Protocol of the Session on June 2, 2016

Malu Dreyer, Ministerpräsidentin; Doris Ahnen, Ministerin der Finanzen, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie, Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten, Roger Lewentz, Minister des Innern und für Sport, Herbert Mertin, Minister der Justiz, Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz, Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, Prof. Dr. Konrad Wolf, Minister für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur; Clemens Hoch, Staatssekretär, Heike Raab, Staatssekretärin.

Entschuldigt:

Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung; Andy Becht, Staatssekretär, Philipp Fernis, Staatssekretär, Dr. Thomas Griese, Staatssekretär, Günter Kern, Staatssekretär, David Langner, Staatssekretär, Dr. Christiane Rohleder, Staatssekretärin.

3. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 02.06.2016

B e g i n n d e r S i t z u n g : 0 9 : 3 0 U h r

Meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie zur dritten Plenarsitzung in der 17. Wahlperiode des rheinland-pfälzischen Landtages recht herzlich begrüßen. Schriftführer werden heute morgen zu Beginn sein Herr Johannes Klomann und Frau Marion Schneid, die die Rednerliste führen wird.

Entschuldigt fehlen Frau Staatsministerin Dr. Hubig ab Mittag wegen der Teilnahme an der Jugend- und Familienministerkonferenz, die Staatssekretäre Herr Becht, Herr Fernis, Herr Dr. Griese, Herr Kern, Herr Langner und Frau Dr. Rohleder wegen dienstlicher Termine.

Die Tagesordnung ist Ihnen zugegangen. Es gibt keine Änderungswünsche zu der vorliegenden Tagesordnung. Dann wird die Tagesordnung so festgestellt.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aussprache über die Regierungserklärung der Ministerpräsidentin

Hierzu gibt es Wortmeldungen.– Frau Klöckner, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, Frau Ministerpräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist kein Geheimnis: Wir Christdemokraten hätten nach 25 Jahren gern die Oppositions- gegen die Regierungsbank getauscht, um notwendige, um andere Akzente in der Landespolitik zu setzen. Das haben wir nicht geschafft. Für uns ist das eine große Enttäuschung. Wenn man so gearbeitet, gekämpft und dann doch nicht gewonnen hat, dann ist das hart. Aber das gehört zur Demokratie dazu.

Die Regierungsbildung ging an die SPD. Dazu möchte ich Ihnen, Frau Ministerpräsidentin Dreyer, noch einmal gratulieren, Ihnen alles Gute für unser Land wünschen. Das geht auch an all die Kolleginnen und Kollegen, die neu oder vielleicht wieder in dieses Plenum gewählt worden sind.

Ich möchte auch an diejenigen denken, die unerwartet nicht mehr in dieses Parlament gewählt worden sind, die andere Pläne hatten und dann mit dem Ergebnis zurecht kommen mussten. Das kennen alle Fraktionen hier. Auch an die wollen wir heute denken.

Wir stehen heute hier im Mittelpunkt. Während wir hier debattieren, sind ganz viele Menschen in Rheinland-Pfalz und in Deutschland damit beschäftigt, ihre Keller wieder leer zu pumpen, wieder dort Ordnung hineinzubringen, wo es ein großes Unwetter gegeben hat. In Bayern sind Menschen ums Leben gekommen. Ich möchte mein Beileid

all den Familien aussprechen, die ein so tragisches Leid tragen müssen. Ich möchte all denen in unserem Land danken, den vielen Helferinnen und Helfern, die versuchen, bei anderen Menschen wieder Ordnung ins Leben zu bringen. Deshalb sage ich Danke. Möge keiner dabei zu Schaden kommen!

(Beifall im Hause)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir als CDU-Fraktion sind die zweitstärkste Kraft in diesem Parlament. Diesen Auftrag, zweitstärkste Kraft zu sein, nehmen wir sehr ernst, um einen lebendigen, demokratischen Parlamentarismus zu stärken, die Regierung im Sinne unserer Bürger zu kontrollieren, die Regierung zu hinterfragen; denn eines ist klar, Regierungsinteressen sind nicht automatisch Bürgerinteressen.

Wir werden eine kraftvolle, eine starke Opposition sein. Mutig, klar, unterscheidbar. Wir haben gute Leute und gute Ideen, um vernünftige Politik mit Augenmaß zu machen.

Frau Ministerpräsidentin, Ihr Auftrag und der Ihrer Regierung ist die Erarbeitung von Lösungen für die drängenden politischen Fragen. Wir werden das, was Sie tun oder unterlassen, kontrollieren. Wir werden bewerten. Wir Christdemokraten werden in Chancen denken, nicht in Strukturen und nicht in kleinsten gemeinsamen Nennern.

Unsere christdemokratische Politik setzt auf Sicherheit und Verlässlichkeit für die Bürger, nach innen wie nach außen, auf eine Integrationspolitik, die fördert, aber auch fordert, auf nachhaltiges Wirtschaftswachstum und sichere Arbeitsplätze, auf vergleichbare Bildungsqualität, auf eine Haushaltspolitik, die die kommenden Generationen im Blick hat und ihnen nicht die Luft zum Atmen nimmt, auf eine Politik, die die Alten und Schwachen und nicht nur die, die auf der Überholspur des Lebens sind, im Blick hat. Ich glaube, eines ist klar: Die Stärke einer Gesellschaft hängt davon ab, wie sie mit den Schwachen in der Gesellschaft umgeht.

(Beifall der CDU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Vorsitzende der SPD-Fraktion hat sich vor einigen Tagen mit den Worten zitieren lassen: „Der Hauptgegner ist (...) die CDU (...).“

Herr Schweitzer, das können Sie gerne so sehen. Wir aber definieren uns nicht über Gegner, sondern über Aufgaben.

(Beifall der CDU)

An dieser Stelle sage ich ein persönliches Wort an die Abgeordneten meiner Fraktion: Ich bin stolz auf Eure, auf unsere Arbeit in den vergangenen fünf Jahren. Wir haben gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern inhaltlich so stark und fachlich fundiert gearbeitet wie keine andere Fraktion in diesem Landtag.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch bei der SPD)

Vieles von dem, was wir gemeinsam erarbeitet haben und was die regierungstragenden Fraktionen zunächst kategorisch ablehnten, ist schließlich doch von der Regierung

übernommen worden: Denken wir nur einmal an die Flüchtlingspolitik oder das Integrationsgesetz.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich nenne ein Zitat: „Im Land ist ein Unbehagen zu spüren.“ Das sind eindringliche Worte des Bundespräsidenten Gauck vor einigen Tagen. Es gebe ein großes Bedürfnis nach Diskussion. Bei vielen Themen herrsche Unsicherheit und Ungewissheit: Flucht und Einwanderung, Terrorismus, Kriege, Schulden, Rente, Freihandel, Digitalisierung, Europa.

Verehrte Kollegen und Kolleginnen, jede Gesellschaft braucht Grundvorstellungen dessen, was richtig und was falsch ist. Diese Grundvorstellungen sind nicht einfach vorgegeben oder fallen vom Himmel, sondern sie unterliegen dem Wandel und müssen immer wieder neu ausgehandelt werden. Deshalb wird auch unsere Arbeit hier nie fertig sein. Der Wandel ist unumgänglich. Der Umgang mit diesem Wandel ist eine Frage der Haltung, wie es der Historiker Professor Andreas Rödder formuliert.

Wer will, dass sich nichts ändert, ist ein Traditionalist. Der Reaktionär will den früheren, den vormodernen Zustand wiederherstellen. Der Konservative hingegen weiß, dass der Wandel unumgänglich ist, und daher will er den Wandel so gestalten, dass er für die Menschen verträglich ist, dass sie keine Verlustängste haben müssen. Das ist die Haltung von uns Christdemokraten, wir machen alltagstaugliche Politik.

(Beifall der CDU)

Gerade deshalb – und ich möchte noch einmal Bundespräsident Gauck zitieren: – „(...) darf Demokratie Unterschiede, die es gibt, nicht glattbügeln.“ Vielmehr müssen Differenzen und Widersprüche auch ihren Raum finden können.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir stehen in den kommenden fünf Jahren vor großen Aufgaben. Wir werden hier im Plenum um die besten Antworten ringen. Beteiligung, Engagement und Diskussionen lohnen sich in einer Demokratie, wenn sie offen und anständig geführt werden.

Die Debatten offen zu führen, ohne die gewohnten Reflexe der schnellen Ablehnung des anderen, das wollen wir versuchen.

Frau Dreyer, Herr Lewentz und Herr Schweitzer, es ist zu einfach, jeden, der genau hinschaut, eine Opposition, die kontrolliert und kritisiert und nicht das Lied der Regierung singt, zu bezichtigen, sie würden das Land schlechtreden.

(Beifall der CDU)

Ich sage gerade an Sie Frau Dreyer, Herr Lewentz und Herr Schweitzer, gehen Sie einfach souveräner mit angebrachter Kontrolle und Kritik in dieser Legislaturperiode um.

(Beifall der CDU und der AfD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in den kommenden fünf Jahren wird es in diesem Plenum Unterschiedliches

und Gegensätzliches geben. Das wird so sein. Es wird aber auch Gemeinsames geben. Davon bin ich überzeugt.

Wir Christdemokraten setzen uns dafür ein, dass unser Bundesland und seine Bürger eine gute Zukunft haben. Denn wir fühlen uns wie Sie alle hier unserem Land Rheinland-Pfalz verpflichtet. Dem gesellschaftlichen Zusammenhalt, der Solidarität, den neuen Chancen.

Frau Dreyer, diese Ziele teilen wir. Auch wir wollen – ich zitiere –, „dass die Menschen zusammenhalten. Dass sie gut zusammen leben, dass sie sich wohl fühlen in unserem Land.“ Aber ein gutes Gefühl allein reicht nicht. Belastbare Grundlagen für die gute Zukunft müssen erarbeitet werden.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Ich will hier ganz deutlich machen, unser Anspruch geht weiter als Ihr gestriger. Wir wollen eine ehrliche Politik für unser Land. Nicht nur Schönfärberei. Auch eine ehrliche Bestandsaufnahme ist wichtig, um passende Entscheidungen für die Zukunft treffen zu können.

Was kann sich unser Land überhaupt noch leisten? Was macht den Menschen Angst, und warum fühlen sie sich eben nicht immer nur wohl? Warum sind Bürger häufig politikverdrossen und unzufrieden?

In den vergangenen zehn Jahren sind viele Entwicklungen plötzlich und abrupt verlaufen. Viele Menschen haben und hatten das Gefühl, nicht mehr mithalten zu können. Es ist nicht nur schön und gut in unserem Land, es gibt auch Probleme in Rheinland-Pfalz, Frau Dreyer.

Kein Wort gestern von Ihnen zur stark gestiegenen Kinderarmut in unserem Land Rheinland-Pfalz. Warum ist das so?

(Beifall bei der CDU)