In 532 Schulen ist er dabei, also in mehr als 70 % der Ganztagsschulen, und das mit einer hohen bis guten Zufriedenheit mit 80 % der beteiligten Vereine.
Der Rückgang der Vereinsmitglieder zwischen sieben und 14 Jahren zwischen 2009 und 2014 lag bei 7.000 Kindern. Ja, das ist beklagenswert. Aber im gleichen Zeitraum gab es landesweit über 47.000 Kinder weniger in diesem Alter. Sehen Sie die Analogie? Es ist ein demografisches Problem.
Ich schließe mit einer provokanten These: Vielleicht ist die Ganztagsschule sogar der wichtigste Türöffner für Vereine, Musikschulen und andere Jugendeinrichtungen geworden;
denn durch die Kooperation haben sie überhaupt erst die Chance, eine breite Gruppe junger Menschen in über 700 Ganztagsschulen in Rheinland-Pfalz anzusprechen, eben ein Erfolgsprojekt.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer von uns erinnert sich nicht an seine Schulzeit? Kaum eine andere Phase unseres Lebens hat uns so geprägt wie diese Jahre mit vielen schönen, oft bereichernden Erfahrungen. Aber trotz jener tröstlichen menschlichen Gabe, die Vergangenheit immer in einem besseren Licht erscheinen zu lassen, als sie es wirklich war, wissen wir doch manches traurige, mit bis mitunter in die Gegenwart belastende Ereignis aus jener Zeit.
Selbst wenn wir gern an seltene pädagogische Sternstunden unserer Lehrer oder gelegentlich spannende Unterrichtsthemen zurückdenken, so bleibt doch wohl der beschwerliche Alltag der Grundtenor unserer schulischen Erinnerung. Welcher Schüler wird jemals die quälende Langeweile sich endlos ziehender Unterrichtsstunden vergessen, dass sehnliche Warten auf den erlösenden Ton der Klingel am Ende der letzten Stunde, den Weg durch das Schultor hinaus in das Reich der Freiheit?
Wer weiß nicht mehr um die Vorfreude auf das Nachhausekommen – es tut mir leid, wenn Sie das vergessen haben –, auf das Mittagessen im Kreise der Familie, auf den mütterlichen Trost angesichts von Frust und Enttäuschung,
auf das Spiel oder das Abhängen mit Freunden, ganz einfach darauf, endlich einmal das tun zu können, was man selbst tun möchte?
Nein, meine Damen und Herren, die Schule war und ist nicht der Ort, an dem sich junge Menschen wünschen, möglichst viel Zeit zu verbringen. Sie ist ein wichtiger Teil ihrer Biografie. Sie vermittelt ihnen viele jener Qualifikationen, die sie fürs spätere Leben unbedingt brauchen. Aber Schule als Lebensraum, als zweites Zuhause, in dem sich Kinder und Jugendliche wohlfühlen, in dem der Lehrer zum Zweitvater und die Mitschüler zu Geschwistern werden,
in dem gruppendynamische Prozesse unter Gleichaltrigen Geborgenheit schenken, das ist eher der Traum von Bildungsforschern, Reformpädagogen oder Politikern als Teil der Realität.
Wenn eine vor wenigen Jahren vom ZDF beauftragte Studie ergab, dass sich Kinder und Eltern so gut verstehen wie nie, während die Schule wörtlich als Glückskiller Nummer 1 eingestuft wird, dann ist dies kein grundsätzliches Plädoyer gegen die Schule, sehr wohl aber ein klares Votum dafür, nicht nur ihren Sinn, sondern auch ihre Grenzen zu sehen.
Die AfD-Fraktion hat im Gesellschaftsausschuss am 5. April einen Berichtsantrag zu den Auswirkungen von Ganztagsschulen auf Vereins- und Familienleben in Rheinland-Pfalz gestellt. Möglicherweise ist der jetzt von der CDU vorgelegte Antrag dadurch inspiriert worden. Aber darauf kommt es letztlich nicht an. Wichtig ist, dass wir uns um dieses Thema kümmern und dass wir eine Verbesserung der Situation von Familien und Kindern erreichen. Tatsächlich besteht hier dringender Handlungsbedarf.
Der fortschreitende Ausbau der Ganztagsschule gefährdet das historisch gewachsene vielfältige Angebot an außerschulischer Jugendarbeit in Vereinen und Verbänden. Trotz zahlreicher Kooperationen mit den Schulen, sehen laut Sportentwicklungsbericht 2016 40 % der Sportvereine im Ganztagsschulbetrieb ein mittleres bis sehr großes Problem. Auch der Landessportbund hat sich dazu durchaus kritisch geäußert.
Alle Eltern, die eigene Erfahrungen mit fußballspielenden oder sonst sporttreibenden Kindern haben, werden dies bestätigen. Wie soll ein Training mit 20 Jungen oder Mädchen aus vier verschiedenen Schulen organisiert werden, wenn viele von ihnen erst nachmittags um 17:00 Uhr müde und hungrig nach Hause kommen und dann noch für die
Vor ähnlichen Problemen stehen Jugendgruppen, kirchliche Verbände oder anderer Organisationen, die zivilgesellschaftlich mit jungen Menschen arbeiten. Vieles von dem, was früher möglich war, ist mittlerweile der Ganztagsschule zum Opfer gefallen. Der Landesverband der freien Musikschulen hat kürzlich sogar davor gewarnt, dass durch die konkrete Ausgestaltung der rheinlandpfälzischen Ganztagsschulpolitik der Rang unseres Bundeslandes als Kultur- und Musikland gefährdet sei.
Nicht zuletzt wird die Zeit für kreative, selbstbestimmte Lebensgestaltung und familiäre Gemeinsamkeit spürbar verringert. Genau diese Zeit aber ist den meisten Kindern und Jugendlichen die wichtigste. Sie ist auch für die Entfaltung ihrer Persönlichkeit von unschätzbarer Bedeutung.
Um nicht missverstanden zu werden, wir brauchen Ganztagsschulen zur Unterstützung jener Familien, die darauf angewiesen sind. Aber die Wahlfreiheit von Eltern darf dabei in keiner Weise eingeschränkt werden.
Deshalb stimmen wir dem CDU-Antrag zu, auch wenn wir es im Sinne dieser Wahlfreiheit und mit Blick auf die im Koalitionsvertrag angekündigte Ausweitung verpflichtender Ganztagsschulen bedauern, dass er darauf verzichtet, ein landesweites und wohnortnahes Angebot an Halbtagsschulen bzw. freiwilligen, nicht rhythmisierten Ganztagsschulen ausdrücklich einzufordern.
Meine Damen und Herren, die gleichen Leute, die in ihrer Jugend mit Inbrunst „We don’t need no education“ gesungen haben, um ihren Widerstand gegen Kontrolle und Normierung durch die Schule auszudrücken, diese Leute werden heute nicht müde, uns die Vorzüge, ja die Notwendigkeit einer möglichst umfassenden staatlichen Bildung vom ersten Lebensjahr an anzupreisen.
Wir setzen dem ein freiheitliches Menschenbild entgegen, das Selbstbestimmung und Vielfalt fördert. Lassen wir den Familien, lassen wir den jungen Menschen so viele Freiräume wie möglich. Sorgen wir dafür, dass ihre Bedürfnisse, ihre Interessen im Vordergrund stehen, anstatt diese immer mehr ökonomischen, arbeitsmarktpolitischen oder gesellschaftspolitischen Zielen unterzuordnen. Das ist moderne Bildungs- und Familienpolitik.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Diskussion, die wir heute hier führen, wird nirgendwo sonst auf der Welt verstanden. In anderen europäischen Ländern, in
Übersee, in Kanada, egal wo wir hingehen, ist die Ganztagsschule Teil der Lebensrealität der Kinder und Familien.
Ich verstehe nicht, warum wir in Deutschland dieses Fass immer und immer wieder aufmachen. Ich möchte es gleich zu Beginn in aller Deutlichkeit sagen: Die Wahlfreiheit der Eltern bezüglich der Schulwahl ihres Kindes wird in Rheinland-Pfalz durch diese Landesregierung nicht angetastet.
Wahlfreiheit bedeutet die Wahl der Eltern zwischen verschiedenen Schularten und auch zwischen der Halbtagsbzw. der Ganztagsform. Wer warum auch immer bereits um 13:00 Uhr den Schultag beenden will, besucht eine klassische Halbtagsschule. Die Ganztagsschule in Angebotsform wird oftmals in den ersten zwei oder drei Jahren der weiterführenden Schule von den Eltern und Schülern favorisiert.
Dies ist so, weil gerade in dieser Anfangsphase Unterstützung durch Hausaufgabenhilfe und Förderunterricht gewünscht wird. Ruhe- und Entspannungsphasen sowie viele Arbeitsgemeinschaften ergänzen das Angebot an vier Tagen in der Woche bis 16:00 Uhr.
Damit ist Kontinuität der Förderung gewährleistet und auch die Verlässlichkeit des pädagogischen Angebots gegeben. Eine Begrenzung auf einzelne Tage in der Woche, Montag bis 16:00 Uhr, Dienstag bis 13:00 Uhr, Mittwoch bis 15:00 Uhr und Donnerstag bis 14:30 Uhr: Frau Schneid, Sie nennen das Flexibilität. Ich nenne es anders und sage, das ist schulorganisatorisch und pädagogisch Unfug.
Hausaufgabenbegleitung lebt von der Kontinuität der Begleitung. Sie können nicht sagen, montags begleiten wir das Kind, dienstags geht es nach Hause, und mittwochs machen wir wieder eine Stunde.
Ihr Argument, dass die Vereine, Familien und Kirchen über das GTS-Angebot bis 16:00 Uhr klagen würden, lässt sich sehr leicht entkräften.
Bei einer verpflichtenden Ganztagsschule gehen die Schülerinnen und Schüler mit gemachten Hausaufgaben um 16:00 Uhr anschließend in ihre Musikstunden oder in die Vereine.