Ich darf kurz über das bisherige Ausschussverfahren berichten. Die erste Beratung des Antrages erfolgte ohne Aussprache in der 56. Sitzung am 26. April 2018. Der Antrag wurde an den Ausschuss für Europafragen und Eine Welt überwiesen. Die Ausschussempfehlung lautet: Annahme des Antrages.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Europäische Union ist im Kern eine Idee vom Zusammenleben der Menschen, von Frieden und Freiheit, von Verantwortung und sozialer Gerechtigkeit, von Chancengleichheit und Mitmenschlichkeit, von wirtschaftlicher Zusammenarbeit und gemeinsamen Fortschritt. Sie ist ein historisch einzigartiges Friedens- und Erfolgsprojekt.
Gerade nach der bedauerlichen Entscheidung Großbritanniens, die Gemeinschaft der EU zu verlassen, sieht sich die EU mit komplexen Krisenlagen konfrontiert wie nie zuvor seit ihrer Gründung im Jahr 1951. Nach dem Wegfall dieses Nettozahlers stellt sich unter anderem die Frage, wie weiterhin ausreichend finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen werden und wie der EU-Haushalt künftig ausgestaltet wird. Es werden jetzt die Weichen für die kommenden Jahrzehnte gestellt und damit auch die Verantwortung für die nachfolgenden Generationen übernommen.
In der momentanen Zukunftsdebatte ist es wichtig, dass wir sehr deutlich die Bereiche benennen, die für uns besonders bedeutsam sind. Heute Mittag haben wir bereits die geplanten Umschichtungen zulasten der Direktzahlungen der Landwirtschaft diskutiert und deutlich festgestellt, dass hier nachgebessert werden muss. Genau so ein Bereich ist auch die Kohäsionspolitik, deren Neukonzeption ab dem Jahr 2021 ansteht, aber bereits jetzt schon verhandelt wird. Kohäsionspolitik ist die Politik, hinter der Hunderttausende Projekte in ganz Europa mit konkreten und positiven Resultaten vor Ort stehen. Es ist also die europäische Politik mit der höchsten kommunalen Dimension. Hier wird europäische Politik sichtbar.
Derzeit wird etwa ein Drittel des EU-Haushalts für die Kohäsionspolitik als wichtigste Investitionspolitik aufgewendet. Ziel ist es, regionale Ungleichheiten zu verringern, Arbeitsplätze zu schaffen und globale Herausforderungen wie Klimawandel oder Migration zu bewältigen Viele Pro
jekt auch in Deutschland wären ohne die Unterstützung von europäischen Fonds nicht möglich. Hier wird Europa unmittelbar erlebbar.
Als ein Beispiel möchte ich die Periode 2007 bis 2013, die finanzielle Unterstützung von mehr als 1.200 Start-ups und etwa 400.000 kleinen und mittelständischen Unternehmen nennen. Dabei konnten ca. 1 Million neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Wir brauchen weiterhin eine starke EU-Kohäsionspolitik in allen Regionen, insbesondere in den bisherigen Übergangsregionen und in den stärker entwickelten Regionen. Wir wollen, dass dieser wichtige Strukturfonds der EU als langfristige und verlässliche Förderung für alle Regionen ab 2021 bestehen bleibt.
Meine Damen und Herren, es ist wichtig für RheinlandPfalz als Flächenland, dass die Unterstützung durch die EU gerade auch für den ländlichen Raum erhalten bleibt. Darüber haben wir vorhin schon gesprochen. Aus den europäischen Fonds erhielten die rheinland-pfälzischen Regionen in der Förderperiode 2014 bis 2020 ca. 600 Millionen Euro an Mitteln ohne die Interregiomittel.
Die Allianz ist ein starkes Zeichen aus den Regionen an die EU. Es wird ein Zeichen gesetzt zur Beibehaltung und Stärkung der Kohäsionspolitik als weiterhin tragende Säule für die Zukunft der EU. Es ist wichtig, dass auch Rheinland-Pfalz dabei ist; denn die europäischen Strukturfonds sind unverzichtbar für unsere wirtschaftliche Entwicklung. Daher begrüßen und unterstützen wir den Beitritt zur Cohesion-Alliance, die ein öffentlich wirksames Signal zur Fortführung der Kohäsionspolitik darstellt.
Frau Raab hat die Unterzeichnung am 15. März für das Land Rheinland-Pfalz vorgenommen. Die CohesionAlliance wird von zahlreichen europäischen Regionen unterstützt, darunter auch mehrere Bundesländer in Deutschland. Insgesamt sind dies bisher 34 Unterstützer aus Deutschland aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Es sind dabei Länder, Städte, Kreise, Metropolregionen und Handwerkskammern. Dass der Deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund beigetreten sind, zeigt die Bedeutung, die der Kohäsionspolitik beigemessen wird.
Meine Damen und Herren, dass diese Allianz notwendig und wichtig ist, zeigt der vorgelegte Entwurf zum EUHaushalt von Kommissar Oettinger auf. Kürzungen gerade in diesem Bereich setzen ein falsches Signal.
Meine Damen und Herren, es geht darum, eine starke, leistungsfähige und sichere Union zu erhalten und weiter auszubauen, die möglichst gleichwertige Chancen für alle Bürgerinnen und Bürger darstellt, und zwar ohne die einzelnen Bereiche gegeneinander auszuspielen. Daher hoffen wir, dass die Kohäsionsallianz mit einem klaren Votum der Regionen bei der Diskussion um die Haushaltsausgestaltung der Europäischen Union Beachtung findet.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit einem Zitat: „Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung. Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die (...) eine Solidarität der Tat schaffen.“
Meine Damen und Herren, diese Worte stammen aus dem Mund des französischen Außenministers Robert Schumann. Er hat sie am 9. Mai 1950 in seiner nach ihm benannten Erklärung getätigt, die den Grundstein für die EU heute legt.
Heute, fast 70 Jahre nach Schumanns Rede, ist die von ihm beschworene Solidarität der Tat gelebte Realität in der Solidargemeinschaft europäischer Staaten geworden, die auf einem einfachen, aber wirksamen Prinzip beruht, nämlich dass ein Staat nicht allein für sich verantwortlich ist, sondern die anderen Staaten als Mitglieder einer definierten Solidargemeinschaft sich gegenseitig Hilfe gewähren.
Sichtbaren Ausdruck findet diese gegenseitige Unterstützung in der europäischen Kohäsionspolitik. Sie bündelt die europäischen Investitionen für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt. Wenngleich der Begriff sehr abstrakt ist, hat die Kohäsionspolitik ganz konkrete lebensnahe Auswirkungen auf uns Europäer. Sie fördert die Schaffung von Arbeitsplätzen, sorgt für moderne Infrastruktur, stärkt Aus- und Weiterbildung und sorgt somit für eine Verbesserung der Lebensqualität.
Dass die Kohäsionspolitik ein Erfolgsmodell ist, sehen wir an vielen Beispielen. Sie ist der überzeugte Ausdruck der Mitgliedsstaaten zum gemeinschaftlichen Handeln, aber auch des Willens zu harmonischen Entwicklungen der Regionen. Dazu tragen auch die Stadt-Land-Partnerschaften besonders bei. Sie sind eine wichtige Plattform zur Stärkung der ländlichen Räume. Als wichtiger Baustein der Kohäsionspolitik stellen sie einen echten europäischen Mehrwert dar.
Um auch weiterhin ein integratives, nachhaltiges und innovatives Wachstum innerhalb der EU zu gewährleisten, müssen wir die notwendigen Weichen für die zukünftige Entwicklung der Kohäsionspolitik nach 2020 stellen. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass mit dem Brexit und dem Wegfall eines großen Nettozahler sehr viel weniger Geld im EU-Haushalt zur Verfügung stehen wird, brauchen wir eine EU-Förderpolitik, die neue Akzente bei gleichzeitiger Verstetigung der EU-Förderung setzt. Das bedeutet,
dass das Finanzvolumen für die Kohäsionspolitik auch in der künftigen Förderperiode so ausgestattet werden muss, dass ausreichend Ressourcen für diesen zentralen Politikbereich zur Verfügung stehen, also mindestens ein Drittel des künftigen EU-Haushaltes.
Das war auch der Grund, warum sich Befürworter der Kohäsionspolitik zu einer Bewegung zusammengeschlossen haben. Sie eint der politische Wille, dass die Kohäsionspolitik auch weiterhin eine tragende Säule für die Zukunft der EU sein muss. Die Landesregierung ist dieser Allianz beigetreten. Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt diesen Schritt ausdrücklich. Wir Christdemokraten sehen es als unbedingt erforderlich an, dass auch in Zukunft für alle Regionen der EU der Zugang zu Fördermitteln der Kohäsionspolitik erhalten bleibt.
Wichtig ist uns auch, dass deren Verwaltungsstrukturen nach 2020 auf allen Ebenen vereinfacht werden sollen, damit die Wege leichter, kürzer und transparenter werden. Auch machen wir uns für eine Entbürokratisierung der Kohäsionspolitik in der kommenden Förderperiode stark.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Schluss noch eine Anmerkung machen. EU-Bashing ist inzwischen zum Volkssport geworden. Dabei ist Europa weitaus besser als sein Ruf.
Das haben wir vorhin schon beim Thema ländlicher Raum gemerkt. Wenn es nach Ihnen ginge und die EU abgeschafft würde, dann würden wir auch keinen Euro mehr davon erhalten. Das ist schon ganz klar.
(Abg. Uwe Junge, AfD: Es geht um Reformierung! – Vizepräsidentin Astrid Schmitt übernimmt den Vorsitz)
Jeder sollte in seinem Wahlkreis den Bürgerinnen und Bürger noch mehr deutlich vor Augen führen, welchen direkten Mehrwert sie durch die europäischen Fonds haben.
Die Förderprogramme für die regionale Entwicklung ermöglichen den Regionen, über die Zukunftsgestaltung ihres Lebensumfelds selbst zu entscheiden. Das ist echte Hilfe zur Selbsthilfe; hier werden regionale Projekte europäisch.
Bedeutung, auch um das Wir-Gefühl in einem gemeinsamen Europa zu stärken. Die Einigung Europas ist kein Verwaltungsakt, sondern die Durchsetzung einer Idee, die nicht alleine in Dokumenten und Vorschriften, sondern vor allen Dingen in den Köpfen der Unionsbürger verankert werden muss. Erst durch die stärkere Fokussierung auf die unmittelbaren Bedürfnisse der Menschen vor Ort wird die Idee von Europa zur gelebten Wirklichkeit.
Lassen Sie uns auch in Zukunft dafür Sorge tragen, dass die innereuropäische Solidarität weiter voranschreitet,
Der gemeinsame Antrag von SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN trägt diesem Erfordernis umfänglich Rechnung.
(Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Sehr gut!)