Protocol of the Session on October 6, 2016

Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Zuruf des Abg. Michael Hüttner, SPD)

Wollen Sie die Rede halten? Ich frage ja nur, weil Sie schon dazwischenrufen, bevor ich überhaupt angefangen habe.

(Beifall bei CDU und AfD)

Ich weiß nicht, ob das Ihr politischer Stil ist, aber wenn wir schon einen gemeinsamen Antrag haben, zu dem ich mich gerne äußern würde, dann wäre es schön, wenn Sie mich dazu ausreden ließen, Herr Kollege Hüttner.

Es kommt nicht so oft vor, dass wir gemeinsam einen Antrag in diesem Parlament voranbringen. Ich muss sagen, wir sind froh und dankbar dafür; denn es ist unsere Aufgabe, ein gemeinsames politisches Signal zu setzen, was wir heute gerne machen.

Ich kann dem Kollegen nur zustimmen, es ist wichtig, dass wir gemeinsam dieses Signal setzen; denn eines muss uns allen bewusst sein: Wir vertreten gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen, die im Parlament aktiv sind, etwa 21,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner der Bundesrepublik Deutschland. Das ist immerhin ein Viertel unserer Bevölkerung in Deutschland, vertreten durch uns. Wir sagen gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus Nordrhein-Westfalen, wir stehen zum Bonn-Berlin-Gesetz.

(Beifall der CDU, bei SPD, FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben diesen gemeinsamen Antrag überschrieben mit „Bonn als Bundesstadt und politisches Zentrum erhalten und stärken“. Genau das wollen wir tun, genau das ist unsere Aufgabe.

Der Kollege ist ein bisschen auf die Historie eingegangen, ich möchte sozusagen auf die neuere Geschichte eingehen. Wir haben uns mehrfach in Bonn frühmorgens im

Rathaus getroffen, um die Weichen dafür zu stellen. Wir – mit dabei waren Guido Ernst und Mechtild Heil – haben unter der Leitung von Oberbürgermeister Ashok Sridharan gemeinsam mit den beiden Landräten aus NordrheinWestfalen, Herrn Schuster und Herrn Dr. Jürgen Pföhler, das Positionspapier „Bundesstadt Bonn – Kompetenzzentrum für Deutschland“ der Region Bonn/RheinSieg/Ahrweiler zur Bonn/Berlin-Diskussion erarbeitet.

Das war Grundlage und letztendlich Ausgang für das, was wir heute vorlegen können. Der Kollege Guido Ernst und ich haben dann gemeinsam in einer Kleinen Anfrage am 15. Juni die Auswirkungen eines Komplettumzuges der Bundesregierung nach Berlin auf Rheinland-Pfalz erfragt. Der Minister hat in einer Antwort deutlich gemacht, dass Rheinland-Pfalz zu Bonn-Berlin und diesen Beschlüssen steht. Das ist das, was wir heute gemeinsam deutlich machen wollen.

Mit dabei ist nicht nur die Region, die ich vorhin genannt habe, sondern das sind noch die Stadt Bonn, die Kreise Rhein-Sieg, Ahrweiler, Altenkirchen, Mayen-Koblenz und Neuwied, die betroffen sind. Das ist entscheidend, dass wir uns für unsere Bürgerinnen und Bürger einsetzen – genauso ist es, Herr Kollege Ruland –, für diejenigen, die dort arbeiten, die auspendeln von Rheinland-Pfalz nach Nordrhein-Westfalen. Das ist unsere Aufgabe. Dafür stehen wir heute gemeinsam ein.

(Beifall der CDU und des Abg. Marc Ruland, SPD)

Ich wiederhole es noch einmal, wenn wir ein solch deutliches Zeichen für ein Viertel der Einwohnerinnen und Einwohner der Bundesrepublik, vertreten durch die Abgeordneten, setzen, dann wird das mit Sicherheit auch Gehör in Berlin finden. Ich bin gespannt, wie wir alle, auf das, was Bundesministerin Hendriks angekündigt hat. Sie möchte das Bonn-Berlin-Gesetz auf den Prüfstand stellen.

Wir haben vorab schon ganz klar gesagt, in welche Richtung das Ganze nach unseren Vorstellungen zu gehen hat und gehen muss; denn es ist ein Bekenntnis zur Region und eine Sache, für die wir uns gemeinsam einsetzen wollen: die Bundesstadt als Kompetenzzentrum.

Ich glaube, wir alle können nur zu gut, so wie es der Kollege gemacht hat, deutlich machen, dass Freunde, Verwandte und Bekannte in Bonn arbeiten, aber hier in der Region verwurzelt sind. Es hat aber noch mehr Auswirkungen; denn daran hängen Arbeitsplätze, nicht nur in den Ministerien, sondern darüber hinaus auch in den verschiedensten Bereichen, in den nachgelagerten Bereichen, die sich engagieren. Es hat auch Auswirkungen auf die ökonomischen Verflechtungen, die über alle einzelnen Gebiete betroffen sind: auf die Bevölkerungsentwicklung, auf die Kaufkraft, auf Beschäftigungszahlen, die Arbeitslosenquote, die Steuerkraft und auf den Tourismus, wenn ich speziell unseren Kreis Ahrweiler und die Nachbarkreise sehe.

Dafür stehen wir hier, dafür wollen wir uns gemeinsam einsetzen. Ich bin froh, dass ich einen der wenigen gemeinsamen Anträge erleben und heute mit unterstützen darf, die wir in der parlamentarischen Zeit gemeinsam auf

den Weg bringen.

Lassen Sie uns, so wie wir es formuliert haben, alle Handlungsspielräume nutzen und auf den politischen Weg bringen, damit es beim Status quo bleibt und ein Bekenntnis zu Bonn-Berlin und zur Bundesstadt Bonn sein kann.

(Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Martin Haller, SPD: Sehr gut!)

Für die AfD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Nieland das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen, liebe Gäste! Der vorliegende Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert die Landesregierung auf, zum einen den beschäftigungspolitischen Status quo in Bonn und Umgebung zu erhalten und zum anderen den Standort Bonn nachhaltig zu stärken und sogar auszubauen. Damit verfolgt dieser Antrag zwei aus unserer Sicht durchaus unterschiedliche Ziele, zu denen unsere Fraktion auch unterschiedlich Stellung beziehen möchte.

Zu der Frage des Erhalts des beschäftigungspolitischen Status quo: Die Zahl der Ministerialbeschäftigen in Bonn liegt aktuell bei rund 6.500. Laut der Antwort des Chefs der Staatskanzlei auf eine entsprechende Kleine Anfrage von der CDU vom Juli dieses Jahres pendelten zum Stichtag 30. Juni 1.894 Beamte aus Rheinland-Pfalz nach Bonn, davon 662 zu den Dienstsitzen der Bundesministerien.

Bereits aus diesen Zahlen wird die Bedeutung des Standorts für die Beschäftigung im Norden unseres Landes deutlich. Die tatsächliche Anzahl der Arbeitsplätze, die mittelbar vom Standort Bonn abhängen dürften, dürfte noch höher sein.

Selbstverständlich haben wir, die AfD in Rheinland-Pfalz, ein Interesse am Erhalt einer großen Zahl von Bundesbediensteten in Bonn. Deren Interessen zu wahren, hat eine große Bedeutung für die Abgeordneten des Landes Rheinland-Pfalz. Das bedeutet für uns aber nicht, dass das Konzept des doppelten Dienstsitzes der Ministerien für immer und ewig aufrechterhalten werden muss.

(Beifall der AfD)

Das Konzept des doppelten Dienstsitzes ist mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Wie der SWR Ende Juni dieses Jahres berichtete, fallen allein jährlich rund 4 Millionen Euro für Dienstreisen an. Zehntausende jährliche Dienstreisen der Mitarbeiter gab es zwischen den Dienstsitzen der Ministerien in Berlin und Bonn. Nach einem wenn auch nicht mehr ganz aktuellen Bericht der WELT belaufen sich die Mietzahlungen für die obersten Bundesbehörden in Bonn auf 6,7 Millionen Euro jährlich. Andererseits werden für die leer stehenden Liegenschaften in Berlin, die für die Bundesbehörden infrage kommen, jährlich etwa 2,8 Millionen Euro ausgegeben. Der Bund der Steuerzahler

beziffert die Kosten des Berlin-Bonn-Arrangements sogar auf 23 Millionen Euro jährlich und auf ca. 400 Millionen Euro bisher insgesamt. Diese Kosten mögen für einen gewissen Zeitraum durchaus gerechtfertigt gewesen sein, das Votum des Bundes der Steuerzahler fällt an dieser Stelle aber deutlich entgegengesetzt aus.

Nach unserer Auffassung kann das Konzept des doppelten Dienstsitzes jedoch keinen Dauerzustand darstellen. Es gilt, ihn zeitlich begrenzt zu halten. Es sind dabei nicht allein die finanziellen Überlegungen, die für unsere Einschätzung maßgeblich sind, ein einheitlicher Dienstsitz sämtlicher Ministerien in Berlin würde auf Dauer die Effizienz steigern und somit der Handlungsfähigkeit der Bundesregierung zugute kommen.

Davon abgesehen, wäre dies 26 Jahre nach der deutschen Einheit ein klares Bekenntnis zu Berlin als Bundeshauptstadt. Ein Bekenntnis zum Föderalismus legen wir schließlich auch ab, indem wir viele hundert Bundesbehörden über das ganze Land von Flensburg bis Rosenheim verteilen.

Fazit: In den letzten Jahren wurden schon in zahlreichen Ministerien viele Stellen in Berlin angesiedelt, während in Bonn die Zahl der Stellen reduziert wurde. Noch vor rund zehn Jahren beschäftigten die Bundesministerien nur 47 % der Mitarbeiter in Berlin, heute sind es bereits über 60 %. Ein einheitlicher Dienstsitz der Ministerien in Berlin ist sinnvoll und nötig. Der entsprechende Prozess hat längst begonnen.

(Abg. Martin Haller, SPD: Sprechen Sie für das Land Rheinland-Pfalz? – Abg. Kathrin Anklam Trapp, SPD: Steuerkraft des Landes Rheinland-Pfalz! Arbeitsplätze!)

Viele seiner Bauten in Berlin hat der Bund auf Zuwachs angelegt.

Der Antrag der Altparteien von CDU bis Rot-Grün-Gelb besagt, wir wollen bei den gesetzlichen Vereinbarungen bleiben. Nach Auffassung der AfD aber ist ein einheitlicher Dienstsitz aller Ministerien in Berlin sinnvoll. Ziel muss es daher sein, eine langfristige Strategie zu entwickeln, die beiden Standorten gerecht wird, die also zum einen darauf gerichtet ist, insgesamt die Dienstsitze der Ministerien in Berlin einzurichten, und zum anderen die aktuellen Arbeitsplätze in den Bundeseinrichtungen in Bonn zu erhalten und das Gesamtangebot an Arbeitsplätzen für Arbeitnehmer aus Rheinland-Pfalz wenn möglich auszubauen. Dazu gehört auch, die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen zu schaffen; denn das geht nicht mit dem geltenden Gesetz. Hier wird eine Novellierung des Bonn-Berlin-Gesetzes unumgänglich.

(Beifall der AfD)

Im Ergebnis können wir daher dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüße ich als Gäste auf der Zuschauertribüne Bürgerinnen und Bürger aus dem Wahlkreis Eifel-Mosel-Hunsrück. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Fraktionsvorsitzender Roth das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste! Vor etwas mehr als 25 Jahren fiel im Deutschen Bundestag mit dem Hauptstadtbeschluss eine richtungsweisende Entscheidung. Nach über zwölf Stunden verkündete die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth das folgende Ergebnis: Mit 337 zu 320 Stimmen und zwei Enthaltungen entschieden sich die Abgeordneten knapp für Berlin als Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands.

Jetzt, 25 Jahre später, hat die Bundesbauministerin Barbara Hendriks die Prüfung eines Komplettumzugs veranlasst. Das wäre ein Beschluss, der auch schwerwiegende Folgen für Rheinland-Pfalz hätte.

Lassen Sie mich den Sachverhalt zunächst einmal allgemein betrachten. Insgesamt ist die Arbeitsteilung zwischen den beiden Städten 2016 durchaus als ausgeglichen zu bezeichnen. Bonn als Bundesstadt ist mittlerweile Dienstsitz von sechs Bundesministerien, darunter das Umweltund das Verteidigungsministerium, sowie zahlreichen Bundesbehörden, wie dem Bundeskartellamt, dem Bundesrechnungshof und dem Bundesamt für Justiz. Daneben haben sich mit den Vereinten Nationen, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit auch noch weitere zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, wie beispielsweise die Welthungerhilfe, in der ehemaligen Bundeshauptstadt am Rhein zusammengefunden, sodass gerade im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit die politische Arbeit auf kurzem Weg stattfinden kann.

Zudem hat sich die Aufteilung der Ministerien auf Berlin und Bonn auch unter einem ganz anderen Gesichtspunkt bewährt. Das politische System in Deutschland ist von dem Gedanken der Dezentralisierung geprägt. Am Beispiel unseres europäischen Nachbarn Frankreich lässt sich erkennen, dass eine starke Zentralisierung von Verwaltung und Kompetenzen auch durchaus Nachteile haben kann. Neben all diesen Argumenten spricht aus Sicht der Freien Demokraten aber vor allem die räumliche Nähe zu Rheinland-Pfalz für den Erhalt als Bundesstadt.

Dabei liegt es mir ganz persönlich am Herzen, dieses Anliegen im Sinne der Bevölkerung aus dem nördlichen Teil unseres Landes hier zu unterstützen. Die Landkreise Mayen-Koblenz, Ahrweiler, Neuwied und Altenkirchen sind mit den Kreisen aus dem benachbarten Bundesland sehr gut vernetzt und kooperieren zum Beispiel erfolgreich in den Bereichen Tourismus, Nahverkehr und Abfallentsorgung.

Vor allem aber ist die Region im Norden unseres Landes aus wirtschaftlichen Gründen auf den politischen Standort am Rhein angewiesen. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger – wir haben das vorhin gehört – aus den nördlichen Landkreisen haben nämlich seit vielen Jahren dort einen sicheren Arbeitsplatz gefunden. Sie müssen sich auch weiterhin auf die Zusagen der Bundesregierung verlassen können; denn darüber hinaus steht und fällt mit der Sicherheit für den einzelnen Bürger auch die Planbarkeit für die gesamte Region. Ein Verlust von 10.000 Arbeitsplätzen wäre nicht verkraftbar.

In diesem Zusammenhang sei auch auf den technischen Fortschritt hingewiesen. Im Zeitalter der Digitalisierung ist eine räumliche Nähe von einzelnen Abteilungen nicht mehr nötig, sodass sich auch diese oft angeführten Argumente leicht entkräften lassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Norden unseres Landes darf nicht vom restlichen Rheinland-Pfalz abgehängt werden.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)