Protocol of the Session on November 12, 2020

Künstlich heraufbeschworene Empörung. Frau Beilstein,

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Keilstein!)

wenn Sie die Maßnahmen, Empfehlungen und Hinweise, die das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung gemeinsam mit dem Kita-Tag der Spitzen gibt, lächerlich machen, dann weiß ich nicht mehr, wie wir gemeinsam auf einem Boden der Sachlichkeit Politik gestalten sollen.

(Beifall der SPD, bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der FDP – Abg. Martin Haller, SPD: Sehr richtig!)

Das schürt Verunsicherung und trägt nicht zur Versachlichung der Debatte bei.

Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Unsere Kitas sind uns extrem wichtig. Unsere guten Kitas sind Ausdruck sozialer Gerechtigkeit. Deswegen werden wir fast 1 Milliarde Euro im nächsten Haushaltsjahr für die Kitas im Land investieren.

Wir nehmen die Sorgen und Bedürfnisse der Erzieherinnen und Erzieher und Eltern sehr ernst. Frühkindliche Bildung ist uns wichtig. Sie ist unerlässlich. Deshalb ist es richtig, dass beschlossen worden ist, diese wirklich wichtigen Einrichtungen für unsere Kinder und Eltern werden geöffnet bleiben, auch während der Corona-Pandemie.

Die SPD-Fraktion schätzt die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher sehr. Wir wissen, wie hart das ist, wie viele Entscheidungen getroffen werden mussten, wie viel organisiert werden musste und wie anstrengend diese Arbeit in den Kitas ist, gerade in Zeiten der Corona-Pandemie. Deswegen sagen wir mit größter Anerkennung und größtem Respekt ein ganz, ganz herzliches Dankeschön an unsere

engagierten Erzieherinnen und Erzieher.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So sieht es aus!)

Frau Beilstein, wir haben in den letzten Wochen sehr, sehr viele Gespräche mit Kita-Leitungen, mit Erzieherinnen und Erziehern, mit Eltern, mit Verbänden und Gewerkschaften geführt, nicht nur mit einem einzigen Verband. Der einhellige Tenor war: Lasst die Kitas offen. – Genau das wollen und machen wir auch.

Natürlich muss das mit dem Gesundheitsschutz aller Beteiligten, der Beschäftigten, der Kinder und der Eltern, einhergehen. Wir wissen mittlerweile aus Studien, vor allem aus der Corona-Kita-Studie und unseren Reihentestungen von vor und nach den Sommerferien, dass Kinder nicht die Superspreader sind, wie man es zunächst annahm.

Kinder erkranken seltener am Coronavirus und zeigen bei den Erkrankungen nur milde oder gar keine Symptome. Das ist eine wichtige Grundlage für die grundsätzliche Öffnungsentscheidung, die durch den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz bundesweit für eine verlässliche Kinderbetreuung sorgen soll. Für diesen Beschluss herzlichen Dank.

Jetzt behauptet die CDU, die Landesregierung ließe die Kitas allein. Das ist falsch.

(Heiterkeit der Abg. Anke Beilstein, CDU)

Das Land macht das, was seine Aufgabe ist: Kitas, Eltern, Jugendämter und Träger unterstützen. Erster Ansprechpartner für die Kitas sind ihre Träger und die örtlichen Jugendämter. Das Land unterstützt die Träger und Einrichtungen vom ersten Tag des Lockdowns an mit Empfehlungen zu organisatorischen Maßnahmen. Ich sage Ihnen das nochmals: Sie sind in Übereinstimmung mit dem Kita-Tag der Spitzen getroffen worden, sie sind auch in Übereinstimmung mit den Eltern, mit dem Landeselternausschuss getroffen worden, der Teil dieses Kita-Tags der Spitzen ist.

Es gibt die Leitlinien zum Regelbetrieb. Übrigens steht auch darin schon, dass man vorübergehend in festen Gruppen weiter arbeiten kann, und darin wird nicht suggeriert, wie Sie das sagen, dass Corona vorbei wäre. Es ist eigentlich eine Unverschämtheit, dass Sie das hier so ausdrücken.

(Beifall der SPD und vereinzelt bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt die Hygieneempfehlungen, es gibt die pädagogischen und organisatorischen Hinweise des Landesjugendamts, die in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen immer upgedated werden. Es gibt das Merkblatt zum Umgang mit den Erkältungssymptomen, das sogenannte Schnupfenpapier. Auch das ist hilfreich im Kita-Alltag.

Wenn jetzt den Kitas empfohlen wird, möglichst feste Grup

pen zu bilden – von offenen Konzepten abzuweichen, um Kontakte zu verringern und Komplettschließungen zu vermeiden –, dann sieht das das Szenario schon vor und ist das doch auch eine Hilfestellung für die Kitas zu sagen, ja, Ihr könnt das machen, und trotzdem kann man den Betreuungsumfang aufrechterhalten.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Wie denn?)

Die Kitas haben enorm kreative Lösungen gefunden, um Gruppen zu entzerren. Sie suchen praktikable Lösungen. Ich habe zum Beispiel eine Kita gesehen, die hat ein großes Außengelände mit einem großen Gartenhaus und ihre Station für eine Gruppe dorthin ausgelagert. Es gibt viele Dinge, die draußen stattfinden. Vereinzelt entstehen Waldgruppen,

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

die die Kitas schon lange wollten, die aber die Träger vielleicht nicht wollten oder bei denen andere Gründe dagegenstanden. Jetzt auf einmal, plötzlich werden sie möglich.

Es gibt so viel, und Sie sprechen von einer eierlegenden Wollmilchsau. Ich finde, das wird der Sache absolut nicht gerecht, weil die Erzieherinnen und Erzieher so viel möglich machen, um eine ordentliche Betreuung aufrechtzuerhalten.

(Beifall der SPD, bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der FDP – Zurufe von der AfD – Glocke des Präsidenten)

Frau Beilstein, wenn das Personal ausfällt, greift der Maßnahmenplan jeder Kita, und vor allen Dingen zahlt das Land Vertretungskräfte mit, und zwar in dem Maße, wie das bisher auch der Fall gewesen ist. Es unterstützt damit die Einrichtungen.

(Zuruf der Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU)

Gott sei Dank gibt es nur sehr, sehr geringe Infektionszahlen bei Kitas und beim Kita-Personal. Sie wollen wir auch weiter gering halten. Dafür gibt es zum Beispiel die Maskenpflicht bei den Erwachsenen, wenn sie nicht mit den Kindern arbeiten.

(Glocke des Präsidenten)

Noch bevor Sie uns auffordern, etwas zu tun, handelt die Landesregierung längst.

Mehr dazu gerne in der zweiten Runde.

(Beifall der SPD und vereinzelt bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!)

Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Frisch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als im Frühjahr dieses Jahres die Kitas in ganz Rheinland-Pfalz für die meisten Kinder geschlossen blieben, war dies eine schwierige und herausfordernde Zeit für viele Familien im Land. Vor allem für die Kleinen bedeutete es eine große Umstellung und eine Menge Verzicht: kein tägliches Spielen mit den anderen Kindern mehr, kein Singen und Lesen mit den Erzieherinnen, kein gemeinsames Mittagessen mit festen Ritualen und für einige auch kein Austoben im Freien und an der frischen Luft mehr; denn je nach Lebens- und Wohnsituation mussten Familien teils auf engem Raum zusammenrücken. Das brachte mehr Gemeinsamkeit, aber es verlief auch nicht immer reibungslos und konfliktfrei.

Zudem war dieser erste Lockdown für die Eltern oft mit materiellen und psychischen Belastungen verbunden. Kurzarbeit und Angst vor Arbeitslosigkeit, Existenzsorgen und das Gefühl, auf die eigenen vier Wände beschränkt zu sein, machte den Menschen zu schaffen. Nun, im zweiten Lockdown, sind all diese Sorgen schlagartig zurückgekehrt, mit Ausnahme der Betreuungsfragen; denn wenigstens in diesem Punkt scheint die Landesregierung dazugelernt zu haben. Im Frühjahr überantwortete man den Eltern nicht nur die 24-Stunden-Betreuung aller Kita- und Schulkinder, sondern legte auch noch die komplette Bearbeitung des anstehenden Schulstopps in ihre Hände. Damit schaffte man eine Ausnahmesituation, die viele Familien an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit und mitunter sogar darüber hinaus brachte.

Umso größer war die Erleichterung, als Ende Mai endlich eine stufenweise Öffnung der Kitas durch die Bildungsministerin in Aussicht gestellt wurde. Wieder einmal zeigte sich: AfD wirkt;

(Beifall der AfD – Heiterkeit der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP, und Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn einige Wochen zuvor hatte unsere Fraktion als erste darauf gedrängt, den Kita-Betrieb unter Einhaltung von Hygienekonzepten und Sicherheitsregeln überall dort schnellstmöglich wieder aufzunehmen, wo es aus gesundheitlicher Sicht verantwortbar erschien. Schon damals wiesen mehrere renommierte medizinische Fachgesellschaften auf einen entscheidenden Punkt hin: Kitas und Schulen sind keine Corona-Hotspots, solange gewisse Regeln beachtet werden.

Diesen wichtigen Befund bestätigte jüngst eine Studie der Goethe-Universität in Frankfurt, die über zwölf Wochen hinweg 800 Kinder in 50 hessischen Einrichtungen regelmäßig testete. Ergebnis: Die Infektionsgefahr für Kinder ist glücklicherweise extrem gering.

Trotz dieser Tatsache und rückläufiger Infektionszahlen dauerte es im Sommer noch sage und schreibe zwei Monate, ehe die Landesregierung endlich ein praktikables Corona-Gesamtkonzept ausgearbeitet hatte, das allen Ki

tas in Rheinland-Pfalz Anfang August die Rückkehr zum echten Regelbetrieb ermöglichte.

Seitdem sind es vor allem Kommunen und Kita-Träger, die sich in gemeinsamer Verantwortung vor Ort nach Kräften darum bemühen, dass temporäre Gruppenauflösungen oder sogar vorübergehende Schließungen ganzer Einrichtungen bisher die Ausnahme geblieben sind. So wies das „Corona-KiTa-Dashboard“, welches vom Deutschen Jugendinstitut, dem Robert Koch-Institut (RKI) und dem Bundesgesundheitsministerium betrieben wird, für Rheinland-Pfalz Ende Oktober eine Versorgungsquote von 79 % aus.

Allerdings traten zuletzt in einzelnen Einrichtungen häufiger Infektionsfälle auf, die dann regelmäßig in eine 14tägige Schließung mündeten, wie die Rhein-Zeitung am vergangenen Sonntag berichtete. Fast immer handelt es sich bei den Infizierten um einzelne Erwachsene.

Vor diesem Hintergrund ist es für uns nicht nachvollziehbar, warum betroffene Kitas für Wochen komplett geschlossen werden, anstatt alle Kontaktpersonen inklusive der Kinder und Eltern durchzutesten, um den Regelbetrieb weitgehend lückenlos fortführen zu können.

Für uns als AfD-Fraktion war es richtig und wichtig, die Kitas im aktuellen Lockdown kein zweites Mal flächendeckend zu schließen. Wir fordern die Landesregierung daher nachdrücklich auf, ihre Teststrategie in der Kinderbetreuung der aktuellen Infektionslage anzupassen und bei auftretenden Fällen umfangreicher zu testen; denn Kinder und Eltern verdienen größtmögliche Normalität sowie ein hohes Maß an Verlässlichkeit in dieser herausfordernden Zeit.

Vergessen wir auch nicht die überaus engagierte Arbeit Hunderter Kita-Leitungen und Tausender Erzieherinnen und Erzieher in Rheinland-Pfalz, die überhaupt erst wieder Sicherheit in den Kita-Alltag zurückgebracht haben. Dafür möchten wir ihnen an dieser Stelle unseren besonderen Dank aussprechen.

(Beifall der AfD)

Wir fordern die Landesregierung auf, ihrerseits alles dafür zu tun, um Eltern, Kindern und Kita-Mitarbeiterinnen in dieser schwierigen Situation zu unterstützen.

Mehr dazu in der zweiten Runde.