Protocol of the Session on November 18, 2016

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf:

AKTUELLE DEBATTE

Neuordnung des Länderfinanzausgleichs und seine Auswirkungen auf Rheinland-Pfalz auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 17/1564 –

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Dr. Köbberling das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Sängerinnen und Sänger, liebe Genossinnen und Genossen! Der 14. Oktober 2016 war ein guter Tag für das föderale System, die Gestaltungsfähigkeit der Länder und Kommunen und ganz konkret auch für die zukünftigen Landeshaushalte von Rheinland-Pfalz. Eine über zwei Jahre währende harte politische Auseinandersetzung zwischen den Ländern, aber vor allem in letzter Zeit zwischen dem Bund und den Ländern endete mit einer Paketlösung zur Neugestaltung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs ab dem Jahr 2020 und weiteren Änderungen in den Bund-Länder-Finanzbeziehungen.

Es war ein Kompromiss. Ich habe vor nicht allzu langer Zeit in dem Haus schon einmal das Bonmot bemüht, dass ein Kompromiss nur gut ist, wenn hinterher alle unzufrieden sind. Das ist in dem Fall nicht so. Rheinland-Pfalz ist im Großen und Ganzen sehr zufrieden mit dem Kompromiss. Es gibt natürlich auch Dinge, die uns nicht so sehr gut schmecken. Dazu gehört die Bundesinfrastrukturbehörde. Dazu sage ich gleich noch etwas.

Ich möchte zuerst einmal die Gelegenheit nutzen, Finanzministerin Doris Ahnen sehr herzlich für ihren Beitrag bei dem Zustandekommen des Kompromisses zu danken. Ich denke, das ist wieder einmal ein Beweis dafür, wie ihre besondere konstruktive Art zum Wohl von Rheinland-Pfalz eingebracht wurde.

Mit dem neuen Finanzpaket ist sichergestellt, dass die Länder über ausreichende Finanzmittel verfügen, um die Herstellung und Bewahrung gleichwertiger Lebensverhältnisse für alle Einwohnerinnen und Einwohner im Bundesgebiet sicherzustellen. Wichtig ist auch, dass kein Land schlechter dasteht als vor der Neuordnung. Es gibt politische Verlässlichkeit für mindestens zehn Jahre, und zwar von 2020 bis 2030. Erst dann gibt es eine Kündigungsmöglichkeit, das heißt aber: kein automatisches Auslaufen.

Zum Inhalt des ab 2020 geltenden Modells: Der horizontale Finanzausgleich zwischen den Ländern wird quasi abgeschafft. Der Ausgleich der Finanzkraft der Länder geschieht vielmehr im Wesentlichen bereits im Rahmen der Verteilung des Länderanteils an der Umsatzsteuer. Dabei wird auch die Finanzkraft der Kommunen berücksichtigt. Der Länderanteil an der Umsatzsteuer wird dynamisiert, zwar nicht vollständig, aber doch zu einem relevanten Anteil.

Die Sonderbundesergänzungszuweisungen, die sogenannten SoBEZ, für Länder mit einem speziellen Finanzierungsbedarf bleiben erhalten. Dazu gehört Rheinland-Pfalz

nicht, weil es weder besonders klein noch besonders dünn besiedelt ist, eine teilungsbedingte hohe strukturelle Arbeitslosigkeit hätte oder Hafenlasten schultern muss. Wir begrüßen trotzdem, dass Länder mit bestimmten strukturellen Problemen und einem dadurch gegebenen höheren Finanzbedarf nicht allein gelassen werden. Auch Rheinland-Pfalz erhält von den zusätzlichen 9,5 Milliarden Euro, die der Bund an die Länder gibt, einen Anteil von 250 Millionen Euro pro Jahr ab dem Jahr 2020.

Der Kompromiss enthält neben einer Reihe weiterer Änderungen Regelungen, die die Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern betreffen. Da ist zum einen einmal die Mitfinanzierungskompetenz des Bundes im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur zu nennen. Für finanzschwache Gemeinden ist das etwas sehr Wichtiges, also eine leichte Aufweichung des Kooperationsverbots.

Für die Sozialpolitiker ist das Thema Unterhaltsvorschuss sehr wichtig. Die Altersgrenze wurde dort von zwölf auf 18 Jahre angehoben und die Bezugsdauergrenze aufgehoben. Diese für Alleinerziehende zum Teil existenzsichernde Regelung führt allerdings zu einer Entlastung des Bundes und der Kommunen und einer Belastung der Länder. Daher wird die genaue Ausgestaltung noch Stoff für Verhandlungen bieten.

Wie schon gesagt, die Schaffung der Infrastrukturgesellschaft Verkehr ist ein für uns nicht ganz einfaches Thema. Die Ausgestaltung ist dabei noch sehr unklar. Das kann man im Moment ganz gut in den Medien verfolgen. Zwei Punkte sind für die SPD-Fraktion dabei vollkommen klar. Wir erwarten die vollständige Übernahme des Personals inklusive der Versorgungslasten, und wir wollen keine Privatisierung.

(Beifall bei SPD, FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Umsetzung des Finanzpakts wird ein umfangreiches Gesetzespaket erfordern. Das Grundgesetz muss an verschiedenen Stellen geändert werden.

(Glocke des Präsidenten)

Die Zeitschiene dafür sieht vor, dass noch vor Ostern die Befassung des Bundesrates geplant ist.

Wir werden uns jedenfalls fortlaufend weiter damit beschäftigen und sehr genau hinsehen. Wir haben deswegen die Ministerin gebeten, im Haushalts- und Finanzausschuss fortlaufend zu berichten.

Danke schön.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut! Danke schön!)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Weiland das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Einziger Sinn dieser von der SPD beantragten Aktuellen Debatte ist, dass sich die Landesregierung für den neuen Bund-Länder-Finanzausgleich feiern lassen will.

(Beifall der CDU – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Völlig zu Recht sogar!)

Das, was allerdings hier gefeiert werden soll, nennt man in anderen Lebensbereichen ein Geschäft zulasten Dritter,

(Beifall der CDU)

oder, wie man bei uns sagt: „Aus anderer Leute Leder ist gut Riemen schneiden“.

(Beifall der CDU)

Die Wahrheit ist, dass der Bund und die Steuerzahler die Verlierer des Finanzpaktes sind, so der zutreffende Kommentar von Birgit Marschall in der Rhein-Zeitung vom 15. Oktober 2016.

Scheinbar gelöst werden die Probleme nämlich nur dadurch, dass der Bund den Ländern mehr Geld gibt, und zwar insgesamt 9,5 Milliarden Euro. Für Rheinland-Pfalz bedeutet das zwar 250 Millionen Euro mehr, für die die Landesregierung nebenbei nichts getan hat,

(Beifall der CDU)

aber auch das ist im Rahmen der Haushalts- und Finanzpolitik dieser Landesregierung mitnichten ein Grund zur Freude; denn je mehr Einnahmen diese Landesregierung zur Verfügung hat, umso mehr Schulden hat sie Jahr für Jahr aufgehäuft.

(Beifall der CDU)

Die Eckwerte, die das Kabinett am Dienstag beschlossen und der Öffentlichkeit gestern für die Haushaltsaufstellung des Doppelhaushalts 2017/2018 vorgestellt hat, belegen das eindeutig. Hier wird weiter Haushaltspolitik nach dem Motto gemacht: Kinder haften für ihre Eltern.

(Beifall der CDU)

Die Länder haben kurzfristig einen Scheinerfolg erzielt. Langfristig aber werden insbesondere wir, die Landtagsabgeordneten und die Landtage, dafür einen hohen Preis zahlen müssen. In dem Maße, in dem sich die Länder in die Hand des Bundes begeben, schwinden die Entscheidungsund Kontrollmöglichkeiten der Landtage. Hier reden wir gerade und ganz konkret im Zusammenhang mit der aktuellen Einigung im Bund-Länder-Finanzausgleich zum Beispiel über die Übertragung wesentlicher Kompetenzen von den Ländern auf den Bund im Bereich der Verkehrspolitik.

Wir reden ganz konkret über die Mitfinanzierung des Bundes in der kommunalen Bildungsinfrastruktur, was auch neue Kontrollrechte des Bundes über die Verwendung der Mittel zwangsläufig mit sich bringt. Wir reden über weitere

neue Kontrollrechte des Bundes, was das Haushaltsgebaren der Länder und dieses Landes Rheinland-Pfalz angeht. Wir reden schließlich auch über die Ausweitung der Rechte des Bundes bei der Steuerverwaltung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, den Preis für all das zahlt nicht die Exekutive. Der Preis dafür wird nicht von den Persönlichkeiten gezahlt, die hier als Mitglied der Landesregierung auf dieser Bank sitzen.

(Beifall der CDU)

Der Preis dafür wird von uns, den Abgeordneten dieses Hauses, und den Abgeordneten der anderen Landtage in Deutschland bezahlt; denn die Landtage werden, wenn diese Entwicklung so weitergeht – alles deutet darauf hin –, immer weniger zu entscheiden, immer weniger zu kontrollieren und immer weniger mitzureden haben.

Hier geht es dann letzten Endes nicht mehr um den scheinbaren Erfolg an der Oberfläche, dass man für ein Linsengericht von 250 Millionen Euro grundsätzliche Fragen im Bundesstaatsprinzip des Föderalismus aushöhlt.

Für die Bürger wird das Ganze noch undurchsichtiger.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Warum will die CDU das eigentlich?)

Herr Dr. Braun, Sie rufen nur deshalb dazwischen, weil Sie meinen, auf Ihrer Meinung wäre es bei den Verhandlungen vom Bund-Länder-Finanzausgleich angekommen. Das ist aber nicht der Fall.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD)

Für die Bürger wird dieses ganze System noch undurchsichtiger, als es bisher schon gewesen ist.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Können Sie es erklären oder nicht?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für den einzelnen Bürger wird noch weniger durchschaubar, welche staatliche Ebene für welche Ausgabe und für welche Entscheidung zuständig ist.

(Beifall der CDU)

Das ist eine verhängnisvolle Entwicklung. Deshalb besteht überhaupt kein Grund dafür, dass sich die Landesregierung, die im Übrigen keinen eigenen Vorschlag zur Gestaltung des Bund-Länder-Finanzausgleichs der Öffentlichkeit vorgelegt hat, hier feiern lässt.