Protocol of the Session on April 29, 2015

Frau Klöckner, Sie maßen sich an, zwischen legitimen und illegitimen Flüchtlingen zu unterscheiden. Die Menschen hingegen haben deutschlandweit ihre tiefe Trauer über die Katastrophe zum Ausdruck gebracht. Frau Klöckner ist aber offensichtlich für ihren Populismus jede Gelegenheit recht.

(Zurufe von der CDU)

Hinter dem pseudomodernen Getue von Frau Klöckner steckt offenbar nichts anderes als die alte rechtskonservative CDU-Politik der Abgrenzung, meine Damen und Herren.

(Frau Elsner, SPD: So ist es!)

Frau Klöckners Idee, das Problem der Schlepperbanden ließe sich mithilfe von Polizei oder Militär in den Griff bekommen, ist ein Trugschluss.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Die Ergebnisse des EU-Sondergipfels sind enttäuschend. Sie bedeuten nur eine weitere Militarisierung des Grenzschutzes. Es sieht nicht so aus, als würde mit dem neuen Geld auch nur einem einzigen Boot geholfen, das noch vor der nordafrikanischen Küste in Seenot gerät. Die Abschottungspolitik der EU und der Bundesregierung geht unvermittelt weiter. Für die Schlepper ist das ein Millionengeschäft.

(Zuruf des Abg. Dr. Wilke, CDU)

Die einzig realistische Möglichkeit, ihnen ihre Geschäftsgrundlage zu entziehen, ist, den Flüchtlingen endlich legale Wege nach Europa zu eröffnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Unsere Aufgabe ist es nun, den Flüchtlingen in Not zu helfen. Wir GRÜNE fordern umfassende Maßnahmen zur Seenotrettung, und wir fordern die Fortführung des Programms Mare Nostrum. Wir brauchen dringend eine zivile europäische Seenotrettung.

Wir fordern eine EU-Außenpolitik, die sich ihrer Rolle in den Krisenländern bewusst ist und nicht mit eigenen

Exporten die lokalen Märkte kaputt macht. Wir fordern eine Außenpolitik, die nicht durch Waffenlieferungen zur Destabilisierung in den Krisenregionen beiträgt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD – Unruhe bei der CDU)

Alle diese Forderungen werden von der CDU abgewiegelt. Es musste erst zu einer verheerenden Katastrophe kommen, bei der auf einen Schlag Hunderte von Menschen auf der Suche nach einer menschenwürdigen Existenz den Tod gefunden haben.

Während Frau Klöckner seit Monaten nichts Besseres zu tun hat, als inhaltlose, populistische Äußerungen zu tätigen und Schutzsuchende zu instrumentalisieren, arbeitet unsere Landesregierung mit Hochdruck daran, die Asylsuchenden, die zu uns kommen, vom ersten Tag an menschenwürdig aufzunehmen und sie in RheinlandPfalz willkommen zu heißen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir kümmern uns darum, dass die Menschen, die vor Krieg und Terror zu uns flüchten, hier Schutz finden und sich willkommen fühlen. Wir leben die Willkommenskultur, von der andere nur abstrakt faseln.

Wir arbeiten an konkreten Integrationsmaßnahmen und wollen den Flüchtlingen auf Augenhöhe begegnen. Die große Mehrheit der Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer zeigt sich solidarisch mit den Menschen, die in großer Not bei uns Zuflucht suchen. Dafür bin ich sehr dankbar.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege Kessel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Flüchtlingselend auf dem Mittelmeer hat ein dramatisches Ausmaß erreicht. Wir alle sind betroffen, und Frau Klöckner hat es auch geäußert. Unmittelbar nach der Präsidiumssitzung hat sie es mit der Kanzlerin ganz klar zum Ausdruck gebracht. Die Art und Weise, wie das jetzt hier dargestellt wird – – –

(Schweitzer, SPD: Ist Ihnen das aufgetragen worden?)

Das ist mir nicht aufgetragen worden, Herr Schweitzer. Das kann ich auch selbst so äußern, und das äußere ich auch hier.

Wir sind betroffen.

(Beifall der CDU)

Deutschland, die EU, wir alle dürfen angesichts dieser Ereignisse nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Wir müssen verhindern, dass weitere Menschen im Mittelmeer zu Tode kommen. Migration darf keine Frage von Leben und Tod werden. Um dies zu verhindern, bedarf es eines

(Schweitzer, SPD: Und wie denn?)

das werde ich Ihnen gleich sagen, Herr Schweitzer – konsequenten und vor allem solidarischen Handelns aller EU-Staaten.

(Beifall der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Auf dem EU-Sondergipfel zur Flüchtlingspolitik wurden hierzu erste Schritte vereinbart. Unter anderem haben die Regierungschefs der 28 EU-Staaten beschlossen, die Mittel für die Seenotrettung unter Führung von Triton und Poseidon auf 9 Millionen Euro pro Monat zu verdreifachen sowie den Kampf gegen Schleuserbanden zu verstärken; denn um wirklich Erfolg zu haben, müssen die Europäer gegen die Hintermänner der Schlepperbanden und deren Logistik an Land vorgehen. Nur so kann man diesem zynischen Geschäftsmodell die Grundlage entziehen.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Schweitzer, SPD)

Doch mit diesen Notmaßnahmen allein kann die Flüchtlingskrise nicht beigelegt werden. Um die Quadratur des Elends zu durchbrechen, brauchen wir eine europäische Gesamtstrategie, koordiniertes und solidarisches Handeln ist das Gebot der Stunde in Europa und für Europa. Dazu gehört eine Verbesserung der Situation in den Herkunftsländern; denn solange die Fluchtursachen nicht bekämpft werden, wird der Flüchtlingsstrom nicht abnehmen.

(Pörksen, SPD: Da mach‘ mal einen Vorschlag!)

Eine bessere Überwachung der Transitrouten – ein weiterer Vorschlag – sowie eine ausgewogene Verteilung der Flüchtlinge in den Aufnahmeländern.

Da die Konflikte vor unserer Haustür anhalten werden, muss sich Europa über eine Neuausrichtung der Asyl- und Migrationspolitik Gedanken machen. Ist etwa das Dublin-System, nach dem ein Flüchtling in dem Land Asyl beantragen muss, in dem er zuerst europäischen Boden betritt, noch zeitgemäß? Wie steht es generell um die Aufnahmebereitschaft in einzelnen europäischen Aufnahmeländern? –

Der Ansturm von Flüchtlingen auf Europa verteilt sich sehr ungleich auf die einzelnen Länder. Im Jahr 2014 haben nach Angaben von Eurostat über 626.000 Personen in den EU-Mitgliedstaaten ein Asylgesuch gestellt. Das sind 44 % mehr als im Vorjahr. Fast ein Drittel der Gesuche wurde in Deutschland registriert. Es folgten Schweden mit 13 %, Italien und Frankreich mit je 10 %.

Langfristig wird sich die EU zu einem Quotensystem durchringen müssen, um eine faire Pro-Kopf-Verteilung der Flüchtlinge vorzunehmen. Wir haben in Europa eine gemeinsame Verantwortung für die Flüchtlinge, die zu uns kommen.

Meine Damen und Herren, Asyl- und Flüchtlingspolitik ist stets eine Gratwanderung zwischen humanitärer Verpflichtung und realpolitischen Gegebenheiten. Die Bereitschaft der Menschen im Land ist groß, Flüchtlingen, die in ihren Heimatländern um Leib und Leben fürchten müssen, zu helfen und hier eine sichere Bleibe zu geben. Diese Willkommenskultur ist eine grundlegende Voraussetzung für die Umsetzung einer humanen Flüchtlingspolitik.

(Beifall der CDU)

Zu einer humanen Flüchtlingspolitik gehört, dass diejenigen, die die Flüchtlinge aufnehmen, sprich die Kommunen, auch die nötige Unterstützung von Land und Bund erhalten, um die großen Herausforderungen, vor welche sie durch den starken Anstieg der Flüchtlingszahlen gestellt werden, meistern zu können.

Zu einer humanen Flüchtlingspolitik gehört aber auch, dass die für die Aufnahme notwendigen Ressourcen zielgerichtet für die wirklich in Not geratenen Flüchtlinge eingesetzt und abgelehnte Asylbewerber zügiger und konsequenter in ihre Heimatländer zurückgeführt werden. Nur so gelingt es uns, dass das Asylrecht im Land bei steigenden Flüchtlingszahlen weiterhin eine hohe Akzeptanz behält. Nur so gelingt es uns, Ängste erst gar nicht aufkommen zu lassen und Ressentiments gegen Asylbewerber sowie Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte zu verhindern.

Wer die Hilfesuchenden mit offenen Armen aufnehmen will, muss sowohl die materiellen als auch die mentalen Voraussetzungen schaffen, um die Willkommenskultur in der Bevölkerung auf eine möglichst breite Basis zu stellen;

(Beifall bei der CDU)

denn nur so können wir unserer humanitären Verpflichtung in Rheinland-Pfalz, in Deutschland und in Europa nachhaltig gerecht werden.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Frau Kollegin Sahler-Fesel.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Also Herr Kessel, so kenne ich Sie gar nicht. Das Flüchtlingsdrama auf dem Mittelmeer führt uns auf schreckliche Art und Weise die Dimension des Flüchtlingsthemas vor Augen.

Aber wer die Seenotrettung einstellt, wer sich aus der Finanzierung verabschiedet, der musste miterleben, dass nach wie vor Tausende von Menschen lieber den Weg über das Mittelmeer suchen, mit allen Risiken, die dort herrschen, als in völlig aussichtsloser Lage in ihren Heimatländern zu verbleiben.