Außerdem sind die Zahlen, die Sie nennen, nicht unbedingt realistisch. Ist es einer, sind es zwei, drei oder vier? Es gibt ganz viele verschiedene Zahlen. Es ist doch auch schwierig zu wissen. Das weiß doch keiner von uns. Die Visa dauern sehr lange. Es weiß keiner von uns, wo die Familie lebt, in welchem Lager sie vielleicht ist, im Libanon, in Libyen oder der Türkei, und ob sie wirklich kommen kann.
Ja, es geht um die Kernfamilie, auch wenn Sie das vielleicht nicht wahrhaben wollen. In der Familienzusammenführung geht es um den Ehepartner, die Ehepartnerin, die minderjährigen Kinder und nicht um noch weitere Familienmitglieder. Ich glaube, deswegen muss man ganz klar und eindeutig sagen, dass es bei der Familienzusammenführung, über die wir sprechen, um die Kernfamilie und nichts anderes geht.
Sie haben es gesagt, Familien stehen bei uns im Grundgesetz in Artikel 6 unter besonderem Schutz. Ich habe aber das Gefühl, bei Ihnen gelten bei Flüchtlingen andere Regeln als für deutsche Familien. Sie sagen, wir wollen, dass Familien besonders geschützt werden, aber sie müssen in ihrem Land zusammengeführt werden.
Ich war vor einem halben Jahr bei einer Familie aus Syrien zu Hause. Dort sind die Kinder und die Frau zwei Wochen vorher aus Syrien gekommen. Sagen Sie dieser Familie einmal, der Mann soll nach Syrien gehen und sich dort zusammenführen lassen, in einem Bürgerkriegsland. Wollen Sie das den Menschen wirklich zumuten
und erklären, dass die Menschen jetzt dort hingehen sollen? Welch eine makabere Situation ist das denn, wenn man sich überlegt, wie unsicher die Lage ist? Vielleicht haben Sie auch die Fernsehbilder gesehen. Ich nehme es einmal an.
sagen, diese Vorstellung ist wirklich unmenschlich, die Sie haben, die Menschen woanders zusammenzuführen.
Deswegen ist für uns klar, dort, wo es möglich ist, wollen wir den Familiennachzug nicht länger ausgesetzt sehen und sehen es so, dass dann die Integration besser gelingen kann.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Um es gleich zu Beginn deutlich zu sagen: Ein großer Teil der anerkannten Asylsuchenden in Deutschland hat das von Artikel 6 des Grundgesetzes ausgehende Recht auf Familiennachzug. Das heißt, wir haben bereits jetzt einen Familiennachzug für ausländische Schutzberechtigte.
Der Familiennachzug ist nur für eine Gruppe von Flüchtlingen ausgesetzt, nämlich für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz.
Das betrifft Menschen, die Kriegsgewalt fürchten müssen, ohne zu einer besonders verfolgten Gruppe zu gehören und ohne offiziell als Flüchtlinge anerkannt zu werden.
Insgesamt ist festzustellen, dass der Familiennachzug nach Deutschland zunimmt. Zahlen des Auswärtigen Amtes belegen, dass 2016 insgesamt 100.000 Visa für Familiennachzug erteilt wurden. Im ersten Halbjahr 2017 waren es schon 60.000.
Gleichwohl sollten wir aber darüber nachdenken, dass wir kein System dulden, das Anreize schafft, minderjährige Kinder und Jugendliche als Türöffner auf einen gefahrvollen Fluchtweg zu schicken.
Natürlich dürfen wir bei einem so hoch sensiblen Thema nicht nach der Rasenmähermethode vorgehen und Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz generell ausschließen, sondern immer im Einzelfall prüfen, ob ein besonderer Härtefall vorliegt, um dann eine der jeweiligen Situation angemessene Lösung zu finden.
Auf der anderen Seite dürfen wir aber auch nicht unsere Aufnahmegesellschaft überfordern. Ein Familiennachzug in kürzester Zeit und ohne Einschränkung, so, wie es die rheinland-pfälzische Migrationsministerin aus ideologischen Gründen fordert,
würde zu neuen Verwerfungen führen und unsere Aufnahmemöglichkeiten an ihre Grenzen bringen. Deshalb sollten wir unsere begrenzte Integrationsleistung zunächst auf diejenigen konzentrieren,
Herr Dr. Braun, die derzeit bei uns Zuflucht suchen, anstatt unsere Kommunen, die die Hauptlast der Integration tragen, noch durch weitere, zusätzliche Aufgaben zu belasten.
In diesem Sinne ist eine zeitnahe ergebnisoffene Prüfung richtig und vernünftig, die im März 2018 auslaufende Aussetzung des Familiennachzuges für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz um zwei weitere Jahre zu verlängern.
Familiennachzug muss immer auch unsere Aufnahmefähigkeit berücksichtigen. Ein genereller und ungebremster Nachzug – so schmerzlich ein Verbot für die einzelnen Familienmitglieder auch sein mag – schadet unserer Aufnahmebereitschaft mehr, als er nutzt, weil er unsere Aufnahmekapazitäten insgesamt übersteigt.
Wir wollen keine apodiktischen Vorgaben, die nur ein Dafür oder Dagegen kennen. Wir wollen flexible, an die jeweilige Situation angepasste Lösungen, um von Zeit zu Zeit ergebnisoffen und situationsbezogen zu prüfen, ob wir die mit dem Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz verbundenen zusätzlichen Anstrengungen meistern können.
Die CDU im Landtag lehnt sowohl eine dauerhafte Aussetzung des Familiennachzugs ab, wie sie die AfD fordert, als auch einen generellen ungebremsten Nachzug wie von den Grünen postuliert.
Beide Positionen sind zu dogmatisch und unflexibel. Was wir brauchen, sind Lösungen mit Realitätssinn und Augenmaß.
Grenzenlose Offenheit ist dabei genauso wie Fremdenfeindlichkeit und das Schüren von Ängsten der falsche Ratgeber.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Anfang des Jahres 2016, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, wurde der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für einen Zeitraum von zwei Jahren ausgesetzt. Es geht um subsidiär Schutzberechtigte, also Bürgerkriegsflüchtlinge, die nicht als Verfolgte nach der Genfer Flüchtlingskonvention gelten. Das ist wichtig zu erwähnen. Für anerkannte Asylberechtigte war der Familiennachzug zu keinem Zeitpunkt ausgesetzt.
Wir haben alle noch die Situation aus dem Jahr 2016 vor Augen, die überfüllten Erstaufnahmeeinrichtungen, die teilweise überforderten Behörden und die ewigen Wartezeiten bei der Antragsbearbeitung. Vor diesem Hintergrund war die Aussetzung des Familiennachzugs sicherlich keine leichte Entscheidung. Es gab sowohl Argumente dafür als auch nachvollziehbare dagegen.
Im Frühjahr nächsten Jahres, am 16. März 2018, um genau zu sein, läuft die Frist zur Aussetzung ab. Ab Januar 2018 plant das Auswärtige Amt, wieder mit der Bearbeitung von Visaanträgen zum Familiennachzug subsidiär Schutzberechtigter zu beginnen.
Machen wir uns nichts vor. Wir kennen den Ablauf von Koalitionsverhandlungen, Regierungsübernahmen und Gesetzgebungsverfahren.
Für die diese Woche gewählten Bundestagsabgeordneten gilt es dann, die aktuellen Entwicklungen gut und genau zu beobachten und im März eine wohl abgewogene Entscheidung im Bundestag zu treffen, im Bundestag wohlgemerkt, nicht im Landtag Rheinland-Pfalz.
Liebe Kollegen der AfD, das ist nun einmal – neutral für Sie dargelegt – der Sachstand zu jener Debatte. Es ist geschenkt, dass Sie in der Woche vor der Bundestagswahl Wahlkampf machen. Dabei sollten Sie aber vielleicht doch darauf achten, dass Sie mit Ihren Forderungen nicht gegen geltendes internationales Recht verstoßen. Sie bewegen sich mit Ihrer Forderung nach einer dauerhaften Aussetzung des Familiennachzugs mindestens in rechtlichen Grauzonen. Sie brechen durch die fehlende Differenzierung im Titel Ihrer Aktuellen Debatte schlicht und ergreifend geltendes Völkerrecht. Sie können hier erzählen, es wäre vielleicht anders gemeint – die Strategie kennen wir –, aber diesen Titel trägt Ihr Antrag, und an dem müssen Sie sich messen lassen.