Protocol of the Session on August 9, 2017

(Abg. Uwe Junge, AfD: Eben!)

Dort wird über das menschliche Zusammensein gesprochen, wie Menschen miteinander umgehen.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Von 1888!)

Von 1788. Sehen Sie, Sie haben ihn auch nicht gelesen.

(Vereinzelt Heiterkeit im Hause – Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU)

Ich habe gesagt, dass er heute noch gilt. Lassen Sie mich weiter ausführen, ich habe noch drei Minuten.

Ich habe gesagt, dass ich seit zehn Jahren in den Schulen bin und – das betone ich ganz besonders – in Brennpunktschulen. Ich nenne jetzt die Schule nicht, aber es ist ein Schule in Mainz mit 27 verschiedenen Nationen in einer Klasse, auch Mädchen mit Kopftuch, die jedes Jahr darum bitten, dass ich dort hinkomme, und sich erklären lassen, wie wir in Deutschland leben, und wissen wollen, was für uns von Wert ist. Die Lehrer sagen jedes Mal, die Kinder sind so dankbar, und fragen, ob ich noch einmal kommen könnte.

Es geht da nicht darum, wie ich einen Hummer esse

(Heiterkeit des Abg. Martin Haller, SPD)

oder wie ich mit Messer und Gabel umgehe oder solch einen Quatsch, nein, dabei geht es um die alltäglichen Dinge wie „Danke“, „Bitte“ oder „Gern geschehen“ und Respekt vor den anderen, Respekt vor den Alten. Ja, das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Diese jungen Menschen fragten dann am Ende – das war für mich eine Wahnsinnsüberraschung –, Frau Willius-Senzer, könnten Sie uns nicht einmal einen Tanz beibringen? Es sind übrigens keine Vierbeiner, sondern Zweibeiner, die kommen, weil Sie das gestern ansprachen.

Was haben Sie gestern so lächerlich gemacht? Ich sage Ihnen, was sie gefragt haben. Die haben nicht nach Hip-Hop gefragt, sondern gefragt: Können Sie uns einmal den Walzer beibringen? – Mädchen mit Kopftuch, die Jungen aus den Ländern, von denen Sie gesagt haben, Sie werden denen nie etwas beibringen können. Sie würden sich wundern, wenn Sie einmal dabei wären. Ich bin in der zweiten Woche im September wieder in einer Schule. Die ganze Schule hatte gebeten, dass ich komme.

Ich werde, egal, wie lächerlich Sie das machen,

(Abg. Martin Haller, SPD: Ehrabschneidend wie immer unterwegs!)

nicht aufhören zu versuchen, unsere Kultur mit Liebe und mit Herz und nicht mit Bösartigkeit anderen Menschen nahezubringen.

(Anhaltend Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD)

Bevor ich der Ministerin das Wort erteile, möchte ich als Gäste auf der Zuschauertribüne Alterskameraden der Freiwilligen Feuerwehr der ehemaligen Verbandsgemeinde Irrel begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Spiegel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Saal sind gerade – alle eingerechnet – wahrscheinlich rund 150 Menschen anwesend. Das sind 150 unterschiedliche Menschen mit all ihren Eigenschaften, Stärken, Schwächen und Vorlieben. Wir alle legen großen Wert darauf, individuell zu sein. Das möchten wir gesehen, anerkannt und respektiert wissen. Vielfalt ist also auch hier im Parlament zu Hause.

Vielfalt entsteht daraus, dass es verschiedene Geschlechter gibt, jeder ein bestimmtes Alter und eine sexuelle Identität hat, wir unsere Wurzeln an unterschiedlichen Orten haben. Viele haben außerdem eine Religion oder Weltanschauung unter uns und einige vielleicht auch eine Behinderung.

All diese Eigenschaften und Zugehörigkeiten machen uns als Menschen aus. Sie machen uns unverwechselbar. Es ist meine Überzeugung, dass diese Vielfalt uns bereichert, und dieser Reichtum wird von vielen Menschen auch sehr geschätzt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Manche aber wollen Vielfalt einschränken oder sehen sie sogar als Bedrohung an. Sie übersehen dabei, dass sie selbst Teil dieser Vielfalt sind. Doch gerade dann, wenn Menschen Benachteiligung erfahren, wenn für Menschen Zugangsbarrieren bestehen oder aufgebaut werden, etwa zu Bildung, Arbeitsmarkt oder öffentlichen Dienstleistungen, dann müssen wir handeln. Jenen, die unverblümt dafür eintreten, die Rechte Andersdenkender und Anderslebender einzuschränken, nur weil sie eben anders sind, meine Damen und Herren, zeigen wir die rote Karte.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Oft steht hinter Diskriminierung aber gar kein böser Wille. Hier geht das Land in den Dialog, leistet Überzeugungsarbeit und gibt auch Hinweise, wie Fehler, die zu Verletzungen von Rechten, Würde und Respekt führen, vermieden werden können. Unser Ziel ist es, möglichst vorbeugend zu arbeiten.

Jede einzelne Diskriminierung, die durch Aufklärung und – wenn nötig – auch durch deutliche Warnung verhindert werden kann, ist ein Gewinn für die Gesellschaft. Wir sind dazu mit vielen verschiedenen Personen und Institutionen in Kontakt. Das Spektrum reicht von Arbeitgeberinnen und

Arbeitgebern – wie zum Beispiel beim Mittelstandstag über Kommunen, Vereine, Initiativen und Netzwerke – bis hin zu Universitäten. Meine Damen und Herren, dieser Austausch fruchtet.

Stellenausschreibungen etwa müssen nicht diskriminierend sein, ebensowenig wie die Vergabe von Wohnungen oder der Abschluss von Dienstleistungsverträgen.

Die 2015 vom Landeskabinett verabschiedete Strategie Vielfalt verpflichtet die Landesregierung, Vielfalt positiv zu gestalten, Diskriminierung zu bekämpfen und als Vorbild zu handeln. Die Landesregierung möchte mit ihrer Antidiskriminierungs- und Vielfaltspolitik das friedliche Miteinander fördern.

Übergeordnetes Ziel unserer Antidiskriminierungs- und Vielfaltspolitik ist es, die Akzeptanz der Menschen im Land gegenüber Unterschieden und gegenüber vielfältigen Lebensentwürfen zu fördern und zu verbessern. Wo die freie Entfaltung der Persönlichkeit ihren Raum braucht, hat der Staat dafür Sorge zu tragen, dass das möglich ist. Daraus folgt aber auch, wo die freie Entfaltung der Persönlichkeit nicht toleriert wird und daraus Intoleranz und Diskriminierung entsteht, da muss der Staat eingreifen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, stellen Sie sich vor, Ihre Tochter wird nicht befördert, weil sie eine Frau ist, oder Ihr Mitspieler im Fußballverein bekommt eine Wohnung nicht, weil er einen türkischen Migrationshintergrund hat, oder Ihr Vater wird diskriminiert, weil er mittlerweile eine Behinderung hat.

Wir wollen nicht erleben, dass unsere Kinder oder Enkel nicht an Veranstaltungen teilnehmen oder Angebote von Dienstleistern nicht nutzen können, weil sie so sind, wie sie sind, und niemand will das. Daher sollten wir alle dafür Sorge tragen, dass so etwas endlich aufhört;

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn wie die Beratungsanfragen bei der Landesantidiskriminierungsstelle in meinem Haus deutlich zeigen – und es ist nicht nur dort, es gibt auch den Landesbehindertenbeauftragten, es gibt auch andere Beauftragte, wir haben auch eine LSBTTI-Beauftragte –, für viel zu viele Menschen ist Diskriminierung leider immer noch eine traurige Realität.

Die Antidiskriminierungsstelle ist eine wichtige zentrale Ansprechpartnerin im Land nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Institutionen, die Verbände und Organisationen, die sich für Vielfalt und gegen Diskriminierung einsetzen. Sie hat seit ihrer Gründung im Jahr 2012 eine hervorragende Koordinierungs- und Vernetzungsarbeit geleistet. Die einzelnen Politikfelder der Landesregierung wurden in der Strategie Vielfalt vernetzt.

Eine interministerielle Arbeitsgruppe Vielfalt nimmt sich nun regelmäßig des Themas an. Die einzelnen staatlichen Anlaufstellen, die Beschwerden über Diskriminierung für ganz verschiedene Bereiche annehmen, sitzen nun am

Runden Tisch „Antidiskriminierung und Vielfalt“ zusammen. Außerdem haben sich die rheinland-pfälzischen Antidiskriminierungsverbände im Netzwerk diskriminierungsfreies Rheinland-Pfalz zusammengetan. Es sind also viele Fortschritte im Bereich Vielfalt in Rheinland-Pfalz gemacht worden.

Meine Damen und Herren, ein wichtiges Instrument der Antidiskriminierungs- und Vielfaltspolitik ist heute die Charta der Vielfalt. Sie wurde vor 11 Jahren von Unternehmen ins Leben gerufen und steht heute allen gesellschaftlichen Einrichtungen offen. Jeder Betrieb, jede Verwaltung und jede Institution ist eingeladen, die Charta als Zeichen der Solidarität und der Selbstverpflichtung zu unterzeichnen. In Rheinland-Pfalz haben dies zuletzt, gerade in dieser Woche, der Landkreis Alzey-Worms, die Rheinhessenfachklinik Alzey und das Polizeipräsidium Mainz getan.

(Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Das war gut!)

In Rheinland-Pfalz ist die Zahl der Unterschriften damit auf 83 gestiegen, und darunter sind auch fünf Kommunen. In der kommenden Woche werden Frau Ministerpräsidentin Malu Dreyer und ich selbst als die für Vielfalt zuständige Ministerin die Charta der Vielfalt ebenfalls unterzeichnen.

Meine Damen und Herren, die Vielfaltspolitik ist nach wie vor ein relativ neues Politikfeld, mit der wir auf eine aktuelle und unumkehrbare gesellschaftliche Entwicklung reagieren wollen. Wir wollen aufklären, wir wollen informieren und die Menschen mitnehmen. Wir wollen sie für Vielfalt begeistern. Vielfalt braucht Aktionen und Vorbilder. Dies bestärkt mich darin, unseren Weg der Antidiskriminierungsund Vielfaltspolitik konsequent weiterzugehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

Damit rufe ich Punkt 19 der Tagesordnung auf:

Projekt „Persönliche Pflegemanager“ – Ankündigungen, Konzepte, Umsetzung Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksachen 17/3186/3520/3842 –

Es wurde eine Grundredezeit von zehn Minuten je Fraktion vereinbart. Für die CDU-Fraktion spricht Herr Dr. Enders.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man einmal wissen will, was das Wort „Geschwurbel“ meint, dann sollte man die Antwort der Landesregierung auf diese Große Anfrage der CDU lesen.

(Beifall der CDU)

Sehr wortreich, aber substanzlos wird versucht, den von Frau Dreyer für den Landtagswahlkampf eingeführten Begriff des Pflegemanagers zu erläutern. So sollen aus den Fachkräften in den Pflegestützpunkten künftig sogenannte Pflegemanager werden.