wieder einen Nachweis erbringen müssen und dort eine Einkommens- und Vermögensprüfung über sich ergehen lassen müssen. Auch dieses Stigma muss endlich aufhören.

Deswegen würde eine Kindergrundsicherung allen Familien zugutekommen. Sie würde das Anrechnungs- und Bürokratiewirrwarr unserer Familienleistungen endlich beenden, und sie würde vor allem Kinder aus der Armut holen und Kinder und Familien dauerhaft vor Armut schützen. Deswegen wollen wir eine Kindergrundsicherung, die den realen Bedarf der Kinder existenzsichernd abdeckt, Familien vor Armut schützt und automatisch und ohne kompliziertes Antragsverfahren und das Laufen vom Pontius zu Pilatus an die Familien ausgezahlt wird.

Dabei ist es egal, ob Eltern auf Grundsicherung angewiesen sind oder nicht. Der Mindestbedarf von Kindern muss unabhängig von ihren Eltern immer gesichert sein. Wir wollen eine Kindergrundsicherung, weil uns jedes Kind gleich viel wert ist.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Nun erteile ich für die Landesregierung Staatsministerin Bätzing-Lichtenthäler das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Aufwachsen in Armut ist eine schwere Hypothek. Auch bei uns in Rheinland-Pfalz starten zu viele Kinder mit dieser Hypothek in ihr Leben. Um Kinderarmut wirksam zu bekämpfen, brauchen wir einen Policy-Mix aus den verschiedensten Maßnahmen.

Hierbei ist es entscheidend, dass wir uns mit den Ursachen von Armut auseinandersetzen; denn Kinderarmut ist immer auch die Armut der Familie. So helfen die Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit, gute und existenzsichernde Löhne oder auch bedarfsgerechte Betreuungs- und Infrastrukturangebote nicht nur den Eltern, sondern sie schützen die Kinder und helfen, diese vor Armut zu bewahren.

In Rheinland-Pfalz verfolgen wir schon sehr lange diesen Ansatz eines Bündels, eines Mixes von Maßnahmen. So haben wir mit dem ESF-Förderansatz „Bedarfsgemeinschaftscoaching“ ein ganz niedrigschwelliges Angebot für Langzeitleistungsbezieher und deren Familien geschaffen. Wir unterstützen mit dem Programm zur Bekämpfung von Kinder- und Jugendarmut in Rheinland-Pfalz vor Ort ganz konkret wirksame und realisierbare Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen in Armut.

Wir initiieren mit dem landesweiten Beteiligungsprozess „Armut begegnen – gemeinsam handeln“ in den Kommunen auch Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Armut, die ganz konkret dazu beitragen, die Lebenssituation der Menschen – der Erwachsenen wie auch der Kinder – zu verbessern. All das kommt den Familien in Armut konkret und unmittelbar zugute und damit auch den Kindern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin sehr froh darüber, dass auch der Bund mit dem Bildungs- und Teilhabepaket und dem Starke-Familien-Gesetz in den vergangenen Monaten noch einmal viel auf den Weg gebracht hat, um Kinderarmut entgegenzuwirken. Beispielsweise fallen ab dem 1. Juli 2019 die Eigenanteile der Eltern für das gemeinsame Mittagessen in Kita und Schule weg, und künftig werden auch Sammelanträge für Schulen möglich sein.

Die Vorschläge, die in dem kurzfristig eingegangenen Antrag der CDU-Fraktion aufgeführt sind, wie beispielsweise eine Anhebung des Kindergelds, greifen an der Stelle meines Erachtens zu kurz; denn sie verkennen, dass Leistungsberechtigte, die zum Beispiel SGB-II-Leistungen beziehen, von dieser Erhöhung des Kindergelds überhaupt nicht profitieren, weil dies angerechnet wird und somit auch keine konkrete und spürbare Verbesserung für diese Familien und vor allen Dingen die Kinder zu verzeichnen ist.

Auch das von Ihnen geforderte Landesfamiliengeld, das es nur noch in zwei Bundesländern gibt, ist nicht geeignet,

um diese komplexe Problematik zu lösen.

Daher glaube ich, dass für die wirklichen Erfolge im Kampf gegen Kinderarmut noch viel mehr passieren muss. Wir brauchen eine grundlegende Reform der Kinder- und Familienförderung. Wir brauchen eine Kindergrundsicherung, und zwar eine echte Kindergrundsicherung für alle Kinder; denn diese wird auch das Problem der Stigmatisierung erheblich reduzieren.

Eine echte Kindergrundsicherung für alle Kinder reduziert die Hürden bei der Beantragung sozialer Leistungen für Kinder. Mit der Kindergrundsicherung wird es daher bessere Leistungen für Kinder geben, und damit wird es gelingen, die Quote der Kinder und Jugendlichen unterhalb der Armutsrisikoschwelle zu senken. Es wird mit der Kindergrundsicherung gelingen, die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Es wird gelingen, einen niedrigschwelligeren Zugang zu Leistungen zu ermöglichen und vor allem Bürokratie abzubauen.

Um diese Ziele einer echten Kindergrundsicherung zu erreichen, muss diese zukünftig aus zwei Säulen bestehen. Erstens muss sich die Kindergrundsicherung am finanziellen Bedarf der Kinder orientieren. Daher müssen wir in der Kindergrundsicherung das Kindergeld, den Kinderzuschlag, die Regelleistungen nach SGB sowie die pauschalen Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets zusammenführen.

Zweitens – auch diese Säule ist sehr wichtig – muss die Kindergrundsicherung auch die Infrastrukturleistungen in Kita, Schule, Ganztagsbetreuung und die Teilhabe an Förderangeboten berücksichtigen.

Diese beiden Säulen – individuelle Grundsicherung und infrastrukturelle Förderung – sollen nach unserer Vorstellung die neue Leistung ausmachen. Daher werde ich mich auch weiterhin auf Bundesebene intensiv dafür einsetzen, dass die bisherigen kindbezogenen und existenzsichernden Sozialleistungen sowie steuerlichen Förderungen in einer Kindergrundsicherung gebündelt zusammengefasst werden, um Kinderarmut wirksam zu bekämpfen.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen aus dem Plenum sehe ich nicht. Damit sind wir am Ende der Debatte dieses Antrags und des Alternativantrags, und wir können über beide abstimmen. Wir stimmen zunächst über den Antrag der Regierungsfraktionen – Drucksache 17/9171 – ab. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Danke schön. Damit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der CDU bei Enthaltung der AfD angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Alternativantrag der CDU-Fraktion – Drucksache 17/9227 –. Wer diesem

Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Vielen Dank. Damit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU bei Enthaltung der AfD abgelehnt.

Ich rufe Punkt 23 der Tagesordnung auf:

Berufliche Bildung gleichstellen – Gebühren für Meister-, Fachwirt-, Technikerausbildung streichen Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/9201 –

dazu: Berufliche Fortbildung als gleichwertige Alternative zum ersten akademischen Abschluss Antrag (Alternativantrag) der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/9224 –

Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 5 Minuten vereinbart.

Ich darf zunächst einem Mitglied der antragstellenden Fraktion das Wort zur Begründung erteilen. – Frau Abgeordnete Wieland, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor drei Wochen, am 27. April, wurden in der Koblenzer Rhein-MoselHalle 588 Meisterinnen und Meister unter anderem unter Anwesenheit der Ministerpräsidentin ausgezeichnet. Es war eine sehr würdevolle, sehr eindrucksvolle Veranstaltung.

Am gleichen Tag – es wurde in einigen Zeitungen veröffentlicht – ging die Überschrift „Deutschland hinkt bei Uni-Absolventen hinterher“ über den Ticker. Diese Überschrift haben viele Eltern gelesen, die überlegen, welche Ausbildungswege ihr Sohn, ihre Tochter künftig einschlagen soll.

Leider haben diese Eltern nicht erlebt, wie stolz die Handwerkerinnen und Handwerker an diesem Nachmittag ihre Meisterbriefe in Empfang genommen haben. Das zeigt, wir können nicht oft genug auf die Vorteile der dualen Bildung hinweisen und diese auch in der Öffentlichkeit bewusstmachen.

(Beifall bei der CDU)

Wir reden alle so oft von der Gleichwertigkeit akademischer und beruflicher Bildung. Das ist unser aller Ziel, das wir auch in Wahl- und Parteiprogrammen ausdrücken. Das hat auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer bei der Meisterfeier so ausgedrückt.

Es wird aber Zeit, dass diese Bemühungen nicht nur in Sonntagsreden vorkommen. Wir müssen auch danach handeln. Wir müssen dieses Anliegen, dieses Ziel auch praktisch umsetzen. Was heißt das? Auch hier gilt: Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts. Während das Studium in Rheinland-Pfalz selbst für Langzeitstudenten

kostenlos ist, müssen angehende Meisterinnen und Meister oder auch Fachwirte oft etliche Tausend Euro selbst tragen.

Bei der Meisterfeier, die ich schon mehrfach erwähnt habe, berichtete mir eine Meisterin, die neben mir saß, dass sie einen Kredit habe aufnehmen müssen, um ihre Ausbildung zu finanzieren, sie aber gar nicht wisse, wann sie denn mehr verdienen werde und deshalb auch ihren Kollegen nicht unbedingt zuraten könne, eine Meisterausbildung zu machen.

Ja, die Änderung im Aufstiegs-BAföG im Jahr 2016 war ein wichtiger Schritt. Jetzt sind auch Teile der Ausbildungskosten durch Zuschüsse gedeckt. Aber eben nur Teile. Bei Kursgebühren und Gebühren für das Meisterstück, die in den fünfstelligen Bereich gehen, bleibt noch eine erkleckliche Summe, die finanziert werden muss.

Deshalb gilt nach wie vor: Die derzeitige Praxis bei der Finanzierung der Meisterkurse ist im Vergleich zum Studium ungerecht. Das sollten wir ändern.

(Beifall bei der CDU)

Wir überlegen immer wieder, was wir gegen den gravierenden Fachkräftemangel tun können. Er hat längst weitreichende Konsequenzen. Geplante Maßnahmen und Investitionen können nicht mehr umgesetzt werden, weil es eben keine Handwerker mehr gibt und Fachkräfte fehlen. Das hemmt inzwischen auch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung.

(Beifall der CDU)

Gerade im Handwerk sind die Nachwuchsprobleme enorm. Es gibt Initiativen im Land; wir alle haben den Meisterbonus unterstützt und mit auf den Weg gebracht, aber wir müssen die Schlagkraft erhöhen. Wir brauchen Vorbildkarrieren. Wir brauchen mehr solcher erfolgreicher Meister; denn wir brauchen Meister auch als künftige Ausbilder.

Aber solange die Ausbildung teuer ist, hat dieser Schritt auch eine abschreckende Wirkung. Mir wurde berichtet, wie anspruchsvoll, wie herausfordernd der Meisterkurs ist. Wenn dann noch die finanzielle Unsicherheit hinzukommt, ist für manch einen die Hürde zu hoch, und er geht diesen Schritt, den wir auch für die Gesellschaft, für die Wirtschaft brauchen, nicht; denn eine Meisterausbildung ist ja, ob man hinterher angestellt oder selbstständig ist, keine Garantie für ein höheres Einkommen, auch keine Garantie dafür, den Kredit zurückzahlen zu können.

(Zuruf von der CDU: So ist das!)

Wir brauchen aber ganz dringend Meister als Ausbilder, wir brauchen auch die Übrigen, beispielsweise Fachwirte, als Führungskräfte. Wir brauchen Unternehmer, und wir brauchen Unternehmernachfolger.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb wäre die Gebührenfreiheit der Ausbildung oder vielmehr die Gebührenerstattung ein ganz wichtiges Signal. Die Meisterprämie, der Aufstiegsbonus waren ein Einstieg

in diese Richtung. Wir haben sie alle begrüßt. Inzwischen haben aber einige Bundesländer weit höhere Prämien. Außerdem: Die 1.000 Euro decken die wirklichen Kosten, den Bedarf in vielen Fällen keineswegs ab. Es braucht weitere Anreize.