Protocol of the Session on May 27, 2015

Die Burgenbloggerin schrieb: „Die Reflexe funktionieren. Ein Hämmerchen fällt auf das Knie, das Schienbein schnellt nach vorne zum Tritt.“

(Heiterkeit bei der SPD)

Wissen Sie, diese abgedrehte, abgewetzte, abgedroschene Abscheu- und Empörungsrhetorik, dieses floskulöse Phraseologisieren war nie meine Sprache. Da bin ich auch nach 20 Jahren Politik Journalist geblieben.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich werde auch nie „Allgemeinplätzchen“ backen. Über eine Rede der CDU-Fraktionsvorsitzenden zur Eröffnung einer Kunstausstellung am Mittelrhein im Ludwig-Museum Koblenz – kein Mikrofon, das nicht geschnappt würde – las ich im Feuilleton: „Wohlfeile, generös gestreute ,Allgemeinplätzchen‘, dazu der irritierende Reflex, auch hier das wertetreue Profil ihrer Partei hochzuhalten. Die versammelte Kulturgemeinde quittiert mit wildem Augenrollen.“

(Heiterkeit bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Julia Klöckner, CDU: Ja, ja, sehr witzig!)

Das war zitiert. Mein Interview war hart, aber herzlich. Ich habe ab und zu übertrieben, ich habe überzeichnet,

(Frau Julia Klöckner, CDU: Ach was?)

ich habe zu drastisch formuliert. Ich wollte nicht kränken, aber in bester Absicht provozieren, kritisieren und wecken, nicht wehtun. So haben das auch die meisten Menschen gesehen, die mir geschrieben haben

(Frau Julia Klöckner, CDU: Ja klar!)

oder die sich im Internet gemeldet haben. Die anderen bitte ich, es auch so zu bewerten. In den Worten eines Tweets: Klare Worte statt heißer Brei. –

Meine Damen und Herren, es ist wahr, dass es an Gemeinsamkeiten im Weltkulturerbe mangelt. Ein Beispiel von dieser Woche: Die Einführung einer elektronischen Gästekarte für die touristische Region Mittelrhein ist gescheitert und wird auch 2016 nichts werden. Die Touristiker – so lese ich es in der „Rhein-Zeitung“ – seien ernüchtert nach einem Jahr Diskussion. Keine Zuständigkeit der Landesregierung.

Ich sage wie der neue Vorstand des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal in einem Interview der „RheinZeitung“ letzte Woche: „Das Wir-Gefühl im Welterbe soll noch gestärkt werden.“ Ja, dieses Gefühl, Weltkulturerbe zu sein, stolz darauf zu sein! Was wären die ande

ren stolz darauf, wenn sie es würden: die Bayern oder die Baden-Württemberger mit Schwetzingen. Sie haben es schon tausendmal probiert. Nichts ist daraus geworden. Neuschwanstein, nichts ist daraus geworden. Aber Rheinland-Pfalz hat es geschafft, übrigens unter einer sozialdemokratisch geführten Landesregierung, wenn ich das einmal so einstreuen darf.

Meine Damen und Herren, als Beauftragter der Landesregierung für die UNESCO-Welterbestätten in RheinlandPfalz hatte ich wiederholt die Chance, mich bei den Sitzungen des Welterbekomitees für das Obere Mittelrheintal zu engagieren. Landrat a. D. Bertram Fleck, Ihr Parteifreund, wird es Ihnen bestätigen. Er war 2010 in Brasilia dabei, 2013 in Phnom Penh. 2010 kam es darauf an, in einem Beschluss des UNESCO-Welterbekomitees zu erreichen, dass der Bau einer Brücke nicht, wie vorher vorgeschlagen, rundweg abgelehnt wird, sondern dass es dann im Beschluss hieß – wörtlich –: Die Prüfung auf visuelle Beeinträchtigung zeigt, dass die Brücke visuell akzeptabel wäre. –

2013 in Phnom Penh ging es um die Seilbahn in Koblenz. Die Stadt Koblenz hatte versprochen, sie nach der Bundesgartenschau wieder abzubauen. Nachdem es ein Erfolg war, wollte man natürlich diese Seilbahn behalten. Der Beschlussvorschlag war, diese Seilbahn sofort abzubauen. Es konnte erreicht werden, dass das Welterbekomitee beschloss, die Seilbahn bis zum Ende ihrer technischen Betriebsdauer 2026 in Betrieb zu lassen. Ich kann mich erinnern, dass auch manche von Ihnen, vielleicht nicht die, die hier sitzen, aber die, die im Welterbetal in der Kommunalpolitik arbeiten, also Bürgermeister, Oberbürgermeister, viele Kommunalpolitiker, viele Bürger, bis hin zu Karnevalspräsidenten, mir geschrieben haben und freudig auf die Nachricht reagiert haben, dass Beschlüsse zu unseren Gunsten und nach unseren Vorstellungen geändert worden sind.

Das müssen Sie erst einmal schaffen. Dort sind 151 Staaten vertreten. Sie warten darauf, dass Rheinland-Pfalz endlich kommt und sie aufhält. Es wird eine lange Liste von Beschlüssen gefasst. Die meisten werden durchgewunken. Dann müssen Sie die Diskussion eröffnen. Das müssen Sie erst einmal erreichen. Dafür brauchen Sie eine Mehrheit. Das ist also ein sehr diffiziles Verfahren.

Ich habe mich versprochen. Es sind 195 Mitgliedstaaten, die auf Rheinland-Pfalz gewartet haben. Das müssen Sie also erst einmal organisieren. Uns ist es gelungen. Das ist damals auch von vielen gelobt worden. Herr Dr. Weiland, Sie waren da wahrscheinlich in Urlaub. Ich kann es Ihnen aber jetzt sagen, Sie können es auch nachlesen.

Wir haben jetzt in diesem Jahr die große Chance, fast sage ich, das Vergnügen , dass das Young-Expert-Forum der UNESCO, also Jugendliche aus 30 Nationen, sich am Rande dieser großen Welterbetagung in Bonn treffen, und zwar wo? In Rheinland-Pfalz, in Koblenz auf der Ehrenbreitstein. Das ist uns nicht geschenkt worden, das haben wir frühzeitig angeboten. Wir haben es, wenn Sie so wollen, angeleiert. Das wäre jetzt allerdings sprachlich etwas zu locker. Wir haben es eingefädelt, oder wie immer Sie es nennen wollen. Rheinland-Pfalz ist also Koopera

tionspartner des Auswärtigen Amtes mit der deutschen UNESCO-Kommission. Das haben wir schon vor einigen Jahren, als feststand, dass Bonn Austragungsort würde, so organisieren können.

Selbstverständlich werden die jungen Menschen aus 30 Nationen das Mittelrheintal und die Marksburg besichtigen. Wir haben jetzt schon großes Medieninteresse. Alle Botschafterinnen und Botschafter aus 195 UNESCO-Staaten werden die Möglichkeit haben, vom Petersberg in Bonn aus in das Mittelrheintal zu fahren. Es werden Exkursionen angeboten, auch nach Speyer, nach Trier und zum Limes. Das nur als ein Beispiel, wie wir Werbung für unser Land machen, auch bei der UNESCO.

Dass wir unsere Pflichten, die wir als UNESCOWeltkulturerbegebiet haben, erfüllen, indem wir regelmäßig Berichte vorlegen, kann ich Ihnen auch sagen. Der jüngste Bericht ist wieder, wie alle anderen, unbeanstandet gewesen.

Welterbe ist ein gewaltiges Strukturprogramm, so hat eine Zeitung geschrieben. Das könnte ich Ihnen im Einzelnen auch auflisten, ich glaube aber, die Zeit wäre zu lang. Ich könnte Ihnen die Millionen nennen. Ich nenne die Gesamtzahl. Da ist man bei rund einer halben Milliarde Euro, die seit der Titelvergabe UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal in dieses Tal geflossen sind, Landesmittel für sehr viele Projekte, für sehr viele Bauten. Jugendherbergen kann ich nennen. All diese Mittel hatten sehr große Effekte. Wir haben eine Steigerung der Touristenzahlen.

Wir haben zum Beispiel auf der Ehrenbreitstein, die, bevor sie saniert wurde, sagen wir es einmal so, nicht so einladend ausgesehen hat, jetzt im Jahr 500.000 Besucher. Es sind 500.000 zahlende Besucher auf der Ehrenbreitstein, nachdem das alles saniert und restauriert worden ist. Das hat natürlich Geld gekostet, etwa 50 Millionen Euro, Schloss Stolzenfels 15 Millionen Euro. Dort sind es etwa 30.000 Besucher im Jahr. Ich nenne jetzt nicht alles, ich kann es aber gerne, wenn Sie es wünschen, nachtragen.

Ich will noch auf eines hinweisen, nämlich dass viele in unserem Land stolz wären, Weltkulturerbe zu sein. Viele sind bestrebt, es zu werden.

An der Mosel gibt es eine Bürgerinitiative, auch an der Nahe. Bad Ems hat durchaus Chancen, auch die SchUMStädte. Eine Erweiterung des Limes von Remagen bis Bonn ist zu nennen. Es gibt große Begeisterung beim Remagener Bürgermeister.

Wir haben das Hambacher Schloss als Europäisches Kulturerbe-Siegel. Das haben sonst noch die Akropolis und das Kloster Cluny. Ich glaube, da sind wir in einer ganz guten kleinen Reihe.

Die Ebernburg ist Europäisches Kulturerbe. Wir haben das immaterielle Kulturerbe der Genossenschaftsidee, Raiffeisen Westerwald, mit dem wir nächstes Jahr mit sehr guten Chancen antreten werden.

Das sind alles nur Beispiele, wie das Weltkulturerbe die Menschen interessiert und wie es sie initiativ werden lässt. Es ist schön, dass Sie mir jetzt die Gelegenheit gegeben

haben, das vorzutragen.

Wenn Sie dazu noch Zahlen wünschen, kann ich sie gerne noch vortragen. Ansonsten würde ich Ihnen empfehlen, wie ich es an Pfingsten getan habe – das war da, wo Sie zu Hause sitzen mussten, weil Sie nicht in den Nationalpark durften –, ins Mittelrheintal zu gehen. Ich gebe Ihnen eine Empfehlung. Ich wurde trefflich bewirtet von einer der Welterbegastgeberinnen. Das ist ein öffentliches Lokal, Sie alle werden trefflich bewirtet.

(Vereinzelt Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber ich glaube, Ihre Empörung, wenn es sie denn gäbe, würde sich dann im Bopparder Hamm auflösen.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da Herr Staatssekretär Schumacher bildhaft gesehen aus dem Vollen geschöpft hat, zumindest zeitlich,

(Beifall bei der CDU)

erhält die Opposition noch vier Minuten zusätzliche Redezeit, sie hat also sechs Minuten und die beiden anderen jeweils vier Minuten Zeit in der zweiten Runde.

Herr Dr. Weiland, Sie hatten sich schon gemeldet, jetzt können Sie reden.

Herr Staatssekretär, einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Ihnen und mir ist folgender: Wenn ich zu Hause sitze, sitze ich im Mittelrheintal. Dann befinde ich mich da.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wenn ich zu Hause in eine Kneipe gehe, dann bin ich im Mittelrheintal und höre das, was die Menschen im Mittelrheintal über die Politik der Landesregierung, namentlich über Ihre Tätigkeit oder Nicht-Tätigkeit denken.

(Beifall der CDU)

Das, was Sie hier vorgetragen haben, ist symptomatisch für das Defizit, das Sie als Welterbebeauftragter neben dem Flurschaden hinterlassen, den Sie gemeinhin anrichten.

(Vizepräsidentin Barbara Schleicher-Rothmund übernimmt den Vorsitz)

Sie reden über die globalisierte Entwicklung der Welterbestätten. Sie reden über alles Mögliche.

Sie glauben, bei uns die Faszination für das Tal wecken zu müssen. Das ist doch lächerlich.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben lange unstrukturierte Ausführungen gemacht. Strukturen können Sie als langweilig empfinden, und zwar privat und vielleicht auch in Ihrem persönlichen Empfinden. Aber Sie sprechen hier als Staatssekretär und als Welterbebeauftragter.

(Beifall der CDU)

Da kann man eine gewisse logische Folge von Gedanken und eine gewisse Ernsthaftigkeit erwarten.