Protocol of the Session on November 23, 2017

Das Wort hat der Abgeordnete Köbler.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Schöne am Begriff Heimat ist, dass es ein zutiefst emotionaler Begriff ist, der für jeden individuell definiert ist und zur Selbst- und Identitätsfindung beiträgt. Der Heimatsbegriff ist ein Begriff, den sich die Menschen nicht politisch aufoktroyieren oder vorgeben lassen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Zu Ihrem Antrag: Nun versuche wenigstens ich, zu Ihrem Antrag zu reden; das war beim Vorredner nur teilweise

der Fall. Sie beziehen sich in Ihrem Antrag auf die IQBBildungsstudie. Auch wenn Sie es nicht vorgetragen haben, will ich das doch sagen. Bei dieser ist herausgekommen – darüber haben wir diskutiert –, dass wir in den Schlüsselkompetenzen, insbesondere im Fach Deutsch, nicht die Ergebnisse erzielt haben, die wir uns gewünscht haben.

Wir haben schon im Plenum und im Ausschuss darüber gesprochen, dass wir darüber reden müssen, wie wir insbesondere bei der Kompetenzzuschreibung für Zuhören in Zukunft in den Grundschulen die Rahmenbedingungen schaffen, dass dies wieder besser wird. Deswegen werden wir demnächst im Ausschuss eine der Autorinnen der Studie zu Gast haben, um darüber zu sprechen, wie wir in Rheinland-Pfalz nach vorne kommen können.

Wie man darauf kommt, Schlüsselkompetenzen im Fach Deutsch in der Grundschule zu stärken, und dann vorschlägt, Heimatkundeunterricht einzuführen, war eine sehr ambitionierte logische Denkübung. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Auch bei mehrfacher Lektüre des Antrags der AfD-Fraktion habe ich die Synapsenschaltung nicht hinbekommen, wie das funktionieren soll.

Wir haben geschaut, wer noch solch mehr oder weniger abstruse Schlussfolgerungen fordert. Das gibt es tatsächlich, und zwar hat eine ähnliche Forderung aus dem IQBBildungstrend die Bayernpartei abgeleitet und auch für Bayern gefordert, Heimatkunde wieder einzuführen. In Ordnung, aber die Bayernpartei fordert auch einen Volksentscheid über den Austritt des Freistaats Bayern aus der Bundesrepublik Deutschland.

(Heiterkeit bei der Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD)

Auf ungefähr diesem politisch-intellektuellen Niveau bewegen wir uns.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Die Ministerin hat völlig zu Recht gesagt, beim Thema der Stärkung der Schlüsselkompetenzen im Fach Deutsch an unseren Grundschulen darf es keine Denkverbote geben. Sie hat aber nicht verboten zu denken, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD-Fraktion.

(Heiterkeit und Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP – Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Ob das geschehen ist, bevor Sie den Antrag aufgesetzt haben, wage ich stark zu bezweifeln.

Der Heimatkundeunterricht wurde ab Ende der 60er-Jahre in Rheinland-Pfalz durch den Sachkundeunterricht ersetzt, insbesondere deswegen, weil der Heimatkundeunterricht bis dahin eine sehr eingeschränkte Sichtweise ausschließlich auf geografische Zusammenhänge vermittelt hat.

Im Sachkundeunterricht werden bedeutende und vielfältige Themen für die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler angesprochen und abgedeckt. Es geht um Handlungskompetenzen, die im schulischen und auch im außerschulischen Bereich erworben werden sollen. Es geht darum,

personale, soziale, methodische und fachliche Kompetenzen zu entfalten.

(Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund übernimmt den Vorsitz)

Es geht heute im Sachunterricht um eine ganzheitliche Perspektive auf komplexe Zusammenhänge. Dass man also einen Gegenstand aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten kann, sollen unsere Kinder an verschiedenen Beispielen schon früh lernen.

Dass es vonnöten ist, eine ganzheitliche Perspektive auf ein und denselben Sachverhalt zu entwickeln, und man dies durchaus noch ausbauen kann, wird bei manchem Debattenbeitrag in diesem Hause deutlich.

Es ist nicht so, dass wir keine Heimatkunde an unseren Grundschulen haben, ganz im Gegenteil. Heimatkundliche Elemente werden nach wie vor im Sachunterricht an unseren Grundschulen behandelt. Es geht um die Veränderung menschlicher Lebensbedingungen, diese zu erkennen, zu vergleichen und für unterschiedliche soziale und wirtschaftliche Gegebenheiten sensibilisiert zu werden. Es geht auch darum – man höre und staune –, das eigene Kulturgut kennenzulernen und im Vergleich mit dem Kulturgut anderer Kinder beispielsweise mit Migrationshintergrund die Unterschiede zu erkennen und zu vergleichen.

Meine Damen und Herren, es klappert die Mühle am rauschenden Bach. Es ist gut, wenn unsere Kinder lernen, dass diese Mühle an der Kyll steht. Es ist auch gut zu lernen, dass die Kyll in der Eifel liegt,

(Glocke der Präsidentin)

und die Eifel aus den Erhebungen der Plattentektonik entstanden ist. Es ist aber auch sehr gut zu lernen, dass die Mühle einer der ältesten erneuerbaren Energieträger ist, die die Menschheit erfunden hat, und die Tatsache, dass die Kyll heute häufiger über ihre Ufer tritt als früher, etwas mit dem Klimawandel zu tun hat.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Schmidt das Wort.

Herr Köbler, es tut mir leid, wenn meine Ausführungen zu ambitioniert waren, dass Sie nicht folgen konnten.

(Beifall der AfD)

Vielleicht liegt das auch nur daran, dass wir alle einen anstrengenden Plenartag hinter uns haben. Ich habe in meiner Rede auch die Zusammenhänge zwischen der Forderung nach der Wiedereinführung eines Faches Heimatkunde und den Lehren aus der IQB-Studie deutlich

gemacht, weil wir als AfD – das sollten auch andere so sehen – durch die Ergebnisse der IQB-Studie die Notwendigkeit stärker sehen müssen, dass man das Grund- und Orientierungswissen an Grundschulen wieder stärkt.

Ich habe gesagt, dass aus unserer Sicht gutes Lesen, fehlerfreies Schreiben, richtiges Rechnen und nähere Kenntnisse der eigenen Umgebung, der Heimat, dazugehören. Hier besteht ein klarer Zusammenhang. Das ist in unserem schriftlichen Antrag sehr eingehend ausgeführt. Die Forderung nach der Wiedereinführung des Faches Heimatkunde kam übrigens nicht nur von der Bayernpartei, sondern sie kam in diesem Haus im Jahr 2010 von der FDP-Fraktion mit sehr viel Empathie. Sie wurde vom heutigen Justizminister Mertin inhaltlich sehr überzeugend vorgetragen. So weit der Hinweis.

(Beifall der AfD)

Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Schneid.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Konsequenzen aus dem IQB-Bildungstrend 2016: Sachunterricht durch Heimatkunde ersetzen“ ist eine ziemlich gewagte Herleitung. Uns geht es ähnlich. Das steht nämlich in keinem Zusammenhang. Sie schreiben in Ihrem Antrag im ersten Absatz auf der Seite 2 zu Recht, dass der Sachkundeunterricht bei dieser Studie keiner Prüfung unterzogen wurde. Es ist eine sehr unseriöse Ableitung, jetzt die schlechten Ergebnisse in Deutsch und Mathematik heranzuziehen, damit man Sachkunde ersetzt, sorry.

(Beifall bei der CDU)

Ja, in der IQB-Bildungsstudie zeigen sich nicht zufriedenstellende Ergebnisse in Deutsch und Mathematik. An denen muss dringend gearbeitet werden. Wir haben das im letzten Plenum schon deutlich festgestellt. Das muss genau analysiert werden. Es geht dabei um Rahmenbedingungen, Lehrer und Ressourcen. Das muss in Angriff genommen werden.

Ja, das Erlernen und Beherrschen der Kulturtechniken ist die oberste Aufgabe und Grundlage der Grundschulen. Unsere Kinder müssen natürlich in der Grundschule Lesen, Rechnen und Schreiben lernen. Das ist ganz klar.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Sie müssen das so gut erlernen, dass sie hervorragende Grundlagen für die weiterführende Schule haben. Das ist schließlich für einen gelingenden Lebensweg wichtig.

Sie ziehen diese Punkte und Begründungen jetzt heran. Diese sind letztes Mal im Plenum von unserer Kollegin Anke Beilstein explizit dargestellt worden. Aus diesen Punkten abzuleiten, dass Sachkunde gegen Heimatkunde ersetzt werden soll, erschließt sich uns überhaupt nicht. Daher können wir auch nicht mitgehen.

Wenn ich schon einen solchen Ansatz wähle, muss ich

auch kurz auf die Inhalte eingehen. Ich gehe einmal vom Begriff Heimat aus. Das ist ein sehr wichtiger Begriff, der bei vielen Menschen viele unterschiedliche Facetten beinhaltet, und über den sehr wissenschaftlich, philosophisch, aber auch leidenschaftlich diskutiert werden kann.

Wenn ich das auf die Grundschule herunterbreche, dann ist der Begriff Heimat wahrscheinlich verbindlich mit den Worten zu Hause, daheim sein, aber auch mit der Beobachtung und Auseinandersetzung der Umgebung, der Natur, der Familie, Freunden, der Stadt, dem Land und dem Umfeld in Einklang zu bringen. Da ist auch die Kirche vor Ort und vielleicht auch der Weinbau mit eingegliedert, der direkt vor meinen Füßen liegt.

Wenn ich in den heutigen Sachkundeunterricht gehe, dann haben wir fünf Schwerpunkte, nämlich Natur, Gesellschaft, Technik, Raum und Zeit. Genau diese fünf Schwerpunkte heruntergebrochen auf Sechs- bis Zehnjährige beinhalten alles, was sich auch in dem Heimatbegriff wiederfindet. Insofern sehen wir alles abgedeckt und keine Notwendigkeit, irgendetwas anzupassen.

Ich glaube, der Sachkundeunterricht muss Grundlagen schaffen. Man muss den Kindern eröffnen, möglichst viele Felder und Themenbereiche kennenzulernen und zu sehen, wo sind meine Stärken, was interessiert mich, und was ist wichtig für mich, damit ich mich entwickeln kann.

Ich möchte einem Punkt in dem Antrag deutlich widersprechen. Ich zitiere mit Erlaubnis: „Man fragt sich, ob es angemessen ist, wenn Schüler biologische, chemische und physikalische Zusammenhänge erschließen sollen, obwohl sie in der Grundschule weder Biologie, noch Chemie oder Physik haben.“

Ja, ich möchte vehement widersprechen. Ansätze in Biologie, Chemie und Physik machen auch in der Grundschule absolut Sinn. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Sogar Projekte in Kindertagesstätten, wie zum Beispiel „Vom Kleinsein zum Einstein“ und die offensive Bildung zeigen ganz deutlich, wie spielend Kinder physikalische Vorgänge spielend erlernen und wunderbar in das Thema hineinwachsen.

(Beifall der CDU und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zusammenfassend ist festzustellen: Es gibt sicherlich immer einmal wieder Anpassungen in den Lerninhalten, die man gemeinsam voranbringen und bei denen man etwas tun muss. In dem Bereich Sachkunde halten wir es momentan nicht für notwendig.

Danke schön.