Protocol of the Session on January 30, 2019

Nun aber zum Kern. Rekordinvestitionen, so viele Bundesmittel wie nie verbaut, heißt es in der Presse. Entschuldigung, aber das grenzt schon fast an Fake News. Wir haben an dieser Stelle schon des Öfteren betont, wenn Sie von Rekord reden – das ist Mathematik-Grundkurs, das ist Grundkurs Wirtschaftswissen –, sollten Vergleiche immer nur indiziert mit der Kostensteigerung geführt werden.

(Beifall der CDU)

Wenn Sie Mehrjahresvergleiche führen und von Rekord reden, muss man nach meinem Verständnis auch ein ZehnJahres-Gedächtnis haben. Das ist ein ganz einfacher Dreisatz in der Mathematik. Sie schauen im Internet die Indizierung für die Kosten im Straßenbau nach und rechnen hoch, wie hoch die Ausgaben der vergangenen zehn Jahre auf dem heutigen Kostenniveau sind. Dann stellen Sie fest, okay, von 2012 bis 2015 gab es die berühmte Rot-GrünDelle, damals haben wir den Investitionsstau aufgebaut. Aber in den Jahren 2009, 2010, 2011 wurde unter dem Kostenaspekt mehr verbaut, als wir es im vergangenen Jahr getan haben. Das gehört einfach zur Wahrheit dazu.

(Beifall der CDU)

Apropos Rekord, apropos Überholspur. Wenn RheinlandPfalz auf die Überholspur will, reicht es nicht, nur die entsprechende Sportwagenkarosserie auf die Überholspur zu stellen. Wir brauchen auch die entsprechenden PS, wir brauchen genug Benzin, und wir brauchen auch die entsprechenden Fahrkünste. Wenn Rheinland-Pfalz also auf der Überholspur bleiben und dort erfolgreich sein soll, müssen wir über die gesamte Infrastruktur reden. Dann müssen wir auch darüber reden, wie viel ausgegeben wor

den ist unter Berücksichtigung der Kostensteigerung im Bereich der Landesstraßen, im Bereich der Kreisstraßen, im Bereich der Unterstützung beim Gemeindestraßenbau.

(Beifall der CDU)

Ich bin gespannt, ob wir gleich die Zahlen bekommen, wie unter diesen Gesichtspunkten die Gesamtinvestitionssumme im vergangenen Jahr war. Was ist denn mit den 150 ausstehenden Landesstraßenprojekten? – Zur Überholspur gehört auch, dass wir insgesamt wissen, was noch im Land zu tun ist und wie wir unsere Infrastruktur stark genug machen. Wir müssen Genaues wissen, damit wir nicht sagen können, 120 Millionen Euro pro Jahr sind jedes Jahr wieder ein Rekord. – Auch das haben wir schon betont: Wenn Sie sagen, die Ausgaben für die Landesstraßen betragen jedes Jahr 120 Millionen Euro, dann bedeutet das unter der derzeitigen Kostensteigerung jedes Jahr 6 Millionen Euro weniger als im Vorjahr. Das kann man nicht oft genug wiederholen.

(Beifall der CDU)

Wenn von Rekord die Rede ist, können wir auch nicht nur in unserem eigenen Sud schwimmen, sondern müssen über den Tellerrand hinaus schauen. Wir müssen dann auch wissen, was andere Bundesländer verbauen. Ich kenne bisher nur Aussagen aus Baden-Württemberg. Dort ist in einer Pressemitteilung bekannt gegeben worden,

(Glocke der Präsidentin)

dass im vergangenen Jahr insgesamt 1,5 Milliarden Euro verbaut wurden, aber dass 70 Millionen Euro mehr an Bundesmitteln abgerufen wurden als zur Verfügung stehen.

(Glocke der Präsidentin)

Noch eine Bitte: Wenn Sie von Überholspur reden, passen Sie auf, dass dieses Bild nicht so verwendet wird, wie wir es oft auf der Autobahn erleben, dass nämlich auf der Überholspur ein Auto steht, das nicht die nötige Fahrkraft hat und die anderen stört.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die AfD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Bollinger das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Laut Auskunft der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage meinerseits verbaute das Land Rheinland-Pfalz im Jahr 2018 444,4 Millionen Euro für den Bundesfernstraßenbau. Damit wurde der Plan fast eingehalten; der Bund hatte dem Land 450 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Über die relativ geringe Planabweichung können wir hinwegsehen; denn wir freuen uns insgesamt über den Aufschwung beim Bundesfernstraßenbau.

Wir haben gegenüber 2017 eine Steigerung der verbauten Mittel um 39,8 Millionen Euro, gegenüber 2015 sogar um 107 Millionen Euro. Diese erfreuliche Entwicklung erkennen wir auch gern als solche an, nehmen für uns als Opposition aber auch in Anspruch, dazu unseren Teil beigetragen zu haben, indem wir dieses Thema immer wieder aufgegriffen haben.

(Beifall der AfD – Abg. Martin Haller, SPD: Alles klar!)

Meine Damen und Herren, als Opposition ist es auch unsere Aufgabe, den Finger in die Wunde zu legen. Deshalb kommen wir nicht darum hin, darauf hinzuweisen, dass diese Entwicklung anzeigt, aus welchem tiefen Tal wir kommen.

Wir hatten 2011 schon einmal einen Bauumsatz von immerhin 380,8 Millionen Euro, der dann mit dem Amtsantritt der rot-grünen Landesregierung im Jahr 2012 auf 316,7 Millionen Euro abgestürzt ist, um bis 2015 auf sehr niedrigem Niveau zu verbleiben.

Auch Verkehrsminister Dr. Wissing hat zweimal die Latte deutlich gerissen. 2016 mussten 46,2 Millionen Euro an den Bund zurückgegeben werden, weil der LBM nicht die Kapazität hatte, sie zu verbauen. 2017 waren es 28,6 Millionen Euro.

Aus den rot-grünen Jahren und den Jahren 2016 und 2017 besteht ein Nachholbedarf. Der konnte auch 2018 nicht aufgearbeitet werden. Ich erinnere an die vielen Bundesfernstraßenprojekte, die seit Jahren kaum vorwärtskommen, der Lückenschluss der A 1, der sechsstreifige Ausbau des Mainzer Rings, hier insbesondere die A 643, die zweite Rheinbrücke bei Wörth. Die Gründe, warum es bei diesen Projekten nur schleppend vorangeht, sind vielfältig und schon mehrfach diskutiert worden. Auch aus unserer Sicht ist ein weiterer Ausbau der Planungskapazitäten beim LBM einer von mehreren Hebeln.

Ein weiterer wichtiger Hebel liegt darin, Planungsverfahren zu vereinfachen. Das Land hat in diesem Bereich zugegeben nur wenige Handlungsspielräume. Es geht hier vor allem um Bundesrecht und EU-Recht.

Auch über das Verbandsklagerecht von Umweltverbänden müssen wir diskutieren. Das beschäftigt uns auch beim Thema „Fahrverbote“.

Meine Damen und Herren, es klang eben schon an, real betrachtet haben wir das Investitionsniveau von 2011 noch nicht erreicht. Die Straßenbaukosten sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen, nach Daten des Statistischen Bundesamts seit 2011 um über 21 %. In heutigen Straßenbaupreisen wurden also 2011 bereits 461 Millionen Euro verbaut. Wir hatten damit 2018 keineswegs mit 444,4 Millionen Euro „Rekordinvestitionen“, wie es die FDP behauptet, sondern gerade einmal das Basislager erreicht.

Das gibt uns immerhin Gelegenheit, neben den Bundesfernstraßen auch die Landesstraßen vermehrt in den Blick zu nehmen. Hier wartet nach wie vor ein Sanierungsstau von mindestens 970 Millionen Euro. Hinzu kommen einige notwendige Neubauprojekte, an prominentester Stelle die

Mittelrheinbrücke. Ich möchte, dass die jüngsten Verwirrspiele der CDU im Rhein-Hunsrück-Kreis, die jetzt noch einmal über den Standort der Brücke diskutieren will, vom Landtag eindeutig zurückgewiesen werden.

(Beifall der AfD)

Vor allem von der CDU-Fraktion erwarte ich ein klares Bekenntnis zur Brücke am seit Langem geplanten Standort.

(Beifall der AfD)

Herr Dr. Wissing, finanziell hat Ihnen die Ampelkoalition aber beim Thema „Landesstraßenbau“ etwas die Hände gebunden; denn unsere Anträge, die Mittel für das Straßenbauprogramm des LBM deutlich auszuweiten, wurden in den Beratungen zum Doppelhaushalt 2019/2020 leider abgeschmettert. Die zugebilligten Erhöhungen für den Landesstraßenbau gleichen noch nicht einmal die Preissteigerungen aus.

Vom erbarmungswürdigen Zustand der kommunalen Straßen brauchen wir gar nicht zu reden. Hier hat unsere Große Anfrage ergeben, dass nicht zuletzt aufgrund der mangelnden Unterstützung des Landes der Gesamtwertzustand der Kreisstraßen zu über 50 % mit der Note 3,5 oder schlechter bewertet wird, davon über 35 % mit 4,5 oder schlechter, also „mangelhaft“.

Zum Zustand der Gemeindestraßen gibt es keine Erkenntnisse, zumal nur ein geringer Teil der Gemeinden auf unsere Große Anfrage geantwortet hat. Angesichts der im Vergleich noch einmal prekäreren Situation der Gemeinden ist davon auszugehen, dass der Zustand der Gemeindestraßen noch einmal schlechter als der Zustand der Kreisstraßen ist.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Präsidentin, ich komme zum Ende.

Wir als AfD freuen uns darüber, dass die Mittel für den Bundesfernstraßenbau im vergangenen Jahr fast vollständig abgerufen wurden. Das kann aber nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer soliden Verkehrspolitik sein.

Ich danke für die geneigte Aufmerksamkeit.

(Beifall der AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abgeordnete Blatzheim-Roegler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mehr Mobilität und weniger Verkehrsbelastung für alle, das muss das Ziel verantwortlicher Verkehrspolitik sein. Dem fühlt sich die Landesregierung verpflichtet.

Der Bundesverkehrswegeplan, so wie er vom Bundestag

verabschiedet wurde und wie er den Ländern zur Umsetzung auferlegt wird, lässt allerdings meines Erachtens Zweifel offen, ob die Mittel genau dort eingesetzt werden, wo sie Mensch, Klima und Umwelt tatsächlich entlasten.

Wir in Rheinland-Pfalz wollen die Stärken aller Verkehrsträger optimal ausnutzen und miteinander verknüpfen. Das sehe ich beim Bundesverkehrsminister noch lange nicht. Dazu gehört die Planung des Bundesverkehrswegeplans, wie der Verkehr in Deutschland insgesamt laufen soll. Dazu gehören auch die Rolle der klimafreundlichen Schiene und ein zügiger Ausbau des Schienennetzes.

Beim Letzteren, bei der Schiene, ist Rheinland-Pfalz vom Bundesverkehrsminister hängen gelassen worden. Keines der von uns angemeldeten Projekte ist in den Plan aufgenommen worden, noch nicht einmal die überparteilich und von mehreren Bundesländern – egal welcher Regierungscouleur – geforderte Alternativtrasse zur Mittelrheintrasse.

Was der tägliche und der nächtliche Lärm für die Menschen, die Entwicklungsmöglichkeiten im Mittelrheintal bedeuten, konnten wir noch einmal anschaulich in der letzten Sitzung der Enquete-Kommission „Tourismus RLP“ von Willi Pusch – er ist Antibahnlärmaktivist und Mitglied im Beirat „Leiseres Mittelrheintal“ – hören, als es darum ging, wie sich der Bahnlärm auf die Entwicklung und auf die BUGA im Mittelrheintal auswirken wird.

An dieser Stelle möchte ich der Landesregierung und insbesondere dem Verkehrsminister ausdrücklich danken, dass er es geschafft hat, die Machbarkeitsstudie zu einer Alternativtrasse zumindest im Ranking hochzupushen, und gleichzeitig danke ich ihm und seinem Staatssekretär Becht für ihr Engagement im Beirat „Leiseres Mittelrheintal“, immer zum Wohle der Menschen, die dort leben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und FDP)

Wir Grüne haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir uns vom Bundesverkehrswegeplan eine Weiterentwicklung zum Bundesnetzwegeplan gewünscht hätten, der darauf abzielt, die Verkehrsprobleme tatsächlich zu lösen. Dazu gehört die konsequente Überprüfung von Alternativen. Dazu gehört ein realistischer Blick auf den Bundesverkehrswegeplan 2030; denn dort ist – Sie können es gerne nachlesen – von vornherein angelegt, dass mehr als die Hälfte der Investitionen, die im vordringlichen Bedarf sind, nach dem Plan erst nach 2030 umgesetzt werden. Die Verkehrsprobleme von heute werden dadurch nicht gelöst.

Nun ist der Bundesverkehrswegeplan ein Bundesplan, wie der Name schon sagt. Die Länder sind mehr oder weniger gezwungen, die Projekte umzusetzen. Das hat RheinlandPfalz schon erfahren. Das Verkehrsressort wendet viel Kraft auf, um den Vorgaben des Bundes zu entsprechen. Allein die erfolgreiche Akquise der rar gesäten Ingenieure und Straßenbaufachleuten ist ein sichtbarer Erfolg des Verkehrsministers.