Protocol of the Session on November 22, 2017

Zweitens. Wir stellen gleichzeitig fest, dass schon heute die Anforderungen an die Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Betrieben, aber auch die Anforderungen an Selbstständige stark ansteigen.

Drittens. Die Digitalisierung kann umso einfacher als Chance genutzt werden, je besser die Menschen aus- und weitergebildet sind und je größer die Neugier auf technologische Entwicklungen im eigenen Umfeld ausgeprägt ist.

Viertens. Auch der mit 34,3 % besonders hohe Anteil des produzierenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung in unserem Bundesland spricht dafür, sich mit dem Fachkräftethema näher auseinanderzusetzen. Auch viele Dienstleistungen, nicht nur im Bereich der industrienahen Dienstleistungen, verlangen heute nach einer hohen Qualifikation der Fachkräfte.

Fünftens. Um diese Fachkräfte wird es künftig einen sich verschärfenden Wettbewerb zwischen Branchen, Unternehmen und Regionen geben.

Meine Damen und Herren, dies sind einige Gründe dafür, dass das Thema in Rheinland-Pfalz kontinuierlich und konsequent angegangen wird. Genau das geschieht nämlich mit der Fachkräftestrategie für Rheinland-Pfalz.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, dabei gibt es nicht nur eine unternehmensbezogene Sichtweise. Fachkräfte werden in der Regel besser bezahlt als nicht ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zudem stellt eine entsprechende Qualifikation auch den besten Schutz gegen Arbeitslosigkeit dar.

Meine Damen und Herren, auch die neu fortgeschriebene Fachkräftestrategie ist sehr breit angelegt. Sie baut auf den sehr guten Erfahrungen seit dem Jahr 2014 auf und

umfasst für die neue Laufzeit von 2018 bis 2021 drei Handlungsfelder mit rund 100 Einzelvorhaben.

Die Ziele umfassen unter anderem verschiedene Aspekte zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses durch Schulen, duale Ausbildungen und Hochschulen, Ansätze zur Aktivierung von Menschen, die heute noch nicht am Erwerbsleben teilnehmen oder in vermindertem Umfang am Erwerbsleben teilnehmen, und auch zur Begleitung derjenigen, die durch Weiterbildung und Nachqualifzierung gestärkt werden können.

Die Fachkräftestrategie ist dabei transparent, verbindlich und auch mutig. Die jeweiligen Ziele und konkreten Vorhaben sind mit einem Zeitplan auf der Internetseite der Staatskanzlei für jeden nachzulesen und damit auch in der zeitlichen Abfolge überprüfbar. Auch als Ökonom muss ich sagen, dass ich ein Anhänger der Fachkräftestrategie bin, weil sich Politik nicht in der Kommentierung des üblichen Auf und Ab unserer Volkswirtschaft erschöpft, sondern die langfristigen Wachstumspotenziale unserer Wirtschaft bestmöglich gesichert werden.

Neben der weiteren Attraktivierung der Infrastruktur des Landes stellt die Fachkräftestrategie damit den wohl bedeutsamsten Beitrag dar, um den wirtschaftlichen Aufholprozess, den unser Land in den vergangenen zwanzig Jahren hingelegt hat, weiter zu verstetigen. Ich denke, deswegen werden wir uns auch noch in anderen Gremien an anderen Orten intensiv mit der Fachkräftestrategie auseinandersetzen.

Ich möchte abschließend allen danken, die am ovalen Tisch der Ministerpräsidentin Platz nehmen, aber nicht nur Platz nehmen, sondern sich auch aktiv einbringen, wie die Wirtschaft, die Gewerkschaften, die Kammern, die Bundesagentur für Arbeit und die Ressorts der Landesregierung. Sie alle sind Expertinnen und Experten für eine erfolgreiche Strategie zugunsten des Standorts RheinlandPfalz. Mit diesen Akteuren gemeinsam eine Strategie zu erarbeiten, ist Politik auf Augenhöhe. Das ist Politik in Rheinland-Pfalz.

Danke schön.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Martin Haller, SPD: Sehr schön!)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Wieland das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Fehlende Fachkräfte sind mittlerweile der zentrale Risikofaktor für die weitere Entwicklung der regionalen Wirtschaft.

(Beifall der CDU)

So formuliert es Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der IHK Koblenz im IHK-Konjunkturbericht und ähnlich auch

in der Pressemitteilung zur Fachkräftestrategie. Der Handlungsbedarf steht fest. 120.000 Fachkräfte sollen nach Berechnungen der IHK 2030 fehlen.

Viele Beteiligte haben die Dringlichkeit erkannt und sind aktiv geworden. Ich nenne nur Schulen, Betriebe Kammern, Verbände. Nur zwei Beispiele dazu: In den vergangenen Wochen haben in sehr vielen Schulen und Gemeinden Berufsinformationsbörsen stattgefunden. Ich war auf einer, auf der eine Schule eine Berufsinformationsbörse mit über 80 Arbeitgebern organisiert hat. Es ist wirklich eine Freude zu sehen, wie viele Schüler dort von Auszubildenden für ihren Beruf begeistert werden. –

(Beifall bei der CDU und der Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ähnliche Beispiele gibt es aus der Praxis. Wir alle kennen es, wenn Handwerker und Unternehmer sich darum kümmern, dass Flüchtlinge als Arbeitskräfte fit gemacht werden, dass sie neben den Maßnahmen der Arbeitsagentur selbst aktiv werden.

Natürlich ist auch die Politik bei einem so brennenden Thema gefragt. 2014 wurde die erste Fachkräftestrategie in Rheinland-Pfalz verabschiedet. Es ging vor allem darum, die Aktivitäten der Beteiligten, der Verbände, der Schulen, die ich schon genannt habe, zu sammeln und abzustimmen. Das ist gut so. Aber reicht das? Angesichts der Bedeutung des Themas für die wirtschaftliche Entwicklung hätten wir uns ein umfassenderes Konzept und mehr Impulse von der Landesregierung gewünscht.

(Beifall bei der CDU)

Ein so bedeutsames Thema bedarf der Steuerung des Wirtschaftsministeriums.

(Vizepräsident Hans-Josef Bracht übernimmt den Vorsitz)

Da müssen auch eigene Impulse einwirken.

Es wird immer betont, es handelt sich um einen ovalen Tisch. Es gilt der Spruch, vom ovalen Tisch ist es nicht weit zur langen Bank.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU)

Um das zu verhindern, wurden regelmäßige Fortschrittsüberprüfungen angekündigt. Regelmäßig? Es gab 2015 einen Zwischenstand. In diesem Zwischenstand wurden vor allem Maßnahmen rund um das Thema Integration von Flüchtlingen kommentiert und bewertet. Mehr ist zumindest nach unserem Wissen nicht nach außen gedrungen. Auch auf den entsprechenden Internetseiten ist nichts zu sehen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Nun schreibt Frau Dreyer im Vorwort zur Fortschreibung vom großen Erfolg der Fachkräftestrategie. Ich bin gespannt, ob wir heute oder bei anderer Gelegenheit noch hören, wie denn dieser große Erfolg begründet und messbar geworden ist; denn der Trend zur Akademisierung ist

ungebrochen. Der Mangel an Pflegekräften nimmt genauso zu wie die Zahl der Pendler, die von Rheinland-Pfalz aus nach Hessen, Baden-Württemberg und NordrheinWestfalen zur Arbeit fahren.

(Beifall bei der CDU)

Aber nun haben wir die Fachkräftestrategie 2018 bis 2021. Das heißt: Haben wir sie? – Wir kennen sie bisher nur als Pressemitteilung. Was macht man dann? Man geht ins Internet und schaut nach. Auf der entsprechenden Seite – www.fachkräftestrategie.rlp.de –, die extra eingerichtet wurde, ist die letzte Nachricht aus 2015.

(Abg. Hedi Thelen, CDU: Bravo!)

Unter der Pressemeldung gibt es einen Link. Der Link führt dann unter anderem auf eine Onlinehochglanzbroschüre. Dort ist wieder optisch sehr ansprechend dargestellt, wie aktiv die einzelnen Beteiligten waren, dass die Kammern sehr aktiv sind, die Verbände sehr aktiv sind und auch die Ministerien. Insbesondere Vorhaben des Sozialministeriums werden dort aufgelistet.

Interessant ist, was eigentlich zu einer umfassenden Strategie – das ist der Begriff – fehlt. Wo ist das umfassende Konzept zur Stärkung der Berufsschulen? Wo ist das Konzept im Zusammenhang mit dem Megathema Digitalisierung? Es geht eben nicht nur um einen pressewirksamen ovalen Tisch. Wir alle werden angesprochen, wie groß der Bedarf an Arbeitskräften inzwischen ist. Die Landesregierung hat sich schon 2014 viel zu spät des Themas angenommen.

(Beifall der CDU)

Nun stellen wir wieder fest, dass viel zu spät oder nicht richtig erkannt wird, welchen Umfang das Thema angenommen hat, welche Bereiche einzubeziehen sind.

(Glocke des Präsidenten)

Mehr in der zweiten Runde.

(Beifall der CDU)

Nächster Redner ist Herr Dr. Bollinger.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, es gibt einen Fachkräftemangel in Deutschland und in Rheinland-Pfalz, und ja, es ist ein Problem. Dabei lohnt sich ein differenzierter Blick darauf, für welche Branchen und Qualifikationsprofile ein Fachkräftemangel besteht.

Für den Bereich der akademischen Qualifikationen würden wir die Art und Weise hinterfragen, wie das Problem des Fachkräftemangels aus den vorliegenden Daten abgeleitet wird.

Wenn eine ARD-Dokumentation berichtet, dass das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln die Nachfrage nach

Ingenieuren dadurch berechnet, dass die Zahl der bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten offenen Stellen einfach mit dem Faktor 5 oder wahlweise auch 7 multipliziert wird, ohne dass es dafür eine konkrete Grundlage gäbe, dann kommt man schon ins Grübeln, liebe Kollegen.

In Richtung der Arbeitgeber möchte ich feststellen, wenn sich auf zwei ausgeschriebene offene Stellen zwei geeignete, gut qualifizierte Bewerber melden, dann ist das kein Fachkräftemangel. Dann haben sich das Verhältnis von Nachfrage und Angebot und damit die Marktmacht von der Arbeitgeberseite zur Arbeitnehmerseite verschoben. Wo tatsächlich ein Fachkräftemangel herrscht, sind die Gründe oft hausgemacht.

Wir haben zum Beispiel einen Ärztemangel und gleichzeitig willige junge Leute, die durch einen rigiden Numerus clausus am Medizinstudium gehindert werden. Vor allem aber haben wir einen Mangel bei den Qualifikationen, die im dualen System oder an Fachschulen erworben werden.