Wir wissen aber auch: Die Freiheit jedes einzelnen Menschen endet da, wo die Freiheit des anderen und dessen Unverletzlichkeit eingeschränkt ist.
Dazu bedarf es dann auch Regeln. Dies gilt für unser friedliches Zusammenleben in Freiheit und Toleranz. Das Gleiche gilt in der Medienlandschaft für die Medienvielfalt. Die Demokratie funktioniert nur mit freien, unabhängigen und fairen Medien, nur mit Toleranz.
Toleranz endet jedoch da, wo sie auf Intoleranz trifft, wo Meinungsvielfalt auf Hass, Hetze, Missbrauch, Stigmatisierung und Manipulation trifft. Deshalb braucht auch eine freie Medienlandschaft Regeln. Regeln, wie wir sie ganz selbstverständlich zum Beispiel auch beim Rundfunk – ob öffentlich-rechtlich oder privat – kennen und anwenden.
Zwischenzeitlich gibt es eine Reihe von neuen, anderen Verbreitungswegen in unserer Medienlandschaft, neue Formen für die Auffindbarkeit medialer Angebote und den Zugang dazu. Die Regeln, die sich unsere Gesellschaft über viele Jahrhunderte für ein offenes, faires Miteinander gegeben hat, müssen auch in diesen Bereichen gelten.
Deshalb ist auch aus Sicht der CDU dieser Staatsvertrag so wichtig. Wir brauchen den Schutz der Medienvielfalt, den Schutz für die gesamte Bandbreite der Medien. Die
Algorithmen der großen Player im Netz dürfen nicht die Vielfalt der regionalen und kleinen Anbieter zerstören. Wir brauchen die Möglichkeiten und Einrichtungen, die diese Regeln überwachen.
Bei uns wird das die LMK sein. Mein Vorredner hat bereits angekündigt, dass wir uns in der Frage der Begrifflichkeit auf bundeseinheitliche Namen einigen wollen. Wir sind für eine solche Anpassung offen.
Transparenz, Offenheit und Glaubwürdigkeit sind in der Medienlandschaft und für ihre Vielfältigkeit wichtig. Auch die EU-Kommission hat sich mit dem Vertragsentwurf, den wir heute beraten, beschäftigt. Die Hinweise der EUKommission sind aus unserer Sicht sehr wertvoll und sollten Thema der notwendigen Evaluation sein. Die CDU geht davon aus, dass dies in einem überschaubaren Zeitraum hier im Plenum zu besprechen ist.
So wichtig und richtig die Regeln sind, so wichtig und richtig ist es aber auch, nur die Regeln vorzugeben, die unbedingt notwendig sind; denn die Potenziale der Informationsgesellschaft müssen genutzt werden können und dürfen nicht in unverhältnismäßiger Weise beschränkt werden.
Auch deswegen begrüßen wir, dass die umfassend bestehende Zulassungspflicht für Radiosender mit diesem Gesetzentwurf teilweise abgeschafft wird; denn wir brauchen die Vielfalt der regionalen Sender und Rundfunkanbieter. Gerade jetzt in der Corona-Krise haben wir erlebt, wie oft diese Sender wertvolle Arbeit geleistet haben.
Dennoch sind sie besonders negativ von den wirtschaftlichen Konsequenzen betroffen. Wir haben uns als CDU in der Sache mit den Anbietern selbst in Verbindung gesetzt und hatten dies auch als Thema in unserem Ausschuss.
Regionalität heißt für die Menschen auch Heimat. Dies gibt gerade jetzt in Krisenzeiten wichtigen Halt. Die CDU ist für einen Staatsvertrag der Medienvielfalt, der Medien, der Freiheit, sich zu entfalten, der Unabhängigkeit auf Augenhöhe und der Medien mit Qualität. Wir stimmen diesem Gesetzentwurf zu.
Sehr verehrte Kollegen, sehr verehrtes Präsidium! Ich beginne mit einem Zitat: „Leicht auffindbar im Sinne des Medienstaatsvertrags sollen Angebote sein, die in besonderem
Maß einen Beitrag zur Meinungs- und Angebotsvielfalt im Bundesgebiet leisten (...). Für die Angebote der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten ergibt sich diese Einordnung bereits aus ihrem besonderen öffentlich-rechtlichen Auftrag.“
So heißt es in einer Antwort auf unsere Kleine Anfrage. Sprich, alles, was mit Zwangsbeiträgen finanziert wird, muss bald durch Gesetzeskraft auf Benutzeroberflächen leicht auffindbar sein, dem Bürger geradezu ins Auge springen.
Ob alles, was ARD, ZDF und Co. senden, tatsächlich dem Gemeinwohl dient – also Gemeinwohl-Funk ist, eine fast orwellsche Schöpfung –, daran mehren sich seit Jahren die Zweifel.
Ich möchte gar nicht auf den Oma-Umweltsau-Skandal eingehen; der ist genügend debattiert worden. Ein weiteres Beispiel: Zuletzt sagten Medienforscher, ARD und ZDF hätten in der Corona-Krise einen Tunnelblick vermittelt: dauernde Sondersendungen, als gäbe es keine anderen Themen in der Welt.
Der gute Journalismus: Wir erinnern uns, als im Juni in Dijon Tschetschenen mit Panzerfäusten und Sturmgewehren in der Stadt patrouillierten und posierten, habe ich es mir einmal zur Aufgabe gemacht, in die Suchfunktion der Tagesschau – zur gleichen Zeit, als krasse Videos im Internet auftauchten – das Wort „Dijon“ einzugeben. Antwort: „Ihre Suche nach Dijon war leider erfolglos.“
Der Brand im Krefelder Affenhaus zum Jahreswechsel fand in der Tagesschau umfassende Berichterstattung. Das sind Beispiele, die für sich sprechen und nicht mehr kommentiert werden müssen.
Wir haben es längst mit einem großen öffentlichen Diskurs über Zukunft und Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen zu tun. Er spiegelt sich nahezu überall, nur nicht im Staatsfunk selbst. Deswegen können wir nicht auf Durchzug stellen, sondern müssen als Parlamentarier an dieser Debatte teilnehmen.
Deshalb gehört es auch zur Wahrheit, dass der Medienstaatsvertrag ein Rettungsgesetz für die ÖffentlichRechtlichen ist – der auch sinnvolle Regelungen enthält, zum Beispiel die Liberalisierung der Rundfunklizenzpflicht – und im Grunde genommen die Reichweite, die seit Jahren zusammenbricht, nun per Gesetzeskraft retten will.
Unter Jugendlichen spielen die Kanäle des öffentlichrechtlichen Rundfunks im Prinzip keine Rolle mehr. Unter den fünf beliebtesten Medien unter Jugendlichen in der
Alterskohorte bis 29 Jahre schlagen ARD und ZDF auch mit ihren Mediatheken nicht zu Buche. Die Sieger sind Netflix, ProSieben und Co. Ich glaube, dass die Jugendlichen nicht allzu viel verpassen.
Ob Hersteller wie Samsung dauerhaft gezwungen werden können, auf den Startbildschirmen ihrer Produkte die Kacheln von ARD und ZDF einzubauen, einzupflegen und zu unterhalten, bleibt fraglich. Wie sieht die Praxis aus? Die sogenannte leichte Auffindbarkeit ist allerdings bei Weitem nicht das einzige Problem, das wir kritisieren müssen.
Der Medienstaatsvertrag verschafft den Landesmedienanstalten nämlich jede Menge neue Kompetenzen, und die sind mindestens fragwürdig. Sie bestimmen bald darüber, welche Beiträge der privaten Anbieter leicht auffindbar sein sollen und wie diese leichte Auffindbarkeit gewährleistet werden soll. Auch Blogger und alternative Medien nehmen die Landesmedienanstalten zukünftig ins Visier. Wer sich nicht einer Einrichtung der Selbstkontrolle anschließt, muss in letzter Konsequenz mit Sanktionen bis hin zum Verbot rechnen.
Wohlgemerkt, es geht eben nicht nur allein um den Jugendschutz, es geht auch um Inhalte, um Nachrichten. Wir haben es also mit einem zweifelhaften Zugriffsrecht zu tun. Es stellt sich die Frage, ob diesem Teil des Gesetzes nicht eine Kultur des Verdachts zugrunde liegt und wir in eine zunächst halbstaatliche Zensur einsteigen. Das ist nicht nur die Meinung der AfD, sondern zweier Verlegerverbände, die dieses Zugriffsrecht der Landesmedienanstalten sehr stark kritisieren.
Die hysterische Debatte um Hass und Hetze, die im Kern dazu diente, den Diskurs kritischer Bürger in den sozialen Medien verächtlich zu machen,
Ihre Medienpolitik, Ihre Netzpolitik findet sogar bei Sultan Erdogan Anklang, der sich für das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) interessiert. Das sind die Kronzeugen Ihrer Medienpolitik, und die lehnen wir dankend ab.
Ich komme zum Fazit. Der Medienstaatsvertrag macht den Anschein, als würde die Landesregierung das Internet mit einer Stadtbücherei verwechseln, der man vorschreiben könne, welche Bücher sie ins Schaufenster stelle und welche nicht. Er zementiert eher eine Medienlandschaft, in der
die großen Tech-Konzerne und die Öffentlich-Rechtlichen dominieren, mittelgroße Medien aber in die Zange genommen werden, als dass er einer medialen Ordnung der Freiheit und des Gleichgewichts den Weg ebnet.
Angesichts der Tatsache, dass Medienkonzerne keine Grenzen kennen – was ganz andere Herausforderungen birgt, deswegen sagen wir, wir brauchen eine Digitalsteuer, wir brauchen eine Wertschöpfungsabgabe für diese großen Tech-Konzerne –, ist dieser Ansatz, und das sage ich als absolut überzeugter Landespolitiker und Föderalist, lebensfern und untauglich. Sie ist eben keine Modernisierung der Medienordnung; denn genauso wenig wie man den Luftverkehr von Anstalten der Bundesländer regulieren lassen kann, kann man in diese Medienordnung auf diese Weise stark regulierend eingreifen.