Eines der zentralen Themenfelder, auf dem wir ganz schnell entlang dessen, was ich als Wertekanon eben beschrieben habe, Übereinstimmung festgestellt haben, ist das Thema Gebührenfreiheit. Ich will deutlich sagen, dass es für mich – vielleicht war ich da alten Auffassungen aufgesessen – ein überraschender Weg war, als die FDP in Rheinland-Pfalz, und zwar deutlich vor der Landtagswahl, sich nach einer eingehenden Diskussion – lieber Herr Wissing – dazu bekannt hat zu sagen, wir brauchen die Gebührenfreiheit, um Chancengerechtigkeit herzustellen. Das war für uns etwas, wovon wir gedacht haben, hoppla,
Es ist ein Leitmotiv dieses Koalitionsvertrags, Menschen Chancen zu geben und ihnen keine Hürden aufzubauen, meine Damen und Herren.
Natürlich ist es das Vorrecht und manchmal auch die einzige Möglichkeit der Opposition, einen solchen Koalitionsvertrag ein wenig zu desavouieren und zu sagen, der sei so unverbindlich, und es wäre nichts Konkretes drin.
Liebe Frau Klöckner, ich will Ihnen sagen, dieser Koalitionsvertrag ist ein Koalitionsvertrag der klaren Ansagen.
Es ist ein Koalitionsvertrag, der als klares Drehbuch für mindestens fünf Jahre gute Regierungszeit dienen wird. Dieses „mindestens“ unterstreiche ich doppelt und dreifach, meine Damen und Herren.
Darum sage ich, auch diese Ampelkoalition, dieser Koalitionsvertrag ist ein Koalitionsvertrag, der zu Rheinland-Pfalz passt. Er ist pragmatisch, er ist praktisch, und er ist gut.
Die SPD bringt sich mit ihrer besonderen Stärke ein. Hier in Rheinland-Pfalz – das sage ich für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten – sind wir noch nahe am Lebensgefühl der Menschen. Das ist Auszeichnung und Aufgabe zugleich.
Wenn Sie sich die letzten 25 Jahre anschauen, meine Damen und Herren – die CDU mit einer Träne im Knopfloch –, dann haben Sie immer gesehen, die SPD hat sich auch vor großen Aufgaben nie weggeduckt. Wir waren immer bereit, Verantwortung zu übernehmen, und das sind wir auch in Zukunft, in den nächsten fünf Jahren und darüber hinaus, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, ich möchte das Element zu Beginn meiner Einlassung noch einmal aufnehmen: Wie ist es mit der sozialen Marktwirtschaft? – Der sozialen Marktwirtschaft hat immer ein Aufstiegsversprechen innegewohnt. Es war immer klar, diese soziale Marktwirtschaft transportiert die Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger, Leistung lohnt sich. Es war ein Kampfbegriff auch der alten Bonner Republik, Leistung muss sich wieder lohnen, kein Begriff und kein Satz, den man gemeinhin einem Sozialdemokraten ins Vokabular legt.
Da fängt es aber an, interessant zu werden. Es gibt auch einen anderen Satz. Den hat vielleicht mancher schon in seiner Kindheit gehört: Jeder ist seines Glückes Schmied. – Ich glaube, dass viele in dieser Gesellschaft sich danach sehnen, dass diese Sätze wieder Berechtigung haben, dass diese Sätze tatsächlich auch für ihr eigenes Lebensmodell wieder gelten.
Schauen Sie sich die Studie des DIW an. Über das Zahlenmaterial mag man streiten. Ich will aber klar und deutlich sagen, mich fasst es an, wenn ich sehe, dass die Mitte der Gesellschaft deutlich zum Ausdruck bringt, dass sie schon lange das Gefühl hat, dass es auf die Leistung, auf die individuelle Leistung am Ende gar nicht mehr ankommt, dass die eigene Biografie kaum noch durch das geprägt werden kann, was man selbst bereit ist einzusetzen. Noch viel schlimmer, dass man, wenn man seinen eigenen Kindern sagt, streng dich an, komm morgens aus dem Bett, gehe in die Schule, sorge dafür, dass es in der Ausbildung gut läuft, dann wirst du es mindestens einmal so gut oder besser haben, dass dieses Versprechen ebenfalls beschädigt ist, meine Damen und Herren.
Das ist nicht nur eine Herausforderung für die soziale Marktwirtschaft. Wenn dieser Grundglauben, der uns in Deutschland stark gemacht hat, einmal berührt ist, dann gehen wir auch an das Element der Demokratie insgesamt, wenn dieses Versprechen nicht mehr eingehalten werden kann, meine Damen und Herren.
Dieses Aufstiegsversprechen muss in Deutschland erneuert werden. Dazu haben viele beizutragen. Da müssen wir über die Verantwortung der Wirtschaft nachdenken. Da müssen wir auch über die Verantwortung, die wir im Steuerund Abgabensystem sehen können, nachdenken. Wir brauchen einen Handlungsrahmen, den wir in Rheinland-Pfalz gestalten wollen. Ja, wir brauchen den handlungsfähigen Staat. Ich sage auch, wir brauchen den starken Staat. Wir brauchen einen Staat, der sich wieder neue Möglichkeiten der Handlungsfähigkeit schafft. Dazu gehört die Schuldenbremse. Auch das gehört für mich in diesen Kanon mit hinein.
Wir brauchen, nicht nur, weil es uns im Verfassungsgebot präsentiert ist, sondern weil wir selbst den Anspruch haben, die Nettoneuverschuldung bei null noch in dieser Wahlperiode, weil wir dann, erst dann wieder sagen können, neue Handlungsspielräume können entstehen, neue Wachstumskräfte können entstehen.
Wir brauchen darüber hinaus eine verlässliche Grundlage der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, wie sie Ministerpräsidentin Dreyer gestern dargestellt hat.
Meine Damen und Herren, diese Befähigungspolitik, die ich beschreiben möchte, hat ihren Ausgang natürlich in der Familie, aber auch in den Angeboten für die Familie. Dazu gehört die gebührenfreie Bildung in den Kindertagesstätten bis zur Hochschule. Dazu gehören auch neue Angebote in den Kindertagesstätten, und es gehört dazu,
Die Unterrichtsversorgung in Rheinland-Pfalz ist richtig gut. Die Zahlen haben wir in den letzten Jahren immer stärker zur Kenntnis nehmen können. Wir wollen sie aber noch weiter ausbauen. Der Ausbau der Unterrichtsversorgung soll auf 100 % gehen. Die Maßnahmen sind gestern konkret angesprochen worden. Wir werden schon in diesem Schuljahr 270 Lehrerstellen neu schaffen, und wir werden den Vertretungslehrerpool um 200 Stellen auf dann 1.000 Stellen erhöhen. Das wird unmittelbar positive Wirkung in den Schulen des Landes Rheinland-Pfalz haben, meine Damen und Herren.
Manches kommt hinzu. Ich nenne den weiteren Ausbau der Berufswahl- und Studienorientierung. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir dem Ziel der Gleichwertigkeit der Ausbildungslaufbahn, also zwischen den schulischen und betrieblichen Angeboten und den universitären Angeboten, immer wieder neue Angebote unterstellen, so zum Beispiel den Meisterbonus, ein konkretes Angebot an die Menschen, die sich für diesen Abschluss entschieden haben, sie gleichzustellen mit denen, die den akademischen Weg suchen. Aber auch der Einsatz für den Erhalt des Meistertitels gehört dazu. Dieser Kampf ist noch nicht endgültig gewonnen. Das will ich auch sagen, auch mit Blick auf die europäische Ebene.
Ich nenne die Betreuungsgarantie. Natürlich ist formuliert, dass wir in die Betreuungsgarantie einsteigen werden. Es ist doch so, dass wir sagen, da ist ein Problem trotz aller Ganztagsangebote, die wir aufgebaut haben, wo wir inzwischen Spitzenreiter in ganz Deutschland sind. Aber wie ist es mit den Wochen und Randzeiten? – Da gibt es noch manches Problem. Wer das aus dem familären Bereich kennt, oder wer nicht das Glück hat – es ist ein persönliches Glück, aber es ist in dieser Hinsicht auch ein betreuungsmäßiges Glück –, mit einer Lehrerin verheiratet zu sein, der kann sich vorstellen, wie es ist, wenn man diese sechs Wochen – manchmal ist es sogar auch noch ein bisschen mehr im Jahr – zu organisieren hat. Da sagen die Eltern, da müsst ihr einmal herangehen, und wir werden Antworten geben. Auch da sind wir nah an den Menschen, meine Damen und Herren.
Es kommt ein Weiteres hinzu, nämlich die Vernetzung unserer Kindertagesstätten mit all den Angeboten, die wir in der Gesellschaft immer wieder neu brauchen, und das sind die musischen und die sportlichen Angebote.
Meine Damen und Herren, es ist gestern von Frau Ministerpräsidentin Dreyer angesprochen worden, dass wir uns in der Begutachtung zur Kommunal- und Verwaltungsreform gemeinsam die Frage der Aufgabenverteilung auf der staatlichen Ebene vorgenommen haben – die Mittelbehörden. Das ist „Politiksprech“. Ich will es für die Zuschauerinnen und Zuschauer übersetzen. Das sind unter anderem die früheren Bezirksregierungen, das sind die SGDen, die
die wir uns staatlicherseits vorgenommen haben, und wir sagen, das muss alles gemeinsam mit den Landesbehörden betrachtet werden.
Das ist so. Wir haben uns gemeinsam mit der stärksten Oppositionsfraktion auf diesen Weg gemacht. Ich kann nur an Sie appellieren, bleiben Sie bei Ihrer Zusage, diesen Weg mit uns gemeinsam zu gehen. Dazu haben Sie sich damals durchgerungen. Ich fand das beachtlich. Sie sollten auch nach einer Landtagswahl von diesen Zusagen nicht abgehen.
Unser Innenminister hat die Frage der Kommunalförderungen auf einen neuen Weg gebracht, und gleichzeitig hat die Regierung schon in ihrer ersten Kabinettssitzung Arbeitsgruppen eingesetzt, die die Neustrukturierung dieser Landesverwaltung unter dem Zeichen der Schuldenbremse angehen. Das sind Fragen des Regierungsgeschäftes. Aber was heißt das für uns als Parlament?
Gestern haben viele von uns applaudiert, als die Ministerpräsidentin angekündigt hat, wir werden uns dafür aussprechen, dass das Kooperationsverbot fällt, also dass sozusagen staatliche Aufgaben im Bildungsbereich zwischen Bund und Ländern neu verteilt werden.
Wir sehen, es gibt eine Verschiebung der politischen Aufgaben und der staatlichen Aufgaben zwischen den Ebenen des Bundes, der Länder und den Kommunen. Heißt das für uns als Parlament, nichts ändert sich für uns? Ist das nicht auch eine Herausforderung für uns als der Ort der Debatte?
Ich bin der Meinung, dass Landespolitik eine Rolle spielen muss, weil niemand besser zwischen der Unmittelbarkeit der Kommune und den staatlichen Aufgaben der Bundesebene vermitteln und sich positionieren kann, als es die Länder können.
Aber wir haben neue Aufgaben, und die Frage des Parlaments muss sich auch neu stellen. Wir haben hier eine Herausforderung, die da lautet: Wo sind denn tatsächlich noch die Aufgaben eines Landesparlaments? Sind wir so etwas wie die „Zweite Bundesliga der Politik“, oder sind wir nicht die, die tatsächlich auch den Dialog zwischen Bürgerinnen und Bürgern, der Politik und den politischen Instanzen sehr viel näher und besser führen können als manche, die sich vermeintlich oder tatsächlich in der „Ersten Bundesliga der Politik“ wähnen, meine Damen und Herren? – Das ist eine Aufgabe. Es ist eine Frage. Ich finde, wir können diese Frage gemeinsam angehen, aber wir sollten sie auch mit Selbstbewusstsein angehen.
Meine Fraktion hat auf meinen Rat hin in der vergangenen Wahlperiode die Kolleginnen und Kollegen des damaligen
Landtags zu einer Orientierungsdebatte zum Thema Leben im Alter, zum Thema Sterbebegleitung eingeladen. Das war Neuland für uns.
(Abg. Hedi Thelen, CDU: Deswegen kam es in der Regierungserklärung nicht vor, weil es so wichtig war!)
Da hat das Parlament sich eine neue Rolle weit über das Thema Gesetzgebung hinaus gesucht. Ich finde, das kann auch in den kommenden fünf Jahren, vor denen wir jetzt stehen, eine Rolle sein, die sich dieses Parlament nimmt. Ich lade alle dazu ein. Wir sollten mit diesem ersten Erfolg und dieser ersten guten Erfahrung im Rücken nicht auf halbem Wege haltmachen.
Meine Damen und Herren, nach der Herausforderung der Flüchtlingsunterbringung, die die Vorgängerregierung unter Malu Dreyer in den letzten anderthalb Jahren sehr beschäftigt hat und die sie erfolgreich mit den Kommunen und den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern gestaltet hat, geht es nun darum, die Integration zu einem gelingenden Projekt zu machen.
Die Ministerpräsidentin hat recht, wenn sie sagt, das eine war der Sprint, und jetzt kommt der Marathon. Integration ist eine Marathonaufgabe. Das ist eine Aufgabe, die wir nicht innerhalb einer Wahlperiode auch nur im Ansatz lösen können. Wir reden hier über eine Generationenaufgabe.