Dass eben heute nichts über Aussiedler, über Deutsche aus Russland in der Zeitung steht, ist ein gutes Zeichen. Warum ist es ein gutes Zeichen? Weil die Normalität oft niemanden interessiert. Dazu ist ein Zitat des Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Waldemar Eisenbraun, wirklich beispielgebend: Die Deutschen aus Russland verhalten sich „auffällig unauffällig“. Das beschreibt diese Normalität, die letztendlich hier eingekehrt ist.
Tatsächlich ist die Integration dieser Aussiedler erstaunlich gut gelaufen, besser, als es die meisten Menschen wohl erwartet haben. Es gibt sehr viele Aussiedler in Deutschland, fast 4 Millionen, also fast 5 % der Bevölkerung. Deshalb will ich an der Stelle auch noch einmal ein ganz klares Bekenntnis abliefern: Spätaussiedler, Aussiedler, Deutsche aus Russland sind ein Gewinn für Deutschland, und ihre Aufnahme bei uns war und ist eine Investition in die Zukunft Deutschlands.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb hat die CDULandtagsfraktion die Initiative ergriffen, um die Leistungen dieser Menschen, und dabei vor allen Dingen der Deutschen aus Russland, ausdrücklich zu würdigen. Es freut mich, dass wir heute in großer Einigkeit ein klares und wichtiges Zeichen setzen können, ein wichtiges Zeichen für die Anerkennung von Bürgern unseres Landes.
Die Bilanz des Wirkens dieser Mitbürgerinnen und Mitbürger ist wahrlich eine Erfolgsgeschichte. Schauen wir uns die Zahlen an: Ganz ohne Bildungsabschluss sind nur rund
3 % dieser Bevölkerungsgruppe. In Sachen Bildung können wir gerade auf die junge Generation der Deutschen aus Russland stolz sein. 28 % der 20- bis 30-Jährigen haben einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss. 23 % beträgt der Anteil der 16- bis 20-Jährigen in der gymnasialen Oberstufe. Besonders positiv fallen junge Frauen mit ihrem Trend zu höheren Berufs- und Bildungsabschlüssen auf. Auch in Bezug auf die Integration in den Arbeitsmarkt gibt es Positives zu berichten: Die Erwerbstätigenquote der Spätaussiedler entspricht der der Einheimischen, und die Erwerbslosenquote ist kaum höher als bei Deutschen ohne Migrationshintergrund.
Letztendlich verwundert dies alles nicht, denn gerade Fleiß und Tüchtigkeit sind die zentralen Werte dieser Menschen, gerade derjenigen, die zu uns heimgekehrt sind und damals aussiedelten, um in Russland ihr Glück zu finden, vor mehr als 200 Jahren, und die sich heute wieder eine erfolgreiche Existenz aufgebaut haben. Das würdigen wir ausdrücklich.
Die Integration von Spätaussiedlern ist deshalb eine Erfolgsgeschichte. Diese Menschen haben eine klare Orientierung. Sie wollen sich in unserer Gesellschaft einbringen, und dies gelingt ihnen überdurchschnittlich gut.
Ich glaube, wir müssen uns durchaus fragen, warum dies so ist und was wir daraus lernen können. Mir fallen fünf Gründe ein, die ich hier noch einmal darlegen will. Erstens ist es so, dass die Aussiedler und Spätaussiedler mit dem Wunsch nach Deutschland kamen, als Deutsche unter Deutschen zu leben. Der Integrationswille war von Anfang an gegeben und ausschlaggebend, sie haben sich klar dazu bekannt.
Zweitens kamen sie über ein förmliches Aufnahmeverfahren mit Vorkenntnissen der deutschen Sprache. Dank der Pflege von Sprache und Kultur fiel es den deutschstämmigen Aussiedlern relativ leicht, sich in Deutschland in die Nachbarschaft, in die Vereine, Verbände, ins kommunale Leben oder in die Kirchengemeinden zu integrieren.
Drittens hatten nicht nur die Aussiedler selbst, sondern auch die staatlichen Stellen keinerlei Zweifel daran, dass die Aussiedler nach Deutschland gekommen sind, um zu bleiben. Auch nach aktuellen Umfragen haben sie langfristige Zukunftspläne, um hier ihre Existenz weiter zu festigen und dauerhaft Erfolg zu finden.
Viertens waren die Aussiedlerorganisationen, hier allen voran die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, von Anfang an als Interessenvertreter Partner auf Augenhöhe. Sie sind erfahrene Träger von Integrationsmaßnahmen, also in jeder Hinsicht aktive Mitgestalter.
Fünftens ist es die Selbsthilfe unter den Aussiedlern, die besonders gut ausgeprägt war. Man hat sich selbst und gegenseitig geholfen. Es gab einen großen Zusammenhalt.
Deshalb bin ich sehr froh darum, dass wir heute dieses wichtige gemeinsame Zeichen setzen und die Geschichte und Leistung der Aussiedler, der Deutschen aus Russland, ausdrücklich würdigen. Vielen Dank für diese klare Stellungnahme. Wir machen damit einen wichtigen Schritt.
Das ist aber nicht üblich. Das sieht die Geschäftsordnung nicht vor. Ein Alternativantrag ist eine ganz normale Sache und verändert nicht die Reihenfolge. Sie sind jetzt zwei Jahre hier dabei.
Nein, das sieht die Geschäftsordnung nicht vor. Ich denke, wir bleiben im üblichen Verfahren, sonst kommen wir in ein Kuddelmuddel.
(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Okay! – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Genau, wir sind gegen Kuddelmuddel! – Heiterkeit der Abg. Astrid Schmitt, SPD)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! „Leistung und Geschichte von Aussiedlern wertschätzen“ steht über dem Antrag, und es ist in der Tat so, dass wir die Leistung der Menschen, die zu uns gekommen sind, wertschätzen.
Ich werde nicht im Einzelnen darlegen, was bislang alles schon passiert ist und wie das geschieht. Ich hoffe ein wenig darauf, dass Frau Staatssekretärin Dr. Rohleder dazu noch ausführen wird.
Ich will mich auf die Systematik konzentrieren und Dank sagen all denjenigen, die daran mitgewirkt haben, dass die Parteien CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gemeinsam diesen Antrag tragen – natürlich mit unter
schiedlichen Gewichtungen, wie das bei unterschiedlichen Parteien immer der Fall ist, aber mit dem Impetus, ja, wir wollen diese Menschen wertschätzen, die unter uns sind.
Wie schätzt man Menschen eigentlich wert? Indem man sie als Menschen würdigt, sie als Nachbarn anerkennt, um die Schwierigkeiten weiß, die sie vielleicht hatten, hierherzukommen, um ihre Geschichte weiß. Sie wurden damals gerufen, teilweise von Katharina der Großen, um ein Land zu besiedeln, und wurden von den Nachfolgern damals dort vielleicht wertgeschätzt, dann irgendwann nicht mehr wertgeschätzt.
Sie waren Flüchtlinge von Kriegswirren, Flüchtlinge nach dem Hambacher Fest, Flüchtlinge nach der Revolution von 1848 und wanderten in den Osten, genauso wie in den Westen aus. Sie waren Auswanderer aus bitterer Not, die sich dann anderswo eine Existenz gesucht haben. Wenn dort alles gut gewesen wäre, wären sie vielleicht auch glücklich und zufrieden gewesen. Aber es hat sich nicht alles gut entwickelt in der neuen Heimat. Sie wurden im Krieg wieder woandershin vertrieben, umgesiedelt, und kamen wieder zurück. Sie hatten damit zu kämpfen, hier Fuß zu fassen.
Das gilt für Menschen wie meinen Vorgänger als Abgeordneter, Detlef Bojak, der aus Schlesien hierhergekommen ist,
und der erzählt hat, wie er betteln musste, weil die Menschen in der Pfalz, die dort ihre Bauernhöfe hatten, auch nicht alle so großzügig waren und denen alles gegeben haben und begeistert davon waren, dass die Menschen in ihre Wohnungen gesetzt wurden. Daraus kann man manches lernen und sich fragen, ob es heute anders ist.
Sie nennen in Ihrem Antrag Miro Klose. Auch Helene Fischer wäre zu nennen. Sie mussten sich durchbeißen. So einfach war es für die auf der Schule nicht, als sie hierher gekommen sind, eine Sprache erlernen zu müssen. Gerade Familie Klose kenne ich gut. Und es war auch nicht alles eitel Freude, als die Spätaussiedler kamen, als wir sie angesiedelt haben, insbesondere in Regionen wie dem Hunsrück, aber auch bei mir zu Hause, wo viele Menschen aufeinander saßen, wo viele Russisch gesprochen haben. Bei uns waren sie „die Russen“, und in Russland waren sie „die Deutschen“, nämlich jeweils die Anderen.
So geht es vielen Menschen, die in andere Länder kommen, nach wie vor. Das gilt auch für die, die jetzt aus anderen Gründen zu uns kommen. Daraus kann man natürlich lernen. Zu denken ist auch an die Probleme, die wir beispielsweise mit Jugendlichen hatten, die gar nicht hierherkommen wollten, die die Sprache gar nicht lernen wollten, weil sie entwurzelt waren und von heute auf morgen alle Freunde verloren hatten. Die Familie hatte entschieden, wir wandern wieder zurück und suchen uns eine neue Stadt. Sie taten sich schwer, und natürlich gab es Probleme in den Gefängnissen. Aber wir haben sie miteinander bewältigt.
Das Erste ist, dass man Menschen menschlich begegnet. Das Zweite ist, wenn Massen kommen, reagiert der Staat offensichtlich immer damit, dass er die Gesetze ein wenig mehr zuschraubt. Das war bei den Aussiedlern auch so.
Als die Spätaussiedler gekommen sind, kamen Wohnsitzauflagen, es kam die Forderung nach Deutschkenntnissen usw. Vergleichen Sie das einmal mit der Verschärfung der Asylgesetzgebung in den letzten Jahren. Das sind Massenphänome. Daraus können Sie lernen.
Sie können natürlich auch daraus lernen, wie Menschen ihre Kultur bewahren wollen. Sie haben davon gesprochen. Es geht manchmal über Hunderte von Jahren. Die deutschen Aussiedler in Südamerika und woanders
bewahren ihre Kultur. Wir sollten wissen, wenn wir mit mit Menschen anderer Kulturen umgehen, dass Menschen, wenn sie in der Fremde sind, gerne auch ihre Kultur bewahren, weil sie dort beheimatet sind.
Es gehört zum menschlichen Umgang, dass man das weiß. Deshalb können wir von den Aussiedlern lernen.