(Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, gießt sich ein Glas Wasser ein – Zuruf aus dem Hause – Abg. Christine Schneider, CDU: Herr Präsident, dem schreiben wir einmal eine Getränkerechnung! – Heiterkeit im Hause)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der IQB-Bildungstrend ist nicht irgendeine Bildungsstudie, sondern die bundesweite Überprüfung der von der Kultusministerkonferenz aufgestellten Bildungsstandards, die das Erreichen der Standards in der vierten Klasse über alle Bundesländer in den Fächern Mathematik und Deutsch überprüfen soll, um der KMK und den Bildungsministerien der Länder Hinweise zu geben, was man in Sachen Bildungs- und Qualitätsentwicklung tun kann, um diese Standards zu erreichen bzw. die Qualität besser nach vorne zu bringen.
Von daher glaube ich, das eine ist, dass es gut und wichtig ist, dass wir uns diese Studie zu Herzen nehmen, sie anschauen und dies vor allem mit der gebotenen Differenzierung. Zum anderen ist es so, dass die Ergebnisse uns als Bildungspolitiker nicht zufriedenstellen können. Dies gilt nicht nur in Rheinland-Pfalz, sondern insgesamt in Deutschland. Kein Bereich, der überprüft worden ist, ist bundesweit gegenüber dem Vergleichszeitraum seit 2011 besser geworden.
Ich will aber auch darauf hinweisen, dass es insbesondere die Kompetenzbereiche Lesen und Zuhören sind, die bundesweit gesehen signifikant schlechter geworden sind. Es gilt also nicht für alle Kompetenzfelder gleichermaßen die Unzufriedenheit oder der Grad der Erfüllung der Bildungsstandards, die die KMK vorgegeben hat.
Genauso wenig gilt es gleichermaßen für die Ergebnisse, die wir in Rheinland-Pfalz sehen können. Wir haben in Rheinland-Pfalz im Prinzip in allen über die Zeit vergleichbaren Kompetenzfeldern das Niveau gehalten, außer im Kompetenzbereich Zuhören. Wie ich eben ausgeführt habe, ist das kein rheinland-pfälzisches Spezifikum. Im Kompetenzbereich Zuhören haben wir signifikante Verschlechterungen bei den Viertklässlerinnen und Viertklässlern in ganz Deutschland.
Weil das Thema Orthografie und Rechtschreibung so hochgehalten worden ist, würde ich sagen, auch dort sind die Ergebnisse nicht zufriedenstellend. Dort liegt aber erstens kein Zeitvergleich vor.
Zweitens ist der Titel der Aktuellen Debatte durchaus irreführend, wenn wir feststellen, dass in Rheinland-Pfalz 23 %, bundesweit aber im Durchschnitt 22 % den Mindeststandard in Orthografie nicht erreicht haben. Es ist ein bundesweites Phänomen, dass die Viertklässlerinnen und Viertklässler zu knapp einem Viertel die Bildungsstandards der KMK nicht erfüllen. Wo hier eine rheinland-pfälzische Ausnahmesituation besteht, wie sie dargestellt wird, erschließt sich mir keineswegs. Das ist statistisch nicht nachzuweisen.
Eines ist klar. Die Studie zeigt, dass die Bildungsqualität immer weiterentwickelt werden muss. Man kann nicht sagen, es war einmal so, und jetzt darf sich nichts mehr ändern. Jetzt machen wir die Tür zu und lassen die einmal machen. Da sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und die Voraussetzungen immer wieder ändern, muss es immer unser Anspruch sein, an der Bildungsqualität
Jetzt haben wir einen großen Aufschrei gehört, aber relativ dünne Antworten erhalten. Ich möchte den amerikanischen Publizisten Mencken zitieren, der richtigerweise einmal formuliert hat: „For every complex problem there is an answer that is clear, simple, and wrong.“
Sehen Sie einmal das Beispiel Zuhörkompetenz, bei der wir die größte Herausforderung haben. Da geht es um die Verknüpfung von Informationen, die die Kinder zusammenbringen müssen. Es ist nicht gerade so, dass über das Auswendiglernen vom Wortschatz und noch mehr Diktaten die verknüpfte Analyse von Informationen gestärkt wird. Ganz im Gegenteil ist die Methodik eine ganz andere.
Ich möchte einen Aspekt der Kollegin Lerch aufgreifen. Ich würde gefühlt aus der Alltagserwartung sagen: Wir sollten nicht das Bildungssystem für alle Ergebnisse verantwortlich machen, die wir sehen. Wenn zu jeder Mahlzeit in der Familie der Fernseher mit Privatfernsehen läuft, ist das vielleicht auch eine Situation, auf die man genauer schauen muss, ob diese etwas mit der abnehmenden Zuhörkompetenz unserer Viertklässlerinnen und Viertklässler zu tun hat.
Dieses Problem können eine Grundschule und die Bildungspolitik in einem Land nicht allein lösen. Deswegen sollten wir sie auch nicht allein dafür verantwortlich machen.
Ich glaube, es ist ein guter Weg, den wir im Bildungsausschuss verabredet haben, nämlich die Autoren der Studie einzuladen, differenziert zu diskutieren und für die komplexe Herausforderung differenzierte Antworten zu finden, um in den kommenden Jahren wieder besser abzuschneiden.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Opposition kritisiert das schlechte Abschneiden der Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz bei Platzierungen, die sich im Vergleich weitgehend im Durchschnitt aller deutschen Länder bewegen. Ich bin dankbar, dass von einigen dieses Ergebnis auch so eingeordnet worden ist, wie es einzuordnen ist.
Es ist richtig. Das Ergebnis ist nicht so ausgefallen, wie wir und übrigens bestimmt auch nicht die Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer in diesem Lande es sich gewünscht haben. Wir haben es auch nicht angestrebt.
Man muss aber auch sagen, dass diese Ergebnisse nicht dramatisch sind. Frau Professor Stanat, die Urheberin der Studie, hat für Rheinland-Pfalz die Aussage getroffen, dass wir uns stabil im mittleren Bereich befinden.
Ich habe gestern einiges im Bildungsausschuss gesagt. Ich bin froh, dass sich der Bildungsausschuss entschlossen hat, Frau Professor Stanat einzuladen; denn ich denke, das ist eine gute Chance, Sachlichkeit in die Diskussion zu bringen; denn ich habe schon den Eindruck, dass es leider auch darum geht, bestimmte Punkte zu skandalisieren oder einfach nur schlechtzumachen. Und das wird unseren Schülerinnen und Schülern in Rheinland-Pfalz nicht gerecht.
Das wird vor allen Dingen auch nicht unseren engagierten Lehrkräften gerecht. In der Frage, wie wir die Ergebnisse verbessern können, hilft es uns auch nicht weiter.
Noch einmal ganz kurz. In der aktuellen Studie hat Rheinland-Pfalz entsprechend dem Bundestrend in Teilbereichen weniger Punkte als in der Erhebung 2011 erzielt. Aber nur im Bereich Zuhören haben sich die rheinlandpfälzischen Grundschülerinnen und Grundschüler statistisch signifikant verschlechtert. Viele andere Länder haben sich in vielen verschiedenen Disziplinen verschlechtert. Wir bewegen uns mit allen Ergebnissen im Hauptfeld und nicht in der Spitzengruppe mit hervorragenden Leistungen. Darin liegen wir nicht, auch wenn es erstrebenswert ist, aber auch nicht am Ende der unteren Skala, wie hier der Eindruck erweckt wird.
Ich möchte einen Punkt, der heute erwartungsgemäß wieder angesprochen worden ist, herausgreifen. Das ist die Frage der Rechtschreibung und die Frage „Schreiben nach Gehör“, die Reichen-Methode. Wir haben fast 1.000 Grundschulen im Land, von denen – das sind die aktuellen Zahlen – gerade einmal 14 Schulen von 961 lautorientiertes Schreiben am Anfang in den Vordergrund stellen. Selbst bei diesen 14 Grundschulen heißt es selbstverständlich, dass das Ziel des richtigen Schreibens über die gesamte Lernzeit in der Grundschule verfolgt wird.
Alle anderen knapp 950 Schulen setzen Fibel-Lehrgänge oder eine Mischform ein. Ich habe mich erst kürzlich anlässlich der Schulleiterdienstbesprechung davon überzeugen können, dass aus Sicht der Experten, nämlich der Schulleiterinnen und Schulleiter in den Grundschulen, Verbote hier nicht gerade weiterhelfen.
Nun haben wir diese Studie, in der Rheinland-Pfalz – das sollten wir auch noch einmal deutlich sagen – bei der Orthografie genau auf Platz 8 liegt, und zwar genau im Durchschnitt. Daran sehen Sie, dass es bei der ganzen Diskussion um das lautorientierte Schreiben nur darum geht zu suggerieren, dass die Kinder in der Schule machen können, was sie wollen, und nichts lernen. Damit will man am Ende Angst schüren und unterstellen, dass man nicht besorgt ist.
Wenn Sie sich die IQB-Studie, die wir auch schon im Landtag diskutiert haben, zur Sekundarstufe I angeschaut haben, dann haben Sie möglicherweise auch gesehen, dass die Orthografie der Schülerinnen und Schüler in der Sek I gut im Durchschnitt liegt und mitnichten verheerend ist.
(Abg. Martin Brandl, CDU: Durchschnitt ist nicht gut! Durchschnitt ist doch kein Anspruch! – Abg. Julia Klöckner, CDU: Ist das der Anspruch?)
Nein, das habe ich doch nicht gesagt. Sie müssen mir schon zuhören. Natürlich sage ich, dass wir besser werden wollen. Aber das Bild, das Sie entstehen lassen, ist eines, dass es aussieht, als könnten die Kinder in RheinlandPfalz nicht lesen und schreiben und als würden sie das auch nicht in der Schule lernen. Das ist nicht zutreffend. Das wird den Lehrern nicht gerecht. Das wird auch den Schülerinnen und Schülern nicht gerecht.
(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Martin Brandl, CDU: Das kann doch kein Anspruch sein!)
Ich lobe diese Ergebnisse der Studie nicht, und ich sage, wir müssen besser werden, und wir wollen besser werden. Es ist nicht so, dass das Ergebnis verheerend ist, wie Sie es darstellen.
Ich rede diese Ergebnisse auch nicht schön. Ich stelle sie objektiv dar und sage auch, wie die Ergebnisse sind. Sie können die Ergebnisse auch nicht schlechtreden. Sie sind nicht schlechter als sie sind, sie sind auch nicht schöner als sie sind. Sie sind so, wie sie sind.
Wir haben in der Vergangenheit einiges dafür getan, damit die Rahmenbedingungen und auch die Maßnahmen zur Verbesserung der Unterrichtsqualität und insbesondere auch zur Verbesserung der Kompetenzen in Deutsch und Mathematik ergriffen werden. Wir haben – das wurde schon gesagt – die kleinsten Klassen. Wir haben die Klassenmesszahl abgesenkt. Dafür haben wir damals extra 1.000 Stellen zur Verfügung gestellt. Wir haben mittlerweile in Rheinland-Pfalz die kleinsten Klassen. Wir haben anders als sehr viele Bundesländer in diesem Jahr alle freien Planstellen an Grundschulen mit grundständig ausgebildeten Lehrkräften besetzen können.
Wir haben die Lehrkräfteausbildung verändert, verlängert und professionalisiert. Wir haben ein eigenes System von Fachberaterinnen und Fachberatern für die Grundschulen eingeführt, und wir haben eine Reihe von Initiativen – ich habe gestern auch im Bildungsausschuss darüber gesprochen –, wie „Bildung in Sprache und Schrift“ bis „Lesen macht stark“, ergriffen, die mitnichten Schnellschüsse sind, sondern seit einigen Jahren erprobt werden. „Lesen macht stark“ haben wir jetzt erprobt. Diese Initiativen brauchen aber auch eine gewisse Zeit, bis sie wirken. Die Schulen nehmen diese Projekte an und finden sie gut. Das sind die Rückmeldungen. Dementsprechend werden wir sie auch flächendeckend weiter ausdehnen.
Meine Damen und Herren, wir werden uns die Ergebnisse der Studie im Detail ansehen. Wir werden auch die Zielgenauigkeit der bisherigen Maßnahmen natürlich neu bewerten. Wir werden dabei in alle Richtungen denken, wie wir das übrigens schon in der Vergangenheit getan haben; denn wir haben uns auch schon, bevor es die AfD in ihren Antrag geschrieben hat, Gedanken darüber gemacht, ob es Sinn macht, wie in Hamburg den Schulen einen einheitlichen Grundwortschatz zur Verfügung zu stellen. Wir sprechen über Diktate. Da bitte ich auch einmal, korrekt zu sprechen.
Es werden in der 3. und 4. Klassen verpflichtend jeweils drei Diktate geschrieben. Wir haben insgesamt zehn Leistungsnachweise. Der Teilrahmenplan Bildung ist 1 : 1 den Bildungsstandards der Grundschule nachgebildet, die die KMK fordert. Ich bitte schon, in dieser Diskussion sachlich und nicht ideologisch zu sein.
Was Französisch oder Englisch als Fremdsprache anbelangt, weise ich darauf hin, dass knapp 5 % der Grundschülerinnen und Grundschüler in Rheinland-Pfalz diese Fremdsprachen haben. Insgesamt ist das umgerechnet eine Stunde pro Woche, die insgesamt in den Unterricht durch Singen oder das Lernen von bestimmten Farben eingebaut wird. Es sind aber keine großen Unterrichtseinheiten, die in irgendeiner Form verhindern würden, dass Kinder Deutsch, Lesen, Mathematik und Rechtschreiben lernen. Das sind die Grundkompetenzen, die sie lernen sollen und brauchen.
Meine Damen und Herren, mir ist wichtig, dass wir sachlich über die Dinge diskutieren und gemeinsam überlegen, wie wir besser werden können; denn wir wollen besser werden. Ich habe deshalb für den 20. November eine Reihe von Akteurinnen und Akteuren aus dem Grundschulbereich eingeladen, Vertreterinnen und Vertreter der Lehrerverbände und der Gewerkschaften, der Elternschaft, der Schulbehörde, des Hauptpersonalrats und des Pädagogischen Landesinstituts. Wir werden gemeinsam überlegen, was zu tun ist. Wir werden die Studie analysieren und gemeinsam beraten, wie wir weiterkommen, damit die Schülerinnen und Schüler besser werden.
Wir kommen zur zweiten Runde. Aufgrund der längeren Redezeit der Landesregierung steht allen Fraktionen noch eine zusätzliche Redezeit von drei Minuten zur Verfügung. Jede Fraktion hat insgesamt noch eine Redezeit von fünf Minuten.