Vielen Dank. – Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass die vielfach gemachten Bemerkungen, dass wir dieses Thema zu Recht in diesem Hohen Hause aufgerufen haben und miteinander diskutieren, nur eine Seite der Medaille ist. Ich glaube, dass wir sehr viel stärker noch darauf achten müssen, dass diese Diskussion um Hass, Verleumdung, Unwahrheiten und „Fake News“ in den sozialen Medien auch in die Öffentlichkeit gehört, in die gesamte Gesellschaft.
Ich sage Ihnen auch, ich bin sehr froh, dass, wenn man sich einmal anschaut, was geschrieben wird, was in Radio, Fernsehen oder sonst wo über diese Debatte berichtet wird, sich die Wissenschaft, und zwar die juristische wie die Medienwissenschaften, aber auch Journalisten und Verleger – das wurde schon zitiert –, sich viele Menschen an dieser Diskussion beteiligen. Es ist absolut notwendig, dass sich auch die Öffentlichkeit über die Medien bei dieser Diskussion einbringt.
Warum sage ich das? Weil wir natürlich darauf angewiesen sind, dass Dinge, die jetzt in die Öffentlichkeit kommen – sei es über die Neuen Medien, sei es über andere Verlautbarungen, auch in den Parlamenten –, von Journalistinnen und Journalisten, aber auch von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, genau betrachtet und analysiert und dann – darum geht es mir jetzt – umgesetzt werden in Schritte, die wir brauchen, um Dinge zu verändern.
Warum sage ich das? Wenn Sie genau zugehört haben, haben Sie gehört, dass ganz viele, auch juristische, Fragen ein bisschen vermischt worden sind, Meinungsfreiheit, Straftatbestände, aber auch die Frage, wie wir im Zivilrecht miteinander umgehen, welche Rechte es gibt, wie die Plattformbetreiber, aber auch die Individuen als Täter und Opfer zu betrachten sind. Das geht ein bisschen durcheinander.
Ich will deswegen ausdrücklich sagen, wir haben eine Rechtsordnung. Wir haben einen Artikel 5 im Grundgesetz, der die Meinungsfreiheit darstellt. Wir haben aber natürlich diese Meinungsfreiheit nicht unbeschränkt, sondern wir haben sie durch das Bundesverfassungsgericht, durch einfachgesetzliche Regelungen, ein Stück weit beschränkt. Warum? Weil natürlich die Meinungsfreiheit auch
Deswegen gibt es Straftatbestände und Ordnungstatbestände. Im Strafrecht schützt der Staat die Menschen vor Verleumdung, Hass und Beleidigung, aber im Zivilrecht gibt es Unterlassungsansprüche, sogar bis hin zur Frage, ob ich Schadensersatz und eine entsprechende Löschung dieser Dinge verlangen kann. Das ist wichtig, damit wir sagen, wir haben eine Rechtsordnung. Wir sind in diesem Bereich aufgestellt.
Trotzdem gibt es in der öffentlichen Debatte Hinweise – das haben die Bundestagsfraktionen, auch unsere, CDU/CSU, sich schon zum Thema gemacht –, dass man sich genau überlegen muss, wie diese Rechte der Bürger, die noch aus der analogen Gesellschaft stammen, in die digitale Welt übersetzt werden können.
Dafür brauchen wir eine Diskussion und eine wissenschaftliche Begleitung, sodass wir feststellen können, was die Instrumente sind, die wir noch einmal schärfen müssen, und was die Instrumente sind, die wir eventuell neu schaffen müssen.
Viele sind in diesem Zusammenhang schon genannt worden. Ich will aber ausdrücklich für mich, und ich denke, auch für meine Fraktion, sagen, dass diese Diskussion noch absolut nicht am Ende ist.
Natürlich fällt in einer solchen Diskussion – das hatten wir schon in anderen Zusammenhängen bei Medienfragen – immer sehr schnell der Begriff der Zensur. Bitte aber an dieser Stelle etwas vorsichtig sein; denn Zensur will hier wirklich niemand in Deutschland, glaube ich.
Wir müssen aber darauf achten, dass wir tatsächlich Instrumente schaffen und der Bürger, der sich als Betroffener wehren will, die entsprechenden Ansprüche durchsetzen kann. Es wurde schon genannt, wir müssen eventuell die Frage der Anonymität des Täters versuchen zu klären, damit man gegen ihn vorgehen kann. Das gilt natürlich auch für den Staat. Das wurde schon gesagt. Ich denke, dass dort nachgesteuert werden muss.
Wir haben schon bewährte Instrumente im Medienbereich. Das will ich auch sagen. Ich nenne nur einmal die regulierte Selbstregulierung im Jugendmedienschutz. Dort haben wir Instrumente entwickelt, wie der Staat das immer noch überwacht, aber im Grunde genommen die Plattformanbieter sich selbst Regeln aufstellen, wie sie den größtmöglichen Schutz für Jugendliche gewährleisten können. Die Schiedsgerichte stehen in der Diskussion, die dann öffentlich arbeiten sollen. Es gibt andere runde Tische. Andere Dinge sollen in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen.
Ich finde das richtig und wichtig und wünsche mir, dass noch sehr viel intensiver über all diese Instrumente diskutiert wird, in den Parlamenten und – ich sage es noch
einmal – in der Öffentlichkeit. Ich rufe noch einmal alle dazu auf, sich heftig daran zu beteiligen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir sprechen gern von digitaler Welt und analoger Welt. Ich gebe zu, ich tue das auch, aber ich versuche, es mir abzugewöhnen. Es gibt nämlich nur eine Welt, in der wir leben. Sie hat keine rechtsfreien Räume. In allen Welten, die wir betiteln, gibt es Gesetze, die zu beachten sind. Das sollten wir auch so kommunizieren und nicht durch das Verwenden von zwei Welten den Eindruck erwecken, es gebe Regeln, die nur in der einen gelten und in der anderen nicht.
Sollte mir also dieser Fehler künftig passieren, dürfen Sie mich gerne korrigieren. Es gibt nur eine Welt, in der wir leben. Dort gelten unsere Gesetze.
Frau Klöckner, ich gebe Ihnen recht: Selbstverständlich kann man darüber nachdenken, ob wir nicht im Hinblick auf die Neuen Medien, die es gibt, um Informationen zu verbreiten, Anpassungen vornehmen müssen. Hass und Falschmeldungen sind aber kein Kennzeichen dieser neuen Informationsmedien, sondern leider Teil unserer Gesellschaft, und zwar seit immer. Sie können die Bibel zitieren. Bei Kain und Abel war auch etwas, das in diese Richtung zeigt. Insofern ist das etwas, was Menschen leider machen.
Was wir vor einigen Tagen bei einem Fußballspiel erlebt haben, ist, wenn Sie so wollen, Teil der analogen Welt gewesen. Was aber dort an Gewaltausbruch war, ist mindestens so widerwärtig wie das, was wir in den neuen Medien zum Teil erleben. Das muss ebenfalls bekämpft werden.
Es gibt aber Dinge – das räume ich gerne ein –, über die man gegebenenfalls gesetzgeberisch nachdenken muss. Wir haben zum Beispiel Straftatbestände hinsichtlich der Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen oder der Verbreitung verfassungsfeindlicher Propaganda.
Da gibt es jetzt eine Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die besagt, dass, wenn jemand ins Ausland fährt, dort etwas auf seiner Homepage hochlädt, er sich hier nicht strafbar macht. Deshalb hat der Bundesrat bereits zu Beginn des vergangenen Jahres einen Gesetzentwurf verabschiedet, der auch dem Bundestag zugeleitet worden ist, mit dem diese Lücke geschlossen werden soll. Ich stelle bedauernd fest, dass dieser Gesetzentwurf im Bundestag noch nicht beraten worden ist. Ich hielt es aber
für dringlich, diese Lücke zu schließen. Es kann nicht sein, dass jemand, nur weil er ins Ausland fährt und solche perfiden Dinge ins Netz stellt, bei uns straflos bleiben kann. Das wäre etwas, wo wir schon gemeinsam etwas machen könnten und dies diskutieren können.
Wir haben ein weiteres Problem. Unsere Demokratie lebt nicht nur von Bundestag und Landtag, sondern unsere Demokratie beginnt in der Kommune, dort wo wir alle zu Hause sind und leben. Ich glaube, es war Herr Abgeordneter Schnieder, der eben erwähnt hat, was es bei Kommunalpolitikern schon an Übergriffen gibt.
Wir haben alle mitbekommen, dass es Kommunalpolitiker auch in anderen Bundesländern gegeben hat, die ihre Ämter aufgegeben haben oder sie nicht weiter ausführen wollen. Ich glaube mich zu erinnern, es war ein Ortsbürgermeister in Sachsen-Anhalt. Ich glaube, ein Landrat in Hessen will das jetzt nicht mehr machen und Ähnliches mehr.
Sie kennen mich. Ich bin nicht so schnell dabei zu sagen, ich bin bereit über die Änderung einer Vorschrift nachzudenken, aber in dem Fall schon. Es gibt den §188 Strafgesetzbuch, der sich mit Beleidigung und Verleumdung von Menschen beschäftigt, die in der Politik tätig sind. Die Auslegung, die Sie in Kommentaren und Rechtsprechung dazu finden, endet häufig damit, dass die sagen, von dem Schutzbereich dieses Paragrafen sind Kommunalpolitiker nicht erfasst. Vor dem Hintergrund des eben von mir Geschilderten halte ich das für einen Fehler und bin gerne bereit, mit Ihnen darüber nachzudenken, ob wir diese Vorschrift konkretisieren;
denn wenn die Menschen an der Basis in unseren Kommunalparlamenten nicht mehr bereit sind, diese ehrenamtliche Aufgabe zu übernehmen, dann können wir unsere Demokratie über den Haufen werfen. Sie lebt nur vom Mitmachen.
Es ist ein schmaler Grat, auf dem wir uns bewegen, weil selbstverständlich Justiz und Staatsanwaltschaft nicht zu einer Zensurbehörde werden sollen. Selbstverständlich gilt bei uns die Meinungsäußerung, und zwar die freie Meinungsäußerung. Wer sie aber für sich reklamiert, sollte auch bereit sein, anderen darüber berichten zu können und sie nicht ausschließen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Leben ohne Internet ist für viele heute undenkbar. Die guten und die schlechten Seiten trennen dabei oft nur ein Klick.
Die digitale Welt ist inzwischen fester Bestandteil der Lebenswelt von Schülerinnen und Schülern geworden. Der Umgang mit digitalen Endgeräten wird zur Schlüsselkompetenz, wird neben Lesen, Rechnen und Schreiben so etwas wie eine Art vierte Kulturtechnik.
Digitale Medien sind als Werkzeuge, als Ausdrucksmittel und als Wissensquelle inzwischen selbstverständlich geworden.
Das Lernen mit und über Medien, der zielgerichtete und bewusste Medienumgang und die Reflexion darüber müssen zu einem festen Bestandteil des schulischen Alltags werden.
In Rheinland-Pfalz wurde vor ungefähr zehn Jahren das erfolgreiche Programm „Medienkompetenz macht Schule“ gestartet. Wir sind damit gut unterwegs. Das zeigen aktuelle Studien.
Wer sich einmal die Mühe macht, auf den Bildungsserver des Ministeriums zu schauen, der merkt, dass wir eine Fülle von hervorragenden praktischen Angeboten haben, Tipps für die Praxis, Links zu unseren Partnern, mit denen wir seit Jahren unterwegs sind, egal ob es klicksafe.de, LMK (Landeszentrale für Medien und Kommunikation), medien+bildung.com oder die Verbraucherzentrale oder auch der SWR mit ihren Angeboten sind. Ganz aktuell ist das zu nennen, was jugendschutz.net macht. Sie haben diesen Flyer „Achtung Hinterhalt!“ im Programm. Den kann man direkt für den Unterricht nehmen. Er greift ein Thema auf, in dem Schülerinnen und Schüler manipulative Mechanismen analysieren und sich im Detail mit rechtspopulistischen Mechanismen auseinandersetzen können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist wichtig, dass es diese Angebote gibt. Es ist aus meiner Sicht wichtig, dass Schulen und pädagogische Einrichtungen sie in Zukunft noch stärker nutzen.
Ich glaube, dass uns die aktuelle öffentliche Aufmerksamkeit des Themas und die aktuelle öffentliche Debatte dabei helfen, dass wir ein größeres Bewusstsein dafür bekommen, wie wichtig die Vermittlung von Medienkompetenz ist. Es geht aus meiner Sicht längst nicht mehr darum, dass es ein Sahnehäubchen für Schulen mit besonderem Profil oder besonderem Angebot ist, sondern es muss etwas werden, was in den Lehrplänen fest verankert und ein wesentlicher verbindlicher Lerninhalt ist. Schülerinnen und Schüler müssen lernen, Falschmeldungen besser zu erkennen. Sie müssen lernen, Quellen zu hinterfragen und zu erkennen, warum es zum Beispiel besser oder etwas anders ist, wenn eine Meldung aus der Zeitung kommt oder auf einem privaten Blog steht. Es kommt darauf an, ihre Kritikfähigkeit im Umgang mit sozialen Medien zu fördern.
entscheidend darauf ankommt, welche medienpädagogischen Konzepte Schulen vor Ort ganz konkret entwickeln und wie sie sie im täglichen Leben in der schulischen Praxis umsetzen.
Die enge Verbindung und Verzahnung mit projektübergreifenden Lern- und Lebensbereichen – die Demokratieerziehung hat Frau Ministerin Hubig genannt – ist für mich essenziell. Ich halte das, was aus den beiden Kirchen zur digitalen Bildung gekommen ist, für wichtig, nämlich den Aspekt, dass nicht nur das Strafrecht on- und offline gilt, sondern dass auch unsere ethisch-moralischen Grundsätze und Werte auch im Netz nicht außer Kraft gesetzt sind, sondern dass wir sie dort auch leben müssen, dass sie dort genauso selbstverständlich sein müssen wie in der realen Welt.