Die körperlichen Verletzungen einer Tat heilen in vielen Fällen vergleichsweise schnell aus. Materielle Schäden lassen sich oft ausgleichen. Unter den von der Tat verursachten psychischen Folgen haben die Opfer jedoch in vielen Fällen noch lange zu leiden.
Der Bundesgesetzgeber hat mit dem 3. Opferrechtsreformgesetz insbesondere in § 406g StPO einen Rechtsanspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung für die Opfer von bestimmten Straftaten geschaffen. Das Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten. Dadurch soll das Instrumentarium der Opferschutzregelungen erweitert werden.
Meine Damen und Herren, dieses Gesetz des Bundes wird von uns ausdrücklich begrüßt; denn es ist von besonderer Bedeutung, das Augenmerk bei Straftaten nicht nur auf die notwendige Verfolgung von Tätern, sondern auch auf die Betreuung der Opfer zu richten.
Der hier in Rede stehende Opferschutzbericht ist in mehrere Abschnitte gegliedert. Zuerst wird eine Übersicht über die wichtigsten gesetzlichen Änderungen seit Oktober 2014 im Bereich Opferschutz gegeben. Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit der Geschädigten- und Opferentwicklung in Rheinland-Pfalz. Zum Abschluss wird dann über Maßnahmen und Projekte des Opferschutzes in Rheinland-Pfalz berichtet.
Lassen Sie mich kurz etwas zur Übersicht über die Geschädigten- und Opferentwicklung in Rheinland-Pfalz ausführen. Grundlage der statistischen Angaben ist die Polizeiliche Kriminalstatistik in Rheinland-Pfalz. Es sind nur jene Straftaten berücksichtigt, die der Polizei durch Strafanzeige oder auf anderem Weg bekannt wurden. Der Betrachtungszeitraum reicht von 2006 bis 2015.
Geschädigte im Sinne der PKS-Richtlinie können natürliche und nicht natürliche Personen sein, gegen die sich die Straftat richtet. Opfer sind Geschädigte oder unmittelbar Betroffene speziell definierter Delikte gegen höchstpersönliche Rechtsgüter, so zum Beispiel das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit, die Ehre, die sexuelle Selbstbestimmung und Widerstandsdelikte.
Laut Opferschutzbericht hat die Polizei 2015 zu den insgesamt 273.491 Straftaten in Rheinland-Pfalz 295.939 Geschädigte registriert. Bei 21.374, also 7,2 % der Geschädigten, blieb es beim Versuch einer Straftat. Der Anteil der 51.084 Opfer an den Geschädigten insgesamt betrug 17,3 %. 2006 waren es 15,4 %.
25.000 Fälle bzw. 8,5 % hat die Anzahl der Geschädigten im Vergleich zu 2006 um 18.541 bzw. 5,9 % abgenommen. Die Zahl der Opfer ist um 2.112 bzw. 5,6 % gestiegen. Dieser Anstieg der Opferzahl liegt laut Opferschutzbericht insbesondere darin begründet, dass die Widerstandshandlungen aufgrund von Änderungen der PKS-Richtlinien erst seit dem Jahr 2011 als Opferdelikte ausgewiesen wurden.
In allen Altersgruppen der unter 21-Jährigen sank die Opfergefährdungszahl im Vergleich zu 2006 um minus 11,9 %. Bei Erwachsenen stieg sie jedoch mit einem Plus von 18,0 % deutlich an.
Mit einer Opfergefährdungszahl von 1.532 ist das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, bei Männern deutlich höher als bei Frauen mit einem Wert von 1.024. Im Vergleich zu 2006 hat die Opfergefährdungszahl sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen zugenommen.
Insgesamt 55,2 % der Opfer standen zu dem Täter in einer Beziehung, wobei der Anteil der Opfer, die mit dem oder der Tatverdächtigen eine Ehe oder Partnerschaft führten oder Familienmitglieder waren, 23,8 % betrug.
Dem Anstieg der Opfer von Rohheitsdelikten und Straftaten, die zu 70 % aus Körperverletzungen bestehen, stehen Rückgänge der Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie gegen das Leben gegenüber. Im Rahmen ihres Berufs bzw. ihrer Tätigkeit wurden 13,7 % der Personen zu Opfer, darunter fast die Hälfte Polizeibeamte.
Ein wichtiger Gesichtspunkt ist der vorbeugende und der nachsorgende Opferschutz. Auf Seite 93 des Opferschutzberichts wird ausgeführt: „Eine gute personelle Ausstattung von Polizei und Justiz ist für einen effektiven Schutz der Menschen in Rheinland-Pfalz unverzichtbar. Eine schnelle und effektive Arbeit der Strafverfolgungsbehörden ermöglicht eine umfassende und zeitnahe Aufklärung von Straftaten und erhöht das Risiko für Täter bzw. Täterinnen entdeckt zu werden und trägt somit wesentlich zur Verbrechensverhütung bei.“ – Das können wir zu 100 % unterstützen.
Nur wird die Landesregierung dem leider nicht gerecht, da wir zu wenig Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in Rheinland-Pfalz haben und die Großen Strafkammern bei den Landgerichten vollkommen überlastet sind.
Ich denke, hier besteht Nacharbeitungsbedarf. Es wäre gut, wenn die Landesregierung öfter auf die Forderungen der CDU-Fraktion gehört hätte.
Herr Schweitzer, wir machen ab und zu gute Vorschläge, und Sie nehmen sie nicht an. Das ist das Problem.
der Jugendkriminalität leisten insbesondere die Häuser des Jugendrechts gute Arbeit. Hier wird eine Zusammenarbeit von Polizei, Staatsanwalt, Jugendgerichtshilfe sowie freien Trägern unter einem Dach praktiziert.
Dadurch ergeben sich kurze Informationswege und zeitnah und individuell auf den jeweiligen Erziehungsbedarf zugeschnittene Reaktionen auf delinquentes Verhalten. Das sind Einrichtungen, die von uns begrüßt wurden.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist der nachsorgende Opferschutz. Opfer mit ihren Ängsten und Sorgen müssen ernst genommen werden. Es gibt das Pilotprojekt für OEGTraumaambulanzen. Fachkompetente Hilfe wird in verschiedenen Kliniken gewährt. Betreut werden Fälle mit Kapitelverbrechen, Vergewaltigung, sogenannten SchockSchäden, zum Beispiel Tatzeuginnen und -zeugen von Mord, Totschlag, Raub und schwerer Körperverletzung.
Wichtig sind die psychosoziale Prozessbegleitung und der Täter-Opfer-Ausgleich. Wir freuen uns und sind froh – ich komme zum Ende, Herr Präsident –, dass es einen Opferschutzbericht gibt. Die Opfer verdienen unsere Beachtung und Unterstützung. Mein Dank gilt allen ehrenamtlichen Opferhilfsorganisationen, ohne die die Stellung der Opfer noch schlechter wäre.
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kollegen! Der Fünfte Bericht der Landesregierung zur Verbesserung des Opferschutzes, kurz Opferschutzbericht, erwähnt an einigen Stellen durchaus positive Entwicklungen. So ist die Zahl der Geschädigten in den letzten zehn Jahren um fast 6 % zurückgegangen.
Leider wird diese scheinbar positive Entwicklung dadurch sehr getrübt, dass gerade bei den besonders schwerwiegenden Straftaten, also Delikten gegen Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Ehre und sexuelle Selbstbestimmung, die Zahl der Fälle im selben Zeitraum um annähernd den gleichen Prozentsatz gestiegen ist.
Berücksichtigt man aber, dass die Zahl der Fälle, in denen sich Straftaten gegen den Staat bzw. die Allgemeinheit richteten, um fast 13 % gestiegen sind, zeigt sich auch hier ein eher beunruhigendes Bild. Dass dieser Anstieg auch in ganz besonderem Maße durch Straftaten gegen das Aufenthalts-, Asylverfahrens- und Freizügigkeitsgesetz zurückzuführen ist, möchte ich an dieser Stelle zunächst unkommentiert lassen. Ein Plus von weit über 10.000 Fällen, sage und schreibe über 470 %, spricht für sich.
Im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Aufenthaltsgesetz hat ein Verschweigen der ausländischen Herkunft der Täter eine immerhin amüsante Note. Weniger amüsant ist es, dass bei der Darstellung privater OpferTäter-Beziehungen die Herkunft der Täter offenbar nicht mehr erfasst wird. Eine Unterscheidung beispielsweise zwischen Straftaten Deutscher gegen Ausländer und Straftaten unter Ausländern ist daher nicht mehr möglich. Das ist so gewollt.
Selbstverständlich könnte man der Landesregierung zugutehalten, dass es für das Opfer einer Straftat wohl in erster Linie keine Rolle spielt, ob diese von einem Landsmann begangen wurde oder nicht und weshalb man diese nicht mehr erfassen wolle.
Allerdings stellt sich dann die Frage, wieso bei der Verteilung der Opfer deren Staatsangehörigkeit selbstverständlich erfasst wird. Tatsächlich entsteht beim Lesen des Opferschutzberichts der Landesregierung der Eindruck, dass dieser aus einer anderen Zeit stammt, nämlich aus einer Zeit, in der ausländische Staatsangehörige in der öffentlichen Darstellung als Opfer von Straftaten in Erscheinung treten durften und die einzige Bedrohung für diesen Staat und seine Bürger von Rechtsextremen ausging.
Wo Straftaten rechtsextrem motiviert sind, müssen selbstverständlich Ross und Reiter genannt werden. Wo Rechtsextremismus den Staat und seine Bürger bedroht, muss dieser Bedrohung entgegengewirkt werden.
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist aber schon bezeichnend, wenn in diesem Opferschutzbericht die Begriffe „rechtsextrem“ oder „Rechtsextremismus“ ganze 43-mal auftauchen – etwa wenn die zahlreichen Maßnahmen gegen Rechtsextremismus aufgezählt werden –, der Begriff des Linksextremismus aber kein einziges Mal erwähnt und allenfalls im Kontext von Maßnahmen gegen politischen Extremismus kurz angedeutet wird.
Vielleicht ist das auch nicht verwunderlich, sind Teilnehmer aus dem linksextremen Spektrum doch immer wieder gern gesehene Gäste auf Protestveranstaltungen mancher Vertreter der Regierungsparteien. Für Distanzierungen gegenüber ihren linksextremen Mitstreitern fehlt den betreffenden Politikern aufgrund ihrer vielfältigen Pflichten vermutlich einfach nur die Zeit.
Auch Islamismus und Salafismus werden in dem Bericht an erschreckend wenigen Stellen thematisiert. Nun ist die Bedrohung durch Islamismus und Linksextremismus für diesen Staat und seine Bürger aber ein trauriger Teil seiner Realität. Erst Anfang der vorvergangenen Woche bekannten sich in Berlin Linksextremisten keck zu Steinewürfen
Diesen Bedrohungen keinerlei oder nur eine untergeordnete Bedeutung zuzuweisen, wie dies im vorliegenden Bericht leider suggeriert wird, ist schlichtweg eine Verleugnung der Realität.
Sie repräsentiert eine Haltung, die letztendlich gefördert hat, dass sich etwa im Bereich des Islamismus jene Strukturen entwickeln konnten, die im vergangenen Jahr zu den bekannten tragischen Ereignissen geführt haben.
Der im Jahr 2007 vom Landtag an die Landesregierung erteilte Auftrag umfasst aber auch die Beurteilung der aktuellen Gesetzeslage und die Frage nach notwendigen Initiativen. Neben dem retrograden Blick fordere ich also entsprechend dieses im Jahr 2007 erteilten Auftrags, einen klaren Blick auf die Gegenwart zu werfen. Ich fordere, dass Sie sich mit etwas Vorstellungsvermögen dem zuwenden, was uns in der nahen Zukunft bevorsteht.
Ich fordere Sie vor allem zu wirksamen Handlungen auf, angefangen bei der Polizei als jener Berufsgruppe, die bei den Menschen, die in Ausübung ihres Berufs zu Opfern werden, über 46 % ausmachen.