Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen und alle, die heute auch ein Stück Abschied nehmen wollen von Helmut Kohl, die diesen Gedenkminuten folgen! Bei Begegnungen mit Helmut Kohl trieb mir manche Frage als junge Bundestagsabgeordnete den Schweiß auf die Stirn. Mit allen Fragen hatte ich vom Kanzler der Einheit gerechnet, aber doch nicht damit, dass er mich fragte, was ein Pfund Butter, ein Liter Milch oder der Fasswein kostet. Sie waren alles andere als banale Fragen, die er stellte. Es steckte viel Weisheit, Menschenkenntnis, viel Gespür für das Alltagsleben der Menschen darin. Zu seinen ganz starken Eigenschaften zählte auch sein Namensgedächtnis: Was der Bürgermeister aus Wallhausen mache, wie es der Familie des ehemaligen Kreistagsfraktionsvorsitzenden in Birkenfeld gehe oder dem Vorgänger des Landrats an der Mosel oder den Kindern einer Stadträtin in Bitburg?
In seiner Zeit als Landespolitiker, aber auch noch als Bundeskanzler kannte er – gefühlt – jeden Kreisvorsitzenden und hielt mit ihnen den Kontakt, rief sie zu Geburtstagen persönlich an und war auch immer ansprechbar. Er galt in seinen Beziehungen, aber auch in seinem Anspruch gegenüber anderen in hohem Maße als authentisch, bodenständig, ehrlich interessiert. Er sprach auch die Sprache der Leute. Einige lachten darüber, aber die anderen verstanden ihn. Der Weltmann kannte sich aus in den Dörfern und Städten seines Landes. Geerdet, das war Helmut Kohl. Er war den Menschen zugewandt, der Ehrenbürger Europas, der Kanzler der Deutschen Einheit, der erfolgreiche Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, er ist am vergangenen Freitag in seinem Haus in Oggersheim im Alter von 87 Jahren verstorben.
Unser Land stand für einen Moment still, als die Nachricht seines Todes den Weg nahm. Still, weil wir wussten, ein ganz Großer ist von uns gegangen, und dann läuteten Glocken, unabgesprochen, in der einen oder anderen Ortschaft.
Wir rheinland-pfälzischen Christdemokraten verneigen uns und verharren andächtig vor dem Menschen und dem Politiker Dr. Helmut Kohl, vor dem Staatsmann und dem Pfälzer, dem bodenständigen Heimatverliebten, vor dem Reformer und Modernisierer.
Vieles ist in diesen Tagen über den Lebensweg von Helmut Kohl und seine Verdienste gesagt und geschrieben worden. Man hatte bei manchen Kommentatoren den Eindruck, dass er am Ende sich noch versöhnen wollte, dass er am Ende auch noch einmal recht haben wollte, weil er oder sie Helmut Kohl in seiner aktiven Zeit unterschätzt
Helmut Kohl war einer der größten Staatsmänner der Nachkriegsgeschichte. Doch er blieb seiner Heimat RheinlandPfalz, unserem Heimatland Rheinland, bis zuletzt tief verbunden. Er war ein Leben lang Patriot. Das ist ein Unterschied. Nationalist zu sein, war nicht sein Ding, aber Patriot, der aus seiner pfälzischen Heimat Kraft und Inspiration schöpfte. Sie sollte die Grundlage für sein späteres Wirken werden. Verkürzt könnte man sagen, für den jungen Helmut Kohl war die Heimat die Welt, für den Kanzler war die Welt die Heimat.
Geboren wurde er in Ludwigshafen als Sohn eines Finanzbeamten. Hier wuchs er auf, er ging zur Schule, machte Abitur, er wurde früh erwachsen.
Was hat Helmut Kohl in seiner Jugend geprägt, was war für sein politisches Wirken Motiv und Motor? Sein Leben wurde bestimmt durch die Grausamkeiten des Zweiten Weltkriegs. Er war 15. Mit aller Härte erlebte er zwar das Ende, aber auch, wie sein Bruder im Alter von 18 Jahren durch einen Tieffliegerangriff bei Recklinghausen ums Leben kam.
Seine Stadt Ludwigshafen, sie lag in Schutt und Asche. Die Menschen durchlitten Hungerjahre, und der junge Helmut tritt als Schüler 1946 in die CDU ein, will sich ein neues, freies, demokratisches Deutschland mit Gleichaltrigen, mit Gleichgesinnten mitbauen. Ja, er riss symbolhaft einen Schlagbaum ein zwischen Deutschland und Frankreich. Früh prägte er den Leitsatz: Deutschland ist unsere Heimat, Europa ist unsere Zukunft. –
In Limburgerhof fand ein prägender Diskussionskreis junger Leute mit dem Lehrerdekan Fink statt. Er brachte Helmut Kohl die Grundlagen christlich fundierter Politik nicht nur nahe, sondern er inhalierte sie für sich. Das blieb für ihn ein Leben lang seine Richtschnur. Hier unternahm er auch seine ersten politischen Gehversuche in der von ihm gegründeten Jungen Union. Es folgte ein beeindruckender Weg in den Landtag, wo schon seine ersten Reden aufhorchen ließen. Schon im Alter von 29 Jahren wurde er Mitglied des Landtags und bereits zwei Jahre später CDUFraktionsvorsitzender, wo er seine Zukunftsvorstellungen für das Land Rheinland-Pfalz entwarf.
1969 wählte ihn, den promovierten Historiker, der einen Arbeitsplatz in der Chemischen Industrie in Ludwigshafen und ein Mandat im Stadtrat von Ludwigshafen innehatte, der Landtag zum jüngsten Ministerpräsidenten unseres Landes Rheinland-Pfalz. Er war damals gerade einmal 39 Jahre alt.
Als Regierungschef in Mainz hat er in wenigen Jahren mit seiner jugendlichen Frische, seiner zielstrebigen Dynamik und mit seinen reformfreudigen Kabinettskollegen die Weichen für den Aufstieg unseres Landes Rheinland-Pfalz gestellt. Als zupackender Modernisierer war er ein neues Licht am Horizont auch der CDU Deutschlands.
Ich konnte Helmut Kohl in den vergangenen Jahren immer wieder treffen und mich mit ihm austauschen. Er verfolgte die Weltpolitik und die Zunahme von Krisen und Kriegen, von Not und Elend in der Welt. Seine Mahnung, die als
Vermächtnis zu verstehen ist, war jedes Mal, kämpft um den Erhalt der Einheit Europas, tretet ein für den Frieden, der eng mit einem starken Europa verbunden ist.
Der Politiker Helmut Kohl ist nicht zu verstehen ohne den Historiker Kohl. Man muss ihn im kleinen Kreis erlebt haben, wenn er mit Begeisterung und Gründlichkeit den Mut und die Weitsicht der Hauptakteure des Hambacher Festes vor 185 Jahren lobte. Nationale Freiheit, Einheit, Volkssouveränität, Widerstand einer bürgerlichen Opposition gegen die Restauration des Deutschen Bundes, das begeisterte und leitete Helmut Kohl. Dass Franzosen, Polen, Engländer mit den Deutschen für Demokratie eintraten, das begeisterte den Europäer Kohl.
Die politischen Ziele des Hambacher Festes inmitten seiner Pfälzer Heimat und die politischen Ziele des Urpfälzers Helmut Kohl sind im Grunde deckungsgleich: Nationale Einheit in Frieden und Freiheit. Ja, Freiheit, Volkssouveränität.
Bürgernähe war Helmut Kohl sehr wichtig. Regelmäßige öffentliche Sprechstunden und die Berufung eines Bürgerbeauftragten für Rheinland-Pfalz 1974, sie sollten den Bürgern die Scheu vor der Verwaltung nehmen und die Distanz zur staatlichen Autorität abbauen. So war Rheinland-Pfalz das erste Bundesland überhaupt, in dem der Bürgerbeauftragte mit einem eigenen Landesgesetz aus der Taufe gehoben wurde.
Helmut Kohl wollte anpacken, er wollte Reformen. Er konnte dabei auf die Unterstützung vieler Persönlichkeiten bauen, deren Namen aus der deutschen Politik nicht mehr wegzudenken sind. Ihre Namen kannte man dann, als sie Großes vollbracht hatten, aber er hatte ein Gespür für Menschen.
Schon am Anfang, als sie noch nicht so bekannt waren: Bernhard Vogel, Heiner Geißler, Norbert Blüm, Richard von Weizsäcker, Hanna-Renate Laurin, Roman Herzog, Klaus Töpfer, um nur einige zu nennen. –
In seiner Bilanz für Rheinland-Pfalz steht eines der ersten Kindergartengesetze der Bundesrepublik und die Krankenhausreform. Ihm gelang eine Verwaltungs- und Strukturreform mit der Schaffung von Verbandsgemeinden. Wir hier im Landtag wissen, wie schwierig das umzusetzen ist.
Helmut Kohl brachte eine Schulreform mit verbesserter Lehrerausbildung und der Umwandlung von etwa 1.500 staatlichen Konfessionsschulen in christliche Gemeinschaftsschulen auf den Weg. Dafür musste die Landesverfassung geändert werden. Das war eine Mammutaufgabe. Er entwickelte die Universitätslandschaft mit der Neugründung der Universitäten Trier und Kaiserslautern. Ausbau der Infrastruktur: Stichworte A 48, A 61, A 60, Nord-SüdVerbindungen. – Hinzu kommen wichtige Entscheidungen für Industrieansiedlungen, das Landeskrankenhausgesetz, die Realisierung der Stiftung Rolandseck.
Helmut Kohl kämpfte gegen die Zerstückelungsversuche seines Landes. Das war Rheinland-Pfalz, und er trat nach außen. Er betrat die weltpolitische Bühne, und seine Überzeugungen waren seine Wurzeln. Staatskunst, das war für ihn das Vertrauen zwischen handelnden, fühlenden und
denkenden Menschen. Er galt als Virtuose einer klaren Politik. Damit hatte er Erfolg bei Michail Gorbatschow, bei George Bush, bei François Mitterand und vielen anderen.
Er war beharrlich. Er hatte ein Ziel, auch gegen Widerstände. Wir erinnern uns an den NATO-Doppelbeschluss: 300.000 Demonstranten im Bonner Hofgarten. – Aber dennoch, er übernahm das, was sein Vorgänger, Helmut Schmidt, in die Wege geleitet hatte, und er stand zu seiner Überzeugung, und die Geschichte hat ihm recht gegeben.
Zur Beharrlichkeit des Altkanzlers gehörte auch der Glaube an die Wiedervereinigung. Er glaubte an die Wiedervereinigung, als viele andere Parteien die Wiedervereinigung schon ad acta gelegt hatten und sie als Lebenslüge bezeichneten. Nicht so der Christdemokrat Kohl. Er betonte beim Besuch von Herrn Honecker am 7. September 1987 in der Godesberger Redoute – ich zitiere –: „Die Präambel unseres Grundgesetzes steht nicht zur Disposition, weil sie unserer Überzeugung entspricht. Sie will das vereinte Europa, und sie fordert das gesamte deutsche Volk auf, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“
Helmut Kohl galt lange als unterschätzter Politiker. Es gab Häme, es gab Witze über ihn. Der Begriff „Birne“ machte in Bonn die Runde. Das war Hochmut. Man setzte damals die Pfalz mit Provinz gleich und erkannte und verkannte das Große im Kleinen.
Ja, Helmut Kohl war mehr Strickjacke als Dreiteiler, war mehr Wolfgangsee als Toskana. Es gab auch diejenigen, die dem Konservativen eine Politik des Aussitzens vorwarfen. Natürlich gab es auch Fehler, wie jeder Mensch Fehler macht. Aber am Ende bleiben große Dankbarkeit und Errungenschaften: die Einführung der Pflegeversicherung, das Bundeserziehungsgeld, Erziehungsurlaub. – Er hat ein Bundesumweltministerium eingeführt und das Familienministerium um das Thema „Frauen“ ergänzt. Ja, der unterschätzte Kanzler.
Die „blühenden Landschaften“ hat man ihm vorgeworfen. Er hat selbst in einem Interview eingestanden, so schnell kamen sie nicht. Aber wer heute durch unser geeintes Vaterland fährt, der merkt sehr wohl die blühenden Landschaften. Deshalb meine ich, Häme müssen Politiker ertragen, aber ich finde, Stil zeigt sich dann in den Stunden, in denen Menschen zusammenstehen sollten. Dass die „TAZ“ die blühenden Landschaften pietätlos dargestellt hat, das hat uns getroffen. Ich finde es aber eine Größe, dass der Chefredakteur sich dafür entschuldigt hat.
Betroffen hat uns aber auch ein Nachruf, ob Helmut Kohl kleinlich gewesen sei. Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht beurteilen. Ich glaube, jeder Mensch ist es einmal. Aber ich finde es schade, dass ein Ministerpräsident dieses Landes dies getan hat. Jeder weiß, worum es geht. Ich bin dankbar für Ihre Worte, Frau Ministerpräsidentin, heute in dieser Stunde.
Keine Frage, Helmut Kohl war ein großer Staatsmann. Sein Name wird bleiben. Im Dezember 1998 hatte der Europäische Rat in Wien Kohl den Titel „Ehrenbürger Europas“ verliehen. Im April 1999 ehrte ihn Präsident Clinton mit der Medal of Freedom. Sein Tod bewegt die Menschen in
aller Welt. Sie spürten, mit ihm ist ein Jahrhundertpolitiker von uns gegangen. Michail Gorbatschow, der Friedensnobelpreisträger und letzte Präsident der UDSSR, erklärte, Helmut Kohl war ein herausragender Politiker. George Bush, der ehemalige US-Präsident spricht vom größten Staatslenker von Nachkriegseuropa.
Und gestern Abend kehrte ich von einer Reise aus Israel zurück, die mich auch in die palästinensischen Gebiete geführt hat. Ich konnte bei allen Gesprächen Respekt und Anerkennung für die Lebensleistung Kohls erfahren, nicht nur von dem Generalsekretär der PLO, sondern auch von Benjamin Netanjahu. Er sagte, Helmut Kohl war einer der größten Freunde Israels. Er hätte ihm damals bei der ersten Begegnung die Hand um die Schulter gelegt und gesagt: Junger Mann, ich passe auf Israel auf. –
Es wird einen europäischen Staatsakt geben. Es ist richtig, dass es ihn gibt. Es ist etwas Neues. Es wird eine Totenmesse im Dom zu Speyer geben, dem Dom, zu dem er eine solch besondere Beziehung hatte. Wir Christdemokraten werden unseren Fraktionssitzungsaal nach dem ehemaligen Fraktionsvorsitzenden und rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten benennen. Sein historischer Rang ist unbeschreibbar. Er war so vieles, aber er war vor allen Dingen einer von uns: mit Herz, Verstand, Gespür. – Das prägte seine Entscheidungen. Er kannte die Alltagsherausforderungen der kleinen Leute. Möge die Erinnerung die Quelle der Zuversicht für seine Frau und seine Familie sein. Uns, und ich finde auch, der Öffentlichkeit, die darüber schreibt und berichtet, steht es nur bis zu einem gewissen Maß zu, darüber zu urteilen, was gut oder schlecht im Hause Kohl war. Helmut Kohl war gut für Deutschland.
Und der Milchpreis heute: Mit 31 Eurocent geht es los, Butter 1,40 Euro, Fassweinpreis beginnt bei 50 Eurocent. – Es kann nicht schaden, jeden Tag bereit zu sein, als würde man Helmut Kohl treffen. Man wird seinen Namen noch kennen, wenn viele andere längst vergessen sind; denn die Welt wäre eine andere, wäre er nicht gewesen. Dr. Helmut Kohl, er möge ruhen in Frieden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte über den großen Staatsmann, den Pfälzer, den europäischen Pfälzer Helmut Kohl sprechen. Die Pfalz war immer in seinem Herzen. Hier begann seine politische Laufbahn. Von der Pfalz aus machte er in seinen späten Jahren Weltpolitik, und er setzte die Region im Süden unseres Landes auf die politische Weltkarte. Viele Staatsgäste folgten seiner Einladung in die Pfalz. Als Kinder haben wir das verfolgt. Wir waren fasziniert von den großen Namen, die in die Pfalz kommen.
Und zur Wahrheit gehört, dass er dadurch nicht nur die Pfalz auf die Weltkarte gesetzt hat, sondern dass er die Pfalz auch manchen Pfälzern wieder näher gebracht hat. Weinberge, das Hambacher Schloss mit all seiner Ge
schichte und seiner besonderen Bedeutung, der Speyerer Dom, von dem wir wissen, bis heute hat er eine besondere Bedeutung, die pfälzliche Gemütlichkeit, ja auch die, gutes Essen darf man nicht gering schätzen, aber natürlich auch die Gespräche und die Verhandlungen auch zum Wohl unseres Volkes.
Geselligkeit war eine Sache, mit der er sich nicht schwertat. Sie war eine Seite seines Charakters und seiner Kanzlerschaft. Geselligkeit und Nähe, Nähe vor allem, und das Talent dazu, Nähe herzustellen, das war ein Stilmittel seiner Wahl. Das alles führt zu einem für die 80er-Jahre sicherlich ungewöhnlichen Politikstil. Einige Beobachter sagten damals über diese Politik Helmut Kohls, dass Deutschland in der pfälzischen Provinz ganz harmlos wirkte. Diese Staatsgäste, in deren Heimat man womöglich noch so manche stereotype Vorstellung vom auftrumpfenden Deutschland pflegte, konnten unmöglich bei der Wanderung durch die pfälzischen Weinberge, bei diesen Begegnungen mit Helmut Kohl, diese Bestätigung dieser Stereotype bekommen. Wer mochte denn bei Weinbergidylle und den freundlichen Pfälzern tatsächlich an den auftrumpfenden Wilhelminismus denken?
Vielleicht haben durch diese Heimeligkeit der Provinz – das war kein Kompliment des „SPIEGEL“, wie er damals schrieb – die Wiedervereinigung, aber auch alle europäischen Schritte, die mit ihm verbunden sind, auch die Abrüstung, eine bessere Chance bekommen.
Vielleicht hat gerade die Bodenständigkeit – über sie ist schon gesprochen worden –, die Heimatverbundenheit, die Heimatliebe, aber auch das kritische Heimatbewusstsein Helmut Kohls dazu beigetragen, dass vieles, was am grünen Tisch hätte verhandelt werden können, in dieser besonderen Nähe besser und anders geklappt hat.
All dies war in der Hochzeit des Kalten Krieges für die Mächtigen aus dem Weißen Haus, aus dem Élysée-Palast, aus dem Kreml und – man möchte sagen – wahrscheinlich aus der Downing Street ganz besonders, ein Beruhigungsfaktor. Es war ein Signal, und man darf Helmut Kohl zutrauen, dass er sich dieses Signals bewusst war, dass er es sehr bewusst gesetzt hat.
Es stimmt, was die „FAZ“ an diesem Montag geschrieben hat – ich zitiere –: „Die Pfalz – oder jede andere historische Landschaft Deutschlands – ist eben nicht ein Ort der Unvollkommenheit oder Rückständigkeit, sondern“ – ich habe das Zitat auch gefunden, Frau Klöckner, und fand es sehr sympathisch – „das große Kleine im kleinen Großen.“ Das große Kleine im kleinen Großen und dabei aber immer den wachen Blick über die Grenzen hinaus, den eigenen Grenzen, die Grenzen der Politik, in deren Tagesordnung man verhaftet ist, aber auch die Grenzen des eigenen Landes.
Helmut Kohl war all das. Er war damit nicht der Einzige in seiner Generation, aber er war der Bundeskanzler und hat diese Erfahrungen zum Inhalt und Stilmittel seiner Politik gemacht. Seine Heimat hat ihn geprägt, und er wusste, dass dieses Leben in der Pfalz immer ein Leben im Herzen Europas ist. Wir wissen heute, wir sind in Rheinland-Pfalz die europäischste Region in ganz Deutschland. Zu den Zeiten, zu denen sich das politische Bewusstsein des jun
gen Helmut Kohl entwickelt hat, waren wir ehemaliges Aufmarschgebiet, Grenzregion und unter den Folgen des verheerenden Zweiten Weltkriegs leidend.
Weltoffenheit und Lebensfreude verbindet man mit ihm. All das, was ich geschildert habe, diese Heimatliebe, die Bodenständigkeit, die Nähe, die schnelle Nähe, manchmal auch das Kumpelhafte, aber natürlich auch seine Art insgesamt, ist nicht immer gut angekommen. Wir alle haben noch in Erinnerung, wie er in den Feuilletons abgeschnitten hat: nicht immer gut. –
Auch diese Kohlsche Instinktpolitik – das meine ich nicht despektierlich, ich glaube, man darf das nicht in Abrede stellen, und die „FAZ“ am Montag hat es festgestellt – hat bei der selbsternannten geistigen Aristokratie des Landes – so die „FAZ“ – nicht immer Anklang gefunden. Aber diese Bodenständigkeit muss ernst genommen werden. Sie war in Rheinland-Pfalz – jetzt ziehe ich den Rahmen schon weiter über den Süden des Landes –, in ganz RheinlandPfalz, schon immer notwendige Eignung derer, die das Land regieren oder sich darum bewerben, meine Damen und Herren.
Wir alle wissen heute wie damals zu den frühen Zeiten des Ministerpräsidenten Helmut Kohl, dass nicht die Sonntagsrede – diese ist nicht unwichtig, aber nicht entscheidend –, sondern die konkrete Verbesserung im Hier und Heute entscheidend ist, oder, um einen schon legendär gewordenen Satz von Helmut Kohl zu zitieren: Entscheidend ist das, was hinten dabei herauskommt. – Seine Begabung zum Pragmatismus ist unbestreitbar. Sie kommt in einem solchen Satz zum Vorschein.
Meine Damen und Herren, vieles, wofür Helmut Kohl stand und eintrat, konnte und kann man als Sozialdemokrat nicht teilen. Er war durch und durch ein Konservativer.