Protocol of the Session on March 28, 2019

„Ein freier Handel ist ohne Freizügigkeit für die Bürgerinnen und Bürger nicht denkbar (...).“ Herr Minister, das ist Nonsens. Der freie weltweite Warenverkehr hat nichts, aber auch gar nichts mit der Personenfreizügigkeit zu tun.

(Abg. Christine Schneider, CDU: Er muss selbst über das lachen, was er vorliest!)

Die Personenfreizügigkeit ist wichtig bei der Theorie eines gemeinsamen Währungsraums, nicht mehr und nicht weniger. Oder betreiben Australien, Japan oder Kanada etwa keinen freien Handel mit Drittstaaten?

Herr Minister, der Redenschreiber oder die Redenschreiberin zeigt weitere Schwächen.

(Heiterkeit der Abg. Christine Schneider, CDU)

So wichtig die BASF für unser Bundesland ist und bleibt, mit der Risikokapital- und Start-up-Landschaft im Silicon Valley hat die BASF strukturell nicht das Allergeringste zu tun. Beides sind Erfolgsmodelle. Hier jedoch werden Äpfel mit Birnen verglichen. Wer solche grundlegenden Themen durcheinanderbringt, sollte keine wirtschaftspolitischen Reden schreiben, sondern besser bei einer Werbeagentur bleiben.

(Beifall der AfD)

Ein weiterer verheerender Fehler zeigt sich beim Thema „China und Staatsfonds“. So problematisch die zentrale Lenkung der Wirtschaft in China und die mangelhaften Freiheiten der Menschen sind, so können Staatsfonds doch Teil der Lösung und nicht des Problems sein. Wer nämlich das Eigentum über die Produktionsmittel hat, hat die Macht insbesondere in einer Gesellschaft, in der die Arbeitsmöglichkeiten immer mehr abnehmen.

(Abg. Martin Haller, SPD: Mein lieber Mann, was sind denn das für Sprüche?)

Solche Staatsfonds können Ziele im Generationenvertrag sein. Ein Staatsfonds kann über eine Kapitalbeteiligung der Bürger somit eine Rentensicherung ermöglichen und darf nicht verteufelt werden.

(Abg. Christine Schneider, CDU: Ich frage mich, was der Redenschreiber beruflich macht!)

Wenn Sie sich etwas auskennen würden, Frau Schneider, ob Lehrerfonds aus Kanada, Staatsfonds aus Norwegen oder Abu Dhabi, andere Staaten haben die Zeichen der Zeit längst erkannt.

(Abg. Alexander Licht, CDU: Selbst in Abu Dhabi?)

Wer Staatsfonds gleichzeitig mit Demokratiedefiziten gleichsetzt, hat nichts, aber auch gar nichts verstanden.

(Beifall der AfD)

Doch zurück nach Rheinland-Pfalz und nach Deutschland. Konjunkturell deuten alle Anzeichen darauf hin, dass der Aufschwung zu Ende geht. Die OECD prognostiziert ein Wachstum von 0,7 %. Vor wenigen Stunden haben die öffentlichen Banken die Wachstumsprognosen in Deutschland halbiert. Die Weltkonjunktur trübt sich ein. Ganz unabhängig hiervon bestehen massive systemische Risiken im Weltfinanzsystem. Wir sollten uns hier nicht blenden lassen.

Laut ifo Institut sind die Exporterwartungen der deutschen Industrie so niedrig wie seit Oktober 2012 nicht mehr. Vor diesem Hintergrund erwarten die Rheinland-Pfälzer eine Regierungserklärung mit Antworten auf Fragen, nämlich vor allem die Frage, wohin Rheinland-Pfalz in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gesteuert werden soll.

Beim BIP-Wachstum hat Rheinland-Pfalz in den letzten Jahren überdurchschnittlich abgeschnitten. Dies darf jedoch kein Anlass sein, sich auszuruhen. Die Umsatzerlöse der rheinland-pfälzischen Industrie etwa lagen im Januar 2019 mit 7,8 Milliarden Euro 1,4 % niedriger als im Vorjahresmonat, während sie in Deutschland sogar um 1,2 % gestiegen sind. Die offizielle Arbeitslosenquote lag in Rheinland-Pfalz zuletzt bei 4,6 %. Das ist noch unter dem Durchschnitt Westdeutschlands.

Auf der anderen Seite nahm die Zahl der in RheinlandPfalz Erwerbstätigen im Jahr 2018 nur um 0,9 % zu. In Deutschland insgesamt waren es 1,3 %.

Im dritten Jahr in Folge ist die Zahl der Erwerbstätigen im Land damit weniger stark gestiegen als in Gesamtdeutschland. Die Relation der Erwerbstätigen im Land pro Einwohner liegt in Rheinland-Pfalz mit 50,1 % unter dem Durchschnitt von 54,1 %. Von den westdeutschen Ländern ist nur Schleswig-Holstein noch schlechter.

Wir haben also das Paradox, dass die Arbeitslosigkeit zwar relativ niedrig ist, es allerdings relativ wenige Arbeitsplätze in Rheinland-Pfalz gibt. Dies liegt an den hohen Auspendlerzahlen.

(Heiterkeit der Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die von der Ampel einmal vorgetragene These, dass viele Menschen, die in den Nachbarbundesländern arbeiten, nach Rheinland-Pfalz ziehen, weil es hier so schön und die Regierung so toll ist, lässt sich im Praxistest nicht wirklich halten. Freiheit und Innovation sind die Triebfedern für den wirtschaftlichen Erfolg von morgen. Hierfür braucht Rheinland-Pfalz hochqualifizierte Köpfe: Die besten der Welt. Dies muss unser Anspruch sein.

Digitalisierung und Automatisierung werden viele Jobs vernichten und wiederum andere, hochqualifizierte Stellen schaffen.

Herr Dr. Wissing, tun Sie uns den Gefallen, bitte vermitteln Sie diese Grundlagen einmal Frau Dreyer oder besser noch Frau Spiegel; denn diese scheinen nicht zu ahnen, in

welche Sozialstaatsfalle uns gerade die unqualifizierte Migration der letzten Jahre laufen lässt. Unsere Steuer- und Sozialsysteme brauchen nämlich Einzahler. Sie brauchen keine Auszahler.

Zur Wirtschaftspolitik und zu den Forderungen: Die AfD-Fraktion hat in den Ausschüssen mehrfach konkrete Forderungen aufgestellt. Wir wollen konkrete messund nachvollziehbare Zwischenziele, kurzum Meilensteine. Wir brauchen die Überprüfung und Weiterentwicklung der Netzwerk- und Clusterschwerpunkte. Wir brauchen ein zentrales Innovationsportal für RheinlandPfalz. Wir wollen Innovationsgutscheine nach dem badenwürttembergischen Vorbild. Wir wollen endlich eine Neuausrichtung der Technologiezentren. Wir wollen eine Anpassung der fachlichen Ausrichtung und der Schwerpunktsetzung der Forschungsinstitute und den Aufbau einer Digitalagentur.

Anspruch und Wirklichkeit fallen hier in Rheinland-Pfalz enorm weit auseinander. Während sich der Wirtschaftsminister heute zur Förderung der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz bekennt, herrschte vorgestern im Wirtschaftsausschuss noch Unklarheit, was überhaupt eine Schlüsseltechnologie für Rheinland-Pfalz sein kann.

Die bittere Wahrheit ist, die Landesregierung hat nicht einmal eine Ahnung, wie viele Start-ups in Rheinland-Pfalz überhaupt gegründet worden sind. Es gibt keine Erfolgsbilanz, es gibt keine Untersuchung, und es gibt keine Details. Die Landesregierung setzt auch keine Prioritäten. Die eierlegende Wollmilchsau stellt keinen wirklich vernünftigen Ansatz dar.

Statt also Wolkenkuckucksheime zu bauen, die bis zum Ende der Legislatur gar nicht seriös umgesetzt werden können, sollte man sich besser einmal um das kleine Einmaleins kümmern. Wir fordern also, die Digitalstrategie zu überarbeiten, damit endlich eine Schwerpunktsetzung und eine Priorisierung erkennbar werden.

Wir möchten den Ausbau im Breitbandbereich, insbesondere bei einem Gewerbegebiet, mit mindestens 100 Mbit/s.

Wie eine Umfrage der IHK aus dem Jahr 2018 zeigt, ist für 87 % der Unternehmen eine leistungsfähige Breitbandinfrastruktur das dringendste Digitalisierungsthema und unverzichtbare Grundlage.

Herr Dr. Wissing, Sie haben es vorhin selbst vorgetragen. Unternehmen treffen ihre Investitionsentscheidung vor dem Hintergrund, was sie an einem Standort konkret vorfinden, und nicht danach, was dort irgendwann einmal sein könnte – eine treffende Analyse und doch lange bekannt.

Ich hatte gestern Abend ein Gespräch mit einem Unternehmer, der sich seit Jahren um schnelles Internet bemüht – ein Mittelständler –, der ohne entsprechende Bandbreiten Probleme hat, die weltweiten Standorte mit der Heimatbasis vernünftig auf einem Level zu vernetzen. In RheinlandPfalz fehlt es also schon an den Grundlagen. Nach den Sternen in einem Moment greifen zu wollen, in dem nicht einmal die Startrampe für die Rakete steht, ist keine gute Idee.

Geradezu zynisch ist der Satz aus der Regierungserklärung: Die Bereitstellung einer modernen Infrastruktur ist Voraussetzung für Investitionen und damit eine staatliche Bringschuld, und diese Landesregierung erbringt sie. – Bei vielen Unternehmern dürfte diese Aussage nur noch für Kopfschütteln sorgen.

Auch die Investitionsquote lässt in Rheinland-Pfalz zu wünschen übrig. Die Landesregierung plant für das Jahr 2019 eine Investitionsquote von 8,7 %. Danach soll es laut Finanzplanung keine weitere Steigerung bis zum Jahr 2023 geben. Die Investitionsquote in Rheinland-Pfalz bleibt somit zurück. So plant Bayern zum Beispiel für das Jahr 2019 bereits eine Investitionsquote von 12,1 %. Wir entwickeln uns also zurück. In der Vergangenheit lag diese Quote schon einmal höher. Sie lag im Jahr 2012 bei 12 %.

Oder betrachten wir die Steigerung der Haushaltsansätze für Innovationen. Eine Steigerung ist zwar erfolgt, doch nicht wirklich aus eigener Initiative. Ein Großteil der Mittel ist nämlich bloße Kofinanzierung aus den EU-Programmen. Wir fragen uns also: Wo bleiben sie denn, die nachweisbaren und dokumentierbaren Erfolgsmeldungen? Was wurde aus dem Ausbau des Netzwerks „Digitaler Handel“? Was wurde aus dem 3D-Druck? Was wurde aus dem Netzwerk „Maschinenbau und Produktionstechnik“? Wie ist der Stand bei den Netzwerken „Ecoliance“ und „EffNet“?

Die Überprüfung und Fortschreibung der Netzwerk- und Clusterschwerpunkte, die Weiterentwicklung der Innovationsförderung – wo bleiben die Erfolgsmeldungen auf Basis konkreter mess- und nachvollziehbarer Zwischenziele? Seit Beginn der Legislaturperiode kommt die Landesregierung bei der Neuausrichtung der Technologiezentren nicht voran. Die Crowdfunding-Plattform – anfangs hochgelobt und im Ausschuss verteidigt – fristet ein Nischendasein.

Auch die Fachkräftestrategie der Landesregierung krankt wie die Digitalstrategie daran, dass sie ein Sammelsurium verschiedenster Maßnahmen ist. Es ist aber aber keine grundlegende Strategie erkennbar.

Voraussetzung für strategisches Vorgehen ist nämlich, dass man die Hauptursachen des Fachkräftemangels offen benennt und nicht bemäntelt. Die Hauptursache des Fachkräftemangels ist die Überakademisierung unseres Bildungswesens.

Was hat sich im Bereich Start-ups, Unternehmensgründung bis jetzt getan? Immerhin: Nach zig Pressemitteilungen der AfD, der mehrfachen Einbringung der Thematik im Wirtschaftsausschuss, einer horizonterweiternden Israelreise ist nun auch die Landesregierung auf den Trichter gekommen und lässt uns wissen – ich zitiere –: Die Gründungsallianz hat bereits Früchte getragen. Wir haben begonnen, unsere Förderpolitik neu auszurichten. Wir wollen eine echte Willkommenskultur für neue Ideen etablieren. –

Nach drei Jahren hören wir an sich immer noch dieselbe Leier wie zu Beginn der Legislatur. Es soll nun plötzlich alles neu ausgerichtet werden. Es ist zwar nicht so, dass in den letzten drei Jahren gar nichts getan wurde, aber: too little, too late.

Die Landesregierung hat keinen Überblick über die Neu

gründungen, und wenn wir im Ernest & Young Startup-Barometer schauen, wie sich denn die Start-upGründungen verteilen, dann ist die Bilanz ebenfalls erbitternd. Im Jahr 2018 erhielten 621 Start-ups eine Finanzierung, davon sechs in Rheinland-Pfalz. Spitzenreiter war Berlin mit 227, es folgen Bayern mit 116 und NordrheinWestfalen mit 59 Gründungen.

Das Finanzierungsvolumen lag für Deutschland bei 4,6 Milliarden Euro, davon entfielen gerade einmal 15 Millionen Euro auf rheinland-pfälzische Unternehmen. Zum Vergleich: McDonald’s hat vor drei Tagen über 300 Millionen Euro für ein einziges neu gegründetes israelisches Startup auf den Tisch gelegt.

Von etwa 1.800 EXIST-Gründerstipendien des Wirtschaftsministeriums gingen von 2007 bis 2017, also in zehn Jahren, gerade einmal 31 nach Rheinland-Pfalz. Die Wahrheit ist: Rheinland-Pfalz ist eine Start-up-Wüste und hat auf diesem Gebiet den Anschluss verloren.

(Abg. Christine Schneider, CDU: Töröö!)

Die Israelreise war zum Fremdschämen, wenn man die Professionalität der dortigen Akteure betrachtet und mit dem vergleicht, was in Rheinland-Pfalz läuft. Die Israelis haben nämlich erkannt, dass gezielte Elitenförderung unumgänglich ist, Privatwirtschaft und Universitäten viel enger zusammenarbeiten müssen, Beamte und Staatsangestellte schlechte Auswahlentscheidungen treffen, private Investoren und Wagniskapitalgeber gezielt gewonnen und aktiviert werden müssen, es staatlich-private Plattformen braucht und eine kapitalseitige Beteiligung von Branchenexperten bei aussichtsreichen Unternehmen noch vor entsprechenden Eigenkapitalrunden Sinn macht, weil sie dafür sorgt, dass nur wirklich aussichtsreiche Start-ups ins Rennen gehen.

Die Gründungsallianz baut auf der AfD-Idee der Digitalagentur auf, die neben Digitalisierungsprojekten auch private und öffentliche Institutionen vernetzen sollte. Immerhin hat man aber erkannt, dass dieses Thema sträflich vernachlässigt worden ist.

Wir haben den Prozess angeschoben. Die Evaluation erfolgt in der Zukunft. Erste Ansätze sind erkennbar, und dann wird auf die nächste Legislaturperiode verwiesen. – Genau so wird es auch jetzt wieder laufen. Aber wir werden und wir können Sie nicht davonkommen lassen. Genau die gleiche Taktik hat man nämlich bei den Technologiezentren angewendet, mit dem Ergebnis, dass nach drei Jahren überhaupt nichts passiert ist. In dieser Zeit sind in anderen Ländern neue Firmen mit eigenen Geschäftsmodellen hochgezogen worden, die mit Milliarden bewertet wurden.

Deswegen ist die politisch-faktische Aussage in der Regierungserklärung, keine Industriepolitik betreiben zu wollen, geradezu feige. Wer sich nämlich nicht festlegt, macht auch keine Fehler. Bei den knappen Ressourcen, die wir in Rheinland-Pfalz haben, können wir mit dem Ansatz eines Gemischtwarenladens nicht aktiv werden.