Protocol of the Session on August 24, 2017

(Abg. Martin Haller, SPD: Das müssen ja Massen sein, Frau Beilstein!)

Diese Nachbarländer freuen sich darüber. Das ist doch ein toller Deal. Rheinland-Pfalz bildet aus, und sie greifen ab. Besser kann es doch gar nicht kommen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und Beifall bei der AfD – Abg. Michael Frisch, AfD: Genau so ist es!)

Ich habe in dem Änderungsantrag, der gestern von Ihnen eingegangen ist, verzweifelt nach ehrlichen Ansätzen zu einer Verbesserung dieser Situation gesucht. Dort ist nichts. Es gibt nur hehre Worte der Wertschätzung, aber keine Taten, die den Betroffenen wirklich helfen.

Sie feiern sich dafür, dass 90 % derer, die vor den Sommerferien einen Arbeitsvertrag hatten und nach den Sommerferien weiterbeschäftigt wurden, sogar während der Sommerferien bezahlt wurden, man höre und staune. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass 10 % nicht bezahlt wurden, sondern ohne Einkommen dastanden.

Sie stellen es sogar als besondere Leistung heraus, dass in jedem Jahr Lehrkräfte unbefristet eingestellt werden. Nach meiner Kenntnis gehen auch in jedem Jahr unbefristete Lehrkräfte. Was ist daran besonders?

(Beifall der CDU)

Fazit: Bei dauerhaft 2.500 bis 3.000 Junglehrern mit befristeten Kettenarbeitsverträgen auf der einen Seite und ebenfalls dauerhaftem Unterrichtsausfall auf der anderen Seite kann man nicht mehr davon reden, dass es sich hier um eine Ultima Ratio handelt, sondern es ist bei ihnen eine gängige Praxis, und zwar eine schäbige.

(Beifall der CDU)

Deswegen sage ich ganz klar: Sie sind Arbeitgeber. Ändern Sie diese Praxis zum Wohle der Junglehrer und auch zum Wohle der Kinder!

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Brück das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines möchte ich ganz zu Beginn klarstellen: Es gibt keine befristeten Kettenarbeitsverträge in Rheinland-Pfalz. Es gibt auch keine prekäre Beschäftigung bei den Lehrkräften in Rheinland-Pfalz.

(Beifall der SPD)

Ich warne auch davor, alles in einen Topf zu werfen und umzurühren. Dann kommt irgendetwas dabei heraus. Sie müssen schon Vertretungsverträge und PES-Verträge voneinander unterscheiden. Das zum Inhaltlichen, weil Sie das in Ihrer Rede auch vermengt haben.

Ganz zu Beginn möchte ich auch klarstellen, dass die Bildungspolitik der Schwerpunkt im Land Rheinland-Pfalz ist und bleibt. Das haben wir in der Vergangenheit so getan. Das werden wir in der Zukunft tun. So sieht auch unser Haushalt in Rheinland-Pfalz aus, weil wir einen großen Respekt vor und eine große Wertschätzung für die schwierige Bildungsaufgabe haben, die Lehrkräfte heutzutage zu erledigen haben.

Deshalb gilt unser Dank und unsere Anerkennung zunächst einmal den engagierten Lehrkräften in unserem Land. Dass das Schuljahr so problemlos gestartet ist, liegt vor allem an der Leistung unserer Lehrkräfte.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Martin Haller, SPD: So sieht es aus!)

Das düstere Bild, das die CDU heute malt, entspricht nun wirklich nicht der Realität. Ich habe schon gesagt, Ihre Redewendungen von Kettenarbeitsverträgen oder prekärer Beschäftigung sind unanständig. Das weisen wir aufs Schärfste zurück.

(Abg. Martin Haller, SPD: Ammenmärchen! Das ist höchst unanständig!)

Was mache ich, wenn sich bei mir eine Lehrkraft meldet, so wie sich wahrscheinlich auch bei Ihnen Leute melden? Ich spreche mit der ADD oder mit dem Ministerium, um nach einer Lösung für das Problem zu suchen. Ich hoffe, das haben Sie und die Mitglieder Ihrer Fraktion, Frau Klöckner, und andere auch getan. Ich biete auf jeden Fall Betroffenen an, sich an mich zu wenden, wenn sie meinen, dass sie ungerecht behandelt werden oder ein Problem haben. Sie können sich gerne an mich wenden. Ich versuche zu helfen. Ich versuche, den Grund zu erfahren, aber ich versuche nicht, die Sache zu skandalisieren.

(Zuruf des Abg. Martin Brandl, CDU)

Unsere Lehrkräfte sollen wertschätzende Arbeitsbedingungen haben. Die Sicherstellung der Unterrichtsversorgung

hat höchste Priorität.

Frau Beilstein, das mag Ihnen nicht gefallen. Aber die verbeamtete Planstelle ist in Rheinland-Pfalz der Normalfall. Die unbefristete Beamtentätigkeit ist in Rheinland-Pfalz der Normalfall. 34.000 unserer rund 40.000 Lehrerinnen haben Planstellen, und rund 3.500 sind in unbefristeten Angestelltenverhältnissen. Sie tun so, als sei der Vertretungsvertrag der Normalfall. Das ist er nicht. Es ist der Ausnahmefall.

Ja, wir nehmen die Situation der Vertretungslehrkräfte sehr ernst. Wir wollen so wenig Vertretungsverträge wie möglich haben. Dafür haben wir den Vertretungspool mit festen Beamtenstellen in den letzten Jahren auf 1.000 Stellen ausgebaut. Wir wollen, dass dies bedarfsgerecht fortgeführt wird, und zwar vor allem im Grundschulbereich, in dem sich bundesweit und nicht nur bei uns ein Lehrkräftebedarf abzeichnet. Im Vergleich zu anderen Bundesländern konnten wir alle Planstellen besetzen. Sie sprechen immer vom gelobten Nachbarland Hessen oder von BadenWürttemberg, Bayern oder Sachsen.

Sehen wir uns doch einmal an, wie sich die Situation dort darstellt. Dort werden Maßnahmen ergriffen, die sicherlich bei den Lehrkräften nicht populär sind, um Planstellen zu besetzen. Dort müssen Lehrer teilweise aus dem Ruhestand zurückgeholt werden. Die Altersgrenze wird hinausgeschoben oder die Altersteilzeit ausgesetzt bzw. die Teilzeit begrenzt. Das haben wir alles nicht, weil wir jungen Menschen gute Perspektiven und der Schule eine verlässliche Vertretungspraxis bieten wollen.

Ja, wir haben auch eines der jüngsten Lehrerkollegien bundesweit. Da kommt ein System, das flexibel sein muss, damit auch in der Fläche die Unterrichtsversorgung gesichert ist, nicht ohne Vertretungsverträge aus. So sehr wir das auch wollen, es wird ohne nicht gehen, weil Vertretungsverträge wichtig sind und eine wertvolle Arbeit in unseren Schulen leisten.

Es gibt keinen Vertrag ohne Grund. Hier vertreten wir eine vollkommen andere Ansicht als die CDU. Wir haben keine sachgrundlosen befristeten Verträge. Das ist der wichtige Punkt bei dieser Sache.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Martin Brandl, CDU)

Es sind Verträge für Leute, die längerfristig erkrankt sind oder sich in Elternzeit befinden und ein Rückkehrrecht auf ihre Planstelle haben. Wir wollen und können es den Leuten nicht verbieten, wenn sie jung sind, eine Familie zu gründen. Das wäre nämlich der Punkt zu sagen, dass es in der Lehrerversorgung keine Variablen gibt. Wir würdigen die Arbeit der Lehrkräfte auch damit, dass sie einen Bonus auf ihre Vertretungstätigkeit in der Note bekommen und es einen eigenen Einstellungskorridor gibt.

(Glocke der Präsidentin)

Panikmache ist nicht unsere Art, mit dem sensiblen Thema umzugehen. Im Sinne der Schule und der Lehrkräfte ist ein differenzierter Umgang geboten. Deshalb lehnen wir Ihren

Antrag ab und haben unseren Alternativantrag vorgelegt, der dem wichtigen Thema gerecht wird.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Martin Haller, SPD: Sehr gut!)

Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Frisch.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich zitiere aus einer fiktiven Pressemitteilung der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei vom 20. Juni 2018: Wenige Tage vor Beginn der Sommerferien hat Ministerpräsidentin Dreyer angekündigt, auch Regierung und Parlament würden einen Beitrag zu den im Rahmen der Schuldenbremse erforderlichen Sparmaßnahmen leisten. So habe das Kabinett beschlossen, in den kommenden sechs Wochen auf die ihm zustehende Besoldung zu verzichten. Damit, so Dreyer, wolle man sich auch solidarisch mit den vielen Menschen in Rheinland-Pfalz zeigen, die unter befristeten Arbeitsverhältnissen litten und dadurch mit ihren Familien in finanzielle Schwierigkeiten gerieten.

Darüber hinaus kündigte die Ministerpräsidentin an, im Zuge notwendiger Kosteneinsparungen das unbesetzte Amt des Staatssekretärs im Bildungsministerium vorübergehend mit einer Aushilfskraft zu besetzen. Trotz deren geringerer Qualifikation sei sie zuversichtlich, dass die Arbeit des Ministeriums nicht darunter leiden werde. –

(Abg. Martin Haller, SPD: Voll lustig!)

Meine Damen und Herren, natürlich wissen wir alle, dass so etwas nie passieren wird. Das ist auch richtig so. Warum aber, frage ich mich, mutet die Landesregierung anderen das zu, was sie für sich selbst sicherlich mit Empörung zurückweisen würde? Selbst wenn es sich nicht um eine allzu große Zahl von Lehrkräften handelt, so bleibt es doch ein Affront gegenüber jungen, gut ausgebildeten und hoch motivierten Pädagogen, sie immer wieder mit Zeitverträgen abzuspeisen und ihnen damit eine ausreichende Planungssicherheit zu verweigern.

(Beifall der AfD)

Auch für die davon betroffenen Schüler ist ein ständiger Lehrerwechsel in häufig kurzen Intervallen wenig erfreulich und für den Lernfortschritt ganz sicherlich nicht förderlich. Dabei wäre in Rheinland-Pfalz durchaus für ein Mehr an Planstellen gerade angesichts der aktuellen Herausforderungen durch Inklusion und Migration Bedarf.

Bildungsexperte Josef Kraus, der bis zum 1. Juli 2017 30 Jahre lang Präsident des Deutschen Lehrerverbandes war, weiß sehr gut, was Schulen brauchen. Ich zitiere: „(...) eine mindestens 105prozentige Lehrerstundenversorgung, damit endlich kein Unterricht mehr ausfallen muss und damit vor Ort Förderkurse für besonders bedürftige Schüler – Schwache und Spitzenschüler – eingerichtet werden

können.“

Von diesem Zustand ist Rheinland-Pfalz weit entfernt. So erklärte Klaus-Peter Hammer, Landesvorsitzender der Lehrergewerkschaft GEW, in einem Interview mit der „RheinZeitung“ vom 10. August 2017 – ich zitiere –: Bereits jetzt fehlen in den Grundschulen und Förderschulen ausgebildete Lehrkräfte. Das wird besonders bei den vielen Vertretungslehrern deutlich. Mehr als ein Drittel sind nicht qualifizierte Grundschullehrer. –

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Hört! Hört!)

Der Landesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung, Gerhard Bold, äußerte sich am gleichen Tag ebenfalls in der „Rhein-Zeitung“ wie folgt: „Aber ich gehe davon aus, dass es im neuen Schuljahr keine ausreichende Unterrichtsversorgung an den Grundschulen geben wird.“

Unsere Schulen sind also von einer Planungssicherheit weit entfernt. Eine wünschenswerte Unterrichtsversorgung von 105 % ist nicht annähernd in Sicht. In Rheinland-Pfalz herrscht offenkundig ein Mangel an Lehrern. Obwohl das so ist, operiert die Landesregierung nach wie vor mit einer Vielzahl an befristeten Kettenarbeitsverträgen, was selbst der Alternativantrag der Ampelfraktion indirekt anerkennt, wenn er dazu auffordert, die Zahl der befristeten Arbeitsverträge im Bereich der Vertretungskräfte zu reduzieren.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Doch damit nicht genug. Neben den zahlreichen Vertretungskräften, deren Qualifikation keineswegs immer ausreichend ist, gibt es einen ebenfalls durch Lehrermangel bedingten erheblichen Anteil fachfremden Unterrichts an rheinland-pfälzischen Schulen. Wie eine Kleine Anfrage von mir im Herbst 2016 ergeben hat, werden in der Realschule plus insgesamt mehr als 25 % aller Stunden fachfremd erteilt. In den Fächern Kunst und Musik beträgt der Anteil über 40 %, im Fach Technik und Naturwissenschaft mehr als 60 %. Selbst im Hauptfach Mathematik sind es fast 22 %.