Protocol of the Session on September 21, 2017

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen liegen dem Präsidium nicht mehr vor. Ist Ausschussüberweisung beantragt?

(Abg. Martin Haller, SPD: Nein!)

Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir unmittelbar zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 17/4149. Wer dem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU bei Stimmenthaltung der Fraktion der AfD abgelehnt.

Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:

Rheinland-pfälzische Landesregierung soll der Erhöhung der Vergütung für Betreuer im Bundesrat zustimmen Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/3990 –

dazu: Qualität rechtlicher Betreuung zum Wohle der Betreuten sichern Antrag (Alternativantrag) der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/4201 –

Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von fünf Minuten vereinbart. Ich darf um Wortmeldungen bitten. – Herr Abgeordneter Henter von der Fraktion der CDU hat das Wort zur Begründung des Antrags.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer nehmen bei der Beratung von Menschen mit schweren Erkrankungen oder Behinderungen unverzichtbare gesellschaftliche Aufgaben wahr. Ihr Tätigkeitsbereich erstreckt sich von Fragen der Gesundheitsversorgung und der Vermögensverwaltung bis hin zur Entscheidung über eine Betreuung ihrer Klienten im Heim.

Hinzu kommt die Vertretung vor Behörden. Zur Bewältigung dieser Aufgaben benötigen Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer juristische, medizinische, pädagogische und betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Daneben ist auch ein hohes Maß an Empathie und moralischer Integrität erforderlich. Es stellt die Grundvoraussetzung dar, um ein persönliches Vertrauensverhältnis zum Klienten aufzubauen. Dabei steht die Würde des Menschen stets im Vordergrund, dem durch die umfassende Unterstützung ein möglichst selbstbestimmtes Leben ermöglicht werden soll.

Die Pauschalvergütung der Berufsbetreuer ist seit ihrer Einführung mit Inkrafttreten des Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes im Juli 2005 unverändert. Die hierin vorgesehenen Stundensätze und Stundenansätze sind

durch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf Grundlage einer Untersuchung aus dem Jahr 2003 bestimmt worden. Die Vergütungshöhe richtet sich nach pauschal gestaffelten Stundensätzen in Abhängigkeit der beruflichen und akademischen Ausbildung des Betreuers und beträgt derzeit maximal 44 Euro. Davon müssen auch die Kosten für Miete, Steuern, Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und andere notwendige Ausgaben bestritten werden.

Berufsbetreuer nehmen im öffentlichen Interesse liegende Aufgaben wahr, die mit einem erheblichen zeitlichen Einsatz verbunden sind und ein nicht unbeträchtliches Haftungsrisiko beinhalten. In den Beratungen des Deutschen Bundestages wurde ausgeführt, dass nach über elf Jahren eine Anpassung der Stundensätze notwendig ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass bei vergleichbaren Berufsgruppen ebenfalls eine Einkommenssteigerung zu verzeichnen ist.

Sicherlich muss man berücksichtigen, dass die Stundensätze auch die anfallende Umsatzsteuer abgelten. Eine Änderung der Umsatzsteuer führt daher mittelbar auch zu einer Einkommensänderung, wenn der Stundensatz nicht angeglichen wird. Die Umsatzsteuer wurde zum Januar 2007 von 16 % auf 19 % erhöht, wobei die selbstständigen Berufsbetreuer keinen Ausgleich erhalten haben.

Zum 1. Juli 2013 ist dann die Umsatzsteuer in Höhe von 19 % für die selbstständigen Berufsbetreuer und in Höhe von 7 % für die Betreuungsvereine weggefallen. Faktisch führte das zu einer Einkommenserhöhung, allerdings in einem geringeren Umfang als 19 % bzw. 7 %, da auch der steuerliche Vorteil der Vorsteuerabzugsberechtigung weggefallen ist.

Eine vergleichende Betrachtung ergibt, dass das Einkommen eines selbstständigen Berufsbetreuers von 2005 bis 2016 um ca. 14 % gestiegen ist. Tarifbeschäftigte Sozialpädagogen der Eingruppierung TVöD S 12, die als Berufsgruppe von den Anforderungen her vergleichbar sind, konnten in diesem Zeitraum einen Anstieg von 29,2 % verzeichnen. Es ist daher geboten – wie der Bundestag das auch beschlossen hat –, die Stundensätze um 15 % zu erhöhen. Bei 44 Euro würde dies eine Erhöhung auf 50,50 Euro bedeuten.

Die Erhöhung sollte auch deshalb erfolgen, da die Berufsbetreuer ansonsten gezwungen wären, die Fallzahlen an geführten Betreuungen weiter zu erhöhen. Damit wäre jedoch die Gefahr verbunden, dass Qualitätseinbußen in der Betreuung die Folge wären.

Lassen Sie mich noch zusätzlich anführen, es geht auch um die Attraktivität eines Berufsbildes. Wir stellen jetzt schon eine starke Überalterung bei den Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuern fest. Wenn wir das Berufsbild nicht attraktiv gestalten, werden wir in Zukunft Nachwuchsprobleme insbesondere im ländlichen Raum bekommen.

In den Beratungen des Bundestages wurde auch ersichtlich, dass eine Erhöhung der Vergütung für Berufsbetreuer notwendig ist, um eine Finanzierung der Betreuungsvereine sicherzustellen. Das Führen von Betreuungen durch Vereinsbetreuer ist erforderlich, damit die Vereine in die

Lage versetzt werden, ehrenamtliche Betreuer in ihre Aufgaben einzuführen und sie fortzubilden.

Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat ein Forschungsvorhaben mit dem Thema Qualität der rechtlichen Betreuung initiiert, welches bis Ende August 2017 abgeschlossen sein soll. In diesem Forschungsvorhaben soll geprüft werden, ob die gesetzlich festgelegten pauschalierten Stundensätze die Realität abbilden und die richtigen Anreize für eine Betreuung im Sinne des deutschen Betreuungsrechts und der UNBehindertenrechtskonvention bieten. Der Bundestag will dann in der kommenden Legislaturperiode prüfen, ob auf Grundlage der dann vorliegenden Forschungsergebnisse das geltende Pauschalvergütungssystem beibehalten oder durch ein alternatives System ersetzt werden soll. Die CDU-Fraktion ist aber heute dafür, dass wir beschließen, dass die Landesregierung im Bundesrat der Erhöhung von 15 % zustimmen soll.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, Sie haben einen Alternativantrag vorgelegt. Ich möchte dazu ein paar Sätze verlieren. Es sind lauter schöne Worte, aber keine Entscheidung in der Sache. Die Sachentscheidung soll in die nächste Periode des Bundestages verschoben werden. Sie helfen damit den Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuern nicht.

(Beifall der CDU und des Abg. Dr. Timo Böhme, AfD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen und der SPD,

(Abg. Pia Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 16 : 0 im Bundesrat!)

ich war erstaunt über diesen Alternativantrag. Ich habe fest damit gerechnet, dass Sie unserem Antrag zustimmen. Wenn ich Ihre Wahlprüfsteine sehe, die Sie dem Verband der Berufsbetreuer zugesandt haben, da schreiben die Grünen, die Fallpauschale für die hauptamtlichen Betreuerinnen von maximal 44 Euro pro Stunde reicht bei Weitem nicht aus, um die tatsächlichen Kosten der Vereine zu decken. Dann stimmen Sie doch bitte unserem Antrag zu. Es geht doch um Glaubwürdigkeit in der Politik. Man soll nicht anders handeln, als man redet.

Die SPD-Bundestagsfraktion schreibt, 15 % Erhöhung seien erforderlich.

(Zurufe von der SPD)

Ich zitiere: Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt den Gesetzentwurf zur Erhöhung der Betreuungsvergütung um 15 %. – Wenn Sie bei Wahlprüfsteinen gefragt werden, geben Sie die Antwort, wir machen es, um Sie zu unterstützen.

(Abg. Martin Haller, SPD: Immer dieselbe Antwort, jedes Mal!)

Wenn Sie die Gelegenheit haben abzustimmen, sprechen Sie sich für eine Vertagung aus. Wir reden immer von Glaubwürdigkeit in der Politik. Dann muss man auch so handeln, wie man spricht.

(Abg. Martin Haller, SPD: Da kommen wir jetzt gleich drauf!)

Ich fordere Sie auf, stimmen Sie dem Antrag der CDUFraktion zu.

(Beifall der CDU)

Nun erteile ich dem Abgeordneten Sippel von der Fraktion der SPD das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, Betreuerinnen und Betreuer haben eine auskömmliche Vergütung für ihre schwierige Aufgabe verdient. Da sind wir uns im Ziel völlig einig.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Betreuerinnen und Betreuer haben uns in den letzten Wochen und Monaten in vielen E-Mails und Gesprächen ihre Enttäuschung zum Ausdruck gebracht, dass das vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Erhöhung der Vergütungssätze bisher noch keine Zustimmung im Bundesrat erfahren hat. Es ist wichtig, dass wir die Gründe offen ansprechen. Wir haben dies von Anfang an auch gegenüber den Betroffenen getan, und wir tun dies auch drei Tage vor dem 24. September.

Ich möchte zunächst unterstreichen, dass die Betreuerinnen und Betreuer genauso wie die Betreuungsvereine in unserem Land eine hervorragende Arbeit in einer immer schwieriger werdenden Zeit und einem immer schwieriger werdenden Umfeld leisten. Ihre Aufgabe erfordert nicht nur ein hohes Maß an rechtlichem und medizinischem Sachverstand, organisatorischem Geschick, sondern vor allem auch Einfühlungsvermögen und Empathie für die zu betreuenden Menschen.

Bis zur Reform des Betreuungsrechts im Jahr 1992 wurden die Betroffenen noch entmündigt. Heute geht es um Unterstützung statt Bevormundung, damit ein hohes Maß an Selbstbestimmung und Würde der Menschen bleibt. Allen Betreuerinnen und Betreuern in unserem Land gilt daher Dank und Anerkennung.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich geht es auch um eine angemessene Vergütung. Es liegt auf der Hand, dass die notwendigen Stundensätze aufgrund der Kosten- und Preisentwicklung in den letzten Jahren überprüft und – davon gehe ich fest aus – angepasst werden müssen.

Warum hat der Bundesrat noch keine Entscheidung getroffen? Der Bundesrat hat das ursprüngliche Gesetz zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und Lebenspartnern im Oktober 2016 eingebracht. Es ging dabei allein um das Notvertretungsrecht im Bereich der Gesundheitssorge. Der Bundestag hat die Länderinitiative

im Mai 2017 leicht verändert verabschiedet, mit diesem Gesetz allerdings die Neuregelung der Betreuervergütung verknüpft, ohne die Länder einzubinden.

(Abg. Martin Haller, SPD: So sieht es aus!)

Der Bundesrat wiederum hat die Entscheidung über die Zustimmung in seiner Sitzung im Juli aber vor allem deshalb vertagt, weil die Länder die Ergebnisse eines umfassenden Forschungsvorhabens – das erste umfassende Forschungsvorhaben seit der Einführung des Betreuungsrechts im Jahr 1992 – abwarten wollen. Die Ergebnisse sollen in Kürze vorliegen. Wir gehen wirklich davon aus, dass die Ergebnisse noch in diesem Jahr vorliegen werden und dann auf dieser Basis eine Entscheidung getroffen werden kann.

Es war nämlich die Bundesregierung, die diese Gutachten in Auftrag gegeben hat, um eine ganzheitliche Befassung mit dem Ziel der weiteren Verbesserung von Struktur und Qualität der Betreuung insgesamt zu ermöglichen. Die Fragestellungen lauten: Welche Anforderungen an die Qualität der Betreuung sind heute zu stellen? Wie wird der Grundsatz der Erforderlichkeit erfüllt, das heißt, werden Betreuungen bedarfsgerecht – und zwar so viele wie nötig – angeordnet? Wie können die Ehrenamtsstruktur und das häusliche Umfeld mit eingebunden werden? – Und natürlich auch: Welcher Aufwand und Umfang entstehen für welche Betreuungsleistung, und wie kann dieser Aufwand adäquat abgegolten werden? Warum gibt es Unterschiede, beispielsweise bei der Stundenanrechnung bei der Betreuung vermögender oder bei der Betreuung mittelloser Betreuter?

Es geht also nicht nur um rein finanzielle Aspekte, sondern um viel mehr. Deshalb haben alle 16 Landesregierungen

(Abg. Martin Haller, SPD: Auch eure!)

unabhängig von der Farbenlehre Einigkeit darüber erzielt, die Endergebnisse der Gutachten abzuwarten und eine angemessene Vergütung nicht losgelöst von der laufenden Qualitäts- und Strukturdebatte zu führen.

(Abg. Jens Guth, SPD: Auf den Antrag der Hessen-CDU!)