Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kollegen, liebe Gäste! Unsere Kinder müssen Schwimmen lernen. Mit dieser Binsenweisheit beschäftigen wir uns nun schon mindestens seit Juni dieses Jahres und zum wiederholten Male auch im Plenum und im Innenausschuss.
Wir erkennen durchaus an, dass das Thema offensichtlich deshalb auf der Agenda steht, weil durch die Landesregierung bereitzustellende Rahmenbedingungen nicht ausreichen, um dieser einfachen Forderung gerecht zu werden.
Die CDU-Fraktion fordert zu Recht, dass Schwimmunterricht in räumlicher Nähe ohne lange Wartezeiten möglich sein muss, dass Schwimmen überlebenswichtig ist, natürlich, und dass die kommunale Finanzausstattung zum Unterhalt einer entsprechenden Infrastruktur verbessert werden möge.
Verlässliche Zahlen aber, wie viele Kinder trotz Schwimmunterricht eben nicht überlebensfähig schwimmen können, werden in dem Antrag nicht dargelegt. Es ist nicht ersichtlich, wie notwendig eine solche Regelung tatsächlich ist. Es fehlt ein faktenbasiertes Zahlenwerk sowie eine geregelte Nachweisverpflichtung.
Tatsächlich zu kritisieren ist der obligatorische Schwimmunterricht an den Schulen, so wie er zurzeit durchgeführt wird. Es ist nicht damit getan, sich an das Wasser zu gewöhnen; man muss es beherrschen, und man muss darin schwimmen können.
Es ist offensichtlich nicht effektiv genug, und die Ausbildungsklassen für den Schwimmunterricht sind viel zu groß; das ist Konsens. Wenn nur ein Lehrer mit rund 25 Nichtschwimmern ins Schwimmbad geht, dann wird es zum lustigen Badespaß, hat aber mit zielorientierter Schwimmausbildung eben nichts mehr zu tun.
Ich habe selbst als Schwimmausbilder bei erwachsenen Schwimmern in dieser Ausbildungsstärke nur durch Üben von bereits vorhandenen Fähigkeiten Leistungserfolge und -fortschritte erzielen können. Eine individuelle Ausbildung von Nichtschwimmern ist in dieser Stärke völlig unmöglich.
Es auch ununterbrochen auf die Eltern zu schieben, halte ich für nicht gerechtfertigt. Wir haben mittlerweile immer mehr Eltern, die selbst nicht schwimmen können. Schwimmunterricht kann durchaus übergreifend mit anderen Schulen organisiert werden, sodass durch die Verbes
serung der organisatorischen Abläufe eine Optimierung des Schwimmunterrichts auch in kleinen Gruppen möglich sein kann.
Dazu reichen, wie im Innenausschuss dargelegt, die vorhandenen Einrichtungen wie Hallenbäder, Freibäder und auch Badeseen angeblich nicht aus.
Wir halten Ihren Antrag insgesamt für nicht zielführend, weil diesem Antrag weder eine fundierte Lagebeurteilung zugrunde liegt noch eine klare, messbare Forderung zur Verbesserung der Fähigkeit Schwimmen aufgezeigt wird. Fähigkeiten erwirbt man eben nicht nur durch Ausbilden, sondern auch durch Üben, und stellt sie fest durch Überprüfung. Dafür gibt es dann eine Urkunde, ein Abzeichen, manchmal auch ein Diplom. Damit hat man den Fähigkeitsbeweis erbracht, das zu können, was man vorgibt zu können. Manche glauben ja, es gehe auch ohne, aber das ist jetzt nicht das Thema.
Verehrte Kollegen der CDU-Fraktion, obwohl Sie Ihrem Antrag die Stellungnahme der hochgeschätzten DLRG beifügen, die selbst das Seepferdchen als nicht ausreichend bewertet, sondern das Jugendschwimmabzeichen in Bronze als wirklich belastbaren Nachweis für die Schwimmausbildung erachtet, bleibt Ihr Antrag auf der Ebene der diffusen Absichtserklärung stecken. Schwimmen lernen ist eben nicht gleich schwimmen können. Wenn Schule ausbilden soll, dann muss Schule am Ende auch gegenüber den Eltern, gegenüber denen sie eine Verpflichtung hat, gesichert sagen können: Dein Kind kann schwimmen. – Damit haben die Eltern auch die Sicherheit, ihre Kinder allein ins Schwimmbad oder an den See gehen zu lassen, und damit wäre zumindest eine Gefahr, nämlich die des Ertrinkens, weitgehend gebannt.
Meine Damen und Herren, eine Leistungsgesellschaft wird diese Eigenschaft auf Dauer verlieren, wenn wir nicht mehr bereit sind, messbare Leistungen auch abzufordern, in diesem Fall nicht nur von den Kindern, sondern auch von den Lehrern. Sie haben einen Ausbildungsauftrag und müssen diesem auch gerecht werden. Nur so werden wir feststellen können, wer wirklich schwimmen kann und wer eben nicht. Nebenbei können sich die Schulen sogar im Wettstreit messen, wer die beste oder nachhaltigste Schwimmausbildung macht, Auszeichnungen durch den Innenminister inklusive. Fördern heißt eben auch fordern.
das Jugendschwimmabzeichen in Bronze als Nachweis der Schwimmfähigkeit bis zum zehnten Lebensjahr verpflichtend einzufordern, und das heißt in erster Linie, es zu fordern. Es wird nicht jedes Kind es erreichen, aber wir haben einen messbaren Nachweis über die Schwimmfähigkeit, um sich dann auch an der weiteren Ausbildungsorganisation orientieren zu können und daraus Rückschlüsse ziehen zu können.
Sollten Sie unserem Antrag nicht zustimmen, werden wir uns zu Ihrem gut gemeinten, aber nicht stringent durchgezogenen Antrag enthalten.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mich hat soeben ein Begriff etwas stutzig gemacht, weil er so sehr militärisch anmutet. Es ging um die Lagebeurteilung.
Ich habe aber soeben noch einmal schnell die Lage beurteilt und mir von der DLRG die Zahlen heraussuchen lassen; denn ich glaube, dass uns das Thema, das wir alle besprechen, aufgrund dessen ein Anliegen ist.
Die Lagebeurteilung sieht so aus, dass im letzten Jahr 425 Menschen in der Bundesrepublik durch Ertrinken gestorben sind. Dies waren 46 mehr als im Jahr 2015, davon die meisten in natürlichen Gewässern, das heißt, nicht in Schwimmbädern, sondern auch im Meer, davon 56 Flüchtlinge.
Wenn wir uns insgesamt die Situation anschauen, stellen wir fest, dass Rheinland-Pfalz in diesem Vergleich noch sehr gut dasteht – das haben die Kolleginnen und Kollegen der Ampelfraktionen schon dargestellt –, weil wir noch eine gute Schulausbildung haben
und weil diese 2 % der Schülerinnen und Schüler, über die wir derzeit reden und die offenbar nicht zertifiziert das Schwimmen in der Schule erlernen, eine relativ gute Zahl im Bundesvergleich sind. Ich finde, das muss man einfach auch einmal feststellen. Das ist wichtig und gehört zur Lagebeurteilung dazu.
Alle haben gesagt, wir stimmen darin überein, dass Schwimmen eine überlebensfähige Kulturtechnik ist, die zu vermitteln ist; also müssen vor dem Hintergrund der schwierigeren finanziellen Situation in den Kommunen auch alle daran mitwirken. Ich glaube, dies war ein Debattenstreitpunkt, den ich gern noch einmal aufnehmen möchte. Wir können nicht – wie Sie es getan haben, Herr Junge – unscharf und unrealistisch Wünsche in einem Antrag platzieren, die dann am Ende nicht umgesetzt werden
können, weder von den Kommunen noch von der Landesregierung. Sie fordern eine Grundversorgung hinsichtlich der Aufrechterhaltung kommunaler Infrastruktur, insbesondere der Schwimmbäder, und zwar nicht als freiwillige Aufgabe. Das heißt, dies setzt eine volle Finanzierung durch das Land voraus.
Sie setzen voraus, dass keine Wartezeiten entstehen, das heißt, man müsste Überkapazitäten haben, um die weiten Fahrtwege und die Koordination unter den Schulen in Anspruch zu nehmen. Sie erwarten eine Entlastung des Personals, eine Elternkampagne und eine einheitliche Stelle, und das alles vor dem Hintergrund der Schuldenbremse. Das ist nicht nur unscharf, es ist weit unrealistisch, Herr Junge, und deswegen kann man diesem Antrag einfach nicht zustimmen.
Dennoch ist es aber wichtig, dass wir an dem Ziel gemeinsam weiterarbeiten, und ich glaube, dazu tun auch ein paar Klarstellungen not. Wir haben in der Anhörung erfahren, dass Wassergewöhnung durchaus nicht nur Planschen ist. Auch wenn alle sagen, Freizeitbäder hätten keinen Nutzen, um schwimmen zu lernen, möchte ich dem widersprechen. Wir müssen die Familien und die Eltern in ihrem gemeinsamen familiären Agieren für ihre Kinder mitnehmen, und dafür ist tatsächlich das Freizeitbad, die Freizeitgestaltung auch in den Sommerferien in allen Bädern ein wichtiger Punkt. Dort erreichen wir noch die Eltern.
Wenn wir ein gemeinsames Projekt initiieren mit den Kommunen, den Schwimmvereinen und den Verbänden – auch an die Krankenkassen müssen wir in diesem Zusammenhang denken; denn es gehört zur Gesundheitsprävention, auch die Eltern darin mitzunehmen –, müssen wir auch an den Aspekt der Wassergewöhnung denken. Wir haben im Ausschuss gelernt, dass diese schon nicht erfolgt. Wenn die Lehrer und Erzieher das erste Mal in die Schwimmbäder gehen, haben sie schon Probleme mit den Schülern unter der Dusche, weil sie nicht mehr daran gewöhnt sind, in Gruppen duschen zu gehen. Das Planschen in der Gruppe ist ein gesellschaftliches kollektives Ereignis, das Kinder irgendwann schon einmal erlebt haben sollten.
Das heißt, die Tatsache, dass Familien nicht mehr so oft in Schwimmbäder gehen können, muss uns Sorgen bereiten. Die Tatsache, dass Schwimmen insgesamt sehr teuer ist, muss uns Sorgen bereiten, und daher müssen wir dazu beitragen, dass es für alle weiterhin möglich ist.
Deswegen steht auch zu Recht in dem Antrag, eine Kampagne nach dem Vorbild eines anderen Bundeslandes zu übernehmen, die die gemeinsame Kraft bündeln soll, damit 5.500 Kinder zusätzlich eine Schwimmausbildung in den Sommerferien, in den Sommermonaten, wenn mehr Bäder geöffnet haben, erhalten können. Dies ist total wichtig und kostet vergleichsweise wenig Geld. Es kostet nicht so viel Geld wie das, was Sie fordern, liebe CDU und AfD, nämlich eine Grundversorgung dergestalt sicherzustellen, dass das Land sämtliche Schwimmbäder mitfinanziert. Das kann nicht funktionieren. Realistischer ist vielmehr eine Ausbildung, die flexibler Natur ist und Spaß macht.
Wenn ich mir vorstelle, alle Abgeordneten dieses Landtages würden nächsten Sommer in einer Kampagne der Landesregierung in Schwimmbädern auftreten – dabei wäre mir meine Orangenhaut auch völlig egal –, dann wäre das eine echte Aktion und eine wirkliche Kampagne für dieses Land, mit der wir zeigen, auch wir gehen noch schwimmen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Ziel, möglichst alle Kinder zu sicheren Schwimmern zu machen, ist nicht allein über die Bildungsinstitutionen Kita und Schule zu erreichen. Es ist eine Aufgabe, die alle angeht, und eine Fähigkeit, die eben nicht nur in Schulen und Kitas zu vermitteln ist, sondern vor allem auch durch Eltern, Verwandte oder in Schwimmvereinen. Dabei schieben wir diese Aufgabe auch nicht auf die Eltern ab, sondern wir sehen es als eine gemeinsame Aufgabe an.
Bei der Einbringung des Antrags im Juni habe ich gesagt, dass wir uns des Themas bereits angenommen haben und das auch weiterhin tun werden. An unseren 400 weiterführenden Schulen haben alle Sportlehrkräfte die Befähigung, Schwimmunterricht zu erteilen, und wir haben an 950 Grundschulen nach Angaben der Schulaufsicht insgesamt 2.100 Lehrkräfte, die diese Befähigung haben. So viel zu dem Punkt Personal.
Wir haben uns aber auch angesehen, wie die Situation beim Schwimmunterricht in den Grundschulen genau aussieht, und dabei haben wir unter anderem zwei Ansatzpunkte zur Verbesserung des schulischen Angebots gefunden: Zum einen sind es bestehende Unklarheiten über die Kostenübernahme von Beförderungs- und Eintrittspreisen, und dazu werden wir gemeinsam mit der ADD als der Schulaufsicht ganz gezielt die Schulen und die lokal Verantwortlichen zusammenbringen und werden gemeinsam nach Lösungen vor Ort suchen.
Zum anderen gibt ein Teil der Grundschulen, die keinen Schwimmunterricht anbieten, an, dass es Schwierigkeiten für sie gebe, Wasserzeiten zu bekommen. Wir halten für diese Fälle die im Antrag der Regierungsfraktionen genannten regionalen runden Tische für einen sinnvollen Ansatz, und an solchen runden Tischen sollten dann neben den Kommunen auch die Schulen und Kitas, aber auch Schwimmbadträger, Schwimmvereine und Rettungsorganisationen gemeinsam nach Möglichkeiten zur Erweiterung von Schwimmkursen und von Schwimmangeboten suchen.