Protocol of the Session on June 22, 2016

Unsere Aufgabe ist es, im gegenseitigen Respekt in der Sache um die bestmögliche politische Lösung zu ringen. Dies kann und soll nicht frei von Konflikten geschehen. Der politische Streit ist wichtig; denn nur durch einen streitigen Diskurs kommt man in der Sache voran. Dieser Diskurs muss aber sachlich geführt werden und sollte von gegenseitigem Respekt geprägt sein.

Dieses Parlament hat eine Vorbildfunktion. Es wird nicht nur von Schülergruppen besucht, die die Sitzungen dieses Hauses als Gast verfolgen können, sondern unser Umgang miteinander wird von unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern wahrgenommen und aufgenommen. Dessen sollten wir uns immer bewusst sein.

Mein Ziel ist es, gemeinsam mit der Vizepräsidentin, dem Vizepräsidenten und allen Abgeordneten auf eine Debattenkultur hinzuarbeiten, in der sachlich fair und argumentativ diskutiert wird. Alles andere ist fehl am Platz.

Dies ist deshalb so wichtig – an dieser Stelle möchte ich sinngemäß den österreichischen Bundeskanzler Christian Kern zitieren –, weil wir aus der Geschichte wissen, dass sich die Gewalt der Worte schnell in eine Gewalt der Taten entladen kann.

Ich möchte deshalb darum bitten, sich in der Debatte so zu verhalten, wie es die parlamentarischen Gepflogenheiten verlangen, und insbesondere die Ordnung und Würde des Hauses zu achten. Bei einer Verletzung, zum Beispiel durch beleidigende Äußerungen, sieht die vorläufige Geschäftsordnung verschiedene Ordnungsmittel vor, die vom Wortentzug bis zum Sitzungsausschluss reichen können. Die konsequente Ahndung von Ordnungsverstößen wurde im Ältestenrat einvernehmlich vereinbart.

Meine Damen und Herren, wir kommen damit zur Feststellung der Tagesordnung. Die Tagesordnung ist Ihnen zugegangen. Es gibt offensichtlich von Ihnen keine Änderungswünsche und Vorschläge. Dann wird die Tagesordnung wie vorgeschlagen so festgestellt.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf:

AKTUELLE DEBATTE

Versäumnisse beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die negativen Auswirkungen auf das Land und die Kommunen auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 17/172 –

Die Redezeit entsprechend unserer Geschäftsordnung beträgt fünf Minuten je Fraktion.

Frau Kollegin Jaqueline Rauschkolb, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir müssen uns heute zum wiederholten Mal fragen: Herr Weise, wo bleiben unsere Entscheiderinnen und Entscheider? – In der Vergangenheit wurde uns schon oft zugesagt, dass wir mehr Personal in Rheinland-Pfalz bekommen. Allein in Rheinland-Pfalz liegen etwa 17.000 Anträge vor, die im Moment unbearbeitet sind. In der gesamten Bundesrepublik sind es etwa eine halbe Million.

Diesen Zustand können wir nicht länger hinnehmen. In der Vergangenheit wurden viele Versprechungen gemacht, dass Personal käme und wir besser mit den Flüchtlingen umgehen können. Das ist aber nicht der Fall. Im Moment erreichen weniger Flüchtlinge durch die Schließung der Balkanroute Deutschland und auch Rheinland-Pfalz. Eine Verkürzung der Verfahren ist leider immer noch nicht in Sicht.

Die Verfahren sind im Moment eher noch verlängert als verkürzt. Ich denke, das ist nicht im Sinne der Geflüchteten, aber auch aller, die sich für die Integration der Flüchtlinge in Rheinland-Pfalz und in Deutschland verdient machen. Es steht und fällt alles mit dem Bundesamt; denn es löst eine Kettenreaktion aus.

Ich bin wie viele von Ihnen auch in meinem Wahlkreis unterwegs und rede mit vielen Ehrenamtlichen, aber auch mit Geflüchteten. Sie wollen alle hier bleiben. Hinter jedem der Asylanträge stehen nicht nur Fluchtgeschichten, Menschen und Schicksale, die sich dadurch entscheiden,

indem man angehört wird. Im Moment dauert die Zeit bis zur Anhörung sehr lange.

Vor Ort wird ganz viel getan, damit die Menschen willkommen geheißen werden, ob es im Café Global, im Kommunikationstreff oder in vielen anderen Einrichtungen ist. Dennoch gibt es immer wieder Frustrationen, wenn die Flüchtlinge fragen, „ich möchte gern arbeiten“ und einen Integrationskurs besuchen und die Ehrenamtlichen bereit sind zu helfen. Es ist auch die Bereitschaft vorhanden, hier bleiben, sich in diesem neuen Leben einfinden und einen neuen Start wagen zu wollen.

Es ist alles noch viel zu lange in der Schwebe. Man weiß nicht, wie lange es dauert. Manchmal kommen die Briefe auch gar nicht dort an, wo sie bei den Flüchtlingen hin sollen. Es ist eine sehr schwierige Situation. Alles das bringt uns nicht weiter, um die Menschen am Ende – das ist unser aller Ziel – in unsere Gesellschaft zu integrieren und ihnen eine neue Chance und die Möglichkeit zu geben, hier Fuß zu fassen.

Die Menschen warten ein halbes Jahr oder teilweise auch acht Monate darauf, um ihre Asylanträge stellen zu können. Das ist für uns alle zu lang. Die Verantwortung liegt eindeutig beim Bund, der für die Asylanträge zuständig ist. Ich denke, organisatorisch und personell könnte sich einiges tun. Uns wurde immer wieder Personal versprochen. Im letzten Winter haben wir auch im Landtag darüber gesprochen, dass wir mehr Personal benötigen. Es fehlen aber immer noch etwa 100 Stellen.

Dabei geht es nicht nur um Entscheiderinnen und Entscheider, über die man viel in den Medien liest, sondern es geht auch um Sekretariatsangestellte. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tun alles Menschenmögliche. Das will ich nicht bestreiten. Es fehlen aber Kräfte, um die vielen Asylanträge zu bewältigen.

Auch die Effizienz und die Abläufe könnten sich verbessern. Rheinland-Pfalz ist im letzten Jahr – es tut es gerade wieder – eingesprungen und hilft aus, was aber keine Dauerlösung sein kann. Das Personal versucht, beim Einlademanagement und bei der Nachregistrierung zu unterstützen. Das kann aber für die Zukunft nicht die Lösung sein; denn die Verantwortung liegt eindeutig an anderer Stelle.

Deswegen müssen wir uns noch einmal positionieren – aus diesem Grund wird das Thema in der Aktuellen Debatte diskutiert – und sagen, wir möchten nicht, dass es so weitergeht, sondern Zusagen, die uns versprochen wurden, in der Zukunft gehalten werden; denn die Menschen, die hinter diesen Anträgen stehen, brauchen ein bisschen Stabilität. Sie müssen wissen, was morgen und übermorgen ist, und ob sie an dem Ort bleiben können, in dem das Kind vielleicht schon im Sportverein ist, man vielleicht schon den Deutschkurs angefangen hat oder als Fußballtrainer arbeitet.

Das sind alles Geschichten, die das Leben im Moment schreibt. Teilweise ist aber alles noch in der Schwebe. Das ist etwas, was man den Menschen nicht zumuten kann. Das Land, die Kommunen und die Ehrenamtlichen sollten sich im Sinn der Geflüchteten dafür einsetzen, dass sich

die Verfahren verkürzen und es in Zukunft schneller geht. Ich bin optimistisch. Ich denke, es geht voran. Es werden immer wieder Gespräche geführt, dass wir schnellere Verfahren bekommen.

Ich hoffe, dass es in unser aller Sinn auch so ist und ich bald, wenn ich im Wahlkreis unterwegs bin, sagen kann, es geht schneller. Ihr wisst jetzt, dass es vorangeht. Ihr könnt vielleicht eine Ausbildung beginnen oder einen Arbeitsplatz besetzen, der dringend besetzt werden muss. Von daher sehe ich es positiv. Man muss aber noch einmal daran erinnern, dass Zusagen auch gehalten werden müssen.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich Schülerinnen und Schüler der 10. Jahrgangsstufe der Robert-KochSchule Linz am Rhein. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Matthias Lammert von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in diesem Haus bereits in der vergangenen Legislaturperiode darüber diskutiert, dass zu wenig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Beginn der Flüchtlingskrise beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zur Verfügung standen und sich deshalb ein Antragsstau in vielen Bereichen angehäuft hat. Meine Vorrednerin hat dazu einiges gesagt.

Sicherlich ist im vergangenen Jahr nicht immer alles rund gelaufen. Das ist völlig richtig. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Vergleich der Kennzahlen von Januar bis Mai 2016 mit der Vorjahresperiode zeigt, dass das BAMF in Rheinland-Pfalz seine Kapazitäten zur Aufnahme und Entscheidung von Asylanträgen deutlich vergrößert hat. Auch das gehört zur richtigen Darstellung.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Hans Jürgen Noss, SPD)

Herr Noss, man kann immer mehr Personal fordern, hören Sie aber erst einmal zu, was ich Ihnen noch weiter zu berichten habe.

Wenn man sich die angenommenen Asylanträge anschaut, waren das im Vergleich von Januar bis Mai 2015 etwa 6.500 und von Januar bis Mai 2016 bereits über 10.000. Das ist ein Plus von 60 %. Von Januar bis Mai 2015 gab es 4.800 Entscheidungen über Asylanträge und von Januar bis Mai 2016 bereits 9.850. Die Anzahl hat sich mehr als verdoppelt. Das ist ein Ansatz, den man durchaus auch einmal in diesem Hohen Hause berücksichtigen könnte.

(Beifall der CDU)

Hinzu kommt die Unterstützung durch vier Entscheidungszentren sowie zwei Zustellzentren, deren Personal die Außenstellen und Ankunftszentren auch bei uns in RheinlandPfalz sehr wohl entlasten. Das BAMF ist mittlerweile auch mit sechs Standorten in Rheinland-Pfalz vertreten. Zwei Standorte – einer in Hermeskeil und einer in Kusel – wurden ausdrücklich auf Bitten der Landesregierung dort installiert und eingerichtet, obwohl sie von der Anzahl der Asylsuchenden in Rheinland-Pfalz her nicht vorgesehen gewesen wären. Das war durchaus ein Entgegenkommen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge.

Wenn auch nicht alle Probleme – das wollen wir durchaus einräumen, das ist keine Frage – im BAMF behoben wurden, so hat das Bundesamt im vergangenen Jahr zumindest gehandelt. Eine positive Entwicklung ist deutlich zu erkennen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, schauen wir uns einmal die Zahlen bei den Steigerungen der Verfahren an. Im Jahr 2015 hatten wir pro Tag 600 Entscheidungen. Im Jahr 2016 haben wir bereits 2.300 Entscheidungen pro Tag. Das ist durchaus eine deutliche Erhöhung.

In den ersten fünf Monaten dieses Jahres sind bereits ca. 230.000 Entscheidungen erfolgt. Das ist eine Steigerung im Vergleich zum vorherigen Jahr von über 150 %. Es gab auch eine deutliche Erhöhung gerade der Dolmetscherkapazitäten. Es ist auch ein Problem, dass man alles entsprechend übersetzen muss, damit man die Verständigung richtig darstellen kann. Das ist oftmals ein Hemmnis bei den Verfahren. Auch hier liegen wir bei knapp 4.000 Dolmetschern, die zur Beschleunigung der Verfahren beitragen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, ich würde und wir würden uns freuen, wenn wir eine solche Entwicklung bei der Ampel-Regierung erkennen könnten, wenn es um die Bewältigung der Herausforderung der Flüchtlingskrise geht.

(Beifall bei der CDU)

Frau Ministerpräsidentin, das würde ich gerne einmal erkennen; denn Sie sind immer schnell dabei, den Finger auf das BAMF zu zeigen, Ihre eigenen Hausaufgaben wollen Sie aber selbst lieber nicht erledigen.

(Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Sie wollen eigentlich nur das Personal haben, das zugesagte Personal zum Bearbeiten, das wäre wünschenswert!)

Da wäre nach wie vor die geringe Zahl der Asylbewerber, die hier abgeschoben werden, auch einmal aufzugreifen. Wir haben nach wie vor in Rheinland-Pfalz die niedrigste Abschiebequote. Auch das gehört zur Wahrheit dazu, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall der CDU und der AfD – Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Braun, eines wäre auch sehr hilfreich, wenn Sie ihre Blockadehaltung, insbesondere Ihrer Fraktion, die Blockadehalter dieser Landesregierung, wenn es um die Ausweitung weiterer sicherer Herkunftsländer geht, überdenken würden. Obwohl die Anerkennungsquote – das haben wir nachher noch einmal – von Flüchtlingen aus den Maghrebstaaten unter 1 % liegt,

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weigert sich diese Ampel, ihre Zustimmung im Bundesrat zu erteilen. Auch das wäre wichtig zur Entscheidung im BAMF, einer zeitnahen Entscheidung im BAMF.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Ich muss es leider sagen. Das ist ein erstes Zeichen dafür, dass uns mit SPD, Grünen und FDP in den künftigen fünf Jahren leider ein weiterer politischer Stillstand droht.