Protocol of the Session on March 29, 2019

(Heiterkeit im Hause)

Konrad Adenauer hat gesagt: Wir wollen keine Allmacht des Staats, aber auch keine Allmacht des Kollektivs. – Ich finde, das trifft es sehr gut.

(Beifall bei der CDU)

Es ist klar, die Wahrheit liegt natürlich immer in der Mitte. Planungsrecht ist die vornehmste Pflicht der politischen Repräsentanten. Deshalb ist Bürgerbeteiligung in diesem Bereich natürlich eine informelle Bürgerbeteiligung. Informelle Bürgerbeteiligung ist auch Bürgerbeteiligung. Sie ersetzt auch nicht, dass die Mandatsträger vor Ort Verantwortung tragen und in die Pflicht zu nehmen sind. Es ist natürlich wichtig, dass diese sich darum kümmern.

Es gäbe noch viel zu sagen, aber vor dem Hintergrund muss man den Gemeinderäten ein Stück weit Vertrauen entgegenbringen. Wir wollen den Repräsentationsgedanken dort stärken.

Ein Punkt, den man nie vergessen darf, ist der Minderheitenschutz. Nicht der, der am lautesten ruft, darf das Recht bekommen, sondern wir müssen auch immer wieder an die denken, die dort vielleicht nicht die ganz Starken sind. Ein Kompromiss gehört in einer repräsentativen Demokratie eben dazu. Deswegen werden wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

Danke schön.

(Beifall der CDU und des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für eine Kurzintervention zu dieser Rede hat sich der Abgeordnete Frisch gemeldet.

Verehrter Herr Kollege Lammert, Sie weisen darauf hin, dass wir angemerkt haben, es gäbe Fälle, in denen eine Mehrheit der Bürger etwas anders sieht als der Rat. Das ist so. Wir hatten – daher kommt es auch, dass ich mich mit dieser Thematik beschäftigt habe – in Trier eine Abstimmung über eine Tankstelle im Alleenbereich. Das ist eigentlich ein völlig marginales Thema, das die Bürger aber intensiv beschäftigt hat. Der Rat hat mit großer Mehrheit dafür gestimmt, dass diese Tankstelle wegkommt. Die Bürger haben ein Bürgerbegehren gemacht. Dem schloss sich ein Bürgerentscheid an. Dann haben sich die Mehrheitsverhältnisse komplett umgekehrt.

(Zuruf der Abg. Pia Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist auch gut so. Das zeigt aber, dass das, was wir schreiben, durchaus berechtigt ist. Wenn wir sagen, repräsentative und direkte Demokratie ergänzen sich, dann ist das ein wunderschönes Beispiel dafür. Auch ein Rat kann irren. Er kann die Meinung der Bürger vertreten, er kann sie auch nicht vertreten.

Bei Baugebieten haben wir das in besonderer Art und Weise, weil zum Beispiel in dem Fall, den ich aus Trier geschildert habe, der Rat, als er gewählt wurde, überhaupt nicht mit der Thematik befasst war. Das heißt, die Bürger hatten bei dieser Wahlentscheidung gar keine Möglichkeit, den für sie wichtigen Aspekt, kommt dort ein Baugebiet

hin oder nicht, in irgendeiner Form zu berücksichtigen.

Gerade wenn sich Bürger in einem informellen Verfahren intensiv mit einer Sache beschäftigt haben, macht es doch Sinn, sie abstimmen zu lassen.

(Abg. Sven Teuber, SPD: Haben sie doch!)

Es kommt immer wieder die Kritik, die Bürger seien mit den Dingen überfordert, weil sie zu komplex seien. In diesem Bauleitverfahren gab es eine intensive informelle Beteiligung.

(Zurufe von der SPD)

Hören Sie einmal zu. Ich bin noch gar nicht fertig. Sie krakelen schon herum, bevor die Dinge zu Ende erzählt sind.

Die Bürger haben sich intensiv damit beschäftigt. Jetzt haben sie aber gerade bei der Entscheidung über das Baugebiet nicht mehr wie bei der Tankstelle die Möglichkeit gehabt, selbst darüber zu entscheiden, weil eben die Bauleitungplanung im Negativkatalog in der Gemeindeordnung enthalten ist.

(Zurufe von der SPD)

Das wollen wir ändern, weil Baufragen für die Bürger in einer Kommune von ganz erheblicher Bedeutung sind.

(Beifall der AfD)

Wir haben jetzt die Situation, dass die Bürger frustriert sind.

(Zuruf der Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU)

Sie haben Einwendungen gemacht. Sie haben ganze Ordner voll mit klugen Gründen vorgebracht, warum es vielleicht nicht sinnvoll wäre, dieses Baugebiet da zu errichten, aber der Rat hat anders entscheiden.

(Abg. Sven Teuber, SPD: Überhaupt keiner ist frustriert!)

Viele haben den Eindruck, dass Lobbyinteressen mitgespielt haben.

Herr Lammert, wenn Sie sagen, wir müssen schauen, dass nicht die Minderheiten zu kurz kommen, kann man das auch andersherum sehen: Ein Rat ist immer auch für gewisse Einflüsse von Lobbyisten zugänglich. Das ist selbstverständlich auch in der Kommune so.

(Zurufe von der CDU)

Deshalb wäre es vielleicht gut, die Bürger in dieser Frage selbst entscheiden zu lassen.

Noch ein Letztes: Die Evaluationen in den Ländern, die das eingeführt haben, sind ausgesprochen positiv. Es gab weder eine Inflation von Bürgerentscheiden noch gab es irgendwelche Probleme mit der Verwaltung. Sie haben nach wenigen Monaten Rechts- und Planungssicherheit. Ich sehe also nicht, was dagegen spricht, außer tiefes

Misstrauen gegenüber unseren Bürgern,

(Glocke der Präsidentin)

das sich in der Ablehnung manifestiert.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Die Gelegenheit zur Erwiderung möchte der Kollege Lammert nicht nutzen?

(Abg. Matthias Lammert, CDU: Man muss nicht auf alles antworten!

Dann erteile ich für die Landesregierung Staatssekretär Stich das Wort.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem Landesgesetz zur Verbesserung der direktdemokratischen Beteiligungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene – das hat Frau Schellhammer schon zu Recht gesagt – wurden die Rahmenbedingungen für die Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger bereits erheblich verbessert. Mit dem Landesgesetz wurden die Empfehlungen der Enquete-Kommission, wenn man das in der Gänze sieht, weitestgehend umgesetzt.

Die Bürgerbeteiligung bei kommunalen Entscheidungsprozessen – ich glaube, darin sind wir uns alle einig – ist für die gelebte Demokratie vor Ort essenziell wichtig. Die Einbindung der Bevölkerung in kommunalpolitische Entscheidungen kann eben auch helfen, Politikverdrossenheit entgegenzuwirken. Die kommunale Selbstverwaltung ist auf bürgerschaftliches Engagement ganz klar angewiesen. Sie lebt davon, dass sich der Einzelne in die Gemeinschaft einbringt. Die Absenkung der Hürden für die Instrumente gerade des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheids war der wichtige, der entscheidende Schritt. Die Landesregierung wird sich natürlich auch weiter dafür einsetzen, dass bürgerschaftliches Engagement in ganz unterschiedlichen Formen gefördert wird und gefördert werden kann.

Die Enquete-Kommission hat im Jahr 2015 auch vorgeschlagen, den Negativkatalog in § 17 a Abs. 2 Gemeindeordnung, wie jetzt von der AfD gefordert, zu ändern. Davon ist aus unserer Sicht zunächst einmal zu Recht abgesehen worden; denn gerade bei dem für die kommunale Selbstverwaltung ganz zentralen Bereich der Bauleitplanung gilt es, sensibel vorzugehen.

Es handelt sich um einen sehr komplexen Aufgabenbereich mit ganz eigenen Spannungslagen, die in dem Feld immanent sind. Die Bauleitplanung ist auf einen langfristigen Zeitraum angelegt. Sie muss die unterschiedlichsten Aspekte berücksichtigen. Es gibt nicht umsonst bei der Bauleitplanung den Abwägungsgrundsatz. Dazu gehört

auch die Frage, ob eine Bauleitplanung überhaupt eingeführt wird. Beim Prozess der Bauleitplanung gilt es, die unterschiedlichsten Interessen abzuwägen. Es geht darum, einen fairen Ausgleich zu schaffen.

Bevor dieser für die kommunale Selbstverwaltung ganz wesentliche Bereich angegangen wird, sollten wir zunächst einmal die Auswirkungen der bisherigen Gesetzesänderung abwarten. Wir reden hier – das muss man ganz klar sehen – über einen Zeitraum von noch nicht einmal drei Jahren seit Inkrafttreten des Landesgesetzes zur Verbesserung direktdemokratischer Beteiligungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene. Bevor wir weitere legislative Maßnahmen im Bereich der Bürgerbegehren und Bürgerentscheide vornehmen, sollte zunächst einmal der Einfluss auf das kommunalpolitische Ehrenamt genauer betrachtet werden.

Wenn der zentrale Bereich der Bauleitplanung für direktdemokratische Beteiligungsformen geöffnet wird, kann das möglicherweise negative Auswirkungen gerade auf die Motivation zur Übernahme von Ratsmandaten haben. Ratsmitglieder – das müssen wir alle sehen – übernehmen heute Verantwortung für ihre Gemeinde. Sie müssen dabei Entscheidungen treffen, die in Teilen der Bevölkerung gegebenenfalls auf Ablehnung stoßen. Sie tun dies in dem Bewusstsein, dem Wohl und dem Interesse der gesamten örtlichen Gemeinschaft verpflichtet zu sein. Die Entschlusskraft und auch die Entschlussfreude der Ratsmitglieder – ich glaube, darin sind wir uns alle einig – muss erhalten werden.

Den Medien war zu entnehmen – ich glaube, das ist ein wichtiges Signal –, dass der Gemeinde- und Städtebund den Vorstoß der AfD ablehnt. Diese ablehnende Reaktion auf den vorliegenden Antrag zeigt, dass hier mit Augenmaß vorgegangen werden muss.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Vor diesem Hintergrund ist derzeit keine Änderung der bestehenden Regelung geplant.

Vielen Dank.