Wir haben heute einen Alternativantrag vorliegen. Eigentlich hatte ich gedacht, dass wir gerade bei diesem Thema zusammen einen Antrag einbringen können, um dem Thema gerecht zu werden – einmal für die Landwirte, für die Bauern, für die Winzer, aber auch für den Umweltschutz und die Artenvielfalt – und einen großen Konsens hinbekommen. Ich weiß nicht, woran es letztendlich gelegen hat, ob an dem Wechsel in der Sprecherfunktion oder woran auch immer.
Wenn wir uns die Thematik aber einfach einmal anschauen und beim Statistischen Landesamt in Bad Ems nachsehen, wie sich die Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz von 1960 bis 2019 entwickelt hat, dann sehen wir zunächst beim Grünland: sehr wenig, 270.000 ha Grünland im Jahr 1960, 250.000 ha im Jahr 2019.
Beim Acker sieht es schon anders aus. Von 617.000 ha sind wir nur noch bei 400.000 ha. Weizen: 112.000 ha im Jahr 1960, 104.000 ha im Jahr 2019. Ich mache es wirklich exemplarisch, weil ich ja zu einem Ergebnis kommen will.
Bei den Hackfrüchten kommen wir von 154.000 ha auf nur noch 25.000 ha. Hackfrüchte sind Kartoffeln und Zuckerrüben. Beim Winterraps kommen wir von 223.000 ha auf momentan 36.600 ha. Und in der Rubrik „Stillgelegte Flächen“: 0 ha im Jahr 1960 und 18.300 ha im Jahr 2019.
Wenn wir uns dann aber die Gesamtsumme der landwirtschaftlichen Fläche in Rheinland-Pfalz anschauen: 969.000 ha im Jahr 1960 und nur noch 715.000 ha im Jahr 2019. Damit ist ein Schwund von 250.000 ha aus der landwirtschaftlichen Produktion erfolgt.
Mit diesen Zahlen will ich belegen, dass wir zum einen eine veränderte Anbauweise bzw. Nutzungsstrategie der Landwirte haben, aber auch aktuell in den letzten Jahren die Landwirte und Winzer im Bereich des Vertragsnaturschutzes sehr gut eingegliedert haben, dass sehr viel im Grünlandbereich läuft, aber auch im Ackerbereich, und sehr viele Landwirte auch in Eigeninitiative, ohne Vertragsnaturschutz, Blühwiesen an Wegrändern anlegen und sich der Verantwortung stellen, durch Nutzung und andere Verfahrensweisen dem Thema der Artenvielfalt gerecht zu werden.
Das muss mit Unterlegung mit diesen Zahlen noch einmal deutlich gemacht werden. Die Landwirte stellen sich ihrer Verantwortung. Deshalb haben wir in unserem Antrag diese Themen auch angesprochen.
Von der praktischen Seite aus hat diese Regionalisierung etwas für sich, aber in der Umsetzung der Mechanik in einem Bundesland wie Rheinland-Pfalz oder auch in anderen Bundesländern ist das schon eine große Herausforderung. Ich weiß, dass der Grünlandanteil zum Beispiel in meinem Heimatlandkreis Vulkaneifel viel höher ist als zum Beispiel im Kreis Bad Dürkheim oder im Kreis Alzey-Worms. Eine Regionalisierung des Vertragsnaturschutzes ist, glaube ich, so direkt aber nicht machbar.
Wir können über Grünland Schwerpunkte setzen, wo der Vertragsnaturschutz wirklich intensiv unterwegs ist. Und wir können auch über Zwischenfruchtanbau und mehrjährige Fruchtfolgen so, wie es die Programme hergeben, Anreize im Ackerbau setzen, und auch im Weinbau werden durch diese Vertragsnaturschutzmaßnahmen Dinge in die Wege geleitet.
Wir haben eine große Herausforderung, und sie ist angesprochen worden. Herr Dr. Böhme, Fakt ist, dass die Agrarreform verlängert ist. 2021 und 2022 wird es nach dem aktuellen System laufen. Und gerade heute haben, wenn ich das richtig mitbekommen habe, die Agrar- und Umweltminister der Länder eine Telefonkonferenz mit der Bundesministerin, in der sie sich über die neue GAP unterhalten und darüber, welche Ansätze und Herausforderungen wir da haben.
Ich kann nur dazu aufrufen, dass wir Instrumente finden, um landwirtschaftlich geführte Familienbetriebe stärker zu unterstützen als die Großbetriebe. Ich habe Ihnen gestern schon in der Aktuellen Debatte gesagt, ich sehe es als nicht realistisch und nicht fair an,
bei Geldern, die in der freien Wirtschaft verdient und dann in Land angelegt wurden, auch noch den Profit aus dem Agrarbereich zu ziehen. Da müssen wir umdenken, hin zu einer Förderung familiengeführter Betriebe und Spezialisierung.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema „Artenvielfalt“ und dieser Antrag beschäftigen uns schon länger. Wir haben schon in der ersten Plenardebatte dazu Stellung genommen und auch im Umweltausschuss ausführlich darüber gesprochen. Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung noch einmal deutlich macht, dass die im CDU-Antrag enthaltenen Forderungen an der Zielorientierung vorbeigehen. Das wird weitestgehend alles schon abgearbeitet im Rahmen der Möglichkeiten, die eine Landesregierung hat.
Deswegen ist mir wichtiger: Wenn wir die Überschrift „Artenvielfalt“ ernst nehmen wollen, Herr Gies, müssen wir darüber reden, welchen Paradigmenwechsel wir in der Landwirtschaftspolitik brauchen. Wenn ich von Paradigmenwechsel spreche, müssen wir natürlich vor allen Dingen nach Berlin und Brüssel schauen. Darum kommen wir nicht herum. Jeder, der sich ein bisschen mit Agrarpolitik auskennt, weiß, dass dort der Hase im Pfeffer liegt und wir vor einer riesigen Herausforderung stehen, diesen Wechsel hinzubekommen.
Ich möchte an drei Beispielen deutlich machen, wo wir diese Veränderung und andere Wege brauchen. Erstes Stichwort: Öffentliche Mittel für öffentliche Leistungen. Das hört sich so selbstverständlich an, Herr Gies und liebe CDULandtagsfraktion, davon sind wir aber weit weg. Ich kann sehr gut verstehen, dass mein Kollege Herr Weber gestern empört war und noch einmal aufgezeichnet hat, wie im Moment die Strukturen sind, was dieses Thema betrifft.
60 Milliarden Euro an öffentlichen Steuermitteln fließen in den Agrarbereich. Ich bin nicht dagegen, dass sie dort hineinfließen, aber ich möchte, dass sie gesteuert dort hineinfließen. Die Situation ist, dass 5 Milliarden Euro an
landwirtschaftlichen Subventionsmitteln in Deutschland in die erste Säule fließen und dort weitestgehend ungesteuert, bezogen auf öffentliche Leistungen, dieses Geld ausgegeben wird. Die Situation ist, Herr Gies, dass 80 % der Mittel der ersten Säule von 20 % der landwirtschaftlichen Betriebe abgegriffen werden, also 4 Milliarden Euro. Das heißt, wir machen schon seit Jahren, seit Jahrzehnten in der Politik Folgendes: Wir nehmen es von unten weg und schieben es nach oben hin.
Wir wissen alle, wer diese 20 % Großbetriebe sind. Das sind nämlich die, die uns diese Probleme vor allen Dingen in der Artenvielfalt und in den Umweltbelastungen generieren. Deswegen wäre es so wichtig, dass auch die CDU als ein zentraler Partner, den wir eigentlich bräuchten, um zu mehr Artenvielfalt zu kommen, in Berlin und Brüssel die Weichen anders stellt, und dass vor allen Dingen auch der Bauernverband – ich kann ihn da nicht mit ausnehmen, weil er diese Lobbypolitik seit Jahrzehnten nicht nur mitmacht, sondern noch selbst forciert – die Weichen endlich anders stellt.
Wir brauchen also diesen Paradigmenwechsel „Öffentliche Mittel für öffentliche Leistungen“. Nur dann kommen wir in der Artenvielfalt weiter.
Zweiter Paradigmenwechsel, der ganz viel mit Umweltpolitik zu tun hat: Wir bräuchten eine Eiweißstrategie in Europa und vor allen Dingen in Deutschland. Es ist ein Unding, dass nach wie vor 35 Millionen Tonnen Sojaimporte nach Europa fließen, um die Tiermägen zu füllen und unseren viel zu hohen Fleischkonsum zu decken. 70 Kilo, vom Baby bis zum Hundertjährigen, 70 Kilo pro Jahr und Kopf werden in Deutschland an Fleisch gefuttert.
Das will produziert sein, und das machen wir auf Flächen in Süd- und Nordamerika mit den ganzen katastrophalen Umweltfolgen, die damit verbunden sind. Unser Schnitzel auf dem Teller sorgt ganz massiv für eine Rodung des Regenwalds und die Zerstörung bäuerlicher Existenzen in diesen Ländern. Auch das müssen wir verändern. Das können wir nur mit einer gezielten Eiweißstrategie, die man nicht von heute auf morgen sozusagen aus der Tonne treten kann, sondern die vorbereitet sein will und für die wir viel, viel Geld in die Hand nehmen müssen, um sie zu realisieren, damit es möglich wird, dass wir wieder selbst die Futtertröge in Deutschland und Europa vollbekommen und nicht weltweit auf dritte Länder zurückgreifen.
Und dann wäre ich beim dritten Thema, was mir wichtig wäre und bei dem wir einen Paradigmenwechsel brauchen, wenn wir mehr Artenvielfalt haben wollen: Biodiversität ist mittlerweile ganz hoch im politischen Ranking. Das finde ich gut. Aber zum Beispiel Boden und Bodenschutz sind vor allen Dingen bei den Fachleuten ein Thema in der Landwirtschaft. Aber auch dort haben wir massive Verluste zu beklagen. Im europäischen Raum verlieren wir jedes Jahr aufgrund von Erosionserscheinungen fast 1 Milliarde Ton
Das Thünen-Institut, wirklich kein grünes Institut, hat vor zwei Jahren eine Studie veröffentlicht, laut der wir im nächsten Jahrzehnt auf den deutschen Äckern pro Hektar etwa 0,2 t Humusverlust zu beklagen haben werden. Das ist existenziell, auch für zukünftige Bauerngenerationen. Das ist ihr Gold, das sie in ihren Betrieben haben, und wir tun im Moment alles dafür, und das schon seit Jahrzehnten, um dieses Gold, das sie haben, in die Tonne zu treten und zu vernichten.
Wenn wir hier also ernsthaft über Artenvielfalt reden wollen, und wenn Sie da ernsthaft etwas verändern wollen, müssen Sie in Berlin und in Brüssel dafür kämpfen, dass wir diesen Paradigmenwechsel hinbekommen. Das wird nicht einfach. Aber das ist für uns Grüne die zwingende Voraussetzung dafür, dass wir eine Perspektive und Licht
am Ende des Tunnels hinbekommen. Dann können wir auch gerne gemeinsam über weitere Maßnahmen zur Artenvielfalt im Land Rheinland-Pfalz reden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie, da wir über Artenschutz und Landwirtschaft reden, dass ich mit einer aktuellen Botschaft anfange, die aus dem Bericht der Bundesregierung zur Biodiversität stammt und uns deutlich macht, dass wir eine nach wie vor insgesamt besorgniserregende Situation haben, was die Artenvielfalt angeht.
Der Bericht der Bundesregierung weist aus, dass wir insbesondere im Grünland eine schwierige Entwicklung haben. Es heißt dort: Artenreiche Grünlandlebensräume wie extensiv genutzte Wiesen verzeichnen starke Rückgänge sowohl quantitativ wie auch qualitativ hinsichtlich des vorhandenen Arteninventars. –
Vor dem Hintergrund ist es mir wichtig zu sagen, dass wir in Rheinland-Pfalz eine bessere Situation haben; denn wir haben einen hohen Grünlandanteil, und wir haben diesen Grünlandanteil auch erhalten. Wir haben etwa 240.000 ha im ganzen Land, was einem Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche entspricht.
Deswegen haben wir eine besondere Verantwortung, die wir als Land wahrnehmen, weil wir durch die entsprechenden Angebote im Vertragsnaturschutz, bei den Agrarum
weltmaßnahmen und durch die Förderung des ökologischen Landbaus den Landwirten entsprechende Prämien zur Verfügung stellen, wenn sie entsprechend naturverträglich wirtschaften.
Das betrifft beileibe nicht nur den ökologischen Landbau. Der ökologische Landbau hat inzwischen im Land einen Anteil von 11,2 %. Das ist ein starkes Wachstum in den vergangenen Jahren. Das sind 1.670 Betriebe. Wir müssen aber sagen, dass an den Agrarumwelt- und Vertragsnaturschutzmaßnahmen nicht nur die 1.670 Betriebe, sondern insgesamt fast 8.000 Betriebe teilnehmen. Fast 8.000 Betriebe nutzen die Angebote, die wir zum Beispiel im Agrarumweltbereich machen.
Natürlich geht es um umweltschonende Grünlandbewirtschaftung, die konventionelle Betriebe nutzen. Das sind insgesamt 30.000 ha im Land, die so mit entsprechenden finanziellen Zahlungen ausgestattet werden.
Wir tun aber auch etwas für die Ackerbauregionen. Wir haben zum Beispiel das Programm „Vielfältige Kulturen im Ackerbau“, bei dem die meisten mitmachen. Daran haben 56.000 ha im Land teil.
Im Vertragsnaturschutz machen wir ebenfalls Angebote für das Grünland, aber auch für viele andere Produktionsbereiche wie Streuobstwiesen, den Weinbau, die Steillagen und Saumstrukturen im Ackerbau. Für alle Bereiche gibt es entsprechende Angebote, und sie werden wahrgenommen.
Ich will hier einmal die Zahl nennen, was wir insgesamt verausgaben und wie sich das in den letzten Jahren entwickelt hat. Wir haben die Mittel für Agrarumwelt, Vertragsnaturschutz und Ökolandbau insgesamt von 32 Millionen Euro im Jahr 2016, unter Einschluss der Bundes- und EU-Mittel, auf 42 Millionen Euro gesteigert. Das ist also innerhalb von drei Jahren eine Steigerung um 30 %.
Die Bauern und Bäuerinnen nehmen diese Angebote an, sonst wären die Auszahlungen nicht zustande gekommen. Sie nehmen sie aus allen Bereichen an. Deswegen will ich hier klar sagen: Es ist eine Erfolgsgeschichte dieser Landesregierung, eine solche Steigerung hinbekommen zu haben.
Parallel dazu fördern wir die Aktion Grün. Über 90 Projekte sind inzwischen bewilligt worden. Es gibt 236 anerkannte Partnerbetriebe Naturschutz. Weitere 100 befinden sich in der Beratungs- und Anerkennungsphase. Man sieht, dass ein dynamischer Prozess im Gang ist, in der Landwirtschaft Naturschutz gelebt wird und viele mitmachen. Wie gesagt, fast die Hälfte der Betriebe in Rheinland-Pfalz insgesamt macht mit.
Die andere Hälfte müssen wir allerdings noch gewinnen. Das ist wahr. Vor dem Hintergrund setzen wir die Forderungen aus dem Antrag der Koalitionsfraktionen, wenn er beschlossen wird, gerne um.
Die Europäische Kommission hat in der vergangenen Woche mit der Farm-to-Fork-Strategie und der Europäischen
Biodiversitätsstrategie 2030 neue Leitplanken gesetzt. Das begrüßen wir. Aus Sicht der Landesregierung muss der Beitrag der Gemeinsamen Agrarpolitik in Deutschland zum Schutz der Biodiversität, zur Verbesserung der Ökosystemleistungen und der Erhaltung von Lebensräumen mindestens das aktuelle Niveau beibehalten.
Für Rheinland-Pfalz streben wir an, dass zukünftig mindestens 45 % der ELER-Mittel – also über den geforderten EU-seitigen Mindestanteil hinaus – für entsprechende Maßnahmen im Agrarumwelt- und Klimaschutzbereich, im ökologischen Landbau und im Vertragsnaturschutz eingesetzt werden.