Protocol of the Session on October 6, 2016

Verehrte Frau Kollegin Willius-Senzer, es lohnt sich nicht, auf die ganzen Anwürfe einzugehen, die Sie hier formuliert haben.

(Abg. Michael Hüttner, SPD: Dann brauchen Sie auch keine Kurzintervention zu machen!)

Ich möchte aber – – –

(Zuruf aus dem Hause: Lustig!)

Ich habe irgendwie dauernd Déjà-vu-Erlebnisse hier vorn.

(Glocke des Präsidenten – Abg. Michael Hüttner, SPD: Kurzintervention geht nur auf die Äußerung vorher!)

Ja, aber ich komme ja gar nicht zu Wort. Es tut mir leid, Herr Präsident.

Man muss zum Ersten nicht reagieren, aber die Zwischenrufe sind in der Anzahl in der Tat zu hoch. Ich darf Sie bitten, gerade bei diesem sensiblen Thema einfach zuzuhören.

Vielen Dank, Herr Präsident. Es ist mir aber ganz wichtig, hier klarzustellen, Frau Kollegin Willius-Senzer, dass ich in keiner Weise die Sache mit den Kinderehen verharmlosen wollte oder hier den Eindruck erwecken wollte, das würde mich nicht interessieren. Ich wiederhole noch einmal, was ich gesagt habe. Kinderehen sind keine Ehen. Kinderehen sind Kindesmissbrauch. Ich denke, deutlicher kann man es nicht mehr formulieren. Ich habe ja ganz ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wir als AfD-Fraktion, und da stehe ich natürlich vollkommen dahinter, die Regierung auffordern, hier endlich klare Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Missstand umgehend zu beenden. Und da weise ich Ihre Unterstellung, ich würde das in irgendeiner Form für nicht wichtig halten, ausdrücklich zurück.

Danke schön.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist keine Unterstellung, das ist eine Tatsache!)

Gibt es Wortmeldungen? – Frau Schellhammer, Sie haben das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch eine Tatsache! Das haben Sie doch zu Recht gesagt! Sie haben genau so geredet! – Zurufe von der AfD)

Wenn Sie Zwiegespräche führen wollen, dann gehen Sie in die Lobby. Dort können Sie Zwiegespräche führen, solange Sie wollen, nicht hier.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich habe keine Lust, Zwiegespräche zu führen! Ich habe nur gesagt, das ist eine Tatsache!)

Frau Schellhammer hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden heute über ein sensibles Thema. Wir müssen uns diesem sensiblen Thema auch widmen, aber

auf einer Faktengrundlage. Ich habe mir eine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion angeschaut, die die vorhandenen Zahlen zum Thema Kinderehen bundesweit abgefragt hat. Die Zahlen, die die Bundesregierung darin vorgelegt hat, machen vor allem eines deutlich: Die Sachlage ist sehr komplex, und Schnellschüsse verbieten sich daher. – Mit Blick auf etwaige gesetzliche Regelungen muss das Wohl der Kinder und Jugendlichen oberste Richtschnur sein.

Von den 1.475 in Deutschland lebenden verheirateten ausländischen Minderjährigen sind 994 älter als 16. Dies lässt auch das deutsche Recht in Ausnahmefällen zu. Dass 317 minderjährige Jungen verheiratet sind, zeigt auch, dass das Bild, das wir von Kinderehen haben, dementsprechend erweitert werden muss. Bei den bundesweit 361 unter 14Jährigen ist die Rechtslage derzeit klar. Diese Ehen sind in Deutschland nicht zulässig. Es bleibt die Gruppe von 14- bis 16-Jährigen. Hier muss geprüft werden, ob eine gesetzliche Regelung notwendig ist und die Möglichkeit geschaffen wird, ob auch gegen den Willen der Betroffenen überhaupt eine Aufhebung dieser Ehen möglich ist.

Um präzise Erkenntnisse zur Situation in Rheinland-Pfalz zu erlangen, begrüße ich ausdrücklich, dass das Familienministerium in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden eine Umfrage bei den Jugendämtern zur Zahl der Kinderehen gestartet hat. Dabei sollen Zahlen differenziert nach Alter und Geschlecht erhoben werden. Auf Grundlage dieser Zahlen sollten wir weiter diskutieren.

Aber noch einmal zur rechtlichen Situation: Zunächst sind Ehen, die im Ausland geschlossen werden, den im Inland geschlossenen Ehen rechtlich gleichgestellt. Im Inland geschlossene Ehen müssen immer den hiesigen Formerfordernissen genügen. Daher werden bereits jetzt allein religiös eingegangene Ehen, die nicht Ehen nach dem Zivilrecht sind, nicht anerkannt. Dies gilt auch für Ehen, die im Ausland geschlossen werden. Auch im Ausland geschlossene Ehen mit Kindern unter 14 Jahren werden hier nicht anerkannt, ebenso wenig wie Zwangsehen, da es sich dabei auch um Straftaten handelt. Freiwillig eingegangene Ehen ab 16 hingegen kann die Anerkennung nicht verwehrt werden, da selbst das deutsche Recht dies im Ausnahmefall vorsieht und damit nicht von einem Bruch grundlegender Rechtsgrundsätze gesprochen werden kann.

Wir diskutieren also heute über den Bereich von Auslandsehen, bei denen ein Ehepartner im Alter von 14 bis 16 Jahren ist und vor der Erreichung der Volljährigkeit in Deutschland lebt. Zum jetzigen Zeitpunkt wird bei diesen Ehen nach Ermessen entschieden, inwiefern eine Ehe aufgelöst werden soll. Um den Umgang mit Kinderehen zu diskutieren, ist besagte Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet worden. Dort wird diskutiert, ob für die Gruppe der 14- bis 16-Jährigen eine generelle gesetzliche Regelung notwendig ist. Darauf wurde hier auch schon eingegangen.

Kommen minderjährige unbegleitete Flüchtlinge nach Rheinland-Pfalz, wird unverzüglich das Vormundschaftsgericht einen Vormund bestellen. Die CDU fordert in ihrem Antrag eine landesweite Strategie des Landesjugendamtes zur sozialen Begleitung minderjähriger Mädchen und junger Frauen. Die gesetzliche Lage ist aber eindeutig. Die

Jugendämter müssen eine verheiratete Minderjährige, die nach Deutschland geflüchtet ist, nach Bundesgesetz in Obhut nehmen. Mit der Inobhutnahme haben die Jugendämter die schwierige Entscheidung zu treffen, ob sie die Minderjährige bei ihrem Ehemann belassen oder beide trennen. Das Alter der Minderjährigen neben dem Willen der Minderjährigen ist für diese Entscheidung maßgeblich. Diese Entscheidung treffen – das wurde in der Debatte bereits gesagt – die Jugendämter im Einzelfall verantwortungsvoll und einzig und allein am Kindeswohl der betroffenen Person orientiert.

Das Familienministerium – dafür bin ich sehr dankbar – hat in einem Rundschreiben an die Jugendämter klargestellt, dass die Ehemänner minderjähriger Verheirateter nicht als Vormund bestimmt werden können. Herzlichen Dank für die Klarstellung an die jeweiligen Jugendämter. Wir gehen aber davon aus, dass insgesamt die Prüfung in den Jugendämtern sehr verantwortungsvoll von Expertinnen und Experten einzig und allein am Kindeswohl orientiert getroffen wird.

Für betroffene Jugendliche – das hat meine Vorrednerin, Frau Willius-Senzer, klargemacht – haben wir eine große Struktur von Beratungseinrichtungen, psychosoziale Zentren für traumatische Flüchtlinge und dergleichen. Auch auf kommunaler Ebene haben wir Beratungseinrichtungen, an die sich auch von Ehen betroffene minderjährige Flüchtlinge wenden können.

In jedem Fall müssen wir intensiv und auf Faktengrundlage über Kinderehen sprechen. Oberste Priorität muss dabei die Sicherung des Kindeswohls sein.

(Glocke des Präsidenten)

Gemeinsam mit den Jugendämtern und den Familiengerichten muss vor Ort geschaut werden, was genau diese Minderjährigen brauchen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Die Abgeordnete Huth-Haage hat sich für eine Kurzintervention gemeldet.

Frau Kollegin, ich möchte mich ganz herzlich für diese differenzierte Darstellung bedanken. Sie haben eben die Faktenlage angesprochen. Genau darum ging es uns. Uns geht es nicht darum, juristisch irgendetwas zu verändern, was wir hier nicht können. Uns ging es darum, eine ordentliche Faktenlage zu schaffen.

(Beifall der CDU)

Genau die Zahlen, die Sie für die Bundesrepublik genannt haben – das ist der entscheidende Punkt –, können wir für Rheinland-Pfalz nicht nennen. Genau das ist doch unser pragmatischer Ansatz.

(Beifall der CDU und bei der AfD)

Wir möchten, dass diese Zahlen erhoben werden. Ich möchte, wie Sie es eben für die Bundesrepublik getan haben, dass wir genau aufschlüsseln können, wie viele dieser Kinder unter 14 sind, dass wir diese Daten und diese Fakten für Rheinland-Pfalz haben.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ab einer gewissen Größe lohnt es sich doch gar nicht! Was soll das denn! Das ist doch Unsinn!)

Frau Ministerin, es kann nicht sein, dass Sie bis dato keine Auskunft geben konnten. Die Frau Kollegin sagte eben, es gibt jetzt eine Umfrage. Wenn das so ist, dann freut uns das. Das hätten Sie uns vielleicht im Vorfeld schon einmal mitteilen können. Aber es freut uns, wenn es so ist.

(Zuruf von der SPD: Das hat sie doch im Ausschuss gesagt!)

Es geht uns um diese Grundlagen, dass wir diese Fakten brauchen, und keine Relativierungen, so wie Sie es im Ausschuss getan haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU)

Frau Abgeordnete Schellhammer hat das Wort zur Beantwortung.

Danke, Herr Präsident.

Frau Huth-Haage, es geht auch um die Faktenlage. Ich habe ja skizziert, das Familienministerium hat gehandelt, um natürlich in Absprache mit den kommunalen Spitzen hier die Daten zu erheben. Aber Sie haben eben in Ihrer Kurzintervention skizziert, dass es Ihnen einzig und allein um die Faktenlage gehen würde. In Ihrem Antrag fordern Sie aber ausdrücklich gesetzliche Regelungen. Das heißt, Sie greifen schon vor. Bevor eine Faktenlage dargestellt werden kann, fordern Sie schon ein grundsätzliches Verbot. Das ist meines Erachtens vorschnell.

Davor habe ich auch in einem Redebeitrag gewarnt, nicht vorschnell Forderungen aufzustellen. Sie sind wohlfeil und sehr, sehr schnell formuliert. Wir müssen uns bei einem so sensiblen Thema genau der Faktenlage widmen. Genau das macht das Familienministerium.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP)

Für die Landesregierung hat Herr Staatsminister Mertin das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren

und Abgeordnete! Ich glaube, im Parlament und auch bei der Landesregierung und zwischen uns allen besteht Einigkeit darin, dass wir bemüht sind, Kinder vor Missbrauch zu schützen. Ich glaube, dies kann man vorab feststellen, ohne dass dem jemand widersprechen könnte.

Unser deutsches Eherecht sieht auch deshalb nur ausnahmsweise die Möglichkeit vor, dass ein Minderjähriger heiraten kann; denn grundsätzlich gilt in Deutschland, dass jemand, der die Ehe schließen will, volljährig sein muss. Wir machen die Ausnahme nur in einem ganz bestimmten Fall, wenn der eine Partner volljährig ist und der andere Partner 16 Jahre alt ist und ein Gericht zugestimmt hat. Nur dann darf in Deutschland die Ehe mit einem Minderjährigen geschlossen werden. Falls die Zahlen interessieren, im Jahr 2000 waren es in Rheinland-Pfalz 66 Fälle. Im Jahr 2014 waren es, glaube ich, 5 Fälle.