Protocol of the Session on April 26, 2018

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Dann kommen wir zur Abstimmung. Zunächst stimmen wir über den Antrag der CDU-Fraktion – Drucksache 17/4419 – ab. Wer für diesen Antrag ist, den darf ich um das Handzeichen bitten! – Gegenstimmen? – Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen von SPD, AfD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.

(Abg. Guido Ernst, CDU, in Richtung der AfD-Fraktion zeigend: Es wurde mitgestimmt!)

Entschuldigung, Sie haben recht. Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen von – – –

(Abg. Christine Schneider, CDU: Der Mehrheit!)

Der Mehrheit. Ja, wir machen das korrekt für das Protokoll. Wir machen es jetzt noch einmal. Wer ist für den Antrag der CDU-Fraktion – Drucksache 17/4419 –? – Gegenstimmen? – Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen von SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen von CDU und AfD abgelehnt.

Wir kommen damit zum Alternativantrag der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/4463 –. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten! – Gegenstimmen? – Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen von SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen von CDU und AfD angenommen.

Wir kommen jetzt zu Punkt 20 der Tagesordnung:

Niemals wieder! Gedenkkultur in Rheinland-Pfalz fördern und erhalten Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/6021 –

Der Antrag – Drucksache 17/6021 – tritt an die Stelle des Antrags der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/5409 –.

Gibt es Wortmeldungen hierzu? – Herr Geis, bitte schön.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Erstes Bild: Frühlingssonne, blühende Bäume, Vogelgezwitscher, schöne Aussicht auf weite Landschaft. Wir waren mit dem Ausschuss für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur in Lidice in Tschechien. Gerade diese Idylle ist besonders bedrückend, wenn man weiß und hier noch beklemmender erfährt, was an diesem Ort passiert ist.

Zweites Bild: Vor mir steigt eine alte Frau mit einem Rollator aus dem überfüllten Zug. Mühsam bewegt sie sich vorwärts. Als ich sie anspreche, erzählt sie mir, dass sie 88 Jahre alt ist, vom Altenheim in Neustadt nach Kandel gefahren ist, um gegen die Ewiggestrigen und die neuen Nazis zu demonstrieren. Man könnte ja meinen, sagt sie, auf eine kommt es nicht an, aber ich muss mir ins Gesicht sehen können.

Drittes Bild: Ehemaliges Haus Burgund gegenüber unseres Abgeordnetenhauses, Einweihung des Hauses des Erinnerns, für Demokratie und Akzeptanz. Erfreulich große Resonanz. Eine Initiative von Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Mainz, die eine Stiftung gegründet haben, um diesen Lernort zu errichten. Der engagierte Vorsitzende mahnt zur Dialogbereitschaft und fordert auf zu aktivem Erinnern, zum Eintreten für Freiheit und Menschenrechte. Unser Landtagspräsident konkretisiert bei der gleichen Veranstaltung, wir müssen begeistern für Demokratie, beginnend schon bei den Grundschülern.

Viertes Bild: Eine junge Wissenschaftlerin der Uni Trier

schreibt mir nach unserer ersten Debatte, die wir zu diesem Thema geführt haben. Sie bedankt sich, dass wir über Gedenkkultur reden, aber Sie mahnt auch an, die Forschung zu diesem Thema ernst zu nehmen und stärker zu fördern. Sie weist auch darauf hin, dass unser Erinnern oft wieder selektiv ist. Sie nennt zum Beispiel die Frauen als Opfergruppe des Naziregimes. Man könnte genauso Homosexuelle und Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter nennen, deren Leiden lange nicht angemessen erforscht und gewürdigt wurden.

Solche Begegnungen zeigen deutlich, es braucht den Erhalt und die Pflege der historischen Orte wie Lidice, und es braucht die mutigen Menschen wie die alte Dame in Kandel, die neuen Orte des Erinnerns und des Dialogs wie aktuell jetzt in Mainz und die Förderung von Wissenschaft und Bildung, wie sie Lena Haase angemahnt hat, um Gedenkkultur wachzuhalten. Sie darf nicht stehenbleiben beim bloßen Erinnern.

Sie gibt uns eine Verpflichtung für die Zukunft. Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt. Deshalb ist es gut, dass eine breite Mehrheit demokratischer Parteien hinter ihm steht.

Die kritische Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus ist eine tragende Säule der Demokratie der Bundesrepublik, hat der Historiker Jürgen Kocka vor kurzem in der Süddeutschen Zeitung geschrieben. Das ist unsere Verantwortung, an der wir uns messen lassen müssen. Deshalb bin ich auch stolz auf die Gedenkkultur des Landtags. Ja, es ist uns bewusst, dass dieser Begriff von Gedenkkultur das aktive Erinnern an die Verbrechen des Naziregimes eindeutig in den Mittelpunkt stellt. Das muss auch so bleiben, solange es Verharmloser und Relativierer gibt, und noch schlimmer, Menschen, die andere Menschen wieder unterteilen in werte und unwerte Menschen.

(Beifall der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben demgegenüber deutlich zu machen, was die Traditionen sind, auf die sich unsere Demokratie gründet: Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz, Pluralismus und Achtung der Rechte aller Menschen. – Diese Traditionen haben auf dem Gebiet unseres Bundeslandes glanzvolle Ausprägungen, die Freiheitsbestrebungen in der Folge der Französischen Revolution, Höhepunkt das Hambacher Fest von 1832, wo der Anführer des sozialen Protestes der Winzer aus meiner Heimatstadt Dürkheim in seiner Rede vor allem das Vorbild der polnischen Demokraten gelobt hat.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ja!)

Es verbietet sich deshalb, dass dumpfe Nationalisten meinen, sich in diese Tradition stellen zu können. Jeder sollte sich schämen, wenn er sich für eine solche Geschichtsfälschung hergibt.

(Beifall der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Martin Haller, SPD: So sieht es aus!)

Unsere Demokratie wird stark genug sein, diese Herausforderung zu bestehen. Die Gedenkkultur wird dabei eine

wichtige Rolle spielen.

Danke schön.

(Beifall der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: sehr richtig!)

Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Barth.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor zwei Monaten haben wir hier an dieser Stelle über eine Antrag der Ampelkoalition zum Thema Gedenkkultur debattiert. Im Grunde genommen waren wir uns über die Notwendigkeit eines solchen Antrags einig und sind es auch heute noch; denn es gehört zum demokratischen Grundkonsens und – Herr Kollege Geis, Sie haben es eben auch dankenswerterweise ausgeführt – darum, unser historisches Erbe zu bewahren, uns zu erinnern an die hellen, aber auch an die dunklen Seiten unserer Geschichte. Deshalb hat die CDU ihre grundsätzliche Zustimmung zu diesem Antrag signalisiert. Es gab aus unserer Sicht noch den einen oder anderen Punkt, der unserer Meinung nach noch etwas präziser gefasst und stringenter gehandhabt werden musste, um Gedenkkultur als unitäres Ganzes zu begreifen.

Um eine gemeinsame Konkretisierung des Antrags in seiner Zielrichtung vorzunehmen, wurde dann seinerzeit der ursprüngliche Antrag der Fraktionen von SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einstimmig an den Ausschuss für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur überwiesen. Der nun vorliegende modifizierte Antrag nimmt das Thema Gedenkkultur in Rheinland-Pfalz in seiner gesamten Bandbreite in den Blick und schafft die Voraussetzungen dafür, die Erinnerung an die Opfer von Krieg, Gewalt und Unterdrückung, aber auch von diskriminierten Minderheiten zu fördern und wachzuhalten.

Dieser Ansatz umfasst konkret die Verankerung von Gedenkarbeit in Schulen und Gedenkstätten, den Erhalt und die Pflege historischer Gedenkorte und – das ist ganz wichtig – die aktive Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements im Bereich der Gedenkkultur vor Ort.

(Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Politische Bildung und Gedenkkultur sind zwei untrennbare Grundpfeiler gegen das Vergessen. Gedenktage mit Bezugnahme auf Unrechtsregime – ob 8. Mai, 17. Juni, 20. Juli oder 9. November – haben sich als zentrale Erinnerungsorte etabliert und sind fester Bestandteil unserer demokratischen Erinnerungskultur.

Meine Damen und Herren, wer allerdings von einer erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad spricht, wer sie gar herbeiredet oder verlangt, der verdrängt nicht nur die Geschichte, sondern verleugnet sie auf brandgefährliche Art und Weise.

(Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir setzen daher mit unserem gemeinsamen Antrag ein deutliches Zeichen wider das Vergessen. Gerade in Zeiten, in denen der Ton in der Politik rauer wird, in denen pauschale Verurteilungen salonfähig werden und in denen Gewalt und Ausgrenzung zunehmen, ist es besonders wichtig, demokratiefeindlichen und auch antisemitischen Tendenzen kategorisch und aufrichtig entgegenzutreten, meine Damen und Herren.

(Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gedenkarbeit ist ein nicht endender Prozess, der stetiger Erinnerung bedarf, nicht, um unser Entsetzen zu konservieren, sondern um Lehren aus der Geschichte zu ziehen, damit „aus der Erinnerung immer wieder lebendige Zukunft“ wird, wie Roman Herzog das einmal so treffend formuliert hat.

Ich habe bereits in der Debatte am 22. Februar ausgeführt, dass vor allen Dingen Schulen und Gedenkstätten zentrale Lernorte des Gedenkens sind, an denen das Wirken um die historische Wahrheit und das Wissen darum vermittelt wird.

Ihnen kommt bei der Vermittlung eines demokratischen Erinnerungsbewusstseins eine besondere Bedeutung zu. Wir begrüßen es vor diesem Hintergrund sehr, dass der Präsident der Kultusministerkonferenz, der Thüringer Bildungsminister Helmut Holter, eine Offensive zur Demokratiebildung angekündigt hat.

Einen besonderen Stellenwert im Rahmen der Gedenkkultur nehmen Erinnerungssorte ein, die der sprichwörtliche „Atem der Geschichte“ umweht. Nirgendwo sonst manifestiert sich Erinnerung unmittelbarer, greifbarer und ergreifender als in ihnen. Sie, lieber Herr Kollege Geis, haben vorhin auf sehr eindrückliche Weise einen solchen Erinnerungsort in Tschechien erwähnt, wofür ich Ihnen sehr dankbar bin. Ob Kriegsgräberstätten, Judenfriedhöfe, Konzentrations- oder Kriegsgefangenenlager, sie alle sind Orte des Gedenkens, die an die vielen Schicksale erinnern, die untrennbar mit unserer Geschichte verbunden sind.

All denen, die dazu beitragen, Vergangenes wachzuhalten und stetig für nachfolgende Generationen aufzuarbeiten, möchte ich hier noch einmal ganz herzlich danken:

(Beifall der CDU, der SPD, der FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der AfD)

natürlich den Schulen, natürlich der Landeszentrale für politische Bildung, natürlich den Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen im Land und selbstverständlich auch den zahlreichen lokalen Initiativen, die sich vor Ort in ihren Gemeinden ehrenamtlich engagieren; denn ihr aller Wirken ist ein wichtiger Bestandteil der Gedenkarbeit und Gedenkkultur in Rheinland-Pfalz.

Meine Damen und Herren, kollektive Erinnerung und historische Verantwortung, das sind zwei Seiten derselben Medaille. Der vorliegende gemeinsame Antrag fördert die

Gedenkkultur in Rheinland-Pfalz auf breiter Ebene. Er unterstützt das große Engagement vieler ehrenamtlich Tätigen und fördert zugleich Gedenkarbeit an Schulen und Gedenkstätten im Land. Er setzt ein starkes, ein klares, ein deutliches, ein gemeinsames Zeichen dieses Hohen Hauses wider das Vergessen und für das „Niemals wieder!“. Ich freue mich, dass wir diesen Antrag nun gemeinsam mit der Regierungskoalition auf den Weg bringen können.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Schmidt.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kollegen! Bereits vor etwas mehr als zwei Monaten habe ich unsere Position als AfD zu diesem nun in etwas verbesserter Form vorliegenden Antrag erläutert. Es ist erfreulich, dass jetzt neue wichtige Punkte ihren Platz in dem Forderungskatalog gefunden haben. So wurde der Appell an die Bürgerschaft und die Kommunen sowie an das Land hinzugefügt, zur Erhaltung historischer Orte jüdischen Lebens in unserem Land – zum Beispiel ehemalige Wohnhäuser jüdischer Mitbürger, zerstörte Synagogen und jüdische Friedhöfe – beizutragen und den Erhalt und die Pflege von Soldatenfriedhöfen und Kriegsmahnmalen als Erinnerung und Mahnung vor den Folgen des Krieges wertzuschätzen.