Protocol of the Session on March 28, 2019

Selbstverständlich – das sage ich auch von grüner Seite – müssen Urheberinnen und Urheber im digitalen Zeitalter adäquat vergütet werden. Deswegen brauchen wir eine europaweite Lösung für das digitale Urheberrecht. Aber sie muss doch auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dienen, und das fehlt in dieser Reform. Sie ist unverhältnismäßig, sie ist unausgewogen. Was wir brauchen, ist eine durchdachte Reform ohne Filter und Leistungsschutzrecht.

Aber was dem Fass wirklich den Boden ausschlägt – das ärgert mich wirklich maßlos –, ist der Umgang mit dem Protest gegen diese Reform. Die Art und Weise, wie mit der jungen Generation umgegangen wird, macht mich wirklich fassungslos. Was die CDU hier macht, ist eine massive Form von Altersdiskriminierung,

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Ach Gott, ach Gott! – Weitere Zurufe von der CDU: Oh Gott, oh je!)

dass jungen Leuten abgesprochen wird, dass sie aus freier Entscheidung demonstrieren. Sie als Bots, als Mob oder als gekaufte Demonstrierende zu bezeichnen, das schlägt wirklich dem Fass den Boden aus, und es zeigt, dass Sie nichts verstanden haben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Ich möchte auch auf die Doppelzüngigkeit der CDU hinweisen.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Wie ist das mit den alten weisen Männern?)

Wenn besorgte Bürger gegen Flüchtlinge demonstrieren, will die CDU plötzlich zuhören. Wenn eine ganze Generation europaweit auf die Straße geht, wird sie beschimpft, und das macht mich unfassbar fassungslos. Es geschieht Ihnen recht, dass diese Leute am Dienstag dann getwittert haben – und der Hashtag ging durch die Decke! –: Nie wieder CDU.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Und nie wieder SPD!)

Ich erspare mir Kommentare zur Rolle der SPD an dieser Stelle, die Ausführungen könnten sehr pointiert sein.

(Abg. Alexander Licht, CDU: Selbst 8 % der Grünen haben doch zugestimmt! – Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Die Grünen haben doch auch zugestimmt!)

Ich fasse zusammen: Wir brauchen eine Reform des Urheberrechts.

(Glocke der Präsidentin – Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Die Grünen haben dem auch zugestimmt! Mit 8 %! Die Vernünftigen unter Euch!)

Sie muss europaweit sein, und nur der europäische Gedanke hilft uns in der digitalen Zeit.

Wir brauchen ein freies Netz, und wir brauchen die Urheberrechte in der digitalen Zeit.

(Glocke der Präsidentin)

Was hier vorliegt, steigert nur die Monopole der großen Plattformen, anstatt Innovation zu ermöglichen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Für die Landesregierung spricht Staatsminister Mertin.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Das Europaparlament hat die Richtlinie beschlossen. So sie denn den weiteren Verfahrensgang auf europäischer Ebene durchläuft, wird sie dann als Richtlinie irgendwann ins deutsche Recht umzusetzen sein.

Es war von Zensur die Rede. Wer das umsetzt, muss Artikel 5 unseres Grundgesetzes beachten, darin steht „Zensurverbot“. Niemand kann in Deutschland eine Richtlinie umsetzen, die gegen dieses in der Verfassung stehende Verbot verstößt. – Ja, es gibt ein Zensurverbot, und das steht so auch im Grundgesetz.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Wenn aber der Eindruck erweckt wurde, als ob die Meinungsfreiheit deshalb trotzdem grenzenlos sei, verweise ich ebenfalls auf Artikel 5 Grundgesetz. Dort ergeben sich die Einschränkungen aus dem Grundgesetz selbst. Die Meinungsfreiheit wird im Grundgesetz begrenzt durch Ehrschutz – niemand darf durch Meinungsfreiheit beleidigt werden –, durch Jugendschutz, und das Grundgesetz selbst sagt, die Meinungsfreiheit hat sich im Rahmen der Gesetze zu bewegen.

(Beifall der FDP, der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

Eines der Gesetze, die hier eine Rolle spielen, ist das Urheberrecht. Es ist in der Rechtsprechung unstrittig, dass das Urheberrecht, welches das Eigentumsrecht der Urheber schützt, ein Schutzgesetz im Sinne dieser Vorschrift ist.

Das ist das Spannende, was es in diesem Falle eigentlich auszutarieren gilt: Wie erhalte ich auf der einen Seite die Meinungsfreiheit der potenziellen Nutzer, und wie schütze ich auf der anderen Seite diejenigen, die urheberrechtlich geschützte Werke haben?

Natürlich soll und kann jeder einen Rundfunk im Internet betreiben; aber wenn er fremde Musik abspielt, dann spielt er eben fremde Musik ab, und dann muss er dafür bezahlen.

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: So einfach ist das!)

Ja. Die Frage ist nur: Wie steuere ich das?

Ich meine, da ist man etwas zu kurz gesprungen, wenn man es so macht wie ein Europaabgeordneter, den ich im Fernsehen gesehen habe, als im Europaparlament darüber diskutiert wurde. Ich vermag nicht einmal zu sagen, zu welcher Partei er gehört hat; ich kannte ihn nicht. Aber er hat immer den Gegnern zugerufen: Zeigen Sie mir in der Richtlinie, wo steht, dass wir vorschreiben, dass es ein Upload-Filter ist. – Natürlich kann ihm dies niemand zeigen; denn das steht nicht darin.

(Abg. Martin Haller, SPD: Das ist doch das Wichtigste!)

Aber diese Art der Auseinandersetzung wird den Protesten nicht völlig gerecht, das muss man auch einräumen.

Man muss nämlich sehen, was sich tatsächlich im Internet abspielt. – Ich habe es mir aufgeschrieben; deswegen habe ich einmal ausnahmsweise einen Zettel, von dem ich es ablesen kann.

Facebook hat auf eine Pressenachfrage mitgeteilt, dass seit April 2018 täglich durchschnittlich 10 Millionen Videos bei Facebook live hochgeladen würden. Diese Videos hätten pro Tag eine Länge von 3.000 Jahren Filmmaterial. – Das kann niemand händisch prüfen, ob Urheberrechtsverletzungen vorhanden sind oder nicht.

Man kann natürlich im Europaparlament die Aussage treffen, wir schreiben ja nicht vor, dass es Upload-Filter sein sollen; aber wie soll man diese Masse sonst kontrollieren?

Übrigens, nur am Rande bemerkt, Artikel 13 ist jetzt nicht mehr Artikel 13, sondern es ist jetzt Artikel 17.

(Abg. Joachim Paul, AfD: So ist es, aber er ist unter Artikel 13 bekannt!)

Ja, ich wollte es nur am Rande sagen, er heißt jetzt Artikel 17. Es ist aber egal, es steht das Gleiche darin wie vorher.

Das Problem ist – deswegen muss man den Kritikern durchaus auch zuhören –, diese technischen Hilfsmittel, diese Upload-Filter arbeiten nicht völlig fehlerfrei. Das können Sie zum Beispiel an den Versuchen von Facebook sehen, die schrecklichen Vorgänge in Neuseeland aus dem Netz zu halten. Dazu sind sie auch gesetzlich bei uns verpflichtet.

Der Software, die Facebook hat, ist es gelungen, in den ersten 24 Stunden 1,2 Millionen Versuche zu stoppen, das heißt, sie kamen erst gar nicht ins Netz. Der Filter war wirksam, an der Stelle auch gewollt wirksam. Niemand hat das anders gesehen.

Dieser Filter ließ aber trotzdem 300.000 Uploads durch. – Wieso? Weil Menschen, die das geteilt hatten, es leicht verändert und weitergeschickt hatten, und schon war der Filter ausgespielt. So leicht geht das.

Deswegen sind diese Filter, wenn man ehrlich ist, nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss. Deswegen rentiert es sich, Gehirnschmalz in die Sache hineinzusetzen, wie wir bei der Umsetzung dieser Richtlinie – wenn schon auf europäischer Ebene eine Veränderung nicht zu erreichen ist – dieses Problem dann lösen; denn wir werden nicht darum herumkommen. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Urheberrechtsinhaber dürfen auch dort ihre Rechte geltend machen.

Man muss auch sehen, diejenigen, die das Internet nutzen, schaffen zum Teil selbst eigene neue Schöpfungen, die urheberrechtlich geschützt sind, und wollen davon vielleicht auch leben. Es ist deshalb in ihrem ureigenen Interesse,

dass wir einen Weg finden, wie dieses Urheberrecht letztlich auch den Urheberrechtsinhabern zugutekommt.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei CDU und AfD)

Das setzt aber dann voraus, dass wir auch den Protesten Rechnung tragen; denn ich nehme sie ernst. Ein UploadFilter, der mich einfach wegschaltet, behindert mich natürlich in meiner Meinungsfreiheit. Es gibt ein schönes Beispiel, welches in den Medien in dem Zusammenhang zitiert wird. Jemand hat den Bericht über eine Demonstration gerade gegen dieses Urheberrecht ins Netz gestellt. Er hatte also diese Demonstration gefilmt und hat sie ins Netz gestellt. Aber der Filter hat diesen Beitrag herausgenommen wegen Urheberrechtsverletzung. – Wieso? Weil auf dieser Demonstration im Hintergrund ein Lied gespielt wurde. – Das ist eben so. Wenn Sie von einer Demonstration berichten, müssen Sie darüber berichten, was dort passiert, und wenn im Hintergrund Musik gespielt wird, dann ist das eben so, es ist an der Stelle aber nicht urheberrechtlich geschützt. Deswegen darf der Filter so etwas nicht herauswerfen.

Das ist die spannende Aufgabe, vor der wir stehen. Wie stellen wir sicher, dass die Urheberrechtsinhaber ihre Urheberrechte vergütet bekommen? Wie stellen wir aber auch sicher, dass derjenige, der berechtigt etwas einstellt, dies auch tun kann, ohne dass er daran gehindert wird?

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Für die AfD-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Paul das Wort.

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Herr Paul will AfD-Filter!)

Vielen Dank, Herr Justizminister Mertin! Das waren interessante Ausführungen, denen ich auch zustimmen kann, übrigens auch Frau Schellhammer.