Protocol of the Session on June 24, 2020

Im Änderungsantrag sind schon auf den ersten Blick handwerkliche Fehler erkennbar; denn in der Begründung wird auf Ziffern Bezug genommen, die überhaupt nicht vorhanden sind. Wenn jetzt wenigstens inhaltlich ein Aufschlag gekommen wäre, irgendetwas, was das Grundproblem dieses Gesetzes angeht, aber es ist weder etwas zu Digitalem, noch etwas zu mehr Zeit für Demokratie aufgenommen worden.

Der Entschließungsantrag wiederum beklatscht alle Einzelpunkte des Gesetzentwurfs und begrüßt sie, um dann bei den Forderungen inhaltlich genau das von der Landesregierung zu fordern, was wir in unserem Änderungsantrag zur verbindlichen Aufnahme in das Gesetz formuliert haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn es Ihnen also um eine verlässliche Grundlage für digitale Bildung geht und wenn Sie es mit dem Ziel, Demokratie zu erlernen, ernst meinen, dann mache ich Ihnen den Vorschlag:

(Glocke der Präsidentin)

Stimmen Sie einfach unserem Änderungsantrag zu!

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Bettina Brück.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Änderung des Schulgesetzes wird eines der zentralen Ziele aus unserem Koalitionsvertrag umgesetzt. Wir stärken die Demokratieerziehung in unseren Schulen und erweitern insbesondere die Schülerrechte deutlich.

Wenn wir uns alle einig sind, dass Demokratie kein Selbstläufer ist und demokratische Prinzipien und Prozesse gelernt und gelebt werden müssen, dann sollten, ja, dann müssen nach meiner Meinung auch alle hier vertretenen demokratischen Parteien diesem Gesetz zustimmen. Zeigen wir alle Haltung, so wir es auch von anderen uns gegenüber verlangen.

Wir wollen nicht über die Köpfe von Betroffenen hinweg reden und entscheiden. In einem modernen, gelebten demokratischen Miteinander müssen alle Beteiligten gleichermaßen ernst genommen werden. Heute ist der Lackmustest für die CDU, ob sie ihren Ankündigungen für Kinder und Jugendliche auch Taten folgen lässt.

Die Landesregierung hat auf jeden Fall Wort gehalten. Mit den vorgelegten Änderungen bekommen wir eines der modernsten und schülerfreundlichsten Schulgesetze Deutschlands. Schülerinnen und Schüler erhalten mehr Mitsprache in schulischen Gremien zu Themen, die ihren Schulalltag direkt betreffen, und haben im Prinzip die gleichen Rechte wie Eltern, auch bei den Hausaufgaben, Frau Beilstein. Daran wollen wir keine Abstriche machen. Deshalb lehnen wir den CDU-Antrag ab.

Wir können unseren Schülerinnen und Schülern schon einiges zutrauen. Das hat die Anhörung sehr eindrucksvoll gezeigt. Das können wir aber auch schon beim Klassenrat und Schülerparlament bei unseren Jüngsten in der Grundschule erleben. Die jetzt festgeschriebenen gesetzlichen Regelungen sind keine neuen Erfindungen, sondern werden vielerorts schon sehr intensiv gelebt.

Wir wollen als Koalition nach den Ergebnissen der Anhörung mit unserem Änderungsantrag noch an einigen Stellschrauben drehen und weitere Verbesserungen für die demokratische Mitwirkung von Eltern und Schülerinnen und Schülern einbringen, ganz getreu nach dem bisherigen Verfahren im Gesetzgebungsverfahren: Miteinander reden und entscheiden, statt übereinander reden.

Wir wollen unter anderem, dass künftig an Schwerpunktschulen genau darauf geachtet wird, dass auch Eltern von Kindern mit Behinderungen im Schulelternbeirat vertreten sind und ihre Perspektive einbringen können. Außerdem

wollen wir die Beteiligungsmöglichkeiten von Eltern und Schülerinnen und Schülern im Schulausschuss erweitern sowie die Basis der Wahl zur Landesschülerkonferenz verbreitern, um mehr Beteiligung zu ermöglichen und Ämterhäufungen zu vermeiden.

Ein wesentlicher Aspekt für uns ist auch, dass Schülerinnen und Schüler mit Stimmrecht und nicht nur wie bisher beratend in den kommunalen Schulträgerausschüssen vertreten sind. Leider ist unser Ziel, dass dies ab dem 16. Lebensjahr möglich ist, also analog zu unserem Ziel des Wahlrechts mit 16, aus rechtlichen Gründen noch nicht realisierbar. Als Zwischenschritt haben wir formuliert, dass zumindest die Volljährigen im Schulträgerausschuss mitstimmen können. Das ist zwar eine Verbesserung zur jetzigen Situation, aber zufrieden sind wir erst, wenn wir das Wahlrecht mit 16 haben und damit eine echte, breite Beteiligung der Schülerinnen und Schüler möglich ist.

Mein Appell geht deshalb an die CDU: Verweigern Sie sich nicht länger dem Wahlrecht mit 16. Wenn Sie es mit Ihrer Ankündigung für Kinder und Jugendliche ernst meinen – das Ernstmeinen ist heute ein viel gesagtes Wort –, führt daran kein Weg vorbei.

(Zuruf des Abg. Alexander Licht, CDU)

Ebenso wichtig wie Demokratieerziehung ist uns die feste Verankerung der digitalen Bildung. Handreichungen und Standards haben wir übrigens längst, liebe Frau Beilstein, nämlich die Förderung der globalen Nachhaltigkeitsziele, die verpflichtende Schulentwicklungsplanung auch für Grundschulen sowie die Streichung des wissenschaftlich falschen Begriffs „Rasse“. An dieser Stelle sind wir da schon eins voraus.

Ah ja, das alles bedarf selbstverständlich Zeit. Es bedarf Vorbereitung, es bedarf der Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften, aber auch aller anderen Beteiligten. Deshalb haben wir in unserem Entschließungsantrag darauf noch einmal besonders hingewiesen. Es ist aber vor allem auch eine Frage der Haltung der Schulgemeinschaft. Eine demokratische Schule braucht demokratische Regeln und Menschen, die dies gemeinsam leben.

Wir teilen keineswegs die Äußerungen von Frau Beilstein im Ausschuss, dass dies nur in der Theorie gut und in der Praxis schwer umsetzbar sei.

In diesem Sinne werden wir mit großer Freude dieser Schulgesetzänderung zustimmen. Die CDU kann nun zeigen, ob sie es mit ihrem neu entdeckten Interesse daran, für Kinder und Jugendliche einzutreten, ernst meint oder ob es Lippenbekenntnisse nach dem Motto sind, wie es Frau Beilstein in der Auswertung der Anhörung gesagt hat: In der Theorie gut, in der Praxis schlecht. – Wir wollen das nicht.

(Zuruf der Abg. Anke Beilstein, CDU)

Wir wollen die demokratische Beteiligung der ganzen Schulgemeinschaft. Dazu gehören vor allen Dingen auch die Schülerinnen und Schüler.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Frisch das Wort.

Verehrte Frau Kollegin Brück, ich weiß nicht, ob das jetzt so dahingesagt war oder ob Sie sich das wirklich überlegt haben, aber auf jeden Fall kann das so nicht stehen bleiben. Wenn Sie formulieren, dem müssen eigentlich alle demokratischen Parteien zustimmen, dann entsetzt mich das ehrlich gesagt.

Das heißt im Umkehrschluss, wer nicht zustimmt, ist nicht demokratisch. Ich verstehe Demokratie eben nicht so, dass ich dem hier zustimmen muss. Ich bin frei gewählter Abgeordneter. Ich stimme den Dingen zu, die ich für richtig halte, und nicht Dingen, die Sie für demokratisch, für essenziell und notwendig erklären.

(Beifall der AfD)

Wenn das Ganze in einer Demokratiedebatte und von einer regierungstragenden Fraktion geschieht, die in den Schulen unseren Schülern beibringen will, wie Demokratie funktioniert, dann bin ich außerordentlich besorgt, wenn ich solche Sätze von Ihnen höre.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Zur Erwiderung erteile ich der Abgeordneten Brück das Wort.

Herr Frisch, wissen Sie, wie Sie stimmen oder Ihre Fraktion stimmt, das ist mir persönlich ehrlich gesagt vollkommen egal. Mir geht es darum, dass wir für die Schülerinnen und Schüler die demokratischen Prinzipien im Schulgesetz festschreiben, die ihnen zustehen, die nach der Diskussion in der Anhörung und nach einer Diskussion mit einer breiten Beteiligung – mit Schülerinnen und Schülern, mit Lehrkräften, mit Eltern, mit allen Beteiligten – für richtig befunden worden sind, und die Demokratie in unserer Schule leben. Darum geht es. Wenn man sich dem verschreibt – das ist meine persönliche Meinung –, dann spricht überhaupt nichts dagegen, dieser Schulgesetzänderung zuzustimmen.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Paul.

Vielen Dank. – Sehr verehrtes Präsidium, liebe Kollegen! Zweifellos, es hätte sicherlich mit der Änderung des Schulgesetzes noch schlimmer kommen können. Das hat die Anhörung im Bildungsausschuss gezeigt.

Ich will nur ein Beispiel nennen. Das ist der Vorschlag des Landesverbands der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik. Ich zitiere aus der Stellungnahme: „Der Text sollte durchgängig gegendert und dabei möglichst die inzwischen etablierte Schreibweise ,Schüler*innen‘ und ,Lehrer*innen‘ verwendet werden.“

Zum Glück hat sich diese ideologische Sprachverwirrung – ja, -vergewaltigung muss man schon sagen – noch nicht etabliert und noch nicht Eingang in den Gesetzentwurf gefunden. Wir werden solchen Vergewaltigungen der deutschen Sprache Widerstand entgegensetzen.

(Beifall der AfD)

Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik in Rheinland-Pfalz ist übrigens Herr Berkessel, der auch an der Anhörung teilnahm. Berkessel unterzeichnete im Jahr 2003 einen Aufruf gegen das vom Bund der Vertriebenen initiierte Zentrum gegen Vertreibung, und zwar gemeinsam mit zahllosen Personen aus der einschlägigen linksextremistischen Szene, darunter Antifa, VVN, Rosa-Luxemburg-Stiftung usw. Als Experte für Demokratieerziehung ist Herr Berkessel daher völlig ungeeignet, wenn diese Demokratieerziehung mehr sein sollte als linke Indoktrination.

In der Anhörung und in der Auswertung der Anhörung herrschte im Wesentlichen Einigkeit darüber, dass der Ausbau der Schülermitbestimmung und die damit verbundene Demokratieerziehung erhebliche Ressourcen verschlingen werden. Wie dieser zusätzliche Aufwand bewältigt werden soll, geht aus dem Gesetzentwurf nicht hervor. Er ist damit nicht praxistauglich.

Außerdem geht das alles auf Kosten des bisherigen Unterrichts. Frau Brück, ich spreche Sie direkt an: Am besten ist der Demokratie gedient, wenn die Schüler ordentlich lesen und schreiben und den Sinn eines mittelschweren Texts verstehen können.

Das sehen wir alles kritisch. Schon jetzt gibt es erhebliche Defizite bei unseren Schülern insbesondere in Deutsch und Mathematik. Wir haben eben in der Aktuellen Debatte Zahlen präsentiert. Diese Zahlen sind fatal. Sie zeigen, das Leistungsniveau der Schüler ist in weiten Teilen katastrophal. Ein Viertel unserer Grundschüler schafft es nach vier Jahren in der Schule nicht, die Orthografie auf den Mindeststandard zu heben, das heißt, sie können nicht richtig schreiben.

Hier liegen die Herausforderungen für unsere Bildungspolitik. Hier sehen wir vorrangig den Handlungsbedarf, um unser Land zukunftsfest zu machen. Der Ausbau der Schülermitbestimmung, die Demokratieerziehung und auch die Nachhaltigkeitsbildung sorgen dafür, dass der Unterricht, die Schulen, weiter mit ideologischen Projekten überfrachtet werden, die tendenziös und teilweise sinnlos sind.

Damit wird der galoppierende Niveauverlust nicht gestoppt, sondern das gelingt nur mit einer Konzentration auf Bildungsinhalte. Außerdem – ich sagte es bereits – ist die gute Allgemeinbildung das wirksamste Gegenmittel gegen politische Propaganda, und zwar in staatlichen wie in privaten Medien.

(Beifall der AfD)

Diese Bedenken ignoriert die Landesregierung. Sie begründet die Stärkung der Schülerrechte mit der Menschenwürde. Offenkundig ist der Landesregierung bewusst, dass ihre Vorstellungen nicht für einen niveauvolleren Unterricht sorgen werden. Deswegen soll das mit moralischer Erpressung geradezu kompensiert werden.

In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es wörtlich – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: „Aus dem Schulverhältnis als einem Rechtsverhältnis ergibt sich, dass der Schüler nicht lediglich Objekt der Schule ist. Er ist in seiner Menschenwürde (...) und als Träger von Grundrechten zu achten (...).“