Protocol of the Session on March 19, 2015

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Baldauf.

Frau Präsidentin! Meine Ausführungen möchte ich unter das Leitwort stellen: Ein entschiedenes Nein zur Ausweitung der Sterbehilfe. Wehret den Anfängen. Die Verhinderung der Ausweitung der Sterbehilfe ist für eine humane Gesellschaft unabdingbar.

In den kommenden Monaten wird es im Deutschen Bundestag um die Frage gehen, ob und in welcher Weise Sterbehilfe durch aktive Mitwirkung am Suizid durch Angehörige, Ärzte, Organisationen oder Vereine erlaubt sein soll. Hier geht es nicht um Begleitung im Sinne der palliativen Therapie, sondern um Beihilfe zur Selbsttötung. Dies birgt eine große Gefahr, dass zukünftig in einer existenziellen gesundheitlichen Lebenssituation, beispielsweise nach einer Krebsdiagnose oder bei geringer Lebenserwartung, ein Druck entsteht, nicht das Leiden zu vermindern und bis zum natürlichen Ende zu begleiten, sondern das Leben des Leidenden aktiv zu beenden.

Im Vorfeld gibt es, wie stets bei entscheidenden Fragen, bei denen es um Leben und Tod geht, weitreichende öffentliche Diskussionen und politische Anhörungen auch hier. Es werden bereits Anträge formuliert und diskutiert, meinungsbildende Vereinigungen wie Ärzte

kammern, Vereinigungen der Ärzte, aber auch die beiden Kirchen äußern sich.

Wir müssen wissen, dass in einer zusehends säkularisierten Welt es immer schwerer wird, ethisch begründete Gesetze zu formulieren, die entscheidende Grenzen unseres Handelns aufzeigen.

Es wächst der Widerstand gegen Rechtsgrundsätze, die das individuelle und alles entscheidende autonome Handeln in irgendeiner Weise begrenzen wollen. Alles soll dem einzelnen Individuum erlaubt sein, wenn es aus freier Zustimmung geschieht. Jüngst schlug uns der Ethikrat sogar die Straffreiheit des Inzests vor.

Wo und warum also könnten bei der Beihilfe zur Selbsttötung, um die es hier im Wesentlichen geht, rechtliche Grenzziehungen zum Schutz gerade von kranken Menschen dringend geboten sein? Dies ist eine entscheidende politische und staatliche Aufgabe, die es zu beachten gilt. Auch im Rahmen der Achtung jeder Privatautonomie muss der Staat dennoch seine Schutzpflichten insbesondere gegenüber den Schwachen sehr ernst nehmen.

Worum geht es, und warum ist das Thema so turbulent geworden; denn gestorben wird in Würde, seit es Menschen gibt? Ich will es einmal etwas provokant formulieren. Vielleicht ist das so, weil aus demografischen Gründen die Gruppe älterer Menschen zunimmt und insbesondere die Gruppe älterer, suizidgefährdeter Menschen nachweislich stark anwächst. Der Grund der Gefährdung ist oftmals die Einsamkeit, die fehlende Lebensperspektive, häufig gepaart mit Depression, Behinderung, Pflegebedürftigkeit und hohem Alter.

Die hohen Kosten der Pflege und Behandlung, die triste Atmosphäre und die Perspektivlosigkeit, die Aussicht auf Schmerzen und die Angst davor, allen nur noch zur unzumutbaren Belastung zu werden – da scheint Selbsttötung für manchen die einzig willkommene und schnellere Lösung zu sein.

Dabei können wir unterstellen, dass viele dieser Menschen vor allem so nicht weiter leben wollen. Sie hadern mit ihrer Lage, sehen nichts Positives mehr und fühlen sich oft verlassen und in einer ausweglosen Situation. Doch die großen Erfolge der Suizidpräventionsarbeit zeigen uns inzwischen, auch bei einem auf Depression beruhendem Sterbewunsch besteht die große Chance, dass eine Vielzahl von therapeutischen Mitteln den Patienten tatsächlich sehr wirksam helfen kann, seinen Tötungswunsch aufzugeben.

Hier möchte ich noch einmal auf diesen großen Unterschied verweisen, der darin besteht, ob am Ende seines Lebens jemand sterben will, weil die Kraft nicht mehr reicht, was nicht selten der Fall ist, oder ob sich jemand selbst töten will und dafür sogar die aktive Mitwirkung eines Dritten verlangt oder erwartet.

Bisher darf ein Arzt in den meisten Ländern der Welt und auch bei uns diesem Wunsch nicht nachkommen. Eine stichhaltige ärztliche Begründung gegen aktive Beihilfe zur Selbsttötung und Tötung auf Verlangen formuliert Herr Professor Dr. med. Christoph von Ritter. Ich zitiere:

Angesichts dieser medizinischen Erkenntnisse wäre es ganz offensichtlich absurd, wenn ein Arzt anstatt Hilfe zur Therapie lediglich Respekt für diesen Wunsch äußern würde und sogar Unterstützung beim Selbstmord leisten würde. In ähnlicher Weise würde ein solcher Arzt dann wohl auch dem Wunsch des Alkoholikers nach Alkohol Folge leisten. Den Sterbewunsch eines Patienten zu erfüllen, Tötung auf Verlangen zu vollziehen, widerspricht ganz offensichtlich ärztlicher Ethik. – Sein Resümee: Der Arzt muss beim Sterben helfen und nicht zum Sterben helfen. Statt des Retters in der Not würde er sonst zum Richter über Leben und Tod. Diese Position vertritt auch der Präsident der Bundesärztekammer, Herr Professor Montgomery, der sich auf eine vorchristliche Tradition der ärztlichen Ethik beruft, die Hippokrates in seinem berühmten Eid formuliert hat.

Noch in der gemeinsamen Erklärung der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz von 1989 war klar, dass die Beihilfe zur Selbsttötung zu einem zerreißenden Konflikt zwischen der ärztlichen Berufspflicht, Anwalt des Lebens zu sein, und der ganz anderen Rolle, einen anderen Menschen zu töten, führen wird. Das wäre das Ende eines jeden Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patienten.

Seit einigen Jahren bieten Organisationen wie die Schweizer Dignitas oder der Verein von Herrn Dr. Kusch die professionelle Beihilfe zur Selbsttötung als Dienstleistung an. Es liegt auf der Hand, dass damit die Gefährdung der besonders suizidanfälligen Menschen ansteigt.

Eine der Menschenwürde und dem Schutz des Lebens verpflichtete Gesellschaft muss jedoch das Ziel haben, diesen Personen Lebens- statt Sterbehilfe zu leisten. Tatsächlich ist die Gefährdung von Menschen in schwierigen Lebenslagen durch die Angebote von Suizidhelfern nicht nur dann zu befürchten, wenn diese Angebote erwerbsmäßig erfolgen, sondern bereits dann, wenn Einzelpersonen oder organisierte Personengruppen ein für beliebig viele Wiederholungsfälle nutzbares Dienstleistungsangebot zur Verfügung stellen.

Ob dafür Geld fließt oder nicht, ist nicht entscheidend. Deshalb muss das Verbot, soll der Schutzzweck erreicht werden, jede auf wiederholte Tatbegehung gerichtete Suizidunterstützung durch Einzelpersonen oder organisierte Personengruppen umfassen. Der Deutsche Ärztetag hat mehrfach ein ausdrückliches Verbot der ärztlichen Beihilfe zu Selbsttötungen beschlossen. Dies muss aus meiner Sicht unsere Richtschnur sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Herr Kollege Dr. Alt.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und

sozialer Bundesstaat.“ So heißt es in Artikel 20 unseres Grundgesetzes.

Das Sozialstaatsprinzip gebietet Hilfeleistungspflichten der Gesellschaft dort, wo der Einzelne, gegebenenfalls auch mit Unterstützung seiner Familie, an die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit stößt. Gerade in schwierigen Entscheidungssituationen am Ende eines Lebens muss die Hilfeleistung der Gemeinschaft dem Menschen beistehen, wenn dies erforderlich ist und gewünscht wird.

Auch wenn ich aus Zeitgründen die Bedeutung der bestehenden Hilfsangebote, zum Beispiel der Palliativmedizin oder der Hospize, nicht im Einzelnen wiederholen kann, unterstreiche ich das, was meine Vorredner zu ihrer Bedeutung gesagt haben.

Meine Damen und Herren, Sterbebegleitung ist nicht nur ein besseres Wort als Sterbehilfe, sondern es signalisiert auch ein fundamental anderes Verständnis von der Aufgabe und dem besonderen Respekt vor dem Leben. Wie in allen modernen Gesellschaftsordnungen steht das Leben unter besonderem Schutz der Gemeinschaft. Für uns ergibt sich das aus Artikel 1 des Grundgesetzes.

Unter dem Schutz der Verfassung steht auch die Handlungsfreiheit des einzelnen Menschen. Der Versuch, das eigene Leben zu beenden, wird völlig zu Recht in unserer Gesellschaft als Hilfeschrei angesehen und nicht als etwas, das zu sanktionieren wäre. Wenn ein schwerkranker Mensch den Wunsch äußert zu sterben, muss auch das als Bitte um Hilfe und Beistand verstanden werden.

Doch auch wenn ärztliche und pflegerische Hilfe sowie mitmenschlicher Beistand vorhanden sind, gibt es Situationen, in denen der einzelne Mensch die Entscheidung trifft, nicht mehr weiterleben zu wollen. Das sind die Grenzfälle, von denen Jochen Hartloff eben gesprochen hat.

Der höchste Wert ist die Freiheit. Sie kann im Einzelfall auch die Freiheit einschließen, über den Zeitpunkt des eigenen Todes entscheiden zu wollen. Die Frage, ob dies wirklich der eigene, ernsthafte Wille ist, wird man anhand sehr enger Voraussetzungen zu beurteilen haben.

Aus grundsätzlichen Überlegungen der Entscheidungsfreiheit heraus spreche ich mich dafür aus, auch dem Menschen, der nicht Hilfe im Sterben, sondern auch Hilfe zum Sterben erbittet, bei dieser Entscheidung beizustehen und nach Beratung und Gesprächen dies zu akzeptieren, auch wenn es in der Konsequenz die Hilfe zu einer Selbsttötung mit einschließen kann.

Auf Ärzte darf unter keinen Umständen Druck ausgeübt werden, für eine Suizidassistenz zur Verfügung zu stehen. Umgekehrt sollte aus meiner Sicht aber auch kein Verbot, sei es im staatlichen Recht oder im Berufsrecht der Ärzte, existieren, das einen Arzt oder eine Ärztin daran hindert, nach gründlicher Abwägung einem schwer kranken und fest entschlossenen Menschen dabei zu helfen, seinen eigenen Tod herbeizuführen.

Eine gesetzliche Regelung des ärztlich assistierten Suizids mit dem Einfordern von Voraussetzungen würde dafür ein Stück Rechtssicherheit schaffen. In dieser Einschätzung hat mich ein Jahr Zivildienst in einem Krankenhausbereich Innere Medizin durchaus mit geprägt.

Die Verfügbarkeit von Hilfsangeboten der Palliativmedizin und der Hospizversorgung ist hierzu überhaupt kein gedankliches Gegenstück. Im Gegenteil, ohne eine gut ausgebaute medizinisch-pflegerische und menschliche Versorgung könnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, einen assistierten Suizid in unserer Rechtsordnung konkret vorzusehen. Dabei bin ich mir bewusst, dass auch dann noch viele Fragen offen bleiben werden und vielleicht auch nicht zufriedenstellend beantwortet oder gar in Paragrafen gegossen werden können.

Dabei lehne ich organisierte Formen der Sterbehilfe – um jetzt doch den Begriff zu verwenden – und in Vereinen ab. Es muss verhindert werden, dass an die Stelle der privatautonomen Entscheidung eine Gruppenentscheidung tritt, bei der sich der einzelne Mensch zu einer Entscheidung in die eine oder andere Richtung verpflichtet fühlen könnte.

Meine Damen und Herren, natürlich kann man bei der Abwägung der genannten Werte vor dem eigenen Gewissen auch zu ganz anderen Schlussfolgerungen gelangen. Für mich steht im Mittelpunkt das Vertrauen darauf, dass Menschen auch in schwierigsten Situationen in ihrer Willensentscheidung zu den für sie richtigen Schlussfolgerungen gelangen können.

Vielen Dank.

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Frau Kollegin Kohnle-Gros.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich von diesem Nachmittag, von dem, was Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber auch die Mitglieder der Landesregierung zu diesem Thema gesagt haben, total beeindruckt bin.

Ich will an das anknüpfen, was unser Landtagspräsident zu Beginn der Debatte gesagt hat. Ich selbst komme aus einer Generation und aus einer dörflichen familiären Struktur, die man sich heute so vielleicht nicht mehr vorstellen kann, aber ich habe es noch erlebt, dass vier Generationen – nicht nur drei, sondern vier – in einem Haus und der Rest der Familie im Dorf oder höchstens im Nachbardorf zu Hause waren. Das Sterben hat in dieser Struktur – Frau Anklam-Trapp, Sie haben das toll gesagt – dazugehört. Man hat sich vorher und nachher besucht, man hat einander beigestanden. Das war einfach ganz selbstverständlich.

Ich habe aber natürlich genauso wie Sie alle in den vergangenen 50 Jahren die Entwicklung mitgemacht, dass sich die Gesellschaft im familiären Bereich vollständig verändert hat. Die Medizin hat sich aber auch verändert. Wir haben ganz andere Möglichkeiten, lang und gesund zu leben. Trotzdem kommt aber irgendwann die Situation, dass der Tod – das haben Sie alle zu Recht gesagt –, der zum Leben gehört – das Leben geht bis zum Tod, es ist nicht das Sterben, sondern es ist das Leben, das bis zum Tod geht und erst dann endet –, das Leben vollendet. Das ist ein wichtiger Begriff, der im Wort „enden“ steckt. Es vollendet auch etwas. Es ist mir wichtig, das an dieser Stelle noch einmal zu sagen.

Bitte, wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass heute alte Menschen nicht mehr 65, sondern oft auch schon 95 Jahre alt sind. Ihre Kinder sind nach unserem Verständnis, das wir haben, selbst schon alte Menschen.

Das wird sich vielleicht auch noch einmal ein Stück weit verschieben müssen, damit wir wieder zueinanderkommen. Das heißt, die Herausforderungen für die Familien sind ganz anders.

Wer mich lange genug kennt, der weiß, dass ich mich für den Lebensschutz engagiere. Ich bin denen dankbar, die den Beginn des Lebens mit einbezogen haben. Zum Lebensschutz gehört auch das Ende des Lebens.

Ich will auch für mich sagen, dass unsere Gesellschaft in Deutschland christlich-abendländisch geprägt und demokratisch aufgestellt ist und das Interesse, das Kämpfen und das Eintreten für die Schwächsten in der Gesellschaft diese Gesellschaft ausmachen. Dazu gehören auch diejenigen, die zum Schluss krank, alt oder allein sind. Ich besuche sehr oft Menschen, die sich in der Hospizarbeit engagieren. Ich kenne die Altenheime und Krankenhäuser in meiner Region. Das, was man manchmal erlebt und hört, ist etwas ganz anderes. Das hat noch keine Rolle gespielt. Deswegen will ich es hier noch einmal sagen.

Für manche Menschen ist es nicht selbstverständlich, der Überzeugung zu sein, dass sie ein Leben gelebt haben, das rund war, und die Aufgaben, die ihnen das Leben gestellt hat, bewältigt sind. Die Familien sind heute oft nicht in der Lage, das mit dem Menschen, der an sein Ende kommt, so zu besprechen, dass er auch gehen und loslassen kann. Das ist eine Aufgabe, die heute die Hospizhilfe ambulant oder stationär leistet. Dafür müssen wir dankbar sein. Die Familien können das vielleicht nicht mehr in diesem Maß.

Lassen Sie mich noch einen Gedanken sagen, der auch hier gelegentlich angeklungen ist. Ich bin selbst kein großer Freund der Patientenvorsorgevollmacht. Ich bin aber ein großer Freund davon, diese Dinge mit Angehörigen oder mit Freunden zu besprechen, damit nachher irgendjemand weiß, wie ich mein Leben gelebt habe und wie ich es auch beenden möchte.

Wenn man dann jemand findet, ob es ein Freund, ein Familienangehöriger, ein Pfarrer oder wer auch immer ist, dann hat man einen wichtigen Schritt gemacht, um sein Leben abgerundet beenden zu können. Man weiß, es ist jemand da, der darüber informiert ist, wie ich den

ke, und der mit mir all diese Dinge über das Ende des Lebens besprochen hat. Das kann helfen, das Leben zu vollenden.

Ich bedanke mich.