Protocol of the Session on June 19, 2018

Erst seit 1997 stellt das Strafrecht alle erzwungenen, auch ehelichen sexuellen Handlungen unter Strafe.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, dass das Wahlrecht für Frauen erst ein Anfang war. Es war ein fundamentales Recht, das Partizipation im politischen Raum möglich machte. Ich bin stolz auf die vielen Frauen, die in einem sehr schwierigen gesellschaftlichen Klima gekämpft haben, damit es unserer Generation einmal besser geht.

Diesen Vorkämpferinnen sind wir alle zu großem Dank verpflichtet. Es wurde schon gesagt, die oft zitierte Marie Juchacz benannte es sehr treffend, als sie sich mit ihrer Rede vor der Nationalversammlung zur ersten Frau machte, die im Reichstag gesprochen hatte. Ich zitiere: „Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist.“

Meine Damen und Herren, heute können Frauen prinzipiell alles werden. P r i n z i p i e l l.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Katholischer Priester nicht!)

Gerade im politischen Kontext gibt es noch viel zu tun. Frauen sind in den Räten, Kreistagen, an der kommunalen Verwaltungsspitze, dem Landtag oder im Bundestag heute noch deutlich unterrepräsentiert.

Ich möchte auch etwas zur Frauenquote sagen. Ich möchte keine Quotenfrau sein. Wir haben in der Fraktion drei Frauen, die auch keine Quotenfrau sein wollen.

Wir haben eine Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, die auch keine Quotenfrau sein will.

(Beifall bei der FDP)

Es geht auch anders. Wir sehen es nicht als das richtige Mittel an, um den Frauenanteil zu steigern. Wir sind vielmehr dazu angehalten, Vorbild zu sein, noch bestehende Hürden abzubauen und damit eine Quote überflüssig zu machen.

Erkennen wir doch die Realität an, dass Frauen heute noch überdurchschnittlich oft mit der Erziehung der Kinder betraut sind. Per se ist das in Ordnung. Wir Freien Demokraten respektieren jeden Entwurf einer Verantwortungsgemeinschaft – das ist das Schlüsselwort – und deren Rollenverteilung und erwarten, dass die grundsätzliche Bereitschaft zur Kindererziehung nicht vom Geschlecht abhängig ist.

Die Teilnahme an Ratssitzungen muss mit Familie und Beruf vereinbar sein. Wir haben auch in den Parteien deshalb noch großen Nachholbedarf. 100 Jahre Frauenwahlrecht ist ein Grund zur Freude. Aber es ist noch vieles zu tun, auch in anderen Ländern. Ich nenne hier nur SaudiArabien, wo Frauen noch nicht einmal ein Wahlrecht haben. Insofern gibt es viel zu tun.

(Glocke der Präsidentin)

Packen wir es an.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der AfD und vereinzelt bei der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Staatsministerin Anne Spiegel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der 19. Januar 1919 war ein historischer Tag der Frauenemanzipation. Zum ersten Mal in der Bundesrepublik Deutschland hatten Frauen das Wahlrecht. Ich bin außerordentlich dankbar, dass wir die Gelegenheit nutzen, auf diesen historischen Tag und damit auf dieses historische Jubiläum zurückzuschauen und uns als Gesellschaft selbstkritisch zu fragen: Wo stehen wir heute im Bereich der Gleichberechtigung?

Jetzt kann man sagen: Wir haben ein Landeskabinett mit mehr Frauen als Männern. Wir haben eine Ministerpräsidentin. Wir haben eine Bundeskanzlerin. – Dann sagen mir viele in frauenpolitischen Debatten: Was habt ihr denn, wir sind doch schon so weit gekommen?

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Da möchte ich Wolfgang Schäuble zitieren, der im Bundestag anlässlich der Gedenkveranstaltung zum 100jährigen Frauenwahlrecht gesagt hat: „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau das ist der Punkt. Das bisher Erreichte reicht eben nicht. Hier müssen wir weitermachen. Es zeigt sich, dass die repräsentative Demokratie, die wir nun einmal sind, mit 50 % Frauenanteil in unserer Gesellschaft in den Parlamenten und in der Politik noch nicht abgebildet ist. Deswegen ist das weiter ein wichtiges Thema, an dem wir mit vollem Engagement dranbleiben müssen, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei SPD und FDP und vereinzelt bei der CDU)

Deswegen klafft auch nach wie vor eine Gerechtigkeitslücke in unserer Gesellschaft; denn Gerechtigkeit ist erst dann hergestellt, wenn wir das im Grundgesetz verbriefte Recht auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau umgesetzt und die ungleiche Machtverteilung tatsächlich weiter angepackt haben.

Ich bin der Meinung, dass wir hier mit Appellen, die wir seit vielen Jahren und Jahrzehnten auch an die eigenen Parteien richten, nicht unbedingt weiterkommen können. Ich bin aber auch der Meinung, wir brauchen mehr als nur die Diskussion darüber, gesetzliche Grundlagen zu ändern. Meine sehr geehrten Damen und Herren, denn das Entscheidende ist doch, dass sich in den Köpfen der Menschen etwas ändert und wir in den Köpfen der Menschen klarmachen, dass es diese Gleichberechtigung braucht, um die Gerechtigkeitslücke in unserer Gesellschaft zu schließen.

Worauf will ich hinaus? Es hat sich in den letzten Jahren zum Glück viel im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf getan. Gerade hier in Rheinland-Pfalz haben wir die Kinderbetreuung ausgebaut. Sie ist kostenfrei. Das heißt, wir haben die familienpolitischen Möglichkeiten verbessert.

Aber wir brauchen eine neue Debatte. Wir brauchen nicht mehr die Debatte über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern über die Umverteilung von Familie und

Beruf; denn es kann nicht sein, dass wir die Debatten so führen, dass die Frauen sich bitte schön noch ein Bein mehr ausreißen sollen, um irgendwie die Familienarbeit, die Erwerbstätigkeit und möglicherweise noch Ehrenämter miteinander zu vereinbaren.

Nein, wir müssen diese Debatte so führen, dass auch die Männer, die das wollen, mehr Verantwortung für die Familienarbeit zugewiesen bekommen. So sieht eine moderne Gleichberechtigung im 21. Jahrhundert aus, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei SPD und FDP)

Wenn das der entscheidende Hebel wäre, würde das aber den Umkehrschluss zulassen, dass sich die kinderlosen Frauen in den Chefetagen nur so tummeln würden. Das tun sie aber nicht. Deswegen gibt es nach wie vor auch strukturelle Ungerechtigkeiten in der Machtverteilung, an denen wir dranbleiben und die wir ausgleichen müssen.

Warum ist das in der heutigen Zeit umso wichtiger? Weil wir immer lauter werdende antifeministische Tendenzen haben, auch hier in diesem Hohen Haus, die versuchen, das Rad der Zeit zurückzudrehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Martin Haller, SPD: So ist das!)

Es ärgert mich, wenn Frau Abgeordnete Jutta BlatzheimRoegler ans Rednerpult tritt und ich aus dieser Ecke des Hohen Hauses höre: Da redet eine wie ein trotziges Kleinkind. –

(Abg. Helga Lerch, FDP: Oh!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist einer modernen Debatte über Frauenpolitik nicht würdig, und das unterscheidet Sie auch von allen anderen Fraktionen hier im Hohen Haus.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und bei der CDU – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Da haben wir schon anderes gehört! Das ist lächerlich!)

Das unterscheidet Sie, und deswegen möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich für die vielen guten, konstruktiven Debatten, die wir im Frauenausschuss seit Jahren führen, auch mit einer parteiübergreifenden großen Einigkeit, an welchen Stellen wir noch Handlungsbedarf sehen, bedanken.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Denn das sind die Debatten, die diese Gesellschaft braucht, damit wir wirklich weiterkommen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir müssen diese Debatten noch viel stärker in die Öffentlichkeit tragen, und genau dazu kann diese Debatte einen großen Beitrag leisten.

Ich möchte mich an dieser Stelle nicht nur bei unseren Groß- und Urgroßmüttern bedanken, die damals auf die Straße gegangen sind und sicherlich schwierigste Debat

ten und Kämpfe führen mussten, damit sie das Wahlrecht für die Frauen erstreiten konnten. Ich möchte mich insbesondere bei den vielen Frauen, die auch heute noch aktiv für die Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft einstehen, bedanken, bei den vielen Frauenorganisationen im Land, die nicht müde werden, darauf hinzuweisen, dass wir nach wie vor eine Gerechtigkeitslücke haben; denn die gibt es.

Damit möchte ich schließen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sollten alle daran arbeiten, mehr Frauen in die Parlamente zu bekommen; denn Politik ist eine viel zu ernste Angelegenheit, als das man sie nur den Männern überlassen sollte.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU – Abg. Christian Baldauf, CDU: Oh! Das war nicht fair!)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abgeordnete Blatzheim-Roegler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für die engagierten Beiträge. Ich möchte den Männern oder denjenigen, die Befürchtungen haben, noch ein bisschen die Angst vor der Quote oder einer gesetzlichen Regelung nehmen. Ich fühle mich im Übrigen überhaupt nicht als Quotenfrau,

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Das bist Du auch nicht!)

und glauben Sie mir, ich nehme es auch mit Männern auf. Da hätte ich jetzt überhaupt gar keine Angst.

Aber es ist schon etwas anderes – da rede ich aus eigener Erfahrung –, wenn bei den Menschen, mit denen Sie politisch zusammenarbeiten, von vornherein klar ist: Den Kampf zwischen Mann und Frau muss ich nicht mehr führen. – Dann haben Sie mehr Energie für anderes.

Ich wäre sehr froh, wenn sich die Ansicht durchsetzen würde, dass man das auch ohne gesetzliche Änderungen hinbekommt. Aber ehrlich gesagt, haben wir schon 1919 erlebt, dass es nicht die Männer waren, die gesagt haben: Das ist eine gute Idee, wir geben euch das Frauenwahlrecht, sondern die Frauen mussten kämpfen. Ich würde mir auch heute eine Gesellschaft wünschen, in der wir diesen Kampf nicht mehr im Einzelnen führen müssten, sondern in der es eine große Einigkeit gäbe, dass 50 % der Welt den Frauen gehörte und wir das Recht hätten, 50 % zu bestimmen.