Wir als Parlamentarier sollten auch weiterhin als gute Vorbilder vorneweg gehen. Ich rege zum Beispiel an, dass wir bald eine Sitzung des Bildungsausschusses in einer unserer KZ-Gedenkstätten in Osthofen oder Hinzert abhalten, um vor Ort zu erfahren, welche Bildungsangebote dort am besten angenommen werden.
Zu Beginn habe ich auf die vielen Aktivitäten in der Demokratiebildung hingewiesen, die viele Schulen schon machen. Weil wir das für wichtig halten, haben wir Koalitionsfraktionen den Haushaltsansatz für diese Projekte im vorigen und im laufenden Doppelhaushalt massiv auf jetzt 700.000 Euro pro Jahr erhöht. Zu guten und wirkungsvollen Projekten gehören auch die Schulklassenprogramme hier im Landtag. Wie wegweisend es ist, diese auch für die Grundschulen anzubieten, hat der Evaluationsbericht dazu gezeigt. Landtagspräsident Hendrik Hering hat damit eine wichtige Lücke geschlossen. Wir bekennen uns dazu, dies weiter auszubauen.
Unser Schülerlandtag ist beispielgebend für Partizipation. Die Schülerinnen und Schüler geben uns wertvolle Hinweise, was ihnen politisch wichtig ist. Wir können gegenseitig voneinander lernen.
Wir haben im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass wir Demokratiebildung noch weiter stärken wollen. Die Diskussion, den Sozialkundeunterricht auszubauen, führen wir schon seit vielen Jahren, auch schon länger als seit 2010, und zwar nicht nur hier im Hause. Vielmehr zeugen etliche Schülerlandtagsanträge und Diskussionen mit der Landesschülervertretung und Jugendverbänden davon.
Die Frage, was man denn anstelle von Sozialkunde streichen solle, ist nicht einfach zu beantworten. Ministerin Hubig hat deshalb heute mit ihren Vorschlägen, den Sozialkundeunterricht um zwei Wochenstunden auszubauen, einen bedeutsamen Akzent gesetzt, den entscheidenden in dieser Frage. Wir wollen alle jungen Menschen für mehr Politik und politische Zusammenhänge begeistern.
(Abg. Christian Baldauf, CDU: Die muss man ja alle zum Jagen tragen! Sie kommen ja nicht selbst drauf!)
Mit dem neuen Konzept bieten sich nun viele Möglichkeiten. Wichtig ist auch, dass in der Oberstufe alle Schülerinnen und Schüler Sozialkunde haben müssen. Bisher war das je nach Fächerkombination nicht der Fall. Ich habe gerade erst vor zwei Wochen mit Schülerinnen und Schülern eines Gymnasiums diskutiert, die die alte Regelung vollkommen zu Recht kritisiert haben.
Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass im Rahmen der pädagogischen Freiräume und des Einsatzes der Profilstunden noch viel mehr möglich ist. Ich kenne zum Beispiel eine Realschule plus, die über diesen Weg bereits jetzt durchgängig Sozialkunde von Klasse 5 bis Klasse 10 anbietet. Der Sozialkundeunterricht und die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer sind wichtig, weil man hier Raum hat, gesellschaftliche Prinzipien und Fragen zu diskutieren, zum Beispiel Kinderarmut oder Sicherheit und Frieden.
Oder man kann bei einer Teilnahme an einer Gemeinderatssitzung oder an einer Plenarsitzung hier im Landtag lernen, wie politische Kompromisse entstehen, beim Thema „Wahlrecht“ mit Kumulieren und Panaschieren demokratische Mitwirkungs- und Entscheidungsrechte lernen oder die politischen Beteiligungsmöglichkeiten im Internet untersuchen, samt der Frage, was denn Meinungsbildung und was Manipulation ist, um nur einige Beispiele zu nennen.
Unsere Schulen sind längst Orte der politischen Bildung, in denen Demokratie gelebt und erfahrbar gemacht wird. Wenn junge Menschen an diesen Freitagen für Klimaschutz, gegen Plastikmüll und Kohleverstromung auf die Straße gehen, dann ist das zunächst einmal ermutigend. Es zeigt, dass sie sich politisch und demokratisch engagieren und die Welt zum Positiven gestalten wollen. Das werden wir als SPD aufnehmen.
Ein grundlegendes Verständnis demokratischer Prozesse und die Möglichkeit, selbst teilzuhaben, sind der wirksamste Schutz gegen Politikverdrossenheit und Extremismus. Wir dürfen dabei aber auch nicht außer Acht lassen, dass schon ganz viel an unseren Schulen geschieht.
Wie Frau Ministerin und viele andere in diesem Hause auch, habe ich die große Ehre, an zwei Schulen in meinem Landkreis Patin für „Schule gegen Rassismus – Schule mit
Courage“ zu sein, an einer der beiden gemeinsam mit den Kolleginnen Elfriede Meurer und Jutta Blatzheim-Roegler. Es ist großartig, was die Schülerinnen und Schüler dort an Aktionen zur gegenseitigen Achtung, Vielfalt und Toleranz auf die Beine stellen. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir im Doppelhaushalt der Landeszentrale für politische Bildung eine Erhöhung für mehr Personal zur Betreuung der Schulen in diesem Netzwerk gegeben haben.
Ziel muss es sein, dass alle weiterführenden Schulen unabhängig von der Schulart in diesem Programm mitmachen und Schulen gegen Rassismus und mit viel Courage werden. Was sich in der Schulzeit ins Unterbewusstsein einprägt, prägt die Haltung für das ganze Leben.
Mit der Ausweitung der Stundentafel und der aktiven Unterstützung der Lehrkräfte durch das Pädagogische Landesinstitut wird noch mehr an Inhalten möglich sein. Gleichzeitig bieten wir dadurch 50 zusätzliche Planstellen für Sozialkunde an, ein nicht unwesentlicher Faktor für unsere Lehrkräftesituation.
Hinzu kommt, dass wir die Änderung des Schulgesetzes vereinbart haben, um Schülerrechte noch deutlicher zu stärken, Klassenräte, Schülerparlamente und Schülervertretungen in allen Schulen zu etablieren. Die theoretische Wissensvermittlung wird so mit praktischem Erfahren erlebbar.
Für uns Sozialdemokraten geht Demokratiebildung und demokratisches Handeln auch schon in der Jugendzeit über die Schule hinaus; denn Demokratie muss in jeder Generation neu geboren werden. Wir stehen ausdrücklich für das Wahlalter mit 16, weil wir Partizipation und die Bedürfnisse der Jugendlichen ernst nehmen. Wir wollen junge Menschen für Politik begeistern und frühzeitig in Entscheidungsprozesse einbinden, um so Demokratie wirklich zu leben.
Wir fördern über die Erhöhung der Stundenzahl für Sozialkunde hinaus eine aktive Demokratiearbeit auf allen Ebenen, angefangen mit der Kita, über die Grundschule, bis zum Schulabschluss. Auch im außerschulischen Bereich, bei den Jugendverbänden und über entsprechende Programme in den kommunalen Gebietskörperschaften wie zum Beispiel der Spielleitplanung, können sich Jugendliche engagieren und aktiv einbringen.
Wir werden hier im Parlament weiter darum werben, die Zweidrittelmehrheit für die notwendige Verfassungsänderung zum Wahlalter zu bekommen.
Liebe CDU, geben Sie sich einen Ruck! Die jungen Leute denken da schon viel progressiver. Trauen Sie ihnen etwas zu! Seien auch Sie Hebamme für das Wahlalter 16 in
(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Michael Frisch, AfD: Brauchen Sie neue Wähler?)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir über Demokratie sprechen, ist das auch immer untrennbar mit dem europäischen Gedanken verbunden. Seit über 70 Jahren sichert uns Europa Frieden und Freiheit. Verbinden wir die beiden Enden Gedenk- und Erinnerungsarbeit und Demokratiebildung in einem praktisch erfahrbaren, politisch überregionalen Umfeld. Es waren unsere europäischen Nachbarn, die uns nach dem katastrophalen Zivilisationsbruch des Zweiten Weltkriegs wieder als gleichberechtigt in die Staatengemeinschaft aufgenommen haben.
Mit dem weiteren Engagement in europäischer Bildung an unseren Schulen wird das Gesamtkonzept der Landesregierung rund. Demokratie in Deutschland, Demokratie in Rheinland-Pfalz sind ohne Europa nicht denkbar. In Zeiten besonderer Herausforderungen, neu aufkommender nationalistischer Tendenzen kommt dem Erlebbarmachen grenzüberschreitender Zusammenarbeit und dem Zusammenhalt über Landesgrenzen hinweg besondere Bedeutung zu. Europa muss im praktischen Leben der Menschen ankommen.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass die gemeinsamen Bemühungen in der grenzüberschreitenden Bildung im sprachlichen, interkulturellen wie auch beruflichen Bereich gestärkt und ausgebaut werden sollen. Auch hier müssen Demokratie und Toleranz immer wieder neu gelernt werden.
Ich kann mich noch an die Grenzkontrollen zu Luxemburg und Frankreich erinnern, wenn wir früher sonntags einen Familienausflug gemacht haben oder zum Schüleraustausch gefahren sind. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir ohne Grenzkontrollen reisen oder ohne Visum eine Arbeit in einem unserer Nachbarstaaten annehmen können. Als Mitglied im Interregionalen Parlamentarierrat treiben wir seit Jahren auch die grenzüberschreitende Berufsausbildung in der Großregion voran. Das bringt Vorteile für jede Region: für die, die händeringend Fachkräfte suchen, genauso wie für die, die von hoher Jugendarbeitslosigkeit betroffen sind.
Grundvoraussetzung für jedes Miteinander ist, dass man sich versteht. Deshalb ist es gut – gerade bei Französisch als der Sprache des Nachbarn –, von der Kita bis zur Berufsausbildung die sprachliche Bildung zu vertiefen, mehr zu machen, europäische Austauschprojekte wie Erasmus+ oder SESAM’GR, Schüleraustausche und Begegnungsprogramme auszubauen, die Förderung zu verbessern und zu vereinfachen.
Gerade in unserer Region helfen französische Sprachkenntnisse für die weitere berufliche Bildung sehr. Es ist daher zu begrüßen, dass es das AbiBac, also die Möglichkeit, deutsches und französisches Abitur gleichzeitig zu erwerben, auch für berufsbildende Schulen als AzubiBacPro geben soll und die Europaschulen ausgeweitet und mit einer Koordinierungsstelle unterstützt werden sollen.
Gegenseitiges Verständnis funktioniert nur, wenn wir unsere gegenseitigen Kulturen kennen. Das geht nur im Austausch miteinander.
Jedes Parlament in Europa sollte seinen Beitrag dazu leisten, den europäischen Gedanken weiterzutragen, und Basis guter Verständigung sein. Es liegt an uns, unseren Kindern, Schülerinnen und Schülern und allen Bürgerinnen und Bürgern glaubhaft deutlich zu machen, dass Europa ein Kontinent der Chancen und der Zukunft ist. Das fängt mit dem Erlernen und Erleben demokratischer und solidarischer Strukturen in der Schule an.
„Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Tyrannei auf.“ So steht es auf einem Transparent in der Landtagsverwaltung. Ein starkes und treffendes Bild. Ministerin Hubig hat mit dieser Regierungserklärung sehr klar herausgehoben, dass Rheinland-Pfalz sich der besonderen Herausforderung der Demokratiebildung in hervorragender Weise stellt, von der Kita bis zu den berufsbildenden Schulen, im Gesamtkontext politischer Bildung mit vielen Partnern in allen Bereichen der Gesellschaft, den Anforderungen der heutigen Zeit über Grenzen hinweg angemessen.
Wir sind davon überzeugt, dass wir unsere Demokratiebildung immer weiterentwickeln müssen, um Antworten auf die Fragen der Zeit zu geben. In diesem Sinne soll gute und beitragsfreie Bildung immer Hebamme demokratischer Strukturen sein.
Ich sage für die SPD-Fraktion allen an Demokratiebildung Beteiligten, den Lehrkräften, den Erzieherinnen und Erziehern und außerschulischen Partnern: Vielen Dank für Ihr unermüdliches Engagement bei der Vermittlung unserer Demokratie.
(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, passend zum Thema begrüße ich als Gäste im Landtag den Freundschaftskreis Bingen Bingerbrück – Venarey-les-Laumes, der erst kürzlich sein 50-jähriges Jubiläum der Städtepartnerschaft gefeiert hat. Herzlich willkommen im Landtag!
Sehr verehrtes Präsidium, sehr verehrte Kollegen! Ich werde zur Demokratiebildung sprechen und mein Kollege Martin Schmidt zur Erinnerungskultur und Europa.
Zur Bildung: Fast allen Bildungstheorien ist zu entnehmen, das reflektierte Verhältnis zu sich, zu anderen und zur Welt sei ihr wesentliches Merkmal. Elementarkompetenzen der Bildung sind Wissen, Denken und Kommunizieren. Unter Denken versteht man unterschiedliche Strategien des Erkenntnisgewinns wie Lösen von Problemen, Beschreiben, Erklären und Interpretieren. Solides Wissen ist ein Fundament, auf dem der gebildete Mensch seine Gedanken reflektieren, zum Beispiel in Beziehung mit der Vergangenheit setzen kann.
Wie ist es an unseren Schulen um das Wissen bestellt? Aufschluss darüber gibt der „Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung“, ein Ergebnis insbesondere eines Projekts der Kultusministerkonferenz und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Es sollen schon in der Grundschule – ich zitiere – „grundlegende Kompetenzen für eine zukunftsfähige Gestaltung des privaten und beruflichen Lebens, für die Mitwirkung in der Gesellschaft und die Mitverantwortung im globalen Rahmen“ erworben werden.
Grundschüler, die – wie wir wissen – in viel zu hohem Maß Probleme mit dem Lesen, dem Schreiben und dem Rechnen haben, sollen demnach ohne ausreichende Vorkenntnisse den Klimawandel oder alternative Möglichkeiten der Energiegewinnung behandeln. Jetzt kommt das Entscheidende: Es geht in diesem Lernbereich Globale Entwicklung, so wird freimütig eingeräumt, „weniger um Wissensvermittlung als um handlungsorientierte Lernprozesse in Projekten, Rollenspielen und Begegnungen“.
Gerade weil das reichlich unbestimmt, ja diffus klingt, liegt für uns ein Anfangsverdacht vor. Ist Wissen nachrangig? Geht es in erster Linie um Haltung, vielleicht sogar um die angeblich „richtige“ Haltung?
Wir hören von Schulen im Land, UNESCO-Schulen, die viel für den internationalen Austausch leisten. Das begrüßen wir. Irritierend ist aber oftmals das mitgelieferte Material voller Verlautbarungen, voller Losungen. Die Schule solle Ungleichheit bekämpfen. UNESCO, das sei eine Haltung, steht mahnend am Schwarzen Brett.