Protocol of the Session on September 20, 2018

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hat Frau Kollegin Schneid von der CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste! Im Vorwort der Großen Anfrage wird ein Bild gezeichnet, das meines Erachtens so der Realität nicht entspricht. Es wird von Noteninflation, von Schummelkultur und Überakademisierung gesprochen. Ich denke, das muss man sehr differenziert betrachten und bewerten.

Es gibt sicherlich Studiengänge, in denen die Bewertung einmal besser ausfällt. Es gibt aber auch die anderen.

Ich glaube nicht, dass wir darüber diskutieren müssen, dass zum Beispiel Maschinenbau oder Jura eine Flut an Einserkandidaten hat und die Einsernoten inflationär vergeben werden.

(Beifall der Abg. Giorgina Kazungu-Haß, SPD)

Davon abgesehen, ich habe einmal überlegt, wenn man mit einem Absolventen ins Gespräch kommt, der überdurchschnittlich abgeschnitten hat, dann stellt man sehr schnell fest, dass das richtig berechtigt ist. Insofern würde ich schon ein bisschen weniger Zweifel an der Leistung der Studierenden haben.

(Beifall bei CDU und AfD)

In den Jahren 2000 bis 2011 – darauf bezieht sich Ihr Zeitraum – war die Umstellung von Magister und Diplom auf Bachelor und Master. Den Bachelor-Abschluss hat es in der Art vorher nicht gegeben, das heißt, es ist ziemlich schwierig, die Gleichwertigkeit zu finden. Ich müsste eigentlich die bestandenen Zwischenprüfungen oder das Vordiplom heranziehen. Dafür gibt es aber keine Aufstellung. Insofern würde ich den Vergleich, den Sie gezogen haben, nicht unbedingt als realistisch heranziehen.

(Zuruf aus dem Hause)

Nichtsdestotrotz sind die Hochschulen bei der Notengebung und beim generellen Prüfungswesen in der Verantwortung. Das ist klar.

Zum Thema „Schummeln und Schummelkultur“ habe ich ein deutlich besseres Bild von unseren Studierenden als dargestellt.

Jetzt zum Thema „Überakademierung“. Klar ist, wir brauchen beides. Wir brauchen Akademiker, und wir brauchen qualifizierte Fachkräfte. Bei den qualifizierten Fachkräften braucht man sie einmal aus den dualen Studien, aber momentan mit Verstärkung aus den dualen Ausbildungen. Das ist das, wofür wir uns momentan alle einsetzen müssten. Dabei muss die berufliche Ausbildung mit der akademischen Ausbildung gleichwertig gesehen werden.

Zwei Punkte dazu. Ich glaube, zum einen ist es eine gesellschaftliche Aufgabe, wieder umzudenken. Jahrzehntelang hat man suggeriert, dass man nur etwas werden kann, wenn man zum Studium geht.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Genau!)

Jetzt ist es unser aller Aufgabe, die Wertschätzung der dualen Bildung wieder deutlich zu machen und nach vorne zu kehren.

(Beifall bei CDU und AfD)

Zum anderen benötigt man als Grundlage für jede erfolgreiche Ausbildung oder jedes erfolgreiche Studium eine gute schulische Bildung. Ich glaube, diese gute schulische Grundbildung ist die Grundvoraussetzung für das spätere Bestehen in der Arbeitswelt und auch für die Zufriedenheit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Insofern waren in der Beantwortung schon ein paar Maßnahmen genannt. Hier muss noch viel mehr getan werden – darauf gehe ich gerne ein –: Einmal die Stärkung des Berufsreifezweigs in den Realschulen plus und in den Integrierten Gesamtschulen. Wir brauchen Schülerinnen und Schüler, die ihren Schulabschluss schaffen und ausbildungsfähig sind. Das muss unsere Aufgabe sein.

Zum Zweiten: Auch die berufsbildenden Schulen müssen gestärkt werden. Da ist der Unterrichtsausfall immer noch am höchsten. Es muss uns doch zu denken geben, dass nur zwei Drittel der Auszubildenden die Prüfung zum Gesellen gerade aktuell vor der Handwerkskammer überhaupt bestanden haben. Damit können wir uns nicht zufrieden geben. Also muss ich am schulischen System noch Verbesserungen herbeiführen.

Zum Dritten: Die intensivere Berufsorientierung, die wir schon die ganze Zeit fordern, und zwar in allen weiterführenden Schulen, ist unabdingbar. Es muss gelingen, dass wir Talente erkennen und früh fördern. Das erleichtert dann die Berufswahl und vermindert das Risiko eines Abbruchs sowohl bei Ausbildung als auch beim Studium, und letztendlich vermindert es das Risiko des gefühlten Misserfolgs, den wirklich keiner haben will.

(Beifall der CDU)

Diese Punkte erschließen sich für uns als CDU-Fraktion aus der Beantwortung dieser Großen Anfrage. Das sind alles Maßnahmen, die die CDU bereits in vielen Anträgen immer wieder an die Landesregierung deutlich gemacht hat und natürlich weiterhin fordern wird. Deswegen gehen wir sicher auf den einen oder anderen Punkt demnächst wieder ein.

Ich danke.

(Beifall der CDU)

Zu einer Kurzintervention hat Herr Abgeordneter Paul das Wort.

Sehr verehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben vorhin ein gewisses offenkundiges – vielleicht übertreibe ich es – Misstrauen gegenüber dem Bacherlorabschluss entgegengebracht. Sie haben gesagt, dass er neu ist usw., er im akademischen Leben bisher keine Tradition hatte. –

Aber ich möchte auf einen Punkt hinweisen. Sie kommen dann als „Bachelorakademiker“ in die Betriebe und bestehen den Praxistest nicht. Unter 50 % der Betriebe sagen, wir sind unzufrieden. Da stellt sich schon die Frage, was macht das für einen Sinn – ich sage es jetzt einmal pointiert –, halb ausgebildete Akademiker auf dem Papier in die Betriebe zu schicken, obwohl am Markt unter Praxisbedingungen längst eine duale Ausbildung in einem Betrieb, der am Markt operiert und sich dort behaupten muss, hätte erfolgreich abgeschlossen werden können.

Ich sage ganz klar, wer die duale Ausbildung abgeschlossen hat – dieses Ergebnis, diese Unzufriedenheit, wundert mich nicht –, ist dem Bachelorstudiengang überlegen, das heißt, wir müssen fragen, ob dieser Bologna-Prozess für unsere Wirtschaftslandschaft, für unsere Bildungstradition der richtige war. Das ist die Frage, die wir uns stellen müssen, wenn wir sehen, dass die Akzeptanz, die die Betriebe dem Bachelor gegenüber haben, immer weiter abnimmt.

Richtig müsste es sein, den Bologna-Prozess kritisch zu überdenken und zu fragen, ob nicht im Grunde genommen die Betriebe mit gut ausgebildeten Lehrlingen und Gesellen, die in der Marktpraxis bestehen können, viel besser dran sind. Ich sage: Ja.

(Beifall der AfD)

Zur Erwiderung erteile ich der Kollegin Schneid das Wort.

Danke schön. – Ich möchte nur eine kurze Erwiderung machen. Im Prinzip waren es die Betriebe, die diesen BolognaProzess vorangetrieben haben und es gerne auch wollten.

(Beifall der CDU und bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Letztendlich ist es im Prinzip auch 20 Jahre her seit der Einführung. Insofern kann man den Bologna-Prozess nicht mehr zurückdrehen. Ich glaube, das müssen Sie schon mittragen.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, das Wichtige ist doch, dass unsere Schülerinnen und Schüler durch eine

gute und individuelle Berufsorientierung tatsächlich den Beruf finden, den sie gerne machen wollen, und die Voraussetzungen dafür haben. Ich glaube, darauf müssen wir unser Augenmerk legen.

Danke schön.

(Beifall der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatsminister Professor Wolf das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Klage über die Jugend ist überliefert, seit es schriftliche Quellen gibt.

(Heiterkeit bei der SPD)

Wir lesen sie auf den Tontafeln der Sumerer, in den Keilschriften der Chaldäer und Babylonier vor 2.500 Jahren und mehr, und wir lesen sie in den Schriften durch die Jahrhunderte bis zum heutigen Tag. – Und siehe da, die AfD hat auch eine moderne Variante gefunden: mit Begriffen wie „Schummelkultur“, „Noteninflation“ und „Niveauverlust“. Es gibt aber vielleicht auch die Möglichkeit, mit einigen dieser polemischen Worthülsen aufzuräumen.

Selbstverständlich ist es Ziel dieser Landesregierung, allen jungen Menschen,

(Unruhe im Hause – Glocke des Präsidenten)

jeder und jedem Einzelnen, die bestmöglichen Ausbildungswege zu eröffnen, ganz egal, ob sie eine berufliche Bildung oder eine akademische Qualifizierung anstreben. Selbstverständlich schreiben wir das nicht vor, auch nicht in Zukunft.

Wir benötigen in der Tat mehr Menschen mit einer akademischen genauso wie mit einer beruflich qualifizierten Ausbildung, um den Fachkräftebedarf zu decken. Fragen Sie die Agentur für Arbeit. Wir haben Vollbeschäftigung im akademischen Bereich, also kann von „Akademikerschwemme“ und „Überangebot“ überhaupt keine Rede sein.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Abg. Michael Frisch, AfD: Da müssen Sie einmal schauen, was die Akademiker alles arbeiten!)

Die Stärkung der akademischen und der beruflichen Bildung ist eine Zukunftsinvestition in unser Land. Es macht überhaupt keinen Sinn, beide Alternativen gegeneinander auszuspielen. Nur durch eine Stärkung und Durchlässigkeit beider Bildungssysteme werden wir in Zukunft gut aufgestellt sein. Es gibt auch genug Indikatoren dafür, dass wir das heute schon sind.

Hochschulpolitisch zeigt sich dies in der Öffnung unserer

Hochschulen für beruflich Qualifizierte, für duale Studiengänge und genauso auch in der Förderung der beruflichen Fortbildung und des Aufstiegsbonus.