Protocol of the Session on April 29, 2020

Für die CDU-Fraktion spricht Abgeordnete Beilstein.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Grundregeln der Demokratie sind wichtig, und sie müssen erlernt werden. Ich denke, diese Feststellung teilen wir alle in diesem Hause. Unsere Schulen müssen modern und digital aufgestellt sein. Diese Notwendigkeit wird uns gerade jetzt in der Zeit der Pandemie äußerst deutlich.

Verantwortungsbewusstsein für die globalen Nachhaltigkeitsziele ist ein Ziel, das ganz ohne Frage sicher ins Portfolio der heutigen Schule gehört. Schulentwicklungsplanung, Planungen für die Zukunft, sind grundsätzlich immer gut, jedenfalls dann, wenn sie auf den richtigen Füßen stehen und damit bestimmte Ziele erreicht werden können. Die Schaffung einer Grundlage, damit gegebenenfalls ein rechtssicheres Verbot einer Vollverschleierung in der Schule möglich wird, ist ein Ansatz, den wir sehr begrüßen.

Die Frage, wie man einen Gesetzentwurf anhand dieser Parameter bewertet, erschöpft sich aber nicht in der Auflistung von Überschriften bei der Zielsetzung, sondern sie bedarf einer näheren Betrachtung der Einzelnormen, die durchaus eine Menge an Diskussionsstoff bieten.

Beginnen wir bei den Beteiligungsrechten der Schüler. Bisher hieß es im Gesetz, dass die Versammlung der Klassensprecher für alle Belange der Schüler, welche die Schule in ihrer Gemeinschaft angehen, zuständig sei. Darüber hinaus waren sie vom Schulleiter über Angelegenheiten von allgemeiner Bedeutung zu unterrichten. Eine nähere Ausgestaltung blieb im Wesentlichen offen.

Mit dem neuen Gesetzentwurf werden explizite Mitbestim

mungstatbestände in unterschiedlicher rechtlicher Qualität – von Anhörungen über Benehmen bis hin zum Zustimmungserfordernis – normiert: Anhörungen nicht nur bei Veränderungen des Schulgebäudes, nein, auch bei Anträgen an den Schulträger mit Bezug auf den Haushaltsplan der Schule und bei Fragen der Schülerbeförderung; Herstellung des Benehmens bei Maßnahmen für Schulentwicklung und Qualitätssicherung, bei der Organisation von Unterricht oder der Aufstellung von Grundsätzen für die außerschulische Benutzung von Schulgebäude und Schulanlagen. Das alles nicht nur für Klassensprecher der Sekundarstufe I und II, nein, Gleiches auch für Klassensprecher der Grundschulen.

Wissen Sie, ich versuche mir gerade einmal so ein bisschen in der Praxis vorzustellen, wie das aussehen soll, wenn der Schulleiter das Benehmen mit einem 8-Jährigen in der 2. Klasse über die Organisation von Unterricht herstellen soll.

(Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das erschließt sich mir noch nicht ganz.

(Unruhe im Hause – Glocke des Präsidenten)

Ganz ehrlich, das erscheint mir doch ein deutlicher Schuss über das Ziel hinaus.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie das alles ehrlich meinen, dann ist a) ein erheblicher Zeitaufwand erforderlich, um diese komplexen Zusammenhänge einem Kind zu erklären

(Abg. Martin Haller, SPD: Die 50er sind vorbei!)

es stellt sich im Übrigen gleichzeitig die Frage der Überforderung – oder b), es artet in eine solche simple Umsetzung altersangemessener Beteiligung aus, dass es wirklich schon fragwürdig wird.

Insgesamt ist es ein beeindruckender Tatbestandskatalog, der im neuen § 33 a aufgeführt ist. Da muss man sich teilweise schon fragen, wie viel Zeit das zunächst einmal alles dem einzelnen Schüler abfordert. Diese Zeit fehlt ihm dann auch beim Lernen.

(Zuruf der Abg. Bettina Brück, SPD)

Wie viel Zeit fordert es aber auch von den Lehrerinnen und Lehrern oder den Schulleitern, um das alles umzusetzen und in einen Prozess zu bringen: Sitzungspräsenz, Aufbereitung der Materie und möglicherweise hinterher noch die Durchführung einer Mediation zur Herstellung von Konsens? Es sei denn natürlich, man nimmt das Ganze hinterher in der Praxis dann doch nicht so ernst wie es im Gesetz steht. Dann wäre das auch eine Erklärung.

(Zuruf der Abg. Bettina Brück, SPD)

Es würde jedenfalls zu dem Verständnis von Demokratie und Mitwirkungsrechten passen, das die Ministerin bei den Hygieneplänen in den vergangenen Wochen an den Tag gelegt hat; denn sie wurden über die Köpfe der Hauptpersonalräte hinweg gemacht, obwohl die Lehrer sie nicht nur umsetzen sollen, sondern sie auch selbst an vorderster Front davon betroffen sind.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Frau Hubig, ich habe Sie in der letzten Sitzung des Ausschusses für Bildung danach gefragt. Sie haben zweimal gesagt, die Hauptpersonalräte wüssten Bescheid, und Sie haben alle mangelnde Transparenz von sich gewiesen.

(Staatsministerin Dr. Stefanie Hubig: Die Vorsitzenden! Sie müssen mich schon richtig zitieren!)

Frau Hubig, ja, auch die Vorsitzenden wussten nicht Bescheid. Die Wahrheit ist, dass sie nach der Sitzung abends um 19.28 Uhr eiligst per E-Mail eine Einladung an die Hauptpersonalräte zu einer Telefonkonferenz am nächsten Morgen veranlasst haben, um den Entwurf des Hygieneplans zu erörtern.

(Zuruf der Abg. Bettina Brück, SPD)

Ich weiß nicht, warum Sie an der Stelle den Ausschuss hinter die Fichte geführt haben.

(Unruhe bei der SPD – Zurufe von der SPD und Staatsministerin Dr. Stefanie Hubig)

Ich weiß auch nicht, ob man die Personalräte einfach vergessen hat oder ob man es bewusst über deren Köpfe hinweg gemacht hat. Ich weiß nur, das ist jedenfalls keine gelebte Demokratie.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch zwei weitere Punkte ansprechen.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sie können es nicht lassen!)

In § 1 Abs. 6 neu heißt es: „Im Bedarfsfall können digitale Lehr- und Lernformen an die Stelle des Präsenzunterrichts treten.“

(Unruhe bei der SPD – Glocke des Präsidenten – Die Rednerin dreht sich zum Präsidenten um)

Nein, ich habe nicht wegen Ihnen geläutet. Sie haben noch ein bisschen Zeit.

Das ist sicherlich eine gute Erkenntnis, gerade jetzt in den letzten Wochen durch Corona. Aber mit diesem dünnen Satz im Gesetz ist die Umsetzung noch lange nicht gewährleistet. Wenn das gelingen soll, dann werden Sie sich in Zukunft in diesem Bereich mehr anstrengen müssen. Dann ist es eben nicht mit engagierten Lehrern allein getan. Dann ist es auch nicht damit getan, lediglich Bundesmittel anzuzapfen. Dann bedarf es endlich einer durchgängigen Digitalstrategie.

Schließlich die Verpflichtung für eine Schulentwicklungsplanung im Grundschulbereich, Durchschnittskosten im Übrigen rund 10.000 Euro je Plan.

(Zuruf der Staatsministerin Dr. Stefanie Hubig)

Die Begründung lautet schlicht: Es besteht ein Bedürfnis. – Wenn man weiter fragt welches, dann heißt es nochmals schlicht: weil sich bei der Errichtung oder der Aufhebung die Frage des schulischen Bedürfnisses stellt. – Aha, kann ich da nur sagen. Also wenn Sie glauben, dass man auf diesem Weg Schulträger dazu bringen kann, kleine Grundschulen zu schließen, dann halte ich das jedenfalls für einen Trugschluss.

(Beifall der Abg. Dr. Adolf Weiland und Abg. Alexander Licht, CDU – Zurufe aus dem Hause: Oh!)

Das Thema hatten wir bereits. An der Stelle melde ich große Zweifel an.

Abschließend: Wir haben zur Kenntnis genommen, dass Sie dieses Gesetz schnellstmöglich in den nächsten Wochen unter Dach und Fach bringen wollen. Das kann man so machen. Allerdings hat uns schon ein Stück weit in der jetzigen Zeit die Prioritätensetzung bei dem Thema verwundert. Wir hätten gedacht, es sei dringender, endlich einmal zum Beispiel die Schulbaurichtlinien in Angriff zu nehmen, damit ein zeitgemäßer Unterricht möglich ist; oder eine Digitaloffensive für die Zeit nach den Sommerferien, die wir definitiv brauchen, oder vielleicht auch ein verantwortungsvoller Plan für die Öffnung der Kitas in den nächsten Wochen, die dringend notwendig ist. Das sind Dinge, die auch eine Menge Arbeit verursachen. Ich glaube, es wäre vordringlicher gewesen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion wird Abgeordnete Brück sprechen.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung kann eben auch mehr als eine Sache gleichzeitig

und viele Dinge parallel auf den Weg bringen.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Nur nichts richtig!)

Deshalb ist im Koalitionsvertrag festgelegt, wir wollen Demokratieerziehung in unseren Schulen stärken, insbesondere die Mitwirkungsrechte von Schülerinnen und Schülern deutlich erweitern, und wir haben das Versprechen gehalten. Die Landesregierung setzt mit diesem Gesetzentwurf die Zusagen aus dem Koalitionsvertrag um: in ein modernes und vielleicht das modernste Schulgesetz in Deutschland.

(Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)

Die Landesschüler*innenvertretung hat sogar gesagt, in eines der schülerfreundlichsten Schulgesetze in Deutschland.