Protocol of the Session on March 22, 2018

Insgesamt wird die Zeit für familiäre Gemeinsamkeit durch die Ganztagsschule spürbar verringert, die gerade für Kinder wichtige und prägende Familienkultur geht immer mehr verloren, obwohl die Erziehung laut Grundgesetz Aufgabe der Familien und nicht staatlicher Institutionen ist.

Hinzu kommt, dass der GTS-Ausbau Milliarden verschlingt, während es bei der Qualität des Bestehenden an vielen Stellen hapert. Steigende Schülerzahlen, vor allem aber die wachsende Heterogenität der Klassen erfordern bereits jetzt einen erheblichen Mehrbedarf an Lehrern, für den jedoch keine finanziellen Ressourcen zur Verfügung stehen.

Inklusion und Integration werden auf dem Rücken hoch motivierter, aber häufig überlasteter Pädagogen ausgetragen, denen man die dringend notwendige personelle Unterstützung versagt.

Vor diesem Hintergrund ist es eine Illusion, die nachmittägliche Kinderbetreuung verstärkt oder gar komplett auf die Schulen übertragen und dabei gleichzeitig die Unterrichtsqualität halten zu können. Der Ausbau der Ganztagsschule führt zu einem Qualitätsverlust im Kernbereich der Schule, im Unterricht, und das in einer Zeit, in der eine Bildungsoffensive notwendiger als je zuvor wäre.

(Beifall der AfD)

Meine Damen und Herren, wer die traditionelle Rolle der Schule als Unterrichtschule umzudeuten und aus ihr eine Lebenswelt zu machen versucht, wer eine immer weitere Auslagerung von Kindheit und Jugend in staatliche Institutionen will, der sollte die Folgen bedenken: Einheitserziehung, Einheitsernährung, permanente Aufenthalte in der Großgruppe mit entsprechender Lärmbelästigung und sozialem Stress, dauerhafte Beaufsichtigung und Beschäftigung durch Erwachsene, gleichzeitig Verarmung der Freizeitangebote, allmähliches Austrocknen gewachsener Strukturen in Sportvereinen, Laienmusik, Freiwilliger Feuerwehr oder Kirchengemeinden.

Was dort geleistet wird, kann Schule nicht ersetzen, auch nicht mit ehrenamtlichen und gut gemeinten Kooperationen.

(Beifall der AfD)

Vor allem aber kann sie nicht das bieten, was vielleicht das Wichtigste ist: Freiheit für individuelle Entwicklung, für Kreativität und Persönlichkeitsentfaltung außerhalb vorgegebener Gruppendynamik, staatlicher Aufsichtspflicht und einengender Rahmenbedingungen. Nicht mehr Schule, sondern bessere Schule heißt daher das Gebot der Stunde.

Den Antrag der Ampelfraktionen lehnen wir ab.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Lerch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Pädagogik braucht Raum. Das gilt insbesondere dann, wenn Schule zum Lebensraum wird, wenn Schüler und Lehrkräfte von 08:00 Uhr bis 16:00 Uhr in der Schule sind.

Die FDP-Fraktion begrüßt deshalb, dass die anstehende Novellierung der Schulbaurichtlinien den Anforderungen des Ganztagsunterrichts Rechnung tragen wird. Irritationen bezüglich der räumlichen Gestaltung von Ganztagsschulen gab und gibt es bis heute.

Ganztagsschulen brauchen Rückzugsmöglichkeiten in Form von Differenzierungsräumen, Aufenthaltsräumen, zusätzlichen Räumen zur Teilung von Lerngruppen, Korrekturräumen für Lehrkräfte, Mensen usw., und auch Ruheräume, meine Damen und Herren, wie von der früheren AQS in Überprüfungsverfahren an den Schulen angemahnt, aber in keiner aktuellen Schulbaurichtlinie verankert.

Meine Damen und Herren, dies wird ein Ende haben. Der Ganztag ist raumintensiv und verdient – wie im vorliegenden Antrag formuliert – die Unterstützung der Schulträger bei baulichen Maßnahmen.

Meine Damen und Herren, der Ganztag ist personal- und kostenintensiv. Die Schulen erhalten ein Budget, das sie autonom verwalten. Von diesem Budget werden die Lehrerwochenstunden im Ganztag, die AG-Kräfte und die GTSAufsichten finanziert.

Die FDP begrüßt dies, stärkt es doch die Autonomie der einzelnen Schule im Hinblick auf Profilbildung. So kann man auch den Wünschen der Eltern und Schüler nach Ausgestaltung des Ganztages im pädagogischen Konzept gerecht werden.

Die Ganztagsschule in Rheinland-Pfalz kann sich in vielerlei Hinsicht sehen lassen. Ihnen, Frau Ahnen, ist es zu verdanken, dass Sie in Ihrer damaligen Eigenschaft als zuständige Ministerin G8 an die verpflichtende Ganztagsschule gekoppelt haben. Sie sagten einmal, dass die G8-Frage in Rheinland-Pfalz zu den größten Herausforderungen Ihrer Amtszeit gehört habe. Ich kann Ihnen bestätigen – gerade im Vergleich zu anderen Negativbeispielen aus Bundesländern in der Nachbarschaft –, Sie haben alles richtig gemacht. Hier wird die rhythmisierte Ganztagsschule gelebt und umgesetzt.

Meine Damen und Herren, es ist schlichtweg falsch, wenn immer wieder behauptet wird, Musik und Sport der Schülerinnen und Schüler würden unter dem Ganztag leiden. Die Vertragssituation mit Ganztagsschulen spricht eine andere

Sprache: Im Schuljahr 2017/2018 wurden von den über 1.000 Verträgen 499 mit Sportvereinen und 181 mit Musikschulen geschlossen. Das Angebot wird weiter wachsen.

Ich möchte einen weiteren Punkt ganz besonders herausstellen. Dort, wo Familienstrukturen Kindern und Jugendlichen nicht den notwendigen Halt geben, ist die Ganztagsschule d i e Chance zur Stabilisierung ihrer persönlichen Situation. Damit ist die Ganztagsschule eine durch und durch soziale Schule.

Mit den Ganztagsschulen reagiert die Politik auf die veränderten Arbeits- und Lebensumstände von Familien. Deshalb ist uns Qualität wichtig. Deshalb wird Rheinland-Pfalz diesen Weg fortsetzen und garantiert den Eltern einen Ganztagsschulplatz für ihr Kind in erreichbarer Nähe.

Die Ganztagsschule in Angebotsform eröffnet den Eltern eine passgenaue Entscheidung für ihr Kind. In diesem Fall ist eine Verpflichtung, am Ganztag teilzunehmen, nur für ein Schuljahr bindend. Wir als FDP-Fraktion begrüßen die Wahlfreiheit der Eltern – ich möchte das noch einmal ausdrücklich betonen,

(Beifall der Abg. Monika Becker, FDP)

weil es in der Diskussion ein bisschen durcheinanderging – auch in dieser Frage; denn die Kinder sind verschieden und entwickeln sich unterschiedlich.

Meine Damen und Herren, Rheinland-Pfalz hat sich seit Jahren in Sachen Ganztagsschule auf den Weg gemacht. Rheinland-Pfalz ist auf dem richtigen Weg.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Kollege Köbler.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, ein nüchterner Blick auf die Zahlen macht deutlich, dass wir beim Thema Ganztagsschule in Rheinland-Pfalz auf dem richtigen Weg sind. Es sind mittlerweile fast 740 Ganztagsschulen im Land. Wenn man sich die Entwicklung anschaut, die auch aus der Antwort auf die Große Anfrage hervorgeht, dann haben wir in den letzten Jahren von knapp 26.000 Schülerinnen und Schüler auf jetzt 107.000 Schülerinnen und Schüler aktuell mehr als eine Vervierfachung der Zahl der Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz, die auf eine Ganztagsschule gehen.

Ich glaube, allein diese Zahl belegt, dass dieses Angebot nicht nur angenommen wird, sondern absolut auf der Höhe der Zeit ist, und dass wir, wo immer noch der Bedarf vorhanden ist, alles tun sollten, den Ganztag in Rheinland Pfalz weiter auszubauen.

Es ist noch einmal wichtig, darauf einzugehen, was auch der pädagogische Mehrwert ist, nicht nur, dass man in einer Ganztagsschule mehr Zeit für Bildung und mehr Zeit für soziale Kontakte und ein soziales Miteinander hat. Ich gebe offen zu, ich bin ein großer Fan von Ganztagsklassen, in denen es nicht dazu kommt, dass morgens von 08:00 Uhr bis 12:00 Uhr der Unterricht in die Köpfe „hineingeballert“ wird, und danach findet noch ein bisschen Betreuung statt, sondern in denen man auch wirklich Rhythmisierung, die in vielen Ganztagsklassen und in verpflichtenden Ganztagsschulen gelebt wird, machen kann. Es ist der Wechsel von Wissensvermittlung, aber auch von sozialen Dingen, von Bewegung und dann mal wieder Unterricht in der klassischen Form.

Alle Studien und alle Pädagogen und Didaktiker und Didaktikerinnen sagen uns, das ist für die Schülerinnen und Schüler das Beste, um Wissen aufzunehmen. Es entspricht sozusagen auch dem Biorhythmus gerade der kleineren Kinder. Es ist aber auch für die Lehrerinnen und Lehrer das, was ihnen am besten entspricht.

Ich möchte noch einen wesentlichen Punkt nennen, der noch nicht groß angesprochen worden ist. Frau Beilstein, Sie haben immer wieder auf Schnittstellenprobleme mit Vereinen, Verbänden usw. beim Ganztag hingewiesen. Ich möchte noch einmal sagen, ja, die gibt es mit Sicherheit in Einzelfällen. Ich kenne Einzelfälle, in denen man immer wieder reden muss, in denen ich aber auch immer, wenn man vor Ort dialogbereit ist, erfahren habe, dass man das lösen kann.

(Vizepräsident Hans-Josef Bracht übernimmt den Vorsitz)

Es gibt aber auch große Chancen, weil wir die Ganztagsschule für andere Professionen öffnen als die, die sowieso schon an der Schule sind. Das geht von der Schulsozialarbeit über Schulpsychologen bis hin zu ehrenamtlichen Jugendleiterinnen und Jugendleiter in den Vereinen, Trainerinnen und Trainer, die an dem Nukleus Ganztagsschule die ganze soziale Vielfalt mit abbilden und auch untereinander in einen Austausch kommen.

Das ist das, was ganzheitliche Bildung bedeutet. Sie ist mehr als nur das reine Unterrichtswissen, sie beinhaltet auch das soziale Lernen. Es kann auch nicht schaden, wenn die Grundschullehrerin und der Grundschullehrer direkt mit dem Fußballtrainer sprechen, was bei dem oder dem Kind das Problem ist, ob es im Verein auch so ist. Hier hat die Ganztagsschule an vielen Stellen einen Ort geschaffen, an dem so etwas viel besser möglich ist als das früher der Fall war.

Meine Damen und Herren, nicht zuletzt ist es auch, um das Thema des vorhergehenden Tagesordnungspunktes kurz aufzugreifen, eine Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der heutigen Zeit. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hört nicht mit dem Abschluss des Kindergartens auf. Deswegen finde ich es richtig, dass sich der Bund auf den Weg macht, einen bundesweiten Rechtsanspruch für Ganztagsplätze im Grundschulalter zu schaffen. Auch beim Thema Mittagessen darf es am Ende nicht an dem einen Euro scheitern, den das eine oder das andere Kind vielleicht nicht aufbringen kann. Von daher sind wir auf

einem guten Weg, den wir beherzt weitergehen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Als Nächstes spricht Frau Staatsministerin Dr. Hubig für die Landesregierung.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage der SPD-Fraktion ist die Bilanz von 15 Jahren Ganztagsschule in Rheinland-Pfalz. Es ist eine sehr erfolgreiche Bilanz.

Rheinland-Pfalz ist das Land der Ganztagsschulen. Unser Modell der Ganztagsschulen in Angebotsform nimmt bundesweit eine Vorreiterrolle ein. Pädagogisch wertvolle Konzepte begleitet durch multiprofessionelle Teams, Verlässlichkeit, eine hohe Verbindlichkeit – diese Schlagworte stehen beispielhaft für die Ganztagsschule in RheinlandPfalz.

Ich bin den Regierungsfraktionen sehr dankbar, dass sie mit ihrer Großen Anfrage und dem Antrag, den wir heute hier debattieren, dieses Markenzeichen rheinlandpfälzischer Bildungspolitik erneut aufrufen.

Wir haben mit dem im Jahr 2002 gestarteten Ausbauprogramm erreicht, dass es in jeder der 185 Verbandsgemeinden, verbandsfreien Gemeinden, großen kreisangehörigen Städten und kreisfreien Städten mindestens ein Ganztagsangebot im Grundschulbereich gibt. Über 81 % der Grundschulen – Sie haben es erwähnt, Frau Abgeordnete Beilstein – haben ein Ganztagsangebot. Die neun verpflichtenden, von denen Sie gesprochen haben, sind Privatschulen, das heißt, man muss dort in den Ganztag gehen. Wenn Sie sich aber die 327 anschauen, dann können Sie feststellen, dass das diejenigen in Angebotsform sind. 40 davon sind die rhythmisierten, über die wir sprechen.

Die Eltern haben ein Wahlrecht, wir haben ein vielfältiges Angebot, und wir werden zum kommenden Schuljahr noch einmal fünf Grundschulen mit Ganztagsangebot an den Start gehen lassen. Das liegt daran, dass sich die Schulelternbeiräte vor Ort dafür ausgesprochen haben, eine solche Ganztagsschule zu begründen.

Warum hat die Landesregierung den Ganztag so ausgebaut? – Das hat vor allem zwei Gründe. Zum einen geht es um Chancengerechtigkeit und gleich gute Bildungschancen für alle Kinder. Deshalb haben wir von Anfang an viel Wert auf einen qualitativ guten, hochwertigen Ganztag gelegt, der mehr ist als bloße Betreuung.

Die Ganztagsschule ermöglicht allen Kindern und Jugendlichen zusätzliche Förderung und stellt ein breites Spektrum kultureller, musischer, sportlicher und lernanregender Angebote bereit. Dort werden Kontakte zu den Sportvereinen,