Protocol of the Session on January 26, 2017

Ich möchte Ihnen noch etwas sagen. Hauptpersonalrat, 24. Februar 2016: Der Hauptpersonalrat der Lehrkräfte an Grundschulen wehrt sich entschieden gegen die politische Diskussion zum Schriftsprachenerwerb. Unsere Professionalität an Grundschulen wird infrage gestellt. – Das geht weiter. GEW, 24. Februar 2016. Zwei Seiten genau dasselbe.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Ach ja, die GEW! – Zuruf des Abg. Uwe Junge, AfD)

Es gibt eine Petition des Grundschullehrerverbandes, der sich dagegen verwehrt, dass seine Arbeit diskreditiert wird.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Nicht ich habe gesagt, die Lehrkräfte seien schuld, das kommt doch aus ihren Anträgen heraus, latent kommt das heraus, vor allen Dingen aus dem Antrag der Kollegen der CDU.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Das ist doch nicht wahr!)

Dagegen verwehren wir uns, weil unsere Lehrkräfte arbeiten ganz engagiert und auf hohem Kompetenzniveau.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In vielfältiger Art und Weise bringen sie den Schülerinnen und Schüler korrektes Schreiben bei. Korrekte Rechtschreibregeln sind das, was in der Grundschule gelehrt wird. Sie unterstellen, dass das anders wäre. Dagegen verwahren wir uns.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Sie haben keine inhaltlichen Argumente!)

Wir schreiben den Lehrkräften nicht vor, wie sie ihre Kompetenzen einsetzen. Sie machen das ganz wunderbar und erfolgreich. Insofern werden wir auf diesem guten erfolgreichen Weg einer hohen Qualität weiter arbeiten.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Inhaltlich leer! – Abg. Martin Haller, SPD: Sie machen sich über die GEW lustig!)

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Schneid von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste! Zurück zu den Fakten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Gute Qualität in der Bildung ist Voraussetzung für gute Lernerfolge unserer Kinder. Qualität und Wirksamkeit von Bildungsprozessen müssen deshalb immer wieder hinterfragt und weiterentwickelt werden. Aber das heißt nicht, dass alte, bewährte, erfolgreiche Unterrichtsmethoden und Bildungsprozesse verdrängt werden müssen bzw. dürfen. Der Bildungsauftrag der Grundschulen liegt neben dem Heranführen der Kleinen ans Lernen, dem Wecken der Neugierde an vielen unterschiedlichen Themen, der Förderung der Teilhabe der Kinder an ihrer Umgebung eben nicht zuletzt in der Vermittlung der grundlegenden Kulturtechniken, nämlich Lesen, Schreiben und Rechnen.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Dazu brauchen Grundschüler klare und genaue Strukturen und Regeln. Eine offene Methodik überfordert Kinder in diesem Alter oftmals. Dass gerade zu Beginn des Lernweges beim Schreiberwerb mit der Methode lautgetreues Schreiben, also „Schreiben nach Gehör“, künstliche Hürden errichtet werden, kann für die schulische Weiterentwicklung und für den Lernerfolg fatal sein. Warum soll sich ein Kind erst einmal an die falsche Schreibweise gewöhnen, um dann in einem mühseligen Prozess das falsch Erlernte wieder umzulernen?

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Wenn wir eine Fremdsprache erlernen, dann lernen wir auch die Schreibweise gleich korrekt, obwohl die Aussprache eine ganz andere ist, bei Französisch, Englisch etc. Warum sollen wir den Kindern gerade bei der eigenen Muttersprache das ganz anders beibringen und alles falsch machen.

(Beifall der CDU und bei der AfD – Zuruf der Abg. Astrid Schmitt, SPD)

Genug damit. Die Problematik ist hinreichend bekannt. Wir haben die bildungspolitische Debatte zum „Schreiben nach Gehör“ bereits vor Jahren wirklich angestoßen. Wir haben uns vehement dafür eingesetzt, dass beim Schreiben eine zeitnahe Korrektur erfolgen muss. Das ist bei vielen Lehrerinnen und Lehrern der Grundschulen und auch bei den Eltern auf offene Ohren gestoßen. Das muss auch die SPD wahrnehmen. Es ist in der Tat so, wir sind in unseren Bedenken wirklich bestätigt worden. Die Methodik ist

an vielen Orten vor Ort überdacht und angepasst worden. Vielen Dank dafür an die Lehrer, die Mut ergriffen haben.

(Beifall der CDU)

Wenn man jetzt weiter denkt, die Schülerschaft ist heterogen. Das trifft auch bei den Grundschulen zu, leistungsschwache Schüler, leistungsstarke Schüler, Kinder, die zu Hause schon viel vorgelernt haben und Kinder die ganz unbedarft ans Lernen, an die Schulen herangehen, Kinder, die in ihrer Entwicklung und Aufnahmemöglichkeit schon sehr weit entwickelt sind und Kinder, denen eigentlich ein Jahr Kindergarten mehr sehr gut getan hätte, Kinder mit und ohne Migrationshintergrund, Flüchtlingskinder, die fast gar keine Deutschkenntnisse haben, Kinder mit und ohne Beeinträchtigung, Kinder, die von Zuhause Unterstützung erfahren können, und Kinder, deren Eltern aus unterschiedlichen Gründen diese Unterstützung nicht leisten können.

Diese Kinder sollen alle richtig Schreiben lernen. Bei der offenen Methodik des Schreibenlernens nach Gehör geht aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen der mögliche Lernerfolg und somit die Bildungsschere dramatisch auseinander. Das ist eine schlechte Voraussetzung, wenn man doch alle Kinder so gut wie möglich fördern und unterstützen möchte.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Richtet man jetzt den Blick auf die weiterführenden Schulen, so zeigt sich, dass viele Schülerinnen und Schüler große Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung haben. Rückmeldungen aus den weiterführenden Schulen geben an, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit Leseund Rechtschreibschwierigkeiten steigt.

Schauen Sie sich tatsächlich eine Klassenarbeit in der fünften, sechsten und siebten Klasse an, im Aufsatz pro Zeile drei bis vier Fehler, Rechtschreibfehler. Das ist nicht bei einem Kind so, sondern bei vielen, fast der Hälfte der Klasse. Ich denke, Sie stimmen mir zu, in dieser Häufigkeit kann das keine Legasthenie sein.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Nach Angaben des Bundesverbandes der Legasthenie muss zwischen Lese-Rechtschreib-Störung und LeseRechtschreib-Schwäche unterschieden werden. Ursachen für Legasthenie sind genetische und neurobiologische Faktoren. Ursachen für eine Lese-Rechtschreib-Schwäche können dagegen auch nicht sachgerechte Vermittlung von Lerninhalten und Lern- und Schreibpraktiken sein.

Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, zu eruieren, wie sich die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit Leseund Rechtschreib-Schwäche in den weiterführenden Schulen darstellt, wie sie sich in den letzten Jahren verändert hat und welche Ursachen hierfür herangezogen werden können.

(Beifall der CDU)

Darauf kann man dann aufbauen, nämlich die Ursachen analysieren und ihnen entgegenwirken; denn wir wollen unsere Kinder nach vorne bringen.

Um es ganz deutlich zu machen: Die ersten Jahre in der Schule legen den Grundstein für die Beherrschung der Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen. Sie haben Auswirkungen auf das Lerninteresse und die Herangehensweise an Aufgaben und Herausforderungen.

Da in der Grundschule erworbene Fähigkeiten nicht nur für die Schule zählen, sondern auch Grundlage für den Erfolg in den weiterführenden Schulen und letztendlich auch für das spätere Leben sind, müssen diese Grundvoraussetzungen auch bestmöglich ausgestaltet sein.

Lassen Sie uns also den regelbasierten Schrifterwerb wieder zum allgemeinen Standard machen, und lassen Sie uns ernsthaft an die Entwicklung der auftauchenden Rechtschreibprobleme der Schülerinnen und Schüler in den weiterführenden Schulen herangehen.

(Abg. Astrid Schmitt, SPD: Das passiert doch schon! Was glauben Sie, wie viel Förderunterricht es gibt!)

Wir müssen sie aufgreifen und analysieren. Es lohnt sich für die Lernerfolge und Chancen unserer Kinder.

Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag. Danke schön.

(Beifall der CDU)

Als nächster Rednerin erteile ich Frau Abgeordneter Lerch das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Viele von Ihnen waren letzte Woche da, als im Staatstheater in Mainz unsere Ministerpräsidentin einen Schriftsteller ehrte. Es ging um Joachim Meyerhoff. Er bekam die Carl-ZuckmayerMedaille.

Die Ministerpräsidentin würdigte dabei ausdrücklich seine Verdienste um die deutsche Sprache.

(Vereinzelt Zurufe im Hause)

Ich merke an der Reaktion, viele von Ihnen waren da und erinnern sich.

In seiner Dankesrede unter Bezugnahme auf diese Verdienste, die von der Ministerpräsidentin formuliert wurden, präsentierte Meyerhoff einen Aufsatz, den er im Alter von acht Jahren für seine Mutter geschrieben hatte, ein Aufsatz voller Witz und Kreativität und einem Spannungsbogen, der alle Zuhörer begeisterte.

Meine Damen und Herren, der Aufsatz war voller Rechtschreibfehler. Dennoch, seine Mutter hatte diesen Aufsatz und diese Geschichte in mangelhafter, wirklich mangelhafter deutscher Orthographie in einem linierten Schulheft 40 Jahre lang aufbewahrt. Ich denke – das wurde auch in den Worten von Meyerhoff deutlich –, sie machte ihm dadurch ein großes Geschenk. Sie hätte auch völlig anders nach

dem Motto reagieren können: Behalt’ den Mist, lern’ erst einmal richtig schreiben! – Auch das wäre eine denkbare Reaktion gewesen.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Von der AfD!)

Aber sie stärkt ihr Kind, und trotz der großen Anzahl an Rechtschreibfehlern wird Meyerhoff einer der großen Schriftsteller und Schauspieler unserer Zeit. „Schreiben nach Gehör“ gab es damals vor über 40 Jahren als Vorgabe der Bildungspolitik noch nicht, meine Damen und Herren.