Protocol of the Session on May 28, 2015

Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, begrüße ich als Gäste auf der Zuschauertribüne Landseniorinnen und -senioren des Bauern- und Winzerverbandes der Vorder- und Südpfalz. Seien Sie ganz herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Frau Kollegin Raue von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren, auch uns stimmt die steigende Gewalt gegen Polizistinnen,

Polizisten und andere Amtsträger besorgt. Wir müssen aber außerdem feststellen, dass diese Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft alle Bereiche betrifft. Hier müssen wir Verantwortung übernehmen, und mit dieser Entwicklung müssen wir uns auseinandersetzen. Einfache Lösungen gibt es hier nicht. Es geht eben nicht so einfach, wie sich die CDU das denkt: einen neuen Straftatbestand einführen, und schon ist Schluss mit Kriminalität.

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie fragen: Ist es das, was Sie von der Einführung eines weiteren Straftatbestandes erwarten? – Sie behaupten, dass wir damit dem Schutz unserer Beamtinnen und Beamten Sorge trügen, aber das ist falsch.

Wenn das stimmen würde, hätte die Gewalt gegen Polizeibeamte seit 2011 bereits sehr deutlich zurückgehen müssen. Da nämlich hat die damalige CDU-geführte Bundesregierung schon eine Verschärfung des § 113 Strafgesetzbuch durchgebracht und unter anderem das Strafmaß drastisch erhöht. Gebracht hat es rein gar nichts, ein deutlicher Beweis für die Sinnlosigkeit Ihrer Forderung.

Außerdem widerlegen alle Studien, dass eine Erhöhung der Strafbarkeit zu einer Verringerung von Kriminalität führt. Kriminalität hat ihre Wurzeln. Damit müssen wir uns beschäftigen. Auf den ersten Blick und oberflächlich gesehen hat Ihr Vorschlag durchaus Vorteile. Er suggeriert dem geneigten Publikum, dass wir etwas tun, er kommt in der Öffentlichkeit gut an, und er ist billig. Eines ist er aber nicht: wirksam. Das ist nicht die gute Politik, die wir wollen.

Unsere Strafrechtsordnung bringt selbstverständlich sehr deutlich zum Ausdruck, dass unsere Gesellschaft Gewalt nicht duldet, keinerlei Gewalt, gegen Polizisten nicht, gegen Rettungssanitäter nicht und auch nicht gegen Menschen ohne jeglichen Amtsbezug. Das wissen Sie aber alles selbst, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion. Sie hoffen doch nur darauf, dass das, was Sie in SchleswigHolstein und anderswo nicht durchgebracht haben, nun in Rheinland-Pfalz vorangebracht werden kann. Hier darf ich Sie aber enttäuschen. Das wird mit uns nicht gehen.

Wer eine Regelungslücke behauptet, geht damit völlig an der bestehenden Rechtslage vorbei. Wer das behauptet, ist doch eigentlich recht unzufrieden mit den Urteilen, die unsere Justiz spricht. Herr Lammert, Sie haben es deutlich angesprochen. Sie haben gesagt, es müsse stärker sanktioniert werden. Es geht Ihnen doch im Kern gar nicht darum, eine Regelungslücke zu schließen. Eine Regelungslücke ist doch gar nicht vorhanden. Nein, Ihnen geht es darum, dafür zu sorgen, dass härtere Urteile ausgesprochen werden, und zwar gegen die bisherige Rechtspraxis.

Richterinnen und Richter bemühen sich in jedem einzelnen Fall um einen angemessenen Strafausspruch. Das ist ihre gesetzliche Pflicht, und das ist eine Aufgabe, der sie sich in jedem Einzelfall und mit großem Verantwortungsbewusstsein jedes Mal persönlich stellen.

Schon jetzt sieht das Recht vor, dass die Schwere der Tat und ihre Bedeutung für die verletzte Rechtsordnung eine Grundlage der Strafzumessung ist. Schon jetzt also kann der Amtsbezug der Tat strafschärfend wirken. Geben Sie sich damit zufrieden, und lassen Sie die Richterinnen und

Richter in ihrer Unabhängigkeit und ihrer Souveränität das tun, was sie dem Gesetz nach verpflichtet sind zu tun: eine jeweils schuldangemessene Strafe zu verhängen.

Die zunehmende Gewalt im öffentlichen Raum ist besorgniserregend. Das beschäftigt unsere Fraktion schon seit Langem. Hier können und müssen wir Verantwortung übernehmen. Wir möchten aufzeigen, welche Mittel definitiv ungeeignet sind, diesem Phänomen zu begegnen, nämlich die von Ihnen geforderten weiteren Strafbarkeiten.

Zum anderen wollen wir uns den wirklichen Ursachen widmen und Ansätze für eine Lösung suchen. Wir beantragen daher ebenfalls, das Thema im Innenausschuss weiter zu behandeln und uns dort im Rahmen einer Anhörung mit den echten Gründen für den Anstieg von Gewaltbereitschaft zu befassen. Damit übernehmen wir echte Verantwortung für unsere Beamtinnen und Beamten. Der Ruf nach Strafbarkeit allein wird hier nicht weiterhelfen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Für die Landesregierung spricht Herr Minister Lewentz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schwarz, auch ich habe mich über diese Pressemeldung sehr gewundert. Man hätte schließlich heute Morgen die Debatte suchen können, wenn man diese Schärfe in den Saal bringen wollte.

(Alexander Schweitzer, SPD: Ja!)

Herr Lammert, da ich Sie kenne und da Sie eigentlich anders sind, nehme ich an, dass das eine Auftragsformulierung gewesen ist.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Ausschreitungen bei der Eröffnung der EZB am 18. März 2015 – die Vorredner sind darauf eingegangen –, ich könnte aber auch die HoGeSa in Köln nennen, haben uns allen wohl sehr plastisch gezeigt, welches Ausmaß Gewalt gegen Polizisten, Rettungskräfte und Feuerwehrleute annehmen kann.

Auf meine Initiative hin haben die Innenminister der Länder das Ausmaß der Gewalt bei einer Sonderinnenministerkonferenz in Brüssel thematisiert und sich einhellig scharf dagegen ausgesprochen. Dafür danke ich sehr.

Auch an dieser Stelle will ich unseren Polizistinnen und Polizisten, die sich täglich für die Innere Sicherheit engagieren und dabei immer wieder angepöbelt, respektlos behandelt und angegriffen werden – ich bin der Überzeugung, dass wir alle der Meinung sind, dass wir das nicht

nur nicht hinnehmen dürfen, sondern auch nicht hinnehmen werden – ein herzliches Wort des Dankes sagen.

(Beifall bei SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will uns allen noch einmal in Erinnerung rufen, dass diese Landesregierung sehr viel tut, um die Sicherheit der Polizei zu verbessern. Lassen Sie mich einen Blick auf die Schutzausstattung werfen. In ganz enger Abstimmung mit den Praktikern, nämlich mit den Beamtinnen und Beamten in unserem Land, haben wir die Ausrüstung in den vergangenen Jahren immer weiter optimiert und neuen Anforderungen angepasst. Eine gute Schutzausstattung kann nämlich helfen, das Risiko von schweren Verletzungen zu reduzieren. Jährlich investieren wir etwa 600.000 Euro in die Ausrüstung unserer Polizistinnen und Polizisten. Ich möchte an dieser Stelle als Beispiele nur Polizeieinsatzhelm, Atemschutzmaske, Einsatzstock, Körperschutz, ballistische Schutzweste sowie Schutzdecke in den Streifenwagen nennen. Das sind nur einige Beispiele.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor dem Hintergrund der Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten müssen alle rechtlichen und taktischen Möglichkeiten geprüft werden. Ich denke, darin sind wir uns alle einig. Es gilt besonders, eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Aggressoren zu erreichen. Daher ist in Rheinland-Pfalz bereits die Videodokumentation aus Funkstreifenwagen heraus – dort waren wir die Vorreiter – in enger Abstimmung mit den Datenschützern eingeführt worden.

In wenigen Wochen werden zudem Körperkameras, besser bekannt als Body-Cams, auf meinen Wunsch hin auch bei uns in den Städten Mainz und Koblenz bei einem Pilotprojekt zum Einsatz kommen. Die Kollegen in Hessen haben damit gute Erfahrungen gemacht. Wir werden den Einsatz der Kameras nun mit wissenschaftlicher Begleitung erproben und dann über eine flächendeckende Einführung entscheiden.

Sie sehen, wir tun bereits sehr viel, um dem Phänomen der Gewalt gegen Polizisten konsequent und auch mit präventiven Ansätzen zu begegnen.

Wir alle wissen, die Polizei setzt sich jeden Tag rund um die Uhr für die Belange der Bürgerinnen und Bürger ein. Oft riskieren die Beamten dabei ihre eigene Gesundheit. Die Entwicklung der Fallzahlen in der Kriminalstatistik zeigt diese Dimension. Im Jahr 2014 wurden insgesamt – das wurde bereits erwähnt – 1.339 Gewaltdelikte gegen Polizeibeamte in Rheinland-Pfalz registriert. Dies bedeutet im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um 3,6 %.

Den Schwerpunkt bildeten hierbei mit einem Anteil von über 60 % dieser 1.339 Delikte die Widerstandshandlungen. Im Vergleich zum Vorjahr sind diese um 12,5 % angestiegen. Dabei ist der Anteil der Körperverletzungsdelikte zum Nachteil von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten – ich sage das ausdrücklich – glücklicherweise um etwa 12 % auf 421 Taten gesunken. Das könnte auch an der verbesserten Ausrüstung gelegen haben. Jedoch mussten 50 % mehr Bedrohungen festgestellt werden, 84 insgesamt im Jahr 2014.

Die Zunahme an Gewaltdelikten gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, aber auch gegen Feuerwehrleute – ich habe eingangs darauf hingewiesen –, Rettungsdienstkräfte und Beamtinnen und Beamte des öffentlichen Dienstes betrachtet die Landesregierung mit großer Sorge. Letzterer Personenkreis – Beamtinnen und Beamte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes – wurde uns in der Innenministerkonferenz insbesondere von den Kolleginnen und Kollegen aus den neuen Bundesländern ans Herz gelegt. Hier kennen wir einzelne Beispiele aus Sozialämtern und aus der Arbeitsverwaltung. In den neuen Bundesländern scheint das ein sehr verbreitetes Phänomen zu sein.

Die Zunahme an Gewaltdelikten gegen Polizeibeamte und den gesamten Personenkreis, den ich eben genannt habe, sehen wir natürlich mit allergrößter Sorge. Deswegen haben wir bereits zahlreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte zu bekämpfen.

Sie erinnern sich, bereits im Januar 2012 legte die von meinem Haus eingerichtete Arbeitsgruppe „Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte“ ihren Abschlussbericht vor. Durch die Umsetzung der erarbeiteten Maßnahmen in den Bereichen Aus- und Fortbildung, Ausstattung – darauf bin ich eingegangen –, Einsatznachbereitung, Sachbearbeitung und Fürsorge haben sich Handlungssicherheit und Abläufe bereits wesentlich verbessert.

Ich habe es eingangs kurz am Beispiel der Ausrüstung geschildert.

Dennoch ist die Zahl der infolge von Angriffen verletzten und langfristig dienstunfähigen Beamtinnen und Beamten natürlich deutlich zu hoch. Daher stellt das Thema Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte weiterhin einen Arbeistsschwerpunkt des Innenministeriums dar. Das können die Kolleginnen und Kollegen von ihrer vorgesetzten Dienststelle auch erwarten.

So wurde zum Beispiel das Forum Gewalt gegen die Polizei ins Leben gerufen, um alle aktuellen Initiativen zur Reduzierung der Gewalt in den landesweiten Arbeitsgruppen oder in den Polizeibehörden zu erörtern, Impulse aus der polizeilichen Praxis aufzunehmen und Anregungen sowie Bestrebungen anderer Bundesländer zu bündeln. Hierdurch sollen insbesondere weitere Verbesserungen im Hinblick auf die taktische Vorgehensweise, Schutzausstattung, Führungs- und Einsatzmittel, Aus- und Fortbildung, Für- und Nachsorge sowie Betreuung gewonnen werden.

Wie bereits dargelegt, muss alles unternommen werden, um die Gewalt gegenüber Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zu minimieren. Dabei dürfen auch rechtliche Änderungen des Strafgesetzbuches grundsätzlich kein Tabu sein. Über eine konkrete Ausgestaltung, wie es die hessische und die saarländische Initiative vorschlagen, wird sicherlich intensivst zu diskutieren sein.

Ich stimme daher natürlich der vorgesehenen Verfahrensweise, Beratung im Innenausschuss, ausdrücklich zu.

Ich will allerdings auf eines verweisen – Frau Raue hat darauf hingewiesen –, die Verschärfung des § 113 StGB. Eine

Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz – also A- und B-Zusammensetzung – hat einen Abschlussbericht beauftragt, wie wir zum jetzigen Zeitpunkt diese Verschärfung denn bewerten, ob sie etwas gebracht hat. Der Abschlussbericht liegt inzwischen vor. Er kommt zu dem Ergebnis – A- und B-Abschlussbericht –, dass anhand der vorliegenden Daten keine Aussage darüber getroffen werden kann, ob die Änderung des § 113 StGB im Jahr 2011 zu einem verbesserten Schutz geführt hat.

Darüber hinaus stellt die AG fest, dass insbesondere andere Instrumente, die sich unmittelbar auf die Einsatzbedingungen der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten beziehen, also verbesserte Ausstattung, Maßnahmen der Aus- und Fortbildung, Fürsorge usw. – ich bin ausführlich darauf eingegangen –, geeigneter sind, die Wirksamkeit von Maßnahmen zum Schutz von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zu beurteilen.

Ich stelle auch gerne diesen Abschlussbericht in den Ausschussberatungen vor. Das wird die Handlungsgrundlage für uns in der Innenministerkonferenz natürlich zu einem guten Stück sein. Noch einmal, der ist nicht parteilich motiviert geschrieben worden. Das ist ein Bericht von A und B, spiegelt also die Zusammensetzung der Innenministerkonferenz wider.

Ich freue mich auf die Beratungen im Innenausschuss, und dann werden wir schauen, wo wir am Schluss landen werden.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist von allen Seiten deutlich gemacht worden, dass der Antrag an den Innenausschuss überwiesen werden soll. – Das ist einstimmig so der Fall. Dann wird der Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 16/5031 – „Steigende Gewalt gegen Polizisten – Eigenen Straftatbestand einführen“ an den Innenausschuss überwiesen.

Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf: