Protocol of the Session on August 27, 2020

Wir haben uns auch erfolgreich für das Verbot von Konversionsmaßnahmen eingesetzt, die darauf zielen, die sexuelle oder geschlechtliche Identität zu ändern oder zu unterdrücken. Hierzu ist nun ein Bundesgesetz in Kraft getreten, dass zumindest Minderjährige vor solchen gefährlichen Praktiken schützt, die viele Menschen traumatisiert haben und im schlimmsten Fall bis zum Suizid führen können.

Bei der rechtlichen Gleichstellung konnten in den vergangenen Jahren wichtige Erfolge verzeichnet werden. Dennoch sehen sich viele lesbische, schwule, bisexuelle, transidente, intergeschlechtliche und nicht binäre Menschen angesichts fortbestehender Vorbehalte und Ausgrenzung nicht oder nur eingeschränkt in der Lage, ein offenes und selbstbestimmtes Leben zu führen.

Mit unserem Leitziel „Community empowern“ bringen sich die Selbstorganisationen der Queer-Community als Expertinnen und Experten ihrer eigenen Situation mit ihren Netzwerken aktiv in den Prozess der Akzeptanzförderung ein. So sind die Vertretungen der Queer-Organisationen in Gremien und Netzwerken vertreten, wie im Beirat für Familienpolitik, in der Landesmedienkonferenz oder in kommunalen Jugendhilfeausschüssen.

Von besonderer Bedeutung sind die Angebote der psychosozialen Beratung durch ehrenamtliche Kräfte. Die Beraterinnen und Berater verfügen über eigene biografische Erfahrungen, fachliche Ausbildung und Kenntnisse der Lebensrealitäten und Problemlagen. Daher ist ihre Beratung für andere Menschen in ähnlichen Situationen äußerst wertvoll.

Meine Damen und Herren, ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei QueerNet Rheinland-Pfalz e. V., bei der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e. V. (dgti) sowie beim Bundesverband Intersexuelle Menschen e. V. für ihr großes Engagement bedanken. Die Queer-Organisationen leisten mit ihrer engagierten Arbeit einen grundlegenden Beitrag zum Erfolg des Landesaktionsplans.

Zu Frage 3: Partizipation ist das Fundament des Landesaktionsplans „Rheinland-Pfalz unterm Regenbogen“; denn lesbische, schwule, bisexuelle, transidente, intergeschlechtliche und nicht binäre Menschen sind Expertinnen und Experten ihrer eigenen Lebenssituation. Ihr Wissen und ihre Kompetenz sind für den Prozess der Planung und Umsetzung der Maßnahmen unentbehrlich. Daher wurde der Grundsatz „Nicht ohne uns über uns“ dem Landesaktionsplan zugrunde gelegt. Die Maßnahmen sollen eben nicht über die Köpfe der Menschen hinweg, sondern gemeinsam mit ihnen erarbeitet und umgesetzt werden.

Die Landesregierung und die Queer-Organisationen bilden dazu eine Partnerschaft, in der sie einander in ihrer jeweiligen Rolle auf Augenhöhe begegnen. Das zentrale Forum ist dabei der landesweite Runde Tisch „LSBTI“, bei dem alle Beteiligten unter Leitung der Landesbeauftragten für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Geschlechtsidentität zusammenkommen, um sich über Inhalte auszutauschen und Bilanz zu ziehen, sowie um neue Aktivitäten zu planen.

Daneben finden regelmäßig und anlassbezogen Gespräche zwischen der Landesbeauftragten, den Ressorts und Vertretungen der Queer-Organisationen statt, um Bedarfe aufzugreifen, einzelne Maßnahmen umzusetzen und auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren.

Zu Frage 4: Der vorliegende Bericht macht deutlich, dass es gelungen ist, in dieser Legislaturperiode den Zielen des Landesaktionsplans „Rheinland-Pfalz unterm Regenbogen“ durch vielfältige Maßnahmen ein gutes Stück näherzukommen. Dennoch sind weitere Anstrengungen notwendig, um Diskriminierung zu bekämpfen, die vollständige rechtliche Gleichstellung zu erreichen, Menschenrechte zu gewährleisten und die gesellschaftliche Akzeptanz weiter zu fördern.

In dem Bericht ist daher eine Reihe von Anliegen festgehalten, die wir auch künftig weiterführen und angehen wollen. Ich möchte nur einige an dieser Stelle beispielhaft nennen. Mir liegt besonders der Schutz von intergeschlechtlichen Kindern am Herzen; denn noch immer werden in Deutschland Operationen an den Genitalien von intergeschlechtlichen Kindern durchgeführt, nur damit sie den gesellschaftlichen Vorstellungen davon entsprechen, wie ein Mädchen oder Junge aussehen soll.

Die Anzahl solcher Operationen ist in den vergangenen Jahren nicht rückläufig. Ich habe im Mai dieses Jahres einen entsprechenden Antrag auf der Konferenz der Jugend- und Familienminister und -ministerinnen der Länder eingebracht, um intergeschlechtliche Kinder vor diesen Operationen zu schützen. Unser Ziel muss sein, die Beratung und Versorgung von Kindern und Jugendlichen und ihren Eltern zu verbessern. Der Antrag ist einstimmig verabschiedet worden.

Das von der Bundesregierung angekündigte Verbot nicht lebensnotwendiger Operationen steht jedoch weiterhin aus. Hier werden wir dranbleiben.

Außerdem hat sich die Landesregierung intensiv für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare eingesetzt. Obwohl dieser wichtige Schritt gelungen ist, sind gleichgeschlechtliche Ehepaare im Abstammungsrecht noch immer nicht rechtlich mit heterosexuellen Ehepaaren gleichgestellt. So muss die Frau der Geburtsmutter in lesbischen Ehepaaren ein Adoptionsverfahren mit Prüfung der Wohnverhältnisse, des Einkommens und vieles mehr über sich ergehen lassen, bevor sie die rechtliche Verantwortung für ein von ihrer Ehefrau in die Ehe geborenes Kind übernehmen kann.

Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass diese Diskriminierung beendet und das Abstammungsrecht endlich zügig reformiert wird, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Da einfache Gesetze zur Gleichberechtigung unabhängig von der sexuellen und geschlechtlichen Identität jederzeit wieder geändert werden können, werden wir uns im Bundesrat auch dafür einsetzen, Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz durch die Merkmale sexuelle und geschlechtliche Identität zu ergänzen, um neben den Merkmalen Geschlecht, Herkunft, Religion oder Weltanschauung und Behinderung auch den verfassungsrechtlichen Schutz für die sexuelle Identität und geschlechtliche Identität sicherzustellen.

Das Bundesverfassungsgericht hat am 10. Oktober 2017 den Diskriminierungsschutz und die Persönlichkeitsrechte derjenigen Menschen gestärkt, die sich nicht den Kategorien „Mann“ und „Frau“ zuordnen. Bereits im Mai 2017 und 2018 hatte die Landesregierung im Bundesrat Entschließungsanträge zur Aufhebung des in weiten Teilen verfassungswidrigen Transsexuellengesetzes eingebracht und ein anderes Gesetz gefordert.

Wir werden uns auch in Zukunft dafür einsetzen, dass die teuren Begutachtungen und obligatorischen Gerichtsentscheidungen für transidente Menschen endlich abgeschafft werden und die Selbstbestimmung des Geschlechts durch Verwaltungsverfahren und ohne unnötige Hürden für transidente und intergeschlechtliche Menschen möglich wird.

Am 30. Januar dieses Jahres hat der rheinland-pfälzische Landtag den Antrag „Opfer des Nationalsozialismus: Gedenken aufrechterhalten – Verantwortung leben – Homosexuellenverfolgung weiter aufarbeiten“ beschlossen. Daher wird die Geschichtsforschung auch in Zukunft ein wichtiges Thema bleiben. So haben die Ergebnisse des Forschungsberichts über die Verfolgung der Homosexualität in Rheinland-Pfalz gezeigt, dass lesbische geschiedene Mütter um Unterhaltsansprüche und das Sorgerecht für ihre Kinder fürchten mussten, wenn sie sich von ihrem Ehemann trennten, um in einer Liebesbeziehung mit einer Frau zu leben.

Daher haben wir das Institut für Zeitgeschichte gemeinsam mit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld mit einer Fokusstudie beauftragt, um auch dieses dunkle Kapitel unserer Geschichte zu beleuchten. Die Ergebnisse der Forschung werden wir Ende dieses Jahres vorstellen.

Sehr geehrte Damen und Herren, zusammenfassend ist mir wichtig, festzuhalten: Der Schlüssel zum Erfolg des Landesaktionsplans mit seinen vielfältigen Maßnahmen für alle Lebensbereiche liegt in der Beteiligung der QueerGruppen als Expertinnen und Experten. Der Landesaktionsplan „Rheinland-Pfalz unterm Regenbogen“ ist damit ein wichtiger Beitrag zur Menschenrechts- und Demokratiearbeit in Rheinland-Pfalz.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Nach der umfangreichen Beantwortung

(Heiterkeit des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU)

kommen wir jetzt zu den Zusatzfragen. Wir beginnen mit dem Abgeordneten Frisch.

Frau Ministerin, warum definieren Sie „Akzeptanz“ der von Ihnen so genannten sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt als politisches Ziel, obwohl es bekanntermaßen Menschen gibt, die diese Vielfalt zwar tolerieren,

(Abg. Marco Weber, FDP: Bitte näher ans Mikrofon, wir verstehen nichts!)

das heißt mit Respekt gegenüber dem Betroffenen hinnehmen, aber aus weltanschaulichen oder religiösen Gründen keinesfalls akzeptieren, das heißt zustimmend annehmen können? Sehen Sie hier nicht einen Widerspruch zur Neutralitätspflicht des Staates und zur Meinungsfreiheit seiner Bürger?

Herr Abgeordneter Frisch, dann haben Sie aber gründlich missverstanden, welche Maßnahmen ich eben im Rahmen des Landesaktionsplans vorgestellt habe; denn es geht uns keineswegs darum, als Landesregierung, als politische Akteurinnen und Akteure irgendjemandem vorzuschreiben, wie er oder sie zu leben hat. Keinesfalls.

Es geht uns darum, dass wir diese Menschen, über die ich eben sehr ausführlich gesprochen habe – das zu Recht, weil es dort noch gewaltige Missstände in unserer Gesellschaft gibt, weil es auch im Jahr 2020 immer noch an der rechtlichen und faktischen Gleichstellung von Menschen fehlt, die sich entschieden haben, dass sie anders sind, anders sein wollen –, politisch und rechtlich unterstützen und wir das vorantreiben. Das ist das Ziel, das ich mit dem Landesaktionsplan verbinde.

Nein, ich sehe da keinen Widerspruch; denn ich sehe, dass diese Menschen noch immer von Diskriminierung und Ausgrenzung betroffen sind. Es muss unser aller Ziel – auch dieses Hohen Hauses – sein, dafür zu sorgen, dass in unserer Gesellschaft Menschen, die schwul, lesbisch, bisexuell, transident, intergeschlechtlich oder nicht binär sind, frei und selbstbestimmt leben können. Das muss das Ziel sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD – Abg. Michael Frisch, AfD: Schade, dass Sie meine Frage nicht beantwortet haben!)

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Binz.

Frau Ministerin, vielen Dank für die Beantwortung. Sie haben ausgeführt, dass Sie im Rahmen der Weiterführung des Aktionsplans auch sehr intensiv in der Queer-Community in Rheinland-Pfalz unterwegs gewesen waren. Vielleicht können Sie uns darüber berichten, was denn die Themen sind, die in der Queer-Community in Rheinland-Pfalz gerade aktuell sind und den Betroffenen unter den Nägeln brennen.

Frau Abgeordnete Binz, herzlichen Dank für die Frage. Es ist so, dass die Queer-Community natürlich auch aufgrund der Corona-Pandemie nicht so viele Christopher Street Days (CSD) durchführen konnte, wie sie sich das gerne gewünscht hätte. Aber immerhin konnte in Koblenz vor rund zwei Wochen ein CSD stattfinden, auf dem auch noch einmal deutlich geworden ist, welche Forderungen aus den Reihen der Queer-Community erhoben werden.

Ganz oben auf der politischen Agenda möchte ich eine zügige Reform des Transsexuellengesetzes nennen, die ich eben auch schon angesprochen habe. Sie wird wirklich dringend gefordert, um hier zu einer besseren rechtlichen Gleichstellung zu kommen. Aber eben auch eine Reform des Abstammungsrechts, weil es die Community zu Recht sehr wütend macht, dass es im Fall eines in eine lesbische Ehe geborenen Kindes, wenn es die Co-Mutter, also die zweite Mutter, adoptieren möchte, nach wie vor zu diesen schwierigen bürokratischen Hürden kommt. Das muss schnell angegangen werden.

Aber – und ich glaube, dieser Sorge kann ich mich anschließen – man hat den Blick auch auf andere europäische Entwicklungen, auch auf die internationale Entwicklung gerichtet, und man beobachtet mit wachsender Sorge die Entwicklungen beispielsweise in Polen, aber auch in Ungarn, auch in Brasilien und den USA, wenn Menschen aus der Queer-Community,

(Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)

wenn LSBTI-Menschen offen angefeindet, angegangen werden und sogar Gewalt erfahren müssen, nur weil sie dieser Gruppe angehören. Ich glaube, das sollte uns allen eine Mahnung sein, damit wir diesen Kampf der Gleichstellung weiter vorantreiben, aber gleichzeitig Solidarität zeigen insbesondere mit denjenigen in den Ländern, in denen es gerade große Rückschritte gibt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Schellhammer.

Frau Staatsministern, vielen Dank für die Stellungnahme zu dem internationalen Kontext. Das ist sehr, sehr wichtig. Ich frage zum Ländervergleich in Deutschland – vielleicht können Sie uns diesbezüglich einen Einblick geben –: Wie verhält sich „Rheinland-Pfalz unterm Regenbogen“ im Ländervergleich?

Herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Schellhammer. Rheinland-Pfalz kann sich durchaus als Vorreiter präsentieren, wenn es darum geht, die rechtliche Gleichstellung und gesellschaftliche Akzeptanz voranzubringen. Rheinland-Pfalz war das dritte Bundesland, das einen entsprechenden Landesaktionsplan beschlossen hat, nach Berlin und Nordrhein-Westfalen.

Mittlerweile haben zum Glück fast alle Bundesländer nachgezogen und Aktionspläne erstellt. Sie orientieren sich vielfach vom Aufbau und von den Forderungen her an dem, was im rheinland-pfälzischen Landesaktionsplan steht.

Rheinland-Pfalz hat zudem als erstes Land eine Zielvereinbarung mit der Community geschlossen. BadenWürttemberg ist diesem Beispiel gefolgt, und ich hoffe, dass sich weitere Bundesländer dem ebenfalls anschließen werden.

Außerdem hat ein jetzt veröffentlichter Bericht zur Umsetzung und Fortschreibung des Landesaktionsplans verdeutlicht, dass wir mit unserem Engagement im Ländervergleich in verschiedenen Bereichen vorne sind. Ein Beispiel hierfür ist die schon erwähnte Öffnung der Ehe, die zum Glück am 30. Juni 2017 endlich vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde. Rheinland-Pfalz hatte einen entsprechenden Gesetzentwurf im Jahr 2015 in den Bundesrat eingebracht.

Aber auch wenn es um die Aufarbeitung der Geschichte zur Verfolgung und Emanzipation homosexueller Menschen geht, sind wir Vorreiter, so wie in der Frage einer Landesbeauftragten. Rheinland-Pfalz war bundesweit das erste Bundesland, das eine Landesbeauftragte für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Geschlechtsidentität eingesetzt und damit ein klares Zeichen gesetzt hat.

Mir liegen jetzt noch drei Zusatzfragen vor, danach betrachte ich die Anfrage als beantwortet. – Zunächst der Abgeordnete Schmidt.

Frau Ministerin, auf Seite 5 des Plans wird festgestellt,

man weiche bei Veröffentlichungen im Rahmen des Aktionsplans von den Vorgaben der Verwaltungsvorschrift zur geschlechtergerechten Amts- und Rechtssprache durch Verwendung des sogenannten Gendersterns ab.

Ich frage Sie: Seit wann steht die Landesregierung über dem Gesetz? Wie rechtfertigen Sie eine solche vorsätzliche Missachtung rechtlich verbindlicher Vorschriften?