Protocol of the Session on January 25, 2017

Menschen es millionenfach in Anspruch nehmen. Entstanden aus den Erfahrungen von Flucht und Vertreibung im Nationalsozialismus, gewährt Asyl Hilfe auf Zeit für politisch Verfolgte, so wie die, die nach 1956 aus dem Ostblock zu uns kamen.

Gerade in der realistischen Beschränkung auf eine begrenzte Zahl beruhen die Stärke und auch die bis heute weitgehend unumstrittene Akzeptanz dieses Rechts. Auch der 1992 angesichts gestiegener Einwanderungszahlen beschlossene Asylkompromiss war ein Versuch, das Asylrecht zu erhalten, um seiner ursprünglichen Absicht wieder Geltung zu verschaffen. Ein Otto Schily, der damals laut darüber nachdachte, ausufernde Asylansprüche einzuschränken und an der nordafrikanischen Küste Lager für Asylbewerber einzurichten, sähe sich heute wohl als Rechtspopulist und Rassist gebrandmarkt.

(Beifall der AfD)

Dabei hatte er weitsichtig erkannt, dass die von den Grünen betriebene grenzenlose Ausdehnung des Asylbegriffs letztlich der Totengräber dessen sein würde, was die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes eigentlich beabsichtigt hatten.

(Beifall der AfD)

Wer Abermillionen Menschen aus nahezu jedem beliebigen Grund im Namen eines vermeintlichen Anspruchs auf Asyl in das Land lassen will, der darf sich nicht wundern, wenn er die Möglichkeiten unserer Bürger überfordert und die Akzeptanz für wirklich Verfolgte zerstört. Wer allen helfen will, hilft am Ende niemandem mehr oder, wie Peter Scholl-Latour es ausgedrückt hat, wer halb Kalkutta aufnimmt, rettet nicht Kalkutta, sondern wird selbst Kalkutta.

(Beifall der AfD – Zuruf von der AfD: Genau!)

Solange sich die Grünen dieser Erkenntnis verweigern und solange sich SPD und FDP in Rheinland-Pfalz nicht vom Gängelband einer grünen Minderheit befreien, solange wird es in dieser Frage keine vernünftige Lösung zum Wohle unseres Landes geben.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht Frau Willius-Senzer.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich vorab eines klarstellen. Von einem Koalitionsstreit in Rheinland-Pfalz, der bezüglich der Deklarierung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten zu einer Blockade im Bundesrat geführt hat, kann – wie der Titel von der CDU beantragt – überhaupt gar keine Rede sein.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE Grünen)

Die letzte tatsächliche Befassung des Bundesrats mit dem entsprechenden Gesetzgebungsvorhaben hat im März 2016, mithin vor der Regierungsbildung in Rheinland-Pfalz, stattgefunden. Die ursprünglich für Juni 2016 vorgesehene Abstimmung über den Gesetzentwurf wurde vertagt. Seitdem wurde das Thema im Bundesrat nicht mehr aufgerufen.

Wenn die CDU-Fraktion hier also von einer Blockade von Rheinland-Pfalz im Bundesrat spricht, arbeitet sie wieder einmal mit Unterstellungen und alternativen Fakten.

(Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU, und von der AfD)

Richtig ist allerdings, dass sich die Landesregierung im Vorfeld der ursprünglich für Juni 2016 angesetzten Abstimmung auf eine Enthaltung des Landes Rheinland-Pfalz geeinigt hatte, da die drei Koalitionspartner zu unterschiedlichen Einschätzungen des Gesetzentwurfs gekommen waren.

Sobald der Entwurf im Bundesrat wieder aufgerufen wird, wird sich die Landesregierung natürlich erneut mit dieser Thematik auseinandersetzen und das Stimmverhalten im Bundesrat neu festlegen. Ob es bei den unterschiedlichen Auffassungen bleibt, wird sich dann zeigen.

Ich kann an dieser Stelle nur die inhaltliche Position meiner Fraktion darlegen. Die FDP begrüßt eine Einstufung der Maghreb-Staaten Algerien, Tunesien und Marokko als sichere Herkunftsstaaten.

(Beifall bei CDU und AfD)

Eine solche Einstufung würde die Asylverfahren von Antragstellern aus diesen drei Staaten beschleunigen und so grundsätzlich die Zeit des Leistungsbezugs in Deutschland verkürzen und folglich auch die Anreize für Asylbeantragungen aus rein wirtschaftlichen Gründen reduzieren.

Hinter diesen Zielen des Gesetzgebungsvorhabens der Bundesregierung stehen die Freien Demokraten uneingeschränkt. Die Anerkennung dieser Länder als sichere Herkunftsstaaten ist daher wünschenswert, und sie begegnet auch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

Bereits aktuell sind die Anerkennungsquoten für Asylbewerberinnen und -bewerber aus den Maghreb-Staaten äußerst gering. Sie betragen lediglich 0 % bis 2 %. Das ist ein starkes Indiz dafür, dass es sich bei diesen Ländern um Staaten handelt, in denen man jedenfalls grundsätzlich zunächst eine Verfolgungsfreiheit vermuten kann. Nichts anderes bedeutet die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat nach dem Asylgesetz, eine entsprechende widerlegbare gesetzliche Vermutung der Verfolgungsfreiheit. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang das Wort widerlegbar.

Es ist völlig klar, dass wir uns in Deutschland nicht hinstellen und garantieren können, es gäbe in Marokko, Algerien und Tunesien keinerlei Verfolgung. Bis zu 2 % anerkannte Asylanträge belegen, dass es eben im Einzelfall doch Menschenrechtsverletzungen oder Verfolgung gibt.

Es ist meiner Partei wichtig, das an dieser Stelle klarzustellen. Die Vermutung der Verfolgungsfreiheit ist aber im Einzelfall widerlegbar. Diese Einzelfallprüfung findet weiter statt. Wenn jemand aus Marokko, Algerien oder Tunesien in seiner Heimat tatsächlich wegen seiner politischen Überzeugung oder seines Glaubens oder einer sexuellen Orientierung verfolgt wurde, dann wird er auch weiterhin Asyl in Deutschland bekommen können. Das steht außer Frage, gerade für die FDP-Fraktion.

Das Grundrecht auf Asyl ist ein hohes Gut unseres Grundgesetzes, und es gilt uneingeschränkt. Die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten führt nur dazu, dass in den Fällen die Vermutung der Verfolgungsfreiheit auch im Einzelfall nicht widerlegt wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, und das ist doch eigentlich das Problem. Selbst wenn wir Asylanträge aus den Maghreb-Staaten schneller ablehnen könnten, scheitert eine schnelle Rückführung doch vor allem an der mangelnden Rücknahmebereitschaft dieser Staaten.

Es kann doch nicht sein, dass die Herkunftsstaaten sich weigern, für ihre Staatsbürger Ersatzpapiere auszustellen und so Rückführungen verhindern. Es kann doch nicht sein, dass manche Staaten Rückführungen nur in Linienflugzeugen zulassen und dann auch noch beschränkt auf bestimmte Fluggesellschaften und mit sehr überschaubaren Höchstgrenzen. Hier ist die Bundesregierung, hier sind vor allem der Bundesminister und der Bundesentwicklungshilfeminister gefordert, mit den Maghreb-Staaten schnellstmöglich wirklich tragfähige Rücknahmeabkommen auszuhandeln und diese dann in der Folge vor allem durchzusetzen.

Ich möchte der Opposition für das kommende Jahr einen Satz von Knigge aus dem Jahr 1788 mitgeben. Der sagte nämlich, enthülle nie auf unedle Art die Schwächen deiner Nebenmenschen,

(Glocke des Präsidenten)

um dich zu erheben. Heute würden wir sagen, blamieren Sie nie andere Menschen, damit Sie gut dastehen, und wer weiß, wie groß Sie sich fühlen, indem Sie andere schlechtmachen.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Abgeordneter Köbler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal stellt sich natürlich die Frage, was an dieser Diskussion, die wir bereits im Sommer des vergangenen Jahre geführt haben, jetzt eigentlich aktuell ist. Herr Kessel, die CDU konnte auch nicht erklären, wo jetzt der aktuelle Anlass liegt.

(Zuruf von der CDU)

Deswegen lassen Sie mich doch einige grundsätzliche Ausführungen zur Thematik machen.

Das sagen wir Grüne, aber das sagen eben nicht nur wir Grüne schon immer, man kann Länder nicht einfach per politischem Beschluss für sicher erklären. Das sagen nicht nur wir Grüne aus tiefster Überzeugung, sondern das hat uns auch das Bundesverfassungsgericht in Urteilen gesagt. Warum ist das so? Weil das Asylrecht ein individuelles Menschenrecht ist, und das bedeutet bei der Frage der Anerkennung von Asyl, es kommt nicht auf die Gesamtsituation im Herkunftsland an, sondern es kommt auf die individuellen Fluchtgründe, auf die individuellen Verfolgungsgründe an.

Um ein Beispiel zu nennen, ein heterosexueller Flüchtling kann sich nicht darauf berufen, dass in seinem Heimatland Homosexuelle verfolgt werden. Dafür bekommt er kein Asyl. Gleichzeitig können aber wir nicht hingehen und sagen, Homosexuellenverfolgung in Herkunftsländern macht Herkunftsländer deswegen sicher, weil die Mehrheit dort heterosexuell ist. Genau deswegen kommt es auf den individuellen Grund an, und genau deswegen kennt die Genfer Flüchtlingskonvention das Konstrukt sicherer Herkunftsländer nicht.

Es ist eben nicht nur die Position von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sondern es ist auch die klar artikulierte Position von Pro Asyl, von der Katholischen Kirche und von der Evangelischen Kirche. Ich würde mir wenigstens wünschen, dass die Argumente bei der Partei, die immer noch das C im Namen führt, wenigstens zu ein bisschen Reflexion beitragen, dass es eine komplexe Thematik ist, der eben nicht mit einfachen Lösungen zu begegnen ist. Deswegen fühlen wir uns da auch sehr gut unterstützt, wenn die beiden Kirchen in diesem Land sagen, ja, man kann nicht einfach, weil es gerade politisch opportun ist, Länder, in denen es auch Verfolgung für bestimmte Gruppen gibt, für sicher erklären. Das ist politisch nicht opportun. Ich glaube, es ist auch nicht christlich, und es widerspricht auch nicht dem Geist der Grund- und Menschenrechte in unserer Verfassung in der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, diese Einschätzung teilen nicht nur Grüne, Kirchen und Flüchtlingsinitiativen, sondern diese Einschätzung teilt auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, deren oberster Dienstherr immer noch Thomas de Maizière ist. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kommt nämlich nach übereinstimmenden Berichten der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und der „ZEIT“ nicht zu dem Ergebnis, dass die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf vorgelegt hat, dass diese Staaten als sicher einzustufen sind; denn in der „ZEIT“ ist wörtlich ausgeführt, dass der Eindruck entsteht, dass die Regierung die Gefährdung in Nordafrika bewusst herunterspielt. Über Algerien heißt es, dass die Verfolgung seitens des Staates in Algerien und auch in Marokko eben nicht ausgeschlossen werden kann – so die Einschätzung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge –, dass es insbesondere, wenn es um die Verfolgung von Frauen, von Homosexuel

len geht, wenn es um Menschenhandel geht und wenn es auch um die Verfolgung aus religiösen Gründen geht – – – So ist beispielsweise in Marokko die Vergewaltigung in der Ehe bis heute nicht strafbar, und der Staat schützt Frauen eben nicht vor häuslicher Gewalt in dem Maße.

Das ist die Einschätzung der Bundesregierung und eben nicht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wenn Frauen aus diesen Gründen verfolgt werden, dann sollten wir genau prüfen, ob sie hier gegebenenfalls einen Flucht- und damit einen Asylgrund haben und nicht einfach per se sagen, diese Länder sind sicher. Das können doch auch Sie nicht wollen.

(Vereinzelt Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Jan Bollinger, AfD)

In Tunesien haben wir ein ganz großes Problem, sagt das BAMF, was die Verfolgung von Homosexuellen angeht, und in Algerien ist die politische Verfolgung aus religiösen Gründen – und das können Sie als Partei mit dem C im Namen nicht wirklich wollen – sogar per nationalem Gesetz geregelt, dass Menschen, die eben nicht dem Mehrheitsglauben angehören, auch entsprechend verfolgt werden können, weil da der Islam immer noch sozusagen Verfassungsrang hat.

Meine Damen und Herren, deswegen glaube ich, dass es hier gar nicht darum geht, sondern es geht im Grunde um etwas ganz anderes. Das eine ist, die Bundesregierung hat bisher wenig getan, wenn es darum geht, das Thema Fluchtursachen zu bekämpfen. Von der Bundesregierung ist bisher auch nicht bekannt, dass sie irgendeine Strategie für Nordafrika hat, um dort die Länder so zu stabilisieren, Demokratisierungsprozesse so zu unterstützen, dass die Menschen nicht mehr hierher fliehen müssen.

Dann haben wir immer noch die Chaostage beim BAMF und die Spätfolgen. Wir haben immer noch 100.000 Altfälle, die sozusagen die Behörde verstopfen, die nicht abgearbeitet werden können, weswegen es eben nicht zu schnellen Verfahren kommt.

Meine Damen und Herren, wir haben im Bundesrat die Entscheidung damals vertagt. Aber grün mitregierte Länder haben einen Alternativvorschlag vorgelegt, der bedeuten würde, dass die Verfahren entsprechend beschleunigt werden können. Er ruht bis heute im Bundeskanzleramt in der Schublade.

(Glocke des Präsidenten)

Deswegen glaube ich, dass die CDU hier eine PlaceboDebatte anzettelt, weil sie es nicht geschafft hat, im Bund ihre Hausaufgaben zu machen.

Herzlichen Dank.